Palermo
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PARSIFAL
NI am 30. und 31. Januar 2020
Parsifal als Erlöser von Religionskonflikten?!
Palermo spielte eine große Rolle am Ende des Lebens Richard Wagners, ein wie Goethe begeisterter Italien-Reisender. Denn hierher machte er seine letzte große Reise - abgesehen von seinem Winterdomozil im Palazzo Vendramino am Canale Grande in Venedig - wo er dann im Februar 1883 auch verstarb. Den Winter davor verbrachten er und Cosima in der sizilianischen Hauptstadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten, deren Bewunderung durch den Komponisten Cosima in ihren Tagebüchern minutiös festgehalten hat. Und hier beendete er sein Weltabschiedswerk „Parsifal“ am 13. Januar 1882. In ihrem Tagebuch vermerkt Cosima, dass am heutigen Tage der „Parsifal“ abgeschlossen wurde und Richard noch bei Mittagstisch gesagt hatte, er fürchte sich, von der Fertigstellung durch den Tod abgehalten zu werden. „Ich konnte einfach nicht loslassen“ meinte er auch deshalb. Nur zwei Tage darauf fertigte Auguste Renoir eine Bleistift-Zeichnung als Grundlage für seien berühmtes Ölgemälde aus den Tagen in Palermo an. Am 28. März 1882 hatte der Komponist einen schweren Herzanfall und die Familie verließ Sizilien mit Richtung Neapel Anfang April.
In Palermo logierte man in einer Drei-Zimmer-Flucht des eleganten - wie sollte es bei Wagners anders sein - Hotel Grand Palme in der Via Roma. Heute befindet es sich in einer Totalrenovierung. Der uniformierte Wachmann konnte mir nicht einmal sagen, ob man noch 2020 oder erst in der ersten Hälfte (sic!) 2021 fertig sein würde. Gern hätte ich mir das näher angesehen - das Zimmer, in der Wagner die letzten Takte des „Parsifal“ komponierte, das Beste, was er nach meinem Dafürhalten je geschrieben hat…
Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Wagner ausgiebig sah und studierte, gehören natürlich das Castello della Zisa, Monreale, der Palazzo Reale mit der Porta Nuova („Normannenpalast“, heute Regierungspalast von Sizilien, wo man von Dienstag bis Donnerstag (!) tagt, an den anderen können die Touristen rein), mit der vor „Staunen stumm“ machenden Capella Palatina, die nahegelegene Chiesa di San Giovanni degli Eremiti, Seite an Seite mit einer Moschee, sowie die Chiesa Santa Maria dell’Ammiraglio, kurz auch „La Martorana“ genannt, ebenfalls ein Juwel mittelalterlicher Baukunst (1143) mit überbordenden vielfarbigen, aber in erster Linie Gold-Mosaiken. Später erfuhr ich, dass Wagner sich neben dem Garten von Amalfi auch vom Garten der Eremiti zu Klingsors Zaubergarten animieren ließ. Ohne das zu wissen, hatte ich sofort das Gefühl, dass es so sein müsse. Gerade bei dezenter Beleuchtung am Abend strahlt dieser Garten - mit einer nicht aus der Ruhe zu bringenden schwarzen Katze als Wächterin - wahrlich mystischen Zauber aus.
Der Leser möge mir verzeihen, dass ich auf all das relativ ausführlich eingehe. Aber wenn man auf den letzten Spuren des Bayreuther Meisters in einem solchen Ambiente wandelt, in dem so Einzigartiges aus seinen Gedanken und seiner Feder entstanden ist, Maßgebliches für die Entwicklung der klassischen Musik und wohl der Musik schlechthin nach ihm, dann kann man einfach nicht anders… Sorry!
Nun aber zur Neuinszenierung des „Parsifal“ durch den Briten Graham Vick. Diese fand - in einer Koproduktion mit dem Teatro Comunale di Bologna - im zwar mittlerweile auch schon altehrwürdigen Teatro Massimo Vittorio Emanuele di Palermo statt, das es aber zu Wagners Zeiten noch nicht gab. Es ist der drittgrößte und einer der schönsten Theaterbauten Italiens, 1897 eröffnet, 1974 für nicht nur bautechnisch bedingte 23 Jahre (!) viel zu lange wegen Renovierungsarbeiten geschlossen und von Claudio Abbado mit den Berliner Philharmonikern 1997 feierlich wiedereröffnet. Noch heute sieht man Flecken und Farbverluste an vielen Deckenmalereien. Das Haus hat eine Sitzplatzkapazität von 1.250 und damit weiter weniger als oft behauptet wird, zumal es auch keine Stehplätze gibt. Der Saal prunkt in Gold und tiefroten Farbtönen. Von Größe (sechs Ränge, natürlich im Hufeisenformat) und Stil her erinnerte es mich sofort an die Scala di Milano, das Teatro San Carlo in Neapel und das Teatro dell’Opera in Rom, neben kleineren Bühnen in Italien und Frankreich in diesem Stil.
