Interview mit LONG LONG aus China, Tamino in „Die Zauberflöte“ in Hannover am 4. Oktober 2019
Anlässlich meines Besuchs der „Zauberflöte“ an der Staatsoper Hannover wurde ich auf den chinesischen Tenor Long Long aufmerksam, der mit seinen jungen Jahren schon einiges erreicht hat. Er sang an diesem Abend mit dem Tamino zum ersten Mal eine Mozart-Rolle und zum ersten Mal eine große Rolle an der Staatsoper Hannover, somit für ihn ein ganz besonderes Erlebnis und ein sehr wichtiger Abend. Long Long ist seit kurzem im Ensemble der Staatsoper Hannover.
Wie fühlen Sie sich nach einem solchen Auftritt als Tamino in Hannover?
Ich bin im Prinzip zufrieden mit meiner Performance, zumal es das erste Mal eine Mozart-Rolle ist, die mir einige technische Herausforderungen stellte. Zuvor sang ich in erster Linie Puccini- und Verdi-Arien, da kann man Technik bis zu einem gewissen Grad mit Emotion überdecken. Aber bei Mozart muss man seine Emotionen sehr kontrollieren, und damit treten technische Aspekte mehr in den Vordergrund – „ja, Mozart ist pure Technik.“ Ich benutzte heute Abend eine ganz andere Art des Singens. Es braucht eine andere Technik für die Stütze, auch für die hohen Noten, und ich sang mit nur etwa 70 Prozent meines Stimmvolumens, abgesehen von einigen dramatischeren Phrasen, ganz anders als bei Verdi und Puccini. Bei Mozart denke ich auch viel mehr an ein weiches Passaggio, er fordert ein „eleganteres Singen“, mit viel Legato. Ich habe ein etwas dunkleres Timbre und bin sehr erfreut darüber. Das kommt von den Stimmbändern - die Technik bringt dann die Brillanz!
Wie kamen Sie zum Operngesang?
Das ist eine ganz spezielle Geschichte. Mein Urgroßvater war Opernsänger, in der Chinese Opera. Wir haben vier Generationen von Chinese Opernsängern in der Familie, in der wir auch immer das Singen praktizierten. Mit acht Jahren begann ich, in die Chinese Opera zu gehen in meiner Provinz Shan Dong, nahe der nordkoreanischen Grenze. Schon mit drei Jahren konnte ich Arien aus der Chinese Opera singen. So bin ich also in einem Künstler-Umfeld aufgewachsen, und ich hatte immer den Wunsch, selbst zu singen und zu spielen. Als ich 16 war, spürte ich eine gute Stimme, zumal ich so gern sang, das stellte auch ein Gesangslehrer fest. Mit 17 begann ich dann als High-School-Student mit einem privaten Gesangslehrer nach dem Unterricht zu studieren.
Sein Studium, die Gesangslehrer und erste Rollen.
Mit 18 machte ich das Examen am China Conservatory of Music und absolvierte ein fünfjähriges Studium in Operngesang in Shanghai, graduierte dann mit 23 zum Bachelor of Music am Shanghai Conservatory of Music. Dann ging ich nach Beijing an die Peking University, der größten Universität in China, machte dort meinen Master Degree und studierte mit einem berühmten chinesischen Opernsänger, Yu Qiang Dai. Er war Tenor, sang u.a. Calaf, Rodolfo, Cavaradossi in London Covent Garden. Mit ihm studierte ich aber noch keine Rollen. Ich ging erst zum Bayerischen Opernstudio in München, womit meine Karriere im Prinzip startete. Die zwei Jahre, die ich in München lebte, waren sehr wichtig für mich. Hier arbeitete ich mit Diana Damrau, mit Charles Castronovo, Željko Lučić, mit Anna Tomowa-Sintow und vielen anderen. Ich möchte besonders meinen Gesangslehrer aus jener Zeit erwähnen, John Norris, ein Brite, der mich maßgeblich an der Bayerischen Staatsoper unterrichtete. Ich hatte in der Münchner Zeit auch schon einige kleinere Rollen, so den Albazar in „Il Turco in Italia“ mit Ildebrando D‘Arcangelo. Dann konnte ich auch mit Olga Peretyatko in einer Neuinszenierung der „Sizilianischen Vesper“ als Thibault mitwirken, sang ferner auch Abdallo in „Nabucco“.
