DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Intendant: Michael Grosse                             

 

http://www.theater-kr-mg.de/

 

Beethoven!

Premiere: 25.01.2020

besuchte Vorstellung: 07.06.2022

Sinnlicher Ballettabend bekommt großen Beifall

 

Im Januar 2020 fand im Krefelder Theater die Uraufführung des Ballettabends „Beethoven!“ statt, in dem sich das Theater ganz dem großen Komponisten widmet. Anlass war der seinerzeit anstehende 250. Geburtstag Beethovens. Nach wenigen Aufführungen kam aber der Lockdown, so dass erst in dieser Spielzeit die Wiederaufnahme dieses Werkes stattfinden konnte. Der Abend beginnt eindrucksvoll mit dem Begräbnis im Jahr 1827, bei dem die Bürger Wiens am offenen Sarg Abschied von Ludwig van Beethoven nehmen. Anschließend führt uns Choreograf Robert North in einem gut durchdachten Abend durch weitere zwölf Bilder, die sich jeweils bestimmten Begebenheiten widmen. Großen Anteil am Erfolg des Abends hat der Kunstgriff, dass der Mensch Ludwig von Beethoven in drei Gestalten auf der Bühne steht: ein Tänzer, ein Pianist und ein Schauspieler.

Mit Michael Grosse übernimmt der Intendant des Hauses die Rolle des alten Beethoven. Eine Rolle, in der er mit feinem Witz als eine Art Moderator durch den Abend führt. Immer wieder kommentiert er das Geschehen oder steuert Zitate des Originals aus alten Briefen bei. Am Klavier begeistert André Parfenov das anwesende Publikum mit seiner Musik und stellt einmal mehr seine Qualitäten unter Beweis. Er spielt unter anderem Auszüge aus mehreren Klaviersonaten Beethovens. Aber auch Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertes Klavier 1. Teil, Präludium Nr. 15 G-Dur ist ebenso vertreten wie Parfenovs eigenes Boogie-Woogie und Improvisationen. Auch bei den eingespielten Stücken bringen sich Wolfgang Amadeus Mozart, Grigoras Dinicu und John Cage in den Abend ein, allerdings stehen auch hier selbstverständlich die großen Werke von Ludwig van Beethoven im Vordergrund. So ist es am Ende auch die „Ode an die Freude“ die im Finale den Traum auf eine Welt, in der alle Menschen in Frieden und Freiheit leben können musikalisch begleitet. Als junger Beethoven versprüht Balletttänzer Alessandro Borghesani ein unheimliches Temperament und eine enorme Lebensfreude. Gelungen sind auch immer wieder die Momente, in denen er von seinem in die Jahre gekommenen „Ich“ an die Hand genommen und durchs Leben geleitet wird.

Die einzelnen Stationen befassen sich u. a. mit Beethovens Leben in Bonn und Wien, dem Streit mit seiner Schwägerin um das Sorgerecht um seinen Neffen Karl, dem von ihm verfassten Heiligenstädter Testament und seine (vermeintliche) Sichtweise auf Napoleon Bonaparte. Auch sein immer schlimmer werdendes Gehörleiden wird thematisiert und sorgt für einen eindrucksvollen Alptraum vor der Pause. Immer wieder bringt North das gesamte Ensemble in großen Choreographien auf die Bühne. So stehen teilweise fast 20 Tänzer gleichzeitig auf Bühne. Für Abwechslung sorgen aber immer wieder schöne Soli. Ganz traumhaft: Der in Gedanken vollführte Tanz Beethovens mit der von ihm verehrten aber unerreichbaren Giulietta Guicciardi (Flávia Harada). Insgesamt ist dieser Abend ein Paradebeispiel dafür, wie man das gesamte Ballettensemble des Theaters Krefeld und Mönchengladbach als eine Einheit auf die Bühne bringt. Die passenden Kostüme von Luisa Spinatelli, die sich auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, runden diesen gelungenen Abend ab.

Am Ende bedankt sich das recht zahlreich anwesende Publikum mit lang anhaltendem Applaus beim gesamten Ballettensemble. Auch André Parfenov und Michael Grosse werden mit lautem Beifall in den Abend entlassen. Ein sinnlicher Abend findet so nach rund zwei Stunden seinen verdienten Ausklang. In Krefeld steht „Beethoven!“ nur noch einmal am 19. Juni 2022 auf dem Spielplan. In der kommenden Spielzeit wird dieses Stück aber mehrfach im Theater Mönchengladbach zu sehen sein.

Markus Lamers, 08.06.2022
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

Theater Krefeld / Mönchengladbach veröffentlicht das Programm der Spielzeit 2022/23

Vor wenigen Tagen hat das Gemeinschaftstheater Krefeld / Mönchengladbach seinen Spielplan für die kommende Saison vorgestellt, der nach den schwierigen Planungen und oftmals kurzfristig notwendig gewordenen Anpassungen der vergangenen zwei Jahre nun hoffentlich wie geplant auf die Bühne gebracht werden kann. Wie immer waren im Vorfeld bereits einige Stücke bekannt, da einige sehenswerte Produktionen noch auf ihre jeweiligen Premieren in Krefeld bzw. Mönchengladbach warten, nachdem die Stücke am anderen Ort schon zu sehen waren. Außerdem stehen noch bereits angekündigte Produktionen der letzten Spielzeiten aus, die nun endlich stattfinden sollen. Alles in allem hat das niederrheinische Gemeinschaftstheater für die Spielzeit 2022/23 einen beeindruckenden Spielplan aufgestellt, der sich als eine bunte Mischung aus großen Klassikern und einigen vermeintlichen Juwelen präsentiert.

Im Bereich Musiktheater werden hierbei die folgenden Produktionen zu sehen sein:

Der fliegende Holländer
MG – Premiere: 04.09.2022

Liebe, Mord und Adelspflichten
KR – Premiere: 24.09.2022

Rusalka
KR – Übernahme-Premiere: 02.10.2022

Sunset Boulevard
MG – Übernahme-Premiere: 23.10.2022

Die Regimentstochter
KR – Premiere: 12.11.2022

Rigoletto
MG – Übernahme-Premiere: 19.02.2023

Madama Butterfly
KR – Premiere: 08.04.2023

Die Nachtwandlerin
MG – Premiere: 21.05.2023

Hinzu gesellt sich die jährliche Operngala, die in der kommenden Spielzeit unter dem Titel „Mord und Totschlag!“ steht und im Dezember 2022 ein breites Spektrum an Sterbeszenen aus Opern von Bellini, Donizetti, Verdi, Puccini oder Giordano präsentieren wird. Auch wird es in der kommenden Spielzeit wieder eine „On Stage-Produktion“ des Musiktheaters geben, die Premiere ist hier für den 04. März 2023 in Krefeld terminiert. Wer z. B. „Der goldene Drache“ oder „Let´s stopp Brexit“ am Theater Krefeld oder Mönchengladbach gesehen hat, weiß auf was man sich hier freuen kann. Die genaue Produktion wird aber erst im Verlauf der Spielzeit bekannt gegeben.

Auch das Ballett des Hauses zeigt in der kommenden Spielzeit drei ganz neue Produktionen, darunter ein Stück für die gesamte Familie. Hinzu gesellen sich zwei Übernahme-Premieren. Nachfolgend die geplanten Premierentermine:

Beethoven!
MG – Übernahme-Premiere: 11.09.2022

Der Sturm / Ein Sommernachtstraum
KR – Übernahme-Premiere: 09.10.2022

Peter und der Wolf (Familienstück)
KR – Premiere: 26.11.2022

Mata Hari (UA)
MG – Premiere: 26.03.2023

Bandoneon-Projekt (UA)
KR – Premiere: 27.05.2023

Auch im Schauspiel lassen sich viele interessante Produktionen finden. Mit ,„Alles weitere kennen Sie aus dem Kino“ stellt sich der neue Schauspieldirektor Christoph Roos am Anfang der Spielzeit (03. September 2022) dem Publikum in Krefeld vor. Da eine vollständige Auflistung hier den Rahmen sprengen würde, sollen an dieser Stelle aber zumindest einige ausgewählte musikalische Produktionen Erwähnung finden:

QUEEN´s Last Night
MG – Übernahme-Premiere: 02.10.2022

Der satanarchäolügen­ialkohöllische Wunschpunsch (Familienstück)
MG – Premiere: 26.11.2022

Frauengold (UA)
KR – Premiere: 01.12.2022

Cabaret
KR – Premiere: 04.02.2023

Ebenfalls zu erwähnen ist das Musical „Footloose“ welches vom Jugendclub des Theaters einstudiert und aufgeführt werden soll. Auch die Konzerte der Niederrheinischen Sinfonikern bieten unzählige Highlights, die man im Auge behalten sollte. Das komplette Programm steht wie das Spielzeitheft zum Download auf der Homepage des Theaters bereit. Hier finden sich auch weitergehende Informationen zu allen zuvor aufgeführten Produktionen.