In totalem Kontrast zur Ästhetik dieses Theaterraumes - aber das soll ja im Prinzip nichts miteinander zu tun haben, obwohl ich doch sagen möchte, dass es gerade an diesen beiden Abenden so schockierte - erlebte ich einen thematisch und vor allem optisch völlig anders gelagerten „Parsifal“ als die beiden zuvor in Straßburg und Toulouse (siehe Rezensionen weiter unten). Von Graham Vick als Künstlerischem Direktor der Birmingham Opera Company kennt man ja seine Verliebtheit in zeitgenössische und sozialorientierte Interpretationen. An Mystik wie bei Bory in Toulouse oder metaphysische Gedanken zur Einheit von Natur und Mensch in göttlichem Kontext bei Miyamoto in Straßburg war also gar nicht zu denken. Schon vor Beginn blickt man in Timothy O’Briens minimalem Bühnenbild - wenn man überhaupt von einem solchen sprechen kann und will eine profane rechteckige Pressspan-Platte als Spielfläche mit einem knorrigen alten Baum bis nach hinten auf die 123 Jahre alte Brandmauer, Feuerlöscher und allerlei Gerümpel inklusive. Der obere Teil der Mauer erinnert mit seinen großen Quadern an die Klagemauer in Jerusalem. Ab und zu taucht überraschend - oder eben auch nicht, ganz wie man will - ein geschäftiger Bühnenarbeiter auf… Ein immer wieder mal hochgezogener grauer bis bunter Prospekt (Karfreitagszauber) vermag dennoch manchen Szenen auch optisch Sinn zu verleihen.
Kurioserweise - nach heutigen Inszenierungsusancen - geht zu Beginn des Vorspiels erst mal der Vorgang runter. Was dann kommt, ist zunächst kaum verständlich: Eine Truppe von US-amerikanischen GIs mit MGs im Anschlag kommt als Gralsritter und später gesamter Chor, während Amfortas im purpurnen Königsumhang, nur mit Lendenschurz bekleidet, schwerst leidend und aus der Wunde blutend mit Dornenkrone durch ihre Reihen robbt. Für die ungewohnten Kostüme - Parsifal dabei barfuß in banaler Straßenkleidung - zeichnete Mauro Tinti verantwortlich. Die Gralserhebung - in einer weißen Kaffeetasse, die er aus dem Boden in einem Sackerl hervorkramt (!), wird zu einer Szene blutiger Selbstverstümmelung. Denn nach dem Genuss des Blutes ritzen sich alle GIs alias „Ritter“ die Arme und manche auch beseelt die Stirn auf... Manche kommen mit den Druckverhältnissen im Blutschlauch auf den Messern nicht klar und bleiben (fast) trocken… Dass Titurel trotz seiner generalstabsmäßigen Ordens-Staffage auf der Brust in einem simplen grauen Business-Anzug aufkreuzt, bleibt ebenso kurios. Man hatte den Eindruck, es sollte von allem - sozusagen auf „Teufel komm‘ raus“ - etwas sein… Giuseppe Di Iorio war zwar für das Licht zuständig, hatte aber in dieser Hinsicht fast nichts zu tun.
Auch später werden immer wieder Gewalttaten bis hin zu Morden im Namen der Religion - irgendeiner - gezeigt. Dann aber sehr eindrucksvoll: Diese Szenen sind als beeindruckendes Schattenspiel hinter einem langen Vorhang zu sehen, der nach Belieben von den Akteuren auf- und zugezogen wird - Bert Brecht hat den wohl erfunden - während der beiden langen Verwandlungsmusiken im 1. und 3. Aufzug auf dem Weg zum Vickschen „Gralstempel“.
Es geht ihm ganz offenbar darum zu zeigen, dass auch bei einem „erleuchteten Papst“, wie er sagt, („papa illuminato“), wie dem gegenwärtigen Franziskus, der bekanntlich religiöse Intoleranz verdammt, Zwistigkeiten bis Feindschaften zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen Christen und Moslems et al. weiterbestehen, ganz abgesehen vom fortwährenden Antisemitismus. Man könnte die Reihe lange fortführen, erst recht, wenn man sich etwas vom rein Religiösen löst. Der Regisseur will den Finger heben gegen das - wie er in einer äußerst kurzen Regienotiz im Programmheft sagt - weitergehende „usare la religione per asserire il nostro tribalismo“, also das Weiterbetreiben eines Stammesdenkens mit Hilfe der Religion. In diesem Sinne, meint Graham Vick, hatten wir einen Parsifal noch nie so nötig gehabt wie jetzt. Und er hofft, dass er bald kommt.
Auf all das kommt man allerdings nicht gleich, wenn man die Inszenierung erlebt, was ja des Öfteren zu sehen bzw. nicht zu sehen ist, wenn stimmige und ernsthafte Gedanken sich nicht recht abbilden lassen in der dramaturgischen Umsetzung. Peter Konwitschny lässt grüßen.