Wie heißen Ihre bevorzugten Komponisten?
Mein beliebtester Komponist ist Tschaikowski. Seine Musik ist schon in meinem Blut. Ich genieße es, Tschaikowski zu singen, als wäre es von Gott gegeben. Die russische Musik ist besonders interessant, sie ist gewissermaßen eine Kombination aus westlicher und östlicher Musik und damit einem Chinesen wie mir näher, vom Atem her auch besser für meine Kehle. Natürlich liebe ich Verdi, Puccini und selbstredend Mozart. Aber dieser ist eine große Herausforderung, die ich jedoch liebe und gern annehme.
Wo haben Sie die Schauspielerei erlernt?
Diese habe ich an der Universität gelernt, aber sie kommt im Prinzip von innen. Man muss Talent haben, aber auch eine gewisse Erfahrung ist gut. Die Schauspielerei muss im Herzen beginnen. Man braucht Methode, muss als guter Opernsänger in der Lage zu sein, Gesang mit Emotion zu verbinden – das ist dann Kunst! Ideal ist eine Gleichgewicht zwischen Gesang, der Darstellung und der Projektion auf das Publikum. Um das festzustellen, ist auch der persönliche Applaus ein gutes Maß.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Nun werde ich noch viermal den Tamino in Hannover singen. Anschließend werde ich den 4. Juden in „Salome“ ebenfalls in Hannover singen. Dann steht der Wettbewerb „Neue Stimmen“ in Gütersloh auf dem Programm. In der Victoria Concert Hall in Singapur werde ich ein Recital geben. In Hannover steht Rodolfo im Dezember als Rollendebut auf dem Programm. Bei den Bregenzer Festspielen 2020 wird er den Herzog von Mantua singen, ein Rollendebut, nachdem er beim diesjährigen Bregenzer Eröffnungskonzert eingesprungen war. Er wird demnächst auch in der 9. Symphonie von Beethoven die Tenorrolle übernehmen.
Das möchte er noch sagen:
Ein Profi-Tenor an einem Opernhaus zu sein, ist wahrlich ein harter Job und erfordert sehr viel Geduld. Er beansprucht sehr viel meiner Zeit, um mich ständig weiterentwickeln und wachsen zu können. Aber ich genieße diesen Prozess. Ich liebe die Oper! Ich muss wirklich sagen, dass ich froh war, an das Münchner Opernstudio gehen zu können, dem besten Platz dafür in Deutschland. Ich studierte dort sehr viel und bekam auch sehr viel Erfahrung. Nächste gewünschte Rollen wären: „Rigoletto“-Herzog (kommt also in Bregenz 2020), Cassio in „Otello“, Alfred in der „Fledermaus“, Prinz im „Land des Lächelns“ und auch einmal in Glyndebourne auftreten.
Und zum Abschluss noch das Größte:
Long Long gewann kurze Zeit nach diesem Interview den Internationalen Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ der Bertelsmann Stiftung unter 43 Teilnehmern aus fünf Kontinenten in Gütersloh. Der neue Merker gratuliert ihm zu diesem großen Erfolg! Ich bin überzeugt, dass dieser begnadete Sänger, der bei aller Professionalität auch ein gerüttelt Maß an Humor und Herz hat, eine große Karriere vor sich haben wird.
(Das Interview wurde auf Englisch geführt).
Klaus Billand
www.klaus-billand.com
Foto: Jannes Frubel