Markus Lamers, 02.05.2022
Bild: © Matthias Stutte



 

Helden der Leinwand 2022

Premiere: 23.04.2022

Filmmusik mit großem Orchester

Gut drei Jahre ist es nun her, dass die Niederrheinischen Sinfoniker zum ersten Mal die "Helden der Leinwand" in Form von unvergessenen Filmmelodien ehrten. Am 23. April 2022 fand nun im sehr gut gefüllten Theater Krefeld die lang erwartete Fortsetzung statt. Bot man 2019 noch einen bunten Streifzug durch die Filmmusik, konzentrierte man sich in diesem Jahr im ersten Teil des Abends komplett auf James Bond. Eine gute Stunde lang erklangen Melodien aus "007 jagt Dr. No", "Liebesgrüße aus Moskau", "Goldfinger", "Im Geheimdienst Ihrer Majestät", "Der Hauch des Todes", "Golden Eye" und "Casino Royal". Optisch gestaltet wurde die kleine Reise durch rund 50 Jahre James Bond mit zur Musik passenden Filmausschnitten, einigen Standbildern aller sechs Bond-Darsteller aus den unterschiedlichsten Filmen und einem gelungenen Lichtdesign auf der Bühne. Darüber hinaus lieferte Malte Arkona als Moderator des Abends einige interessante Fakten zu den Dreharbeiten der einzelnen Filme.

Der zweiten Teil des Abends begann mit einem wunderbaren "Hooray for Hollywood" von Richard A. Whiting und John Williams. Mit Melodien aus "Lawrence von Arabien", "Ben Hur", "Der weiße Hai", "Jenseits von Afrika", "Mary Poppins" und "E.T. - Der Außerirdische" legte man auch hier einen Schwerpunkt auf die großen Klassiker älterer Filmjahrgänge. Lediglich die Suite aus "La La Land" von Justin Hurwitz fiel hier etwas aus dem Rahmen, bildete aber in Kombination mit "Mary Poppins" einen gelungenen Vergleich zweier erfolgreicher Musical-Filme. Auch nach der Pause wurden die einzelnen Musik-Klassiker mit Bildern, Filmausschnitten und unterhaltsamen Moderationen ergänzt.

Die Niederrheinischen Sinfoniker zeigten sich an diesem Abend unter der musikalischen Leitung von Yorgos Ziavras bestens aufgelegt. In großer Besetzung mit über 60 Musikern auf der Bühne zeigte das Orchester einmal mehr, welchen Wert es hat und wie wunderbar Filmmusiken mit einer solchen Orchesterstärke klingen können. Wie im Fluge vergingen die rund 2 1/2 Stunden bis zur Zugabe, die die hörbar zufriedenen Zuschauer mit "Time of my Life" aus "Dirty Dancing" vergnügt und bestens unterhalten in den Abend entließ. Auch das Konzept mit thematischen Schwerpunkten konnte überzeugen und es bleibt abschließend - wie bereits 2019 - zu hoffen, dass es auch in den kommenden Spielzeiten weitere Abende für die "Helden der Leinwand" geben wird. Einen kompletten Abend mit der Musik von John Williams oder einen Abend mit den großen Disney-Klassikern wären zwei Wünsche, die an dieser Stelle einfach mal geäußert werden sollen.

Für sehr kurzentschlossene Opernfreunde, die diesen Text bereits direkt nach der Veröffentlichung lesen, besteht noch die Möglichkeit, sich dieses gelungene Konzert heute Abend (24.04.) im Theater Mönchengladbach anzusehen. Hier sind noch wenige Restkarten der ersten beiden Preiskategorien verfügbar. Für alle anderen bleibt die zuvor erwähnte Hoffnung, dass auch in einer der kommenden Spielzeiten wieder ein solcher Abend in den Konzertkalender aufgenommen wird.

Markus Lamers, 24.04.2022
Bild: © Markus Lamers

 

 

Salome

Premiere Krefeld: 10.04.2022,
besuchte Vorstellung: 13.04.2022

Oper in Perfektion

Bereits zur Premiere in Mönchengladbach schrieb Opernfreund-Herausgeber Peter Bilsing über die Salome-Produktion am niederrheinischen Gemeinschaftstheater: "Zu berichten ist über eine Salome-Produktion aus dem kleinen, aber feinen Kleinod von Opernhaus Mönchengladbach Rheydt, die durchaus internationales Format hat". Nun ist dieses Meisterwerk rund 2 1/2 Jahre später auch endlich in Krefeld zu sehen und ja, Peter hat hier absolut Recht, einen Besuch kann man allen Opernfreunden wärmstens empfehlen. Zu einer guten Opernaufführung gehören bekanntlich (mindestens) drei wichtige Zutaten: Gute Darsteller, ein stark aufspielendes Orchester und eine Inszenierung mit Hand und Fuß. Dies ist in Krefeld auf jeden Fall gegeben.

Für die Rolle der Salome konnte Dorothea Herbert verpflichtet werden, die im kommenden Jahr an der Dresdner Semperoper auch in Wagners Walküre zu erleben sein wird. Mit ihrem vollen Sopran, der auch in den höchsten Tönen noch klangschön erschallt, ein echter Glücksgriff. In der Rolle des Herodes weiß der Tenor Andreas Hermann zu gefallen. Als Prophet Jochanaan überzeugt Johannes Schwärsky mit seiner kraftvollen Stimme ebenso wie David Esteban mit klarem Tenor als Nabaroth. Hervorragend auch beim gesamten Ensemble das Schauspiel abseits der Haupthandlung. Hier zeigt sich eine exzellente Personenführung durch Regisseur Anthony Pilavachi. Immer wieder sollte man auf die anwesenden Figuren schauen, die etwas abseits stehen, wie der Page hier um Nabaroth trauert oder wie die beiden Nazarener schockiert auf die Enthauptung Jochanaans reagieren ist absolut sehenswert. Stellvertretend für die großartige Gesamtleistung aller 15 Darsteller des Abends seien hier nur noch Roswitha Christina Müller (Herodias), Susanne Seefing (Page), Matthias Wippich (Erster Soldat) und Robin Liebwerth erwähnt, der in der besuchten Vorstellung ausnahmsweise zwei Rollen einnehmen musste (Fünfter Jude und Zweiter Soldat).

Unter der Leitung von GMD Mihkel Kütson spielen die Niederrheinischen Sinfoniker am besuchten Abend zur Hochform auf. Gut gelingt ihm die Abstimmung zwischen den kraftvollen und den melodischen Momenten der Oper von Richard Strauss. Hin und wieder haben es die Sänger zwar nicht leicht, gegen den gewaltigen Klang anzukommen, dennoch ist genau dies der Klang, der einen guten Opernbesuch ausmacht und dem man auch gerne rund 100 Minuten am Stück (gespielt wird ohne Pause) gebannt zuhört. Wie bereits erwähnt legt Anthony Pilavachi großen Wert auf eine genaue Personenzeichnung. Darüber hinaus verlegt er die Handlung in die "goldenen" 1920er Jahre, bleibt ansonsten aber sehr werktreu und verzichtet auf unnötige Deutungen. Das er schließlich am Ende einen etwas anderen Ausgang des Opernabends findet, passt zur Inszenierung, mehr soll hier aber nicht verraten werden. Erwähnt werden muss noch das wunderschöne Bühnenbild und die tollen Kostüme von Markus Meyer, die diesen Opernabend auch optisch abrunden.

Das anwesende Publikum folgt dem Musikdrama nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung gebannt, enthielt sich jedem in diesem Fall eher störenden Zwischenapplaus und bejubelte am Ende lautstark die Darsteller und das Orchester. Zu Beginn habe ich bereits ein kleines Zitat von Peter Bilsing verwendet und so möchte ich hier mit den gleichen Worten enden, die er bereits bei der Premiere in Mönchengladbach verwendet hat: "Auf, auf und auf zum wunderschönen Theater an unseren herrlichen Niederrhein. Es lohnt auch die weiteste Anreise!" Zu sehen ist diese gelungene Salome allerdings nur noch an drei Terminen, lassen sie diese Gelegenheit nicht verstreichen.