So ist nur mit einiger Fantasie nachzuvollziehen, dass bei Klingsors Ruf nach seinen Rittern im 2. Aufzug die GIs, nun austauschbar bei ihm wie in einer Fremdenlegion im Dienst, halbnackt über die Bühne huschen, natürlich in den nicht nur von Vick auf den heutigen Theater- und Opernbühnen so begehrten weißen Unterhosen. Denn sie haben es offenbar gerade noch mit den Blumenmädchen getrieben. Dabei begann der 2. Aufzug denkbar spartanisch: Auf einem alten Bühnenstuhl sitzt Klingsor oben ohne mit dem Rücken zum Publikum, stark an einer Havanna rauchend, am Boden wie ein Hund die verhüllte Kundry, der Speer im Boden steckend auf der anderen Seite. Natürlich muss auch er bald die Hose runterlassen, denn man soll ja den Blutfleck an der Stelle sehen, wo er sich - offenbar erst kurz zuvor - entmannt hat, wohl ein Zeitraffer. Dass er dann fast den gesamten Rest seines Auftritts mit der Hose am Boden herumstraucheln muss, trägt nicht unbedingt zur Ernsthaftigkeit dieser doch bösen Figur bei, wie sie sich in der Musik abbildet, aber optisch wohl nicht zeigen darf… Bei Vera Nemirovas „Rheingold“ in Frankfurt/Main muss auch der Alberich mit runtergelassener Hose agieren. Scheinbar wird auch das nun langsam zu einem - allerdings ebenso fantasielosen wie unpassenden - postmodernen Stereotyp…
Dann einmal mehr ein Gruß an den Islam, denn kaum sind die Zaubermädchen verführerisch gekleidet aufgekreuzt, vermummen sich die meisten auch schon wieder im schwarzen Tschador, ein immer wieder gern gewählter Topos (z.B. Mielitz in Wien, Laufenberg in Bayreuth et al.) einer allerdings auch viel sublimer möglichen Referenz an den Islam in Wagners Bühnenweihfestspiel. Die Choreografie der tanzenden Mädchen ist jedoch sehr einfallsreich und dynamisch, attraktiv bis sexy auch ihre sommerlichen Kostüme. Beim Dialog zwischen Kundry und Parsifal steigt vorn eine riesige goldene Ikone auf, sicher eine Referenz an die beiden oben genannten Kirchen, die das Bildnis der Maria Magdalena zeigt (also Kundry!) und auch eine akustische Unterstützung bietet, die den Sängern bei Vick in dieser Produktion meist nicht zuteilwurde. Im Gegenzug zur Charakterisierung Kundrys als M. Magdalena kann man wohl Parsifals ostentative Geste des Erlösers am Kreuz genau bei ihrem „Und lachte!“ interpretieren - eine durchaus interessante Idee! Eindrucksvoll und mit einer gewissen Dynamik gelingt auch die „Speerübergabe“, indem Klingsor die Waffe schnell über drei Schergen reichen lässt und der letzte vor Parsifals Macht erstarrt, der ihn dann ruhig entgegen nimmt.
Am Ende siegt bei Vick natürlich die Menschlichkeit. Amfortas, der sich wie bei Mielitz in Wien schon in den Sarg seines vermummten herausgefallenen Vaters gesetzt hatte, wird völlig vom Speer geheilt. Sodann sehen wir die Verbindung der Zaubermädchen mit den wenigen noch überlebenden Soldaten und eine Gruppe lustiger Kinder, die durch den Karfreitagszauber wieder zum Leben erweckt wurden und nun im Finale von Parsifal humorvoll unterhalten werden… Im Sackerl war keine Tasse mehr drin - das Leben geht weiter, auch ohne Gral und mit der Jugend!
Im Sängerenseble ragen Tómas Tómasson als Amfortas und John Relyea als Gurnemanz heraus. Tómasson brilliert stimmlich und darstellerisch mit einem beeindruckenden Bassbariton bei guter Diktion und Resonanz. Relyea besticht den ganzen Abend über mit seinem unermüdlichen, tiefen und äußerst klangvollen Bass. Beiden ist hoch anzurechnen, dass sie ihre Rollen gleich am Tag darauf mit derselben Qualität sangen. Leider kann Catherine Hunold als Kundry nicht auf diesem Niveau mithalten. Sie hat zwar ein recht schönes, eher lyrisch betontes Timbre, kommt aber in den dramatischen Höhen des 2. Aufzugs schnell an ihre Grenzen, die bisweilen schrill klingen. Konsequenterweise singt sie die letzte Phrase „…dich weih' ich ihm zum Geleit'!“ um eine ganze Oktave tiefer! Erotische Ausstrahlung geht von Hunold auch nicht aus. Julian Hubbard bleibt als Parsifal auch hinter wahrscheinlich nicht nur meinen Erwartungen zurück. Das Timbre ist allzu baritonal gefärbt mit wenig tenoralem Glanz und nicht großer Resonanz. Auch bei Hubbard klingen manche Höhen scharf. Darstellerisch macht er seine Sache jedoch sehr gut. Thomas Gazheli ist ein prägnanter, aber etwas wortundeutlicher und bisweilen „bellender“ Klingsor mit übertriebener Mimik. Eine stärkere sängerische Betonung hätte seinem vokalen Vortrag gut getan. Auch er lässt schauspielerisch trotz der entbehrlichen Hosenbehinderung seine große Rollen-Erfahrung erkennen. Alexei Tanovitski singt einen guten Titurel als abgehalfterter General. Die Gralsritter Adrian Dwyer und Dmitry Grigoriev sowie die Knappen und Zaubermädchen und die Stimme aus der Höhe singen auf ansprechendem bis gutem Niveau.