Markus Lamers, 15.04.2022
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

Sunset Boulevard

Premiere: 12.03.2022,

besuchte Vorstellung: 25.03.2022

Träume aus Licht

Lange mussten sich die Zuschauer am Niederrhein gedulden. Ursprünglich war bereits für die Spielzeit 2019/2020 das Musical „Sunset Boulevard“ mit der ganz wunderbaren Musik von Andrew Lloyd Webber angekündigt worden. Die Premiere sollte am 02. Mai 2020 im Theater Mönchengladbach stattfinden. Und dann kam bekanntlich alles ganz anders. Doch schon damals versprach Michael Grosse, Generalintendant am Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach, dass möglichst kein Stück „verloren gehen“ würde. Und so konnte das Musical in diesem Monat endlich seine Premiere feiern. Diese fand nun allerdings nicht in Mönchengladbach, sondern in Krefeld statt, in Mönchengladbach wird das Stück wohl in der kommenden Spielzeit zu sehen sein.

Basierend auf dem im Jahr 1950 gedrehten Spielfilm-Klassiker von Billy Wilder schuf Andrew Lloyd Webber viele Jahre später ein Meisterwerk des Musicals, welches 1993 in London uraufgeführt wurde. Zum Inhalt nur ein paar kurze Worte, da dieser sicherlich vielen Lesern bekannt ist. Der Stummfilm ist tot, es lebe der Tonfilm. Mit dieser Entwicklung endeten in Hollywood Ende der 20iger Jahre so manche Karrieren. Auch Norma Desmond will einfach nicht wahrhaben, dass ihre Glanzzeit längst erloschen ist. Inzwischen lebt sie zurückgezogen in einer luxuriösen Villa am Sunset Boulevard in ihrer eigenen Traumwelt. Unterstützung findet sie nur noch in ihrem Butler Max. Als sich die Wege von Norma Desmond mit denen des chronisch bankrotten Drehbuchautors Joe Gillis kreuzen, beginnt eine Tragödie größten Ausmaßes. Gleich zu Beginn des Stückes stellt sich für jeden Regisseur hier die Frage, wieviel man von dieser Tragödie in der Inszenierung vorwegnehmen möchte. Beginnt man lediglich mit einem Polizeieinsatz am Sunset Boulevard oder zeigt man gleich die Leiche im Swimmingpool und lässt analog zum Film lediglich die Umstände des Todes im Unklaren? Mir persönlich gefällt die erste Variante deutlich besser, in diesem Fall hat sich Regisseur Francois De Carpentries allerdings für die zweite Version entschieden. So ist es auch verzeihlich oder sogar konsequent, dass das Programmheft auf der Titelseite ausgerechnet diese Eröffnungsszene abbildet und in der Handlung entsprechend auf den Tod von Joe Gillis eingegangen wird. Nichtsdestotrotz hat De Carpentries hier zusammen mit seinem Team (Bühne: Siegfried E. Mayer, Video: Aurélie Remy, Kostüme: Karine Van Hercke) eine ganz wunderbare und stimmige Inszenierung geschaffen, die dem Gemeinschaftstheater auch bei der Anzahl der mitwirkenden Personen auf und hinter der Bühne einiges abverlangt. Immer wieder streut er geschickt Bezüge zu den großen Filmen der 50er-Jahre ein.


Übermäßiger Bombast ist hierbei auch gar nicht notwendig. Getragen wird das Stück auch durch die hervorragende Komposition Andrew Lloyd Webbers, die in Krefeld in der gelungenen deutschen Übersetzung von Michael Kunze gespielt wird. „Nur ein Blick“ oder „Sunset Boulevard“ kennen sicherlich viele Leser, aber auch „Kein Star wird jemals größer sein“, das Ensemble-Stück „Die Rechnung zahlt die Dame“ (hier mit einer netten Hommage an Karl Lagerfeld) oder „Träume aus Licht“ begleiten den Besucher auch noch auf dem Heimweg. Unter der musikalischen Leitung von

Yorgos Ziavras spielen die Niederrheinischen Sinfoniker schwungvoll und präzise. Das hierbei die sogenannte „Symphonic Version“ für große Orchester zum Einsatz kommt, die erstmals 2016 an der ENO in London aufgeführt wurde, macht den Besuch noch empfehlenswerter.

Auch die Besetzung in Krefeld kann sich wieder einmal hören lassen. Für die Rolle des Joe Gillis konnte kein geringerer als Oliver Arno gewonnen werden. Der österreichische Musicaldarsteller hat diese Rolle bereits in verschiedenen Inszenierungen übernommen, so dass er eine gewisse Souveränität an den Tag legt, was in diesem Fall durchaus positiv gemeint ist. Stimmlich wie immer brillant. Ihm zur Seite stand in der besuchten Vorstellung Gabriela Kuhn in der Rolle der Norma Desmond. Ganz wunderbar verkörpert sie die exzentrische Filmdiva mit großen Gesten und passendem Gesang. Am Anfang noch durchaus selbstbewusst („Nur ein Blick“), im Verlauf des Abends immer mehr dem Wahnsinn verfallen. Erwähnenswert auch Markus Heinrich als Butler Max von Mayerling, der egal in welcher Rolle, den Theaterbesuch in Krefeld oder Mönchengladbach stets lohnend macht. In den weiteren Rollen sind u. a. Susanne Seefing als Betty Schaefer, Thomas Peter als Cecil B. de Mille und Robin Grunwald als Joes Freund Artie Green zu sehen. Für den verhinderten Hayk Deinyan sprang am vergangenen Wochenende kurzfristig Daniel Berger ein, der die Rolle des Sheldrake bereits in Dortmund vor einigen Jahren verkörperte. Schön auch den Opernchor mal wieder in einer großen Inszenierung erleben zu dürfen.


Alles in allem bietet „Sunset Boulevard“ allen Theaterfreunden am Niederrhein allerbeste Unterhaltung und einen rund dreistündigen Theaterbesuch, den man so schnell nicht vergessen wird.

Markus Lamers, 28.03.2022
Bilder: © Matthias Stutte


 

 

Winterreise

Premiere Krefeld: 20.11.2021

Sinnliche Reise mit Gesang und Ballett

Die „Winterreise“ ist der wohl berühmteste Liederzyklus von Franz Schubert, den er im Jahr 1827 zu Gedichten von Wilhelm Müller schuf. In insgesamt 24 Liedern nimmt er den Zuhörer mit die Gedanken eines jungen Wanderers, beginnend mit den bekannten Worten: „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ ich wieder aus.“ Der große Erfolg des Werkes über so viele Jahre hinweg, liegt sicherlich auch in der ebenso schönen wie tiefgründigen Musik begründet, die Schubert für einen Sänger und einen Pianisten schuf. In Krefeld harmonieren hier Rafael Bruck und André Parfenov am Flügel ganz wunderbar, so dass sich Gesang und Musik poetisch ergänzen. Ergänzt wird die Darbietung darüber hinaus durch Choreografien von Ballettdirektor Robert North, dem es hierbei gelingt die Gedanken des Wanderers zu begleiten und bildlich darzustellen, ohne das Stück zu überfrachten. Immer wieder gibt es Stellen, in denen die Bühne leer bleibt bzw. in denen lediglich Bildfahnen und Lichtstimmungen Brucks Gesang untermalen. Sehr schön auch, wie durch die identischen Kostüme von Sänger und Tänzer gleich zu Beginn klar wird, dass wir uns hier in den Gedankenwelt des Sängers befinden. Hin und wieder interagieren diese Ebenen miteinander, indem der Tänzer den Sänger beispielsweise kurz aufweckt, als sich dieser zu tief in sich zurückgezogen hatte. Aber auch diese Moment sind sorgfältig und mit großem Bedacht gewählt, so dass sie die entsprechende Wirkung entfalten können, ohne hierbei zu sehr ins Werk einzugreifen. Ganz wunderbar auch die Kostüme und die Gestaltung des Bühnenraums von Udo Hesse, die geradezu zum Träumen anregt. Es tanzten bei der Premiere Alessandro Borghesani, Flávia Harada, Marco A. Carlucci und Teresa Levrinia aus dem Ballettensemble des Theaters. Mit Julianne Cederstam und Alice Franchini in den Rollen von Natur und Hoffnung konnten die beiden Mitglieder im Projekt „Das Junge Theater“ mit schönen teilweise synchronen Darbietungen nachdrücklich auf sich aufmerksam machen. Nach rund 75 Minuten spendete das Publikum einen langen Beifall und bedankte sich bei allen Beteiligen mit stehenden Ovationen für einen gelungenen Theaterabend. Da Bilder oftmals mehr als 1.000 Worte sagen, abschließend noch einige ausgewählte Bilder zur „Winterreise“ am Theater Krefeld:

 

 

 

 

 

Markus Lamers, 21.11.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

 