Bei dem hochsitzenden Orchestra del Teatro Massimo unter der Leitung seines jungen und erst kürzlich bestellten GMD Omer Meir Wellber klang Wagners Musik viel plastischer und monumentaler als in Straßburg und Toulouse. Musikalisch war der Abend auch mit dem von Ciro Visco einstudierten Coro del Teatro Massimo und dem von Salvatore Punturo geleiteten Coro di voci bianche del Teatro Massimo ein Erlebnis. Der Dirigent bekam mit seinen Musikern vor dem 2. und 3. Aufzug völlig zu Recht starken Auftrittsapplaus und zusammen mit Tómasson und Relyea auch den meisten am Schluss.
Fotos: Franco Lannino und Roselinna Garbo
Klaus Billand/20.3.2020
www.klaus-billand.com
LA FILLE DU REGIMENT
am 13.3.2016
Die Tochter und ihr Regiment: Desiree Rancatore.
Wie oft hat man schon die Gelegenheit, eine Inszenierung aus dem Jahre Schnee 1959 wiederzusehen, die einem dazu auch noch erneut erfreut?
Im Teatro Massimo(dem drittgrößten Opernhaus der Welt) bot sich dieser Tage solch eine rare Chance: denn zum „Aufwärmen“ für die bevorstehende Oman-Tournée hatte man kurzfristig Franco Zeffirellis legendäre „La Fille du Régiment“- Produktion wiederaufgenommen.
Wer sich skeptischerweise eine zynische Export-Operation erwartet hatte, wurde eines Positiveren belehrt. Denn Filippo Crivelli hat die mythische „Fille“, die von Palermo ausgehend ihren Siegeszug über die ganze Welt angetreten hat, nämlich ordentlich auf Vordermann bzw. Vorderfrau gebracht und hübsch und lebendig herausgeputzt.
Zeffirellis Bühnenbilder orientieren sich ganz deklariertermassen an kolorierten Stichen aus der napoleonischen Zeit und vermitteln so – mit ihren gezeichneten Landschaften und Pappendeckel-Kanonen – die heitere Anmutung illustrierter Kinderbücher.
Seine Kostüme weisen zwar durchgehend dermaßen ungewöhnliche Farben und unwahrscheinliche Frabkombinationen auf, dass einem schier die Guckerln herausfliegen, aber insgesamt ist das Konzept – das die Story auf ihren märchenhaften Kern und das Regiment auf seine Zinssoldatenhaftigkeit zurückführt – doch sehr schlüssig und sehr bezaubernd.
Das wäre natürlich alles nichts wert, wenn nicht für so einen fantastischen Cast gesorgt worden wäre. In der Titelrolle brilliert einmal mehr die immer noch unglaubliche Desirée Rancatore. Am Anfang noch etwas klamm, schwang sie sich, warmgesungen, zu dem von ihr gewohnten spektakulären höhensicheren und virtuosen Kolarturfeuerwerk auf. Grossartigst.
Auf ihrem Liebsten, dem georgischen Tenor Shalva Mukeria lastete natürlich der Druck der allgemein erwarteten neun hohen C’s, die er jedoch, wenn auch mit angestrengter Mimik, bravourös meisterte. Wunderbar warm und souverän Vincenzo Taormina als Sulpice.
Ehrfurchtsgebietend und nicht nur mit ihrer mächtigen Stimme, sondern auch mit ihrem ungeheuren schauspielerischen und komischen Talent die Bühne beherrschend: Anna Maria Chiuri als Marquise de Berkenfield.
Ihr als ihr Gegenpart bissig Paroli gebend : Daniela Mazzucato als Duchesse de Krakenthorp.
Farbenfrohe Tiroler Bevölkerung.
Und das Ganze unter der Stabführung der hochgewachsenen und blondbeschopften kanadischen Dirigentin Keri-Lynn Wilson, die für spritzige und energische Tempi, aber auch für delikat austarierte lyrische Passagen sorgte.
Es blieben kaum Wünsche offen. Die sonst sehr zurückhaltenden Palermitaner Zuschauer reagierten enthusiastisch. Und die Omanis können sich auch auf eine rundum geglückte Regimentstochter freuen…
Robert Quitta 24.3.16
Mit besonderen Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)
Foto (c) Teatro Massimo
SIEGFRIED
am 23.12.2015
Brünnhilde aus dem Müllsack, Siegi fährt Gabelstabler...
Bereits im Wagnerjahr 2013 hätte Graham Vick am Teatro Massimo in Palermo den gesamten Ring inszenieren sollen. Das Unternehmen gedieh aber damals nur bis zur Hälfte, da ihm ein politisch motivierter Intendantenwechsel und eine akute Finanzkrise vorläufig ein Ende bescherten. Jetzt hat das zur Ruhe gekommene Massimo das ambitionierte Projekt wieder aufgenommen und bringt binnen zweier Monate die verbleibenden Teile der Tetralogie heraus. Rheingold und Walküre waren ein großer Erfolg, und wurden sogar mit einem renommierten italienischen Kritikerpreis bedacht.