Don Pasquale

Premiere Krefeld: 19.11.2021

 

Komische Oper mit Comic-Zeichnungen

 

 

Im Rahmen der angepassten „Corona-Produktionen“ feierte Geatano Donizettis opera buffa „Don Pasquale“ im Mai diesen Jahres seine Premiere in Mönchengladbach und konnte hierbei sowohl Publikum wie auch Kritiker gleichermaßen überzeugen. Da diese Oper mit nur fünf Darstellern auskommt, die Chorpassagen müssen leider nach wie vor entfallen, eignet sich das Werk gut für eine konzertante Aufführung mit szenischer Untermalung. Die Niederrheinischen Sinfoniker sind hierbei auf der Bühne platziert, so dass sie zwar nicht in voller Größe aber unter den gegebenen Umständen durchaus mit einer vergleichsweise großen Besetzung aufspielen können. Hierbei erklingt eine eigens für das Theater Krefeld-Mönchengladbach erarbeitete Orchesterfassung von Avishay Shalom aus dem Opernstudio Niederrhein. Ansgar Weigner (Szenische Einrichtug) und Anne Weiler (Ausstattung) konzentrieren sich auf einige prägnante Bühnenelement wie beispielsweise einen großen Ohrensessel in dem sich nicht nur ein Tresor, sondern auch ein Geheimfach für den „guten Tropfen“ versteckt. Hinzu kommt ein gelungenes Kostümbild, dass sich optisch geschickt in das Gesamtbild einfügt. Auf zwei Leinwänden runden Zeichnungen des Karikaturisten Peter Schmitz das Bühnengeschehen ab. Während auf der großen Fläche hinter dem Orchester die jeweiligen Räume dargestellt werden, geben die Zeichnungen am rechten Bühnenrand immer wieder mal amüsante Einblicke in die Gedanken der Darsteller.

 

 

An sich war also alles für einen großen Premierenabend in Krefeld vorbereitet, doch leider wurde der Abend zu quälend langen 90 Minuten, an dem man am liebsten schon nach einer halben Stunde den Theatersaal verlassen hätte. Gleich zu Beginn der Vorstellung startete ein quälendes nicht genau definierbares Piep-Zisch-Geräusch in der rechten Hälfte des Theatersaals, welches sich mal lauter, mal etwas leiser durch die gesamte Vorstellung zog. Ob es nun durch einen Defekt an der Klimaanlage hervorgerufen wurde oder was auch immer die Ursache gewesen sein mag, es ist zu hoffen, dass die Ursache direkt im Anschluss an die Premiere gefunden wurde, damit die angesetzten Folgevorstellungen diesbezüglich störungsfrei über die Bühne gehen können. Einmal durch ein solches Geräusch gestört, fällt es leider sehr schwer sich auf das eigentliche Stück zu konzentrieren, egal wie sehr man sich auch bemüht. Besonders schade ist dies deshalb, weil die Darsteller allesamt eine ganz beachtliche Leistung ablieferten. Johannes Schwärsky spielt den alternden Don Pasquale ganz wunderbar, Guillem Batllori aus dem Opernstudio Niederrhein gibt den mit allen Wassern gewaschenen Doktor Malatesta, Woongyi Lee lässt den Ernesto mit schönem Tenor erklingen und Sophie Witte verleiht Norina mit ihrem Sopran den notwendigen Glanz. Gereon Grundmann hat als Notar und Faktotum nur wenige Töne zu singen, darüber hinaus darf er als eleganter Diener immer wieder Gegenstände auf die Bühne bringen und wegräumen. Gesungen wird in italienischer Sprache mit deutschen Übertitel, wobei einige deutsche Sprechtexte die Handlung erläutern, so dass dem Zuschauer trotz der Kürzung auf 90 Minuten (ohne Pause) eine komplette handlungsbasierte Fassung der Oper geboten wird.

 

 

Die Niederrheinischen Sinfoniker spielen unter der musikalischen Leitung von Yorgos Ziavras schwungvoll auf. Mit etwas zu viel Schwung fliegt hierbei auch der Taktstock einmal über die Bühne, den die erste Geigerin aber schnell und nahezu unbemerkt wieder einsammelt. Wenn dann bei der insgesamt amüsanten Umsetzung auch noch notwendige Abstandsgebote einbezogen werden und das Liebespaar Norina und Ernesto im Garten darauf hingewiesen werden, doch bitte drei Meter Sicherheitsabstand einhalten zu müssen, zeigt sich das Potential, das in diesem Opernabend liegt. Kurzerhand nehmen beide zwei Herzluftballons an langen Stielen zur Hand, die sich in der Mitte symbolisch treffen. Wäre da nicht dieses nervige Störgeräusch über die kompletten 90 Minuten gewesen, hätte man sicherlich einen wunderschönen Theaterabend erlebt. So bleibt nur die Hoffnung, dass „Don Pasquale“ in Krefeld für andere Zuschauer an einem anderen Abend dann genussreicher verläuft, solange die Theater aktuell noch öffnen dürfe. Das Publikum spendete am Ende unter großem Jubel langen und lautstarken Beifall für die Darsteller, das Orchester und das anwesende Inszenierungsteam. Ein absolut verdienter Applaus!!!

 

Markus Lamers, 20.11.2021
Fotos (teilweise in anderer Besetzung): © Matthias Stutte

 

 

Alles neu

Premiere Krefeld: 24.10.2021
besuchte Vorstellung 12.11.2021

 

Vier Uraufführungen sorgen für unterhaltsame Abwechslung

 

Der Ballettabend „Alles neu“ bietet in der Tat viel Neues, denn gleich vier Uraufführungen wurden hier zu einer rund 75minütigen Aufführung zusammengefasst. Entstanden ist dieser Abend zu Zeiten der Theaterschließungen im ersten Lockdown, wo gleich drei Tänzer des Ensembles eigene, teilweise sehr spannende Choreografien entwickelten. Darüber hinaus schuf Ballettdirektor Robert North eine neue Choreografie für diesen Abend. „Besondere Zeiten erfordern besondere Konzepte“ schreibt das Theater Krefeld-Mönchengladbach gleich zu Beginn in der Beschreibung dieses Ballettabends. Geht man nach den Zuschauern, dann ist das Konzept wie gewünscht aufgegangen, denn diese spendeten im gut besuchten Theatersaal lautstarken Beifall für alle beteiligten Künstler.

 


Mit „Freedom“ beginnt der Abend sehr temperamentvoll. Marco A. Carlucci nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise in seine Heimat Apulien, indem er die Schrittfolgen an traditionellen Volkstänze anlehnt. Tanzen die fünf Darsteller zu Beginn noch leichtfüßig und voller Elan über die Bühne, während im Hintergrund verschiedene Landschaftsbilder eingeblendet werden, ändert sich dies im Verlauf des Werkes zu einem inneren Ringen, bei dem der innere Schmerz bildlich aus den Choreografien spricht. Nach rund fünfzehn Minuten gelingt es aber doch, eine neue Freiheit aus dem Tanz zu gewinnen, so dass sich hier trotz der Kürze des Werkes ein schöner Bogen spannt.

 

 

Nachdem sich Yoko Takahashi bei einer vorherigen Choreografie-Werkstatt bereits dem Winter aus Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ gewidmet hat, schuf sie nun mit „Haru – Frühling“ ein fröhliches Ballett zum bekannten Frühlingsteil. Hierbei nimmt sie die Zuschauer mit zum japanischen Kirschblütenfest, bei dem sich die Menschen im Park unter den Kirschbäumen treffen, um dort zu essen, zu trinken, sich zu unterhalten und darauf zu hoffen, die schöne Zeit der Kirschblüte im nächsten Jahre wieder erleben zu dürfen. Schön auch die Idee, die Geschichte zum Teil aus der Sicht eines auswärtigen Touristen zu beleuchten, der das harmonische Treiben auf sich einwirken lässt.

 

 

Weniger harmonisch geht es in „Respect Bro“ zu. Inspiriert durch den Fall George Floyd schuf Takashi Kondo zur Musik von Arvo Pärt (Fratres für Violine und Klavier) ein Werk für zwei Tänzer die nicht nur in der Rolle von Polizist und Opfer verschiedene Formen von Gewalt und Unterdrückung tänzerisch darstellen. Ein Darsteller im weißen Anzug, der andere im dunklen Kapuzenpullover, so scheinen die Rollen vor der großen Graffitiwand im Hintergrund zu Beginn klar verteilt zu sein. Doch im Verlauf des Werkes verschwimmen diese Grenzen zusehends, denn Respekt sollte nicht von der Position einer Person, vom Alter, Geschlecht oder Rasse abhängen. Für diese körperlich extrem anstrengende Choreografie voller Konfrontationen bekamen Francesco Rovea und Radoslaw Rusiecki einen besonderen Beifall vom Publikum.