Die Premiere von Siegfried hingegen(der ja übereinstimmender Meinung vieler Wagnerianer nach ohnehin das schwächste Werk des Zyklus ist) wurde soeben mit eindeutig weniger Beifall aufgenommen. Vick legt Wert auf einen „zeitgenössischen“ Ring, und daher spielt hier der erste Akt folgerichtig in einer Art Hartz IV-Wohnküche mit Fernseher, Aquarium, Stockbetten, Campingküche...
Mehr Unterschicht geht kaum. Jung-Siegi ist ein Schlurf im Trainingsanzug, der sehr an seinem riesigen Teddybären hängt, Fafner fährt einen Gabelstapler der Straßenreinigung, Brünnhilde wird aus einem Müllsack erweckt. So viel Hässlichkeit war nicht jedermanns Sache und rief daher zwiespältige Reaktionen hervor.
Bezüglich der musikalischen Seite herrschte jedoch allgemeine Zufriedenheit. Unter der zupackenden Leitung von Stefan Anton Reck gefielen besonders Thomas Gazheli (Wanderer), Christian Voigt (Siegfried), Judit Kutasi (Erda) und Meagan Miller (Brünnhilde). Am 28. Januar folgt die Götterdämmerung. Man darf gespannt sein. Vielleicht gelingt ja Vick doch noch ein grandioser und überzeugender Abschluss.
Robert Quitta 29.12.15
Besonderer Dank an MERKER-online (Wien)
Copyright Teatro Massimo Palermo
OPERNFREUND CD-Tipp der Redaktion
Wir sind nicht unbedingt der Meinung, daß "Siegfried" das schwächste Stück des Nibelungen-Rings ist. Im Gegenteil halten nicht wenige unserer Redakteure - den Herausgeber eingeschlossen - genau diese Oper für das stärkste Stück im Ring. Damit Sie, liebe Leser, das überprüfen können, empfehlen wir die obige CD (oder Vinyl-Platte) vom niemals wieder so begnadet dirigierten "Wagner-Ring" der berühmten "Legende" Maestro Sir Georg Solti. PB
FEUERSNOT
Aufführung 26.1.2014
(Premiere 18.1.2014)
Sizilien zu Gast in München
Als erstes italienisches Opernhaus widmete sich das Teatro Massimo dem wichtigsten diesjährigen Jahresregenten Richard Strauss. Die Wahl fiel auf das zweite Jugendwerk des bayrischen Meisters, das 1901 bei seiner Uraufführung in Dresden (nachdem die Erstlingsoper „Guntram“ in Weimar ein Fiasko erlebt hatte) eine mehr als freundliche Aufnahme gefunden hatte. Für Italien handelte es sich um eine Erstaufführung in deutscher Sprache, war „Feuersnot“ bisher bei den wenigen Produktionen (Scala 1912 unter Tullio Serafin, Carlo Felice Genua 1938 unter Richard Strauss selbst, konzertant 1973 RAI Turin unter Peter Maag) ja nur auf Italienisch zu hören gewesen.
Ein mutiger Schritt also, die Saison 2014 mit einem faktisch unbekannten Werk zu eröffnen. Für die Realisierung wurde die sizilianische Regisseurin Emma Dante engagiert, und es muss gesagt werden, dass das sonst so lasche Publikum von Palermo mit seinem Jubel der Aufführung großen Erfolg bereitete. Grund dafür war eine für das Auge sehr erfreuliche Produktion, in der Dante mit ihrer formidablen Truppe von 30 Tanzschauspielern (wenn der Ausdruck gestattet ist) eine farbenfrohe, mediterrane Welt auf die von Carmine Maringola gestaltete Bühne (Kostüme: Vanessa Sannino) stellte. Das wirbelte und tobte (Bewegungsregie: Sandro Maria Campagna) vor architektonisch typischen, in gleißend südliches Licht getauchten Häusern, orangefarbene Bänder flatterten, orientalisch anmutende Röcke und bei den Herren nackte Oberkörper suggerierten ein pralles Straßenleben, wie es in München, wo das Libretto des Ernst von Wolzogen spielt, auch zur Sommersonnwendfeier so nicht stattfindet.
Mit der Oper wollte Strauss dem von ihm so verehrten Richard Wagner eine Hommage erweisen, indem er nicht nur die Handlung zur Zeit der Johannisnacht spielen ließ, sondern es den Münchnern, die für den Bayreuther Meister kein Verständnis aufgebracht hatten, so richtig hineinsagte. Unter Verwendung einer flämischen Sage wird erzählt, wie der Zauberer Meister Reinhardt vor Jahren aus der Stadt verjagt wurde und man über seinen begabten Schüler Kunrad und seine Liebe zur schönen Diemut lacht. Diese will sich an Kunrad, der ihr vor aller Welt einen Kuss geraubt hatte, rächen: Sie tut so, als wolle sie ihn in ihrer Kammer empfangen und will ihn angeblich in einem Korb (in dieser Inszenierung einer von vielen vom Schnürboden herabhängenden Stühlen) zu sich heraufziehen. Dann lässt sie ihn aber zum Gaudium der Umstehenden in halber Höhe hängen. Als sie keine Anstalten macht, Kunrad aus seiner misslichen Lage zu befreien, lässt dieser mit Hilfe eines Zauberspruchs das Licht in der ganzen Stadt erlöschen. In einer langen Ansprache wirft er seinen Mitbürgern ihre Engstirnigkeit und Kleinkariertheit vor. Damit Licht und Feuer wiederkehren, muss ihn Diemut in ihrer Kammer aufnehmen (was zur Zeit der Uraufführung einige Schwierigkeiten mit der Zensur ergab). Kunrad erreicht sein Ziel, die Feuersnot ist zu Ende, und ein Hymnus auf die Liebe beendet das Werk.