 

 

Den Titel „Technische Schwierigkeiten“ wählte Robert North als ironische Anspielung auf die Corona-Zeit, bei der durch notwendige Abstandsregeln die choreografischen Möglichkeiten stark eingeschränkt werden. Dennoch gelingt ihm hier zur Musik von „2Cellos“ eine absolut begeisternde Arbeit, bei denen drei Tänzerinnen und vier Tänzer in hohem Tempo über die Bühne gleiten. Mal allein, dann wieder in Zweier- oder Dreier-Konstellationen kreuzen sich ihre Wege. Sehr beeindruckend hierbei das Timing der Darsteller, die aus den Bühnengassen rechts und links stets den Überblick behalten. Bühnen- und Kostümbildner Udo Hesse taucht die Bühne hierbei effektvoll in verschiedene Farben, wie er auch zuvor am Abend stehts die richtige Stimmung transportierte.

 

Abgerundet wird der Abend zwischen dem zweiten und dritten Ballettstück mit einem Intermezzo, bei dem André Parfenov am Klavier in beeindruckender Art und Weise eigene Variationen über ein Thema von Paganini vorträgt. Wie ein Orkan fegt er über die Tasten des Instrumentes hinweg. So sind es am Ende sogar fünf statt vier Uraufführungen, die diesen Abend zu seinem gelungenen Theaterbesuch werden lassen. Weitere Aufführungen sind in den nächsten Monaten auf dem Spielplan des Theaters Krefeld angesetzt.

 

Markus Lamers, 13.11.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

Salon Pitzelberger & Co.

Premiere Krefeld: 01.10.2021
besuchte Vorstellung 03.11.2021

Herr Pitzelberger lädt zum Opernkonzert

Nach vielen Monaten des Lockdown startete das Theater Krefeld-Mönchengladbach im Mai diesen Jahres mit mehreren sehenswerten Premieren in die Restspielzeit 2020/21. Hierbei war auch die Operette „Salon Pitzelberger & Co.“ erstmals in Mönchengladbach zu sehen, die nun auch in Krefeld auf dem Spielplan des Gemeinschaftstheater steht. Als die Operette „M. Choufleuri restera chez lui le…“ (auf Deutsch im Original „Herr Blumenkohl bleibt zu Hause am …“) von Jacques Offenbach im Jahr 1861 uraufgeführt wurde, wusste nahezu jeder, dass durch diese aus heutiger Sicht etwas umständliche Formulierung eine Einladung zur abendlichen Gesellschaft ausgesprochen wurde. Da dies in der heutigen Zeit nicht mehr zeitgemäß ist, wurde die Operette im deutschen Sprachraum in den letzten Jahrzehnten auch oft unter dem Titel „Salon Pitzelberger“ aufgeführt. Da das Werk mit einer Spielzeit von rund 40 Minuten aber selbst für eine einaktige Corona-Produktion recht kurz ist, hat Ulrich Proschka in seiner Konzeption und Textfassung Einlagen aus weiteren Operetten eingefügt, hierunter u. a. „Pomme d’Api“, „Le 66“, „Orpheus in der Unterwelt“ und „La Perichole“. Im Titel wurde entsprechend der der Zusatz „& Co.“ ergänzt, um dies auch dort zu verdeutlichen. Dies gelingt zwar nicht immer ohne kleinere Längen im Stück zu erzeugen, darüber kann man aber hinwegsehen, denn Herrn Proschka ist hier eine sehr unterhaltsame Aktualisierung und Erweiterung der Handlung gelungen. Angesiedelt wurde diese in den Gründerjahren nach dem Deutsch-Französischen Krieg zum Ende des 19. Jahrhunderts. Herr Pitzelberger ist hierbei vom märkischen Rübenbauer erst zum Zuckerfabrikanten und dann zum Hersteller von Industriealkohol aufgestiegen. Seine Firma nennt er voller Stolz „BER – Berliner Ethanol-Rüben“, was für allgemeine Erheiterung im Publikum sorgt. Mit einer Einladung zur Opernaufführung in seinem Salon, möchte er nun auch in der oberen Gesellschaft entsprechend Eindruck schinden. Neben der Ergänzung der ursprünglichen Operette um weitere Offenbach-Werke finden auch weitere Personen den Weg in die Geschichte. Hierzu sei an dieser Stelle auf den sehr informativen Text im Programmheft des Abends verwiesen.

 

Geboten wird in Krefeld eine sehr gelungene und unterhaltsame Operetten-Inszenierung, die gleichzeitig mit ihrer kammermusikalischen Bearbeitung durch Michael Preiser überzeugen kann. Mit nur zehn Musikern (vier Bläser, vier Streicher, ein Pianist und ein Musiker für diverse Schlaginstrumente) entsteht eine Klangfarbe, wie sie perfekt auch zu einem Salon-Konzert passen würde, welches hier im Mittelpunkt der Handlung steht. In der besuchten Vorstellung lag die musikalische Leitung bei Sebastian Engel, der das Orchester souverän durch den Abend leitete. Wie gewohnt kann man sich in Krefeld auch auf ein spielfreudiges Ensemble verlassen. Als Unternehmer Waldemar Pitzelberger steht Matthias Wippich auf der Bühne, der mit schönem Bass und unterhaltsamen Schauspiel glänzt. Komische Rollen wie der der Gärtner Petermann, der nun den englischen Butler des Abends geben soll sind bei Markus Heinrich wie immer in den besten Händen. Ihm zur Seite steht im Verlauf des Abends die neue Hausdame Melusine von Lotz, die charmant von Gabriela Kuhn dargeboten wird. Mit schönem Sopran ist auch Sophie Witte eine sichere Bank auf jedem Besetzungszettel. Auch die übrigen Rollen sind mit David Esteban, Raphael Bruck, Woongyi Lee und Maya Blaustein musikalisch stark besetzt. Hinzu kommen noch acht Darsteller und Darstellerinnen, die als Gäste des Abends zu sehen und zu hören sind, sich aber handlungsbedingt vor allem auf das Buffett des Abends freuen.

 

Für das Bühnenbild hat Christine Knoll hat einen schönen Salon geschaffen, der gut zu einer großen Operettenproduktion passt und gleichzeitig Pitzelbergers vermeintliches Kunstverständnis durch das Bild des röhrenden Hirsches über dem Klavier geschickt enttarnt. Alles in allem darf sich der Zuschauer bei dieser Produktion auf unterhaltsame 110 Minuten freuen, bei der die Handlung zwar nicht über den ganzen Abend reicht, bei der aber Inszenierung, Musik und Darstellung zu einer gelungenen Einheit verschmelzen.

 

Markus Lamers, 06.11.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

 

Queen´s Last Night

Uraufführung: 04.09.2021

Im Kaufhaus geschehen seltsamme Dinge...

 

Am Samstag, den 04. September 2021 startete das Theater Krefeld mit einer Uraufführung in die neue Spielzeit, die in den letzten Monaten zunehmend Gestalt annahm. Vor einigen Jahren fand beim jährlichen Theaterball bereits ein Auftritt von drei Schauspielerinnen statt, die als Königinnen kostümiert neu arrangierte Songs der britischen Rockband QUEEN sangen. Als auf Grund der Corona-Pandemie das Musical „Cabaret“ verschoben werden musste entwickelte das Theater Krefeld-Mönchengladbach diverse „coronataugliche Ersatzproduktionen“, bei denen sich die notwenigen arbeitsrechtlichen Vorgaben umsetzen ließen. So entstand in den vergangen Monaten aus einem vielumjubelten Auftritt beim Theaterball ein gut 90minütiges Songdrama, in dem 22 QUEEN-Songs ihren Platz gefunden haben, entwickelt vom Regisseur Frank Matthus und dem musikalischen Leiter Jochen Kilian. Neben den großen Klassikern wie „Bohemian Rhapsody“, „Killer Queen“, „Who Wants to Live Forever“, „We are the Champions“, „The Show Must Go On“ oder „I Want to Break Free“ – um nur einige zu nennen – fanden auch eher unbekanntere Werke den Weg in diese Produktion. Das besondere an diese Werk ist es, dass die großartige Musik der Band ohne großen Bandbombast eher in einer kammermusikalischen Form erklingt. Jochen Kilian sitzt hierbei allein im Orchestergraben, meist am Klavier, unterstützt wird er hierbei aber großartig von den sieben Darstellerinnen und Darstellern des Abends, die immer wieder Gegenstände finden, die in einem maroden Kaufhaus noch so rumliegen und die sich hervorragend zum Musizieren eignen.

Doch warum marodes Kaufhaus? Kommen wir kurz zum Handlungsrahmen der Geschichte. Das Kaufhaus „Queen´s“ muss leider schließen, da die Kunden zunehmend im Internet kaufen und der Slogen „Bei uns sind die Kundinnen Königinnen.“ auch nicht mehr zieht. Daher soll das altehrwürdige Haus nun abgerissen werden. Wehmütig dreht der langjährige Nachtpförtner nach dem letzten Ladenschluss seine Runde durch das Kaufhaus, vorbei an den Schaufensterpuppen, die zu großen Teilen als Königinnen verkleidet den Kunden ein besonderes Einkaufsambiente geboten haben. Die Arbeit hier im Kaufhaus war und ist (noch) sein Leben und auf seine „Königinnen“ hat er über all die Jahre ein waches Auge gehabt. Voller Abschiedskummer schlendert er durch die Gänge, doch plötzlich beginnt sich die Welt um ihn herum zu verwandeln und fantastische Dinge geschehen. It´s a Kind of Magic! Im Programmheft tätigt Jochen Kilian jedoch ein Versprechen: „Wer glaubt, dass er nach dem dritten Song verstanden hat, wie der Abend läuft, der hat sich sicher getäuscht.“ Und ja, dies ist nun der Punkt, der es einem Kritiker sehr schwierig macht, viel mehr über die Handlung zu schreiben, ohne etwas im Vorfeld zu verraten, denn die ein oder andere Wendung ist in der Tat so nicht unbedingt zu erwarten. Vielleicht so viel, freuen kann sich der Zuschauer sowohl auf ein bisher gänzlich unbekanntes Virus, auf royalen Besuch im Kaufhaus sowie bekannte Unterstützung aus Schweden. Und hiermit ist nicht ABBA gemeint, die aktuell mit ihrem neuen Album und ihrer neuen Show in London genug eigene Arbeit um die Ohren haben.

Das Schauspielensemble bestehend aus Bruno Winzen (als Nachtpförtner), Esther Keil, Jannike Schubert, Carolin Schupa, Paul Steinbach, Ronny Tomiska und Adrian Linke zeigte sich am Premierenabend bestens aufgelegt und präsentierte die vielen mehrstimmigen Songs ganz wunderbar. Wie Esther Keil die „Bohemian Rhapsody“ fast im Alleingang auf die Bühne bringt, ist ganz großes Theater. Den Zuschauer erwartet bei „Queen´s Last Night“ ein absolut unterhaltsamer Theaterabend, mit einer guten Portion (teilweise durchaus skurrilem) Humor. Nicht vergessen werden, sollen an dieser Stelle die prächtigen Kostüme der Königinnen, für die sich Anne Weiler verantwortlich zeichnet, die darüber hinaus auch die Bühne entworfen hat. Das Publikum vor Ort feierte die Darsteller und das Leitungsteam nach der ausverkauften Premierenvorstellung mit langem und lautstarken Applaus. Mit „Queen´s last Night“ könnte dem Theater Krefeld und dem hervorragenden Schauspielensemble ein weitere Publikumshit gelungen sein, ganz in der guten Tradition des Hauses, man denke hier beispielsweise an die grandiose „Rocky Horror Show“ (ebenfalls von Frank Matthus inszeniert) oder die „Blues Brothers“ zurück. Hoffentlich heißt es für diese Produktion noch lange: „The Show Must Go On“.

Markus Lamers, 05.09.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

 

 

Theater Krefeld / Mönchengladbach veröffentlicht das Programm der Spielzeit 2021/22

 

Zum Ende der Spielzeit wagt auch das Gemeinschaftstheater Krefeld / Mönchengladbach einen optimistischen Blick in die Zukunft und präsentiert den geplanten Spielplan für die kommende Saison. Auch die kommende Spielzeit steht hierbei noch unter dem Einfluss der Corona-Pandemie: „Bis Ende Dezember gehen wir mit Corona-konformen Formaten an den Start und rechnen mit einem Sitzplatzangebot von 50 Prozent, das sind zwischen 300 und 350 Plätze“, so Generalintendant Michael Grosse. Zum Jahreswechsel wolle man allmählich wieder zum normalen Spielbetrieb zurückkehren und auch Produktionen zeigen, die vor Beginn der Coronakrise entstanden sind und entsprechend ohne Abstandsregeln und andere Hygienekonzepte für die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne erarbeitet worden waren. Denn die Einschränkungen bei den Proben sind für das Theater deutlich schwieriger zu bewältigen, als die Anpassungen im Zuschauerbereich, berichtet Grosse weiter. Allerdings war man in den letzten Monaten keineswegs untätig, viele interessante Produktionen sind entstanden und auch das Ballett hat weiter geprobt und Stücke entwickelt. Da diese bislang nur selten oder gar nicht zur Aufführung gekommen sind, präsentiert das Ballett in der kommenden Spielzeit auch sechs Produktionen statt den sonst üblichen vier Stücken, hierunter u. a. die „Winterreise“ von Franz Schubert oder den Ballettabend von Robert North nach William Shakespeare „Der Sturm / Ein Sommernachtstraum“ mit Musik von Jean Sibelius und Felix Mendelssohn Bartholdy, dargeboten von den Niederrheinischen Sinfonikern. Auch die gelungene „Beethoven!“-Uraufführung soll im April 2022 in Krefeld zur Wiederaufnahme kommen. Im Schauspiel sind in der letzten Spielzeit unter Schauspieldirektor Matthias Gehrt einige interessante Produktion zu erleben, uneingeschränkt empfohlen werden kann hierbei „Wilhelm Tell“ in einer rundum gelungenen Inszenierung, die nach Aufführungen in Krefeld ab dem 01. Oktober 2021 auch in Mönchengladbach zu sehen sein wird. In Krefeld eröffnet das Schauspiel am 04. September zudem die Spielzeit mit der Uraufführung eines Songdramas von Frank Matthus und Jochen Kilian: „Queen’s Last Night“ ist eine Hommage an die britischen Kultband Queen mit ihrem außergewöhnlichen Leadsänger Freddy Mercury. „Auf der Bühne steht aber keine Rockband, sondern ein Flügel. Für die Schauspielerinnen und Schauspieler wird dies eine sehr feinsinnige, äußerst komplizierte musikalische Reise ohne den gewohnten Bombast von Queen.“, so Matthias Gehrt. Im Bereich Musiktheater werden die folgenden Produktionen zu sehen sein:

 

Carmen

MG – Premiere: 10.09.2021

 

Meisterklasse

MG – Wiederaufnahme: 24.09.2021

 

Salon Pitzelberger & Co.

KR – Premiere: 01.10.2021

 

The Show must go on – Musical Highlights

MG – Wiederaufnahme: 07.10.2021

 

Welttheater Mozart

KR – Premiere: 15.10.2021

Die Walküre – 1. Akt
MG – Premiere: 16.10.2021

Don Pasquale

MG – Wiederaufnahme: 24.10.2021
KR – Premiere: 19.11.2021

 

Rusalka

MG – Premiere: 30.01.2022

Sunset Boulevard
KR – Premiere: 12.03.2022

Salome

KR – Premiere: 02.04.2022

 

Die Zauberflöte

MG – Wiederaufnahme: 17.04.2022

 

Die Gespräche der Karmeliterinnen
MG – Premiere: 21.05.2022

 

Darüber hinaus gibt es für die gesamte Familie in der Vorweihnachtszeit wieder zwei Familenstücke, in Mönchengladbach ist ab dem 27.11.2021 das Musiktheaterstück „Schaf“ mit Musik von Henry Purcel, Georg Friedrich Händel und Claudio Monteverdi zu sehen. Bereits am 30. Oktober feiert das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ in Krefeld Premiere, für diese Produktion gibt es die Besonderheit, dass sowohl ein großes wie auch kleines Bühnenbild fertig produziert ist und man nach aktueller Lage entscheiden kann, welches Setting Verwendung finden kann. Darüber hinaus präsentieren die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von GMD Mihkel Kütson wieder eine Vielzahl interessanter Konzerte, im November wird als Chorkonzert „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms in Krefeld und Mönchengladbach zu hören sein.

 

Das komplette Spielzeitheft steht auf der Homepage des Theaters zum Durchblättern oder Download bereit. Der Vorverkauf zunächst für alle Vorstellungen bis einschließlich 29. Januar 2022 beginnt am 16. August. Der Vorverkauf für die weiteren Vorstellungen wird nach Spielzeitbeginn bekannt gegegen.