Das groß besetzte Orchester lässt schon so manches hören, was uns Strauss als Komponisten erkennen lässt (das gilt vor allem für die besonders ins Ohr gehenden Walzer). Mit dem – gleichfalls sizilianischen – Dirigenten Gabriele Ferro fand die Oper eine eher bemühte Umsetzung, denn das Orchester del Teatro Massimo hatte seine liebe Not mit der Umsetzung seiner Vorgaben (da sich dieser Klangkörper bei „Rheingold“ und „Walküre“ unter einem anderen Dirigenten wesentlich besser geschlagen hatte, geht wohl vieles auf das Konto des Mannes am Pult). Chor (Einstudierung: Piero Monti) und der Kinderchor unter Salvatore Punturo schlugen sich achtbar. (Auffallend war, dass von siebenunddreißig Kindern nur drei Knaben waren!).
Für die anspruchsvolle Rolle des Kunrad verlangte Strauss einen hohen Bariton: Der verdiente Dietrich Henschel konnte die Partie nur mit großer Anstrengung durchstehen und tat sich mit den Höhen extrem schwer. Nicola Beller Carbone (Diemut) hielt sich trotz ein paar schriller Höhen besser. Beide vermochten darstellerisch zu überzeugen. Mit Ausnahme von Christine Knorren (Elsbeth, eine von Diemuts Freundinnen) gab es unter den Sängern keine weiteren Muttersprachler, was hier, wo viel in bayrischem Dialekt zu singen ist, zu einem sprachlichen Wirrwarr ohnegleichen führte. Genannt seien stellvertretend für passable bis schwache gesangliche Leistungen Rubén Amoretti (Ortlof Sentlinger, Dietmuts Vater), Alex Wawiloff (Burgvogt Schweiker von Gundelfingen) und Paolo Orecchia (Kunz Gilgenstock). Vor Beginn der eigentlichen Oper wurde gute 10 Minuten lang eine Art Happening von Straßenkünstlern dargestellt, begleitet von einem kakophonischen Hörerlebnis, dessen Sinn unklar blieb, denn auch im Programmheft wurde es weiter nicht erwähnt.
Von der begeisterten Zustimmung des Publikums wurde schon berichtet.
Eva Pleus 9.2.14
Credits: Studio Camera / Palermo
LA TRAVIATA
Premiere 21. und 1. Reprise 23.11.13
Quo vadis, Teatro Massimo?
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Diese Produktion war 2008 in Santa Fé für Natalie Dessays Debüt in der Titelrolle entstanden und 2009 auch am koproduzierenden Teatro Regio in Turin mit Elena Mosuc zu sehen. Nun war sie also in Palermo gelandet, wo Anna Maria Bruzzese die Arbeit des auch für die Kostüme verantwortlichen Laurent Pelly betreute. Wie schon seinerzeit erwähnt, finde ich es nicht richtig, wenn Regisseure ihre Inszenierungen nicht selbst auffrischen und den neuen Besetzungen anpassen. Aber so läuft es offenbar, wenn einmal eine Art Kettenreaktion eingetreten ist... Ansonsten funktionierte diese Auslegung, die mit Violettas Begräbnis beginnt und die Unglückliche auch allein sterben lässt, weil Alfredo und Germont père nur mehr in ihrer Vorstellung auftreten, recht gut, auch durch die vielfach einsetzbaren kubischen Elemente von Chantal Thomas, die als Ballsaal ebenso funktionierten wie, mit weißen Tüchern bedeckt, als Violettas leergeräumte Wohnung. In ihrer Zeichnung der vergnügungssüchtigen, von Männern dominierten Masse erinnert diese Interpretation auch ein wenig an Deckers berühmte Salzburger Inszenierung.