Markus Lamers, 02.07.2021

Foto: © Matthias Stutte

 

 

 

Die Walküre - 1. Akt

Premiere: 04.10.2020, besuchte Vorstellung 09.06.2021

 

Wagner als Kammeroper

 

Bereits im vergangenen Herbst feierte in Krefeld der erste Akt der Walküre seine Premiere als kleine, komplett corona-taugliche Inszenierung. Gespielt wird der erste Aufzug der Oper in einer stark reduzierten Orchesterfassung für zwei Klaviere, ein Cello und Schlagwerk. Erstaunlich, welche Wirkung Wagners monumentale Komposition auch in dieser Form entfalten kann. Erik García Alvarez und Michael Preiser harmonieren an den beiden Klavieren sehr gut, Ghislain Portier spielt das Cello einfühlsam und Günther Schaffner lässt gleich zu Beginn der Aufführung die Pauke als ordentliches Gewitter erklingen. Im Hintergrund der Bühne erhellen Blitze das Dunkel der Nacht. Die musikalische Leitung des Abends liegt bei Andreas Fellner, der die vier Musiker gelungen durch die rund 70 Minuten leitet.

 

Passend zur kleinen Besetzung hat Ulrich Proschka ein szenisches Arrangement entworfen, das als kleines Kammerspiel daherkommt und sich ausschließlich in Hundings Heim abspielt. Selbst das Schwert Notung ist hier zu finden und befindet sich inmitten eines großen Eichentisches. Bei seiner Inszenierung konzentriert sich Proschka vor allem auf die Beziehung des Geschwisterpaares, die meist nachvollziehbar beleuchtet wird. Das Bühnenbild und die passenden Kostüme von Udo Hesse sind schlicht, aber passend und runden das positive Gesamtbild der Inszenierung ab. Auch gesanglich erwartet den Besuch ein gelungener, wenn auch sehr kurzer, Opernabend. Markus Petsch glänzt mit seinem brillanten Tenor als Siegmund. Nicht nur bei „Wälse, Wälse, wo ist mein Schwert“ erfüllt seine Stimme den ganzen Theatersaal bis in letzte Reihe. Als Sieglinde kann Dorothea Herbert ebenfalls überzeugen. Abgerundet wird das Trio von Matthias Wippich als Hunding, der gesanglich mit seinem tiefen Bass ebenfalls markante Merkmale setzen kann. Darüber hinaus kann er beim Schauspiel am meisten überzeugen. In nahezu jeder Szene ist ihm das Misstrauen und die Verachtung gegenüber Siegmund im Gesicht abzulesen. Auch scheint er einen Verrat bereits zu ahnen, fühlt sich aber hoch überlegen, so dass er Sieglindes Schlaftrunk dann doch erliegt. „Hochmut kommt vor dem Fall.“ Saust es einem da schnell durch den Kopf.

 

Zu sehen ist diese Produktion noch am 17. Juni 2021 sowie am 19. Juni 2021, jeweils um 19.30 Uhr am Theater Krefeld. Ein Besuch kann allen Opernfreunden empfohlen werden, dies sich diese große Oper einmal als kleines intimes Kammerspiel ansehen wollen. So oft wird man die Gelegenheit dazu nicht mehr bekommen, eine in sich so schlüssiges und geschlossenes Kurzversion erleben zu dürfen, die trotz aller Umstände ein gelungenes Stück Musiktheater darstellt.

 

Markus Lamers, 15.06.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

 

Carmen

Premiere: 12.09.2020, besuchte Vorstellung 03.06.2021

 

Ein konzertanter Musikgenuss


Eigentlich stand der Besuch dieser Vorstellung bereits im letzten Herbst auf dem Programm, doch dann kam bekanntlich alles ganz anders. Umso schöner ist es nun, dass diese konzertante Aufführung mit Videoeinspielungen als eine der ersten Aufführungen nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs erneut auf dem Spielplan am Theater Krefeld steht. Leider gab es dann aber am vergangenen Donnerstag unmittelbar vor Vorstellungsbeginn die Information, dass in dieser Vorstellung auf Grund von technischen Problemen leider auf die Videoeinspielungen von Kobie van Rensburg (Konzeption, Videoregie und Ausstattung) verzichtet werden muss. In diesen Einspielungen schlüpfen u. a. vier Mitglieder der Ballettkompanie in die Rollen von Carmen, Don José, Micaela und Escamillo. Zu erleben war stattdessen dann „nur“ eine konzertante Aufführung, für die allein sich aber die Anreise ebenfalls gelohnt hat.

 


Da nun hier leider nichts zu der, wie man an anderer Stelle hörte, sehr sehenswerten Umsetzung gesagt werden kann und die Oper „Carmen“ von Georges Bizet hinlänglich bekannt sein sollte, wollen wir den Blick kurz auf den bereits erwähnten musikalischen Genuss des Abends werfen. Gespielt wird in Krefeld die reduzierte Orchesterfassung von Gerardo Colella, für die rund 20 Musiker und Musikerinnen im hinteren Bühnenbereich platziert wurden. Unter der musikalischen Leitung von GMD Mihkel Kütson spielen die Niederrheinischen Sinfoniker auf bekannt hohem Niveau, so dass die bekannten Lieder der Oper auch in dieser kleinen Besetzung kraftvoll und voluminös erklangen. Allein die Ouvertüre war hierbei ein echter Genuss für die Ohren, den man so lange vermisst hat. Einmal mehr konnte auch das Musiktheater-Ensemble beweisen, wie gut es seit vielen Jahren aufgestellt ist. Bis in die kleinste Rolle, war die Aufführung stark besetzt. In der Titelrolle verkörperte die Mezzosopranistin Eva Maria Günschmann eine differenzierte Carmen. Manchmal eher verführerisch, doch meist die starke emanzipierte Frau mit großem Selbstbewusstsein. Ihr zur Seite steht mit dem Tenor David Esteban ein Don José, bei dem auch in dieser konzertanten Version deutlich wird, wie sehr er Camen verfallen ist. Der Bariton Rafael Bruck singt einen Escamillo an dem es wahrlich nichts auszusetzen gibt, im Gegenteil. Ganz hervorragend ist auch Sophie Witte als Micaela mit ihrem reinen, jugendlich wirkenden Sopran. Die weiteren Rollen haben in der besuchten Vorstellung Hayk Deinyan (Zuniga), Debra Hays (Frasquita), Janet Bartolova (Mercédès), Woongyi Lee (Remendado) und Guillem Batllori (Dancairo) übernommen. Letzterer ist noch Mitglied im Opernstudio Niederrhein, zeigt hier aber einmal mehr was in ihm steckt. Zum Finale erklang der Opernchor noch per Toneinspielung.

 

 

Die gut 90 Minuten (ohne Pause) vergingen auch ohne eine begleitende Inszenierung wie im Fluge, am Ende gab es einen langen und kaum enden wollenden Applaus der im Theater anwesenden Zuschauer. Zwei weitere Vorstellungen stehen noch am 12. Juni sowie am 29. Juni auf dem Spielplan, dann hoffentlich auch wieder ohne technische Probleme, so dass sich zum musikalischen auch der visuelle Genuss gesellen kann.

 

Markus Lamers, 04.06.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

 

 

Reigen

Streaming-Premiere: 15.05.2021, 19.30 Uhr

 

Der Opernfreund unternimmt einen Abstecher zum Schauspiel

In diesen nach wie vor „theaterfeindlichen“ Zeiten ist man über jede neue Produktion des heimischen Theaters froh, daher war die Freude über die Ankündigung des Theaters Krefeld-Mönchengladbach groß, dass die fertig geprobte Inszenierung von Arthur Schnitzlers Reigen nun am 15. und 22. Mai, jeweils um 19.30 Uhr per Stream zu erleben ist. Aus diesem Grunde wagt sich der Opernfreund auch ausnahmsweise mal in den Schauspielbereich vor und er erlebt hierbei einen Theaterabend, der den Zuschauer doch etwas zwiegespalten vor dem Fernseher zurücklässt.