Die Palermitanerin Désirée Rancatore hatte die Titelrolle bereits in Montecarlo verkörpert und stellte sich nun erstmals in ihrer italienischen Heimat damit vor. Ihr Koloratursopran ist merkbar fülliger geworden und bewältigte auch die großen Ausbrüche wie „Amami, Alfredo“ ohne zu forcieren. Gleichzeitig ist der Künstlerin aber auch die leichte Höhe und flinke Koloratur erhalten geblieben, sodass sie ihre große, den 1. Akt beschließende Arie mit einem anstrengungslosen hohen Es krönen konnte. In der Darstellung war sie sehr packend und vermochte die Verzweiflung während des Duetts mit Germont und die matte Resignation von „Addio del passato“ wunderbar zum Ausdruck zu bringen. Ihre Partner waren leider nicht auf dem gleichen Niveau: Stefano Secco versuchte zwar löblicherweise, auf Linie zu singen, aber es wollte ihm nicht recht gelingen, sodass seine Phrasen keinen großen Bogen bildeten. Sein Alfredo blieb auch darstellerisch recht blass. Germont wurde von dem gleichfalls aus Palermo stammenden Vincenzo Taormina gesungen, der auf einigen Erfolg als Buffo zurückblicken kann, aber die Finger von diesem Fach lassen sollte, denn zu flach und gequetscht klangen die Höhen. In der Darstellung war er überzeugender als sein Sohn. Valeria Tornatore von der Accademia della Scala hat mit der Annina eine ihren stimmlichen Fähigkeiten entsprechende Rolle gefunden, während der Gastone von Bruno Lazzaretti schwere vokale Abnützungserscheinungen aufwies. Über die Namen der weiteren Comprimari sei der Schleier des Vergessens gelegt, denn sie waren eines großen Hauses, wie es das Teatro Massimo ist, nicht würdig. Auf passablem Niveau ließ sich der von Piero Monti einstudierte Chor des Hauses hören.
An der Spitze der zweiten Besetzung stand die Russin Anna Skibinsky, deren Stimme recht zart ist, aber gut projiziert wird, sodass man nicht den Eindruck hatte, sie sei zu klein für das Haus. Auch sie bemühte sich sehr um die Figur der Violetta, wodurch es aber manchmal (vor allem im Duett mit Germont) zu fast veristischen stimmlichen Ausrutschern kam. Hatte man gegen die Herren Secco und Taormina einiges einzuwenden, so wünschte man sie sich an diesem Abend sehnlichst zurück, denn Luciano Ganci (Alfredo) und Devid Cecconi (Germont) waren auch als Zweitbesetzung nicht tragbar. Der Tenor (der figürlich mit seinem an Marcel Proust gemahnenden Aussehen durchaus gepasst hätte) musste immer wieder in Phrasen hineinatmen und bei seiner Cabaletta geradezu um Luft ringen. Noch schlimmer war es um den Bariton bestellt, der mehrfach falsch einsetzte, den Text durcheinander brachte und sich überhaupt auf die Bühne verirrt zu haben schien. Ist dies das neue Niveau des unter der Kontrolle eines Kommissars stehenden Hauses, nachdem man den früheren Intendanten hinausgeekelt hatte?
Der Dirigent Matteo Beltrami konnte am ersten Abend eine blitzblanke Einstudierung präsentieren, die Verdis Vorgaben mehr als gerecht wurde, während er sich bei der Reprise mehrfach der Rettung aus den von den beiden männlichen Protagonisten bewirkten Katastrophen widmen musste.
Eva Pleus 24.11.14
Photos: www.teatromassimo.it
DIE WALKÜRE
Teatro Massimo am 21.2.13
Knapp drei Wochen nach dem Auftakt mit „Rheingold“ folgte der erste „Ring“-Abend, in dem es Regisseur Graham Vick und seinem Team gelang, eine ungeheuer dichte Atmosphäre zu schaffen. Die Ausstattung von Hundings Hütte bestand aus einem Tisch mit drei Stühlen, einem Fauteuil und einem Hochzeitsphoto Hunding/Sieglinde an der Wand, hinter dem sich eine Öffnung befand, in der eine Flasche Met aufbewahrt wurde, mit dem Sieglinde den Gehetzten labte. Neben der Hütte die Esche und zu ihren Füßen ein leicht glimmendes Feuer.
Im 2. Akt sah man einen ziemlich heruntergekommenen Wohnwagen, in dem sich Wotan offenbar sein persönliches Reich errichtet hatte, in das nur Brünnhilde zugelassen war. Als das fliehende Geschwisterpaar hereinstürmte, fielen Felsbrocken von oben, und der Wohnwagen gelangte mittels Drehbühne in den Hintergrund. Im ersten Teil des 3. Akts war im Hintergrund eine Tapete mit Mohnblumen zu sehen (ähnlich der Lösung mit den Sonnenblumen für „Rheingold“). Ab der großen Szene Brünnhilde-Wotan war die Bühne bis zur neuerlich sichtbaren Feuermauer vollkommen leer.
In diesem Rahmen spielte sich ein Psychodrama ersten Ranges ab: Hunding war ein tätowierter Kraftlackel, der seine Frau als persönlichen Besitz betrachtet („Dies Haus und dies Weib sind Hundings Eigen“!). Der Russe Alexei Tanovitski war stimmlich ungeschlacht, was aber zur Rolle und deren extrem brutaler Auslegung passte und durch hervorragende Textbehandlung ausgeglichen wurde. Sieglinde im kurzen Kleidchen ist durchaus bereit, dem Gatten um den Bart zu gehen, um Siegmund vor ihm zu schützen. Die Litauerin Ausrine Stundyte sang mit strahlendem, in der Höhe prachtvoll aufgehendem Sopran, der allerdings in den tiefer gelegenen Phrasen deutlich an Substanz verlor.
Darstellerisch war sie von beeindruckender Intensität und setzte mit „Rette mich, Kühne! Rette mein Kind“ auch stimmlich einen besonderen Glanzpunkt. Für den Siegmund war der Neuseeländer Simon O’Neill vorgesehen, der aber eine Woche vor der Premiere mit einigen Orchestermusikern zusammenkrachte und wütend das Weite suchte. Als Ersatz kam der aus Cornwall gebürtige John Treleaven, der sicherlich sein Bestes gab, aber stimmlich angeschlagen klang und das „Wälsungenblut“ gerade noch irgendwie herausstieß, nachdem er die Wälserufe passabel bewältigt hatte. Und dass er wesentlich älter aussah als sein Göttervater steigerte die Glaubwürdigkeit der Figur kaum, obwohl er sich schauspielerisch sehr engagiert zeigte.
Mit der Amerikanerin Lise Lindstrom betrat ein schlankes Energiebündel in jugendlichem Outfit die Bühne. Nur eine Pferdemähne an der Rückseite ihrer Lederjacke wies sie als „anders“ aus. Aus dem Wohnwagen stürmend, ließ sie gleich ein prachtvolles „Hojotoho“ hören. Auch bei ihr ist die tiefere Lage nicht besonders ausgeprägt, aber sie „hatte“ auch die tieferen Stellen. Nun Auftritt Göttervater und Gattin: Göttlich war da gar nichts mehr, sondern es handelte sich um typische „Szenen einer Ehe“, wo der Mann wenig Lust hat, den Vorhaltungen seiner Frau zuzuhören: So putzte Franz Hawlata in Freizeitkluft mit aufreizender Umständlichkeit sein Gewehr, während Anna Maria Chiuri im Schottenfaltenrock, mit Haferlschuhen und Kopftuch an Königin Elizabeth II. erinnerte, wenn sie privat auf Balmoral Castle Urlaub macht. Dennoch fehlte dieser Fricka weder stimmlicher noch szenischer Nachdruck.
Hawlata tat sich seltsamerweise (und zum Glück) mit dem „Walküren“-Wotan leichter als mit dem jungen Gott des Vorabends. Es waren zwar immer noch genug hässliche Töne zu hören, aber die Intensität der Interpretation machte sehr viel wett. Das gilt vor allem für die große Szene Wotan-Brünnhilde im 3. Akt, bei der einem vor Aufregung der Mund trocken wurde. Man litt mit den beiden, die einander doch so vertraut waren, und als Wotan seine Lieblingstochter schließlich in einem schwarzen Leichensack aus Plastik verwahrte, war die emotionale Spannung so unerträglich geworden, dass man sich gar nicht mehr fragte, wie der Feuerzauber auf der leeren Bühne wohl realisiert würde, aber auch diese Lösung war genial: Nach dem Auftritt des rot gewandeten Loge folgten die anderen Mimen in ebensolchen Kostümen und bildeten, auf roten Stühlen sitzend, einen Kreis um Brünnhilde – einfach umwerfend!
Es gab auch einige Szenen, die mir weniger behagten: So sah man während des Vorspiels zum 1. Akt, das doch Siegmunds verzweifelte Flucht illustriert, die Vorgeschichte von Sieglindes Raub durch Hunding und die betrunkene Hochzeitsgesellschaft. Das empfand ich als ebenso unnötig wie die Massenvergewaltigung zu Beginn des 2. Akts, offenbar als Erläuterung dafür gedacht, dass der erwähnte Wohnwagen in einer wenig idyllischen Gegend stand. Die recht anständig singenden Walküren (Brigitte Wohlfarth, Julia Borchert, Nina Palacios, Annette Jahns, Nancy Weißbach, Kremena Dilcheva, Eva Vogel und Manuela Bress) erwiesen sich als Dominae, die die ihnen anvertrauten Helden quälten und zur Roheit anstachelten. Und ob alle Zuschauer verstanden haben, dass ein Darsteller Grane, das Pferd, mimte, das während der Todverkündigung wiederholt von Brünnhilde gestreichelt wurde? Nett war dieser Einfall allemal. Im Ganzen aber ein großer Theaterwurf!
Das Orchester des Hauses gab sich unter der Leitung von Pietari Inkinen sehr viel Mühe, und ein paar Unsauberkeiten seien ihm nachgesehen. Das Dirigat des jungen Finnen gewann nach und nach an Größe und endete mit einem delikat musizierten Feuerzauber.
Freundliche Zustimmung zu dieser Premiere seitens eines – wie so oft in Palermo – nicht wirklich mitgehenden Publikums.
Eva Pleus 22.12.14
Produktionsbilder: Teatro Massimo
P.S.
Vor der Vorstellung und in den Pausen konnte man in der wunderschönen Sala Pompeiana die Ausstellung „Wagner a Palermo“ besichtigen, die Bühnenbilder der bisherigen Wagnerinszenierungen am Teatro Massimo zeigte. Prunkstück der Schau war aber das Harmonium, das Wagner im berühmten Palermitaner ‚Hotel delle Palme’ bei der Instrumentierung des 3. Akts seines „Parsifal“ benutzt hatte und das dem Opernhaus vom Hotel geschenkt worden war.