Zu sehen ist die bearbeitete Aufzeichnung der Generalprobe vom 26. März 2021. Ausgerechnet hier war allerdings ein Darsteller krankheitsbedingt nicht vor Ort, so dass seine Rolle in der Generalprobe durch eine Souffleuse übernommen werden musste. Für die Videoaufzeichnung wurde sein Text dann nachträglich eingesprochen. In Verbindung mit den aufgezeichneten Bildern, bei der auch immer wieder ein Kameramann durch das Bild läuft, entsteht ein eigenartiger Charme, der das Gefühl vermittelt, dass man beim Theater Krefeld-Mönchengladbach unter wirklich widrigen Umständen alles unternimmt, um für die Zuschauer überhaupt etwas auf die Bühne bzw. in diesem Fall den heimischen Fernseher oder Laptop zu bringen. Verstärkt wird das Gefühl dadurch, dass der Stream über den Silk-Browser am Fernseher technisch leider nicht auf Vollbild vergrößert werden konnte, was zur Folge hatte, dass man die recht dunkle Produktion hier mit einem weißen Rand verfolgen musste. Vielleicht war dies aber auch ein Einzelfall, am PC war die Nutzung des kompletten Bildschirms auf jeden Fall problemlos möglich. Dafür liefern alle beteiligten Schauspieler eine hervorragende Leistung und für den regelmäßigen niederrheinischen Theatergänger ist es schön, endlich mal wieder die altbekannten Gesichter in einer kompletten Inszenierung zu erleben, sowie gleichzeitig einige Ensemble-Zugänge der aktuellen Spielzeit erstmalig zu sehen. Allein hierfür lohnt sich der Kauf eines Tickets, was mit 10 Euro für 10 Dialoge durchaus erschwinglich ist.

In diesen zehn Begegnungen geht es um die Beziehung von Mann und Frau, wobei es in fast jeder Szene auch zum Sexualakt kommt. Jede Szene ist hierbei mit der folgenden durch eine Figur verbunden. So trifft die Dirne erst auf den Soldaten Franz, der Soldat trifft dann in der zweiten Szene auf das Stubenmädchen Marie, dieses Stubenmädchen trifft auf einen jungen Herrn und dieses Spiel wiederholt sich solange bis ein Graf auf die Dirne trifft und der Reigen in dieser Szenen unterbrochen wird. Von einem der größten deutschen Theaterskandale wie bei der Uraufführung 1920 in Berlin ist man heutzutage weit entfernt, erst recht, wenn es beim eigentlichen Sexualakt in der Regel dunkel wird auf der Bühne. Allgemein ist es schwierig eine Produktion, bei der es vordergründig auch um engen körperlichen Kontakt geht, unter den aktuellen Corona-Abstandsgeboten zu inszenieren. Dies geling Maja Delinić allerdings recht gut, indem sie die Suche nach dem seelischen Kontakt in den Vordergrund stellt. Das Bühnenbild stellt hierbei eine recht kühle Spirale dar, die von kleineren Naturelementen wie Sträuchern etwas aufgelockert wird (Bühnenbild: Ria Papadopoulou). Die Kostüme von Janin Lang sind sehr phantasievoll gestaltet, allerdings setzt hier dann auch das große „Aber“ ein. Die teilweise extrem grotesken Überzeichnungen der einzelnen Charaktere machen es schwierig sich auf die Texte zu konzentrieren. Immer wieder erwischt man sich dabei, die gesamte Inszenierung in diesem Punkt nicht ernst zu nehmen. Wenn der Ehegatte beispielsweise von zwei Schauspielern gleichzeitig gespielt wird, die durch das Haar miteinander verbunden sind, ist das Kostüm zwar nett anzuschauen und die schauspielerische Leistung der beiden Darsteller beachtlich, aber insgesamt wirkt es durch die Überzeichnung nicht nur unrealistisch, sondern sogar fast etwas beliebig. Auch dass zwei Teufel nach einem Vorspiel laufend als Beobachter ins Bild huschen, bringt der Inszenierung ebenfalls keinen rechten Mehrwert. Dass das Finale den Zuschauer dann mit einem weiteren kleinen Fragezeichen zurücklässt, passt fast etwas zu diesem Theaterabend. Allerdings ist der musikalische Einsatz von Harfe und Horn als musikalischer Gegensatz dann wieder sehr gut gelungen (Musik: Clemens Gutjahr) und weiß durchaus zu gefallen.

Am Ende ist es ein Theaterabend, der von der Inszenierung sicherlich auch etwas Geschmackssache ist, wobei ich mir sicher bin, dass mich persönlich diese Inszenierung live im Theater ganz anders angesprochen hätte, als dies am heimischen Fernseher nun möglich war. Dazu kommen die sehr guten Leistungen der Schauspieler, so dass man nach rund 100 Minuten wie eingangs erwähnt mit gemischten Gefühlen den Fernseher ausschaltet und sich darauf freut hoffentlich bald wieder live in einen Theatersaal gehen zu können. Wer sich selbst ein Bild von dieser Produktion machen möchte, kann sich in dieser Woche noch für 10 Euro ein Streamingticket für den 22. Mai 2021 sichern.

 

Markus Lamers, 16.05.2021
Fotos: © Matthias Stutte

 

The Plague (Die Seuche)

Filmpremiere: 02.04.2021, 19.30 Uhr

 

Eine ganz besondere Opernproduktion in einer ganz besonderen Zeit

Bereits bei der Präsentation der Spielzeit 2020/21 im April des vergangenen Jahres kündigte das Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach an, dass Kobie van Rensburg nach den großen Erfolgen seiner Produktionen am Niederrhein ein weiteres Opernpasticcio mit Musik von Henry Purcell für das Theater entwickeln wird. Der seinerzeit genannte Arbeitstitel The Plague (Die Seuche) blieb dabei auch bis heute erhalten, auf Grund des anhaltenden Theater-Lockdowns wurde das Werk aber im Rahmen der Entwicklung von der Bühne komplett in eine virtuelle Realität verlegt. Fast ein Jahr nach der ersten Ankündigung kann dieses Stück nun seit Karfreitag, den 02. April 2021 um 19.30 Uhr über die Homepage des Theaters für einen geringen Beitrag von 10 Euro abgerufen werden. Alternativ ist an den Theaterkassen zum identischen Preis auch eine DVD erhältlich. In einem für ein Theater eher ungewöhnlichen Format wurden die Sängerinnen und Sänger für diesen Film im Bluescreen-Verfahren gefilmt und von Kobie van Rensburg Corona-konform digital in ein aufwändig hergestelltes, virtuelles Phantasie-England des 17. Jahrhunderts transferiert. Wer die bisherigen Arbeiten des Regisseurs gesehen hat, der weiß, auf was er sich hierbei freuen darf, denn auch bei seinen Inszenierungen von „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Der Barbier von Sevilla“ setzte van Rensburg auf die gelungene Mischung von Videotechnik und Livedarbietung. Seine beiden Opernpasticcio „The Gods must be crazy“ und „Der seltsame Fall des Claus Grünberg“ perfektionierten die Einarbeitung von Livedarstellern in eine virtuelle Realität und seine „Zauberflöte“ zählt vielleicht zu den besten Produktionen der letzten Jahre an diesem Theater.

 


The Plague beruht nun auf Motiven aus „Die Pest zu London“ von Daniel Defoe aus dem Jahr 1722. Passagen aus diesem Text sowie Zitate von William Shakespeare und Ben Johnson bilden die Grundlage für eigene Sprechtexte mit der van Rensburg die zwölf Abschnitte des Films verbindet. Doch egal ob Pest, Cholera, die spanische Grippe oder Ebola, immer wieder wurden die Menschen durch große Krankheiten in Extremsituationen gebracht. Unter dem Eindruck der heutigen Corona-Situation bekommt diese Mischung aus alter Musik und moderner Technik eine ganz eigene Betrachtungsweise, die den Film besonders sehenswert macht. Hierbei wurden insgesamt 28 Werke der englischen Barockzeit, 26 Stücke von Henry Purcell sowie je ein Werk von Thomas Ravenscroft und Pelham Humfrey dramaturgisch geschickt zusammengestellt, so dass eine ganze eigene Geschichte entsteht. Auch wenn, wie in vielen aktuellen Produktionen, eine kleine Toilettenpapier-Anspielung nicht fehlen darf, zieht der Film den Zuschauer doch gekonnt in längst vergangene Jahre. Die Optik eines Computerspiels gepaart mit dem Charme des barocken Englands ist hierbei passend in schwarz-weiß gehalten, was die Produktion weiter aufwertet. Die zuschaltbaren deutschen Untertitel helfen beim Verfolgen der Geschichte ungemein. Ansonsten sind die englischen Texte auch mit einer schönen alten Schrift als Untertitel im Film fest eingearbeitet.

 

Auch musikalisch kann das Werk vollkommen überzeugen. Unter der musikalischen Leitung von Yorgos Ziavras, der auch selber das Cembalo spielt, sind acht weitere Musiker involviert, die diese alte Musik zu einem wahren Hörgenuss machen. Für die Einrichtung des Orchestermaterials zeichnet sich Michael Preiser verantwortlich. Auch die neun Darsteller (3 Soprani, 2 Mezzi, 2 Tenöre, 1 Bariton und 1 Bass) können sowohl darstellerisch wie auch gesanglich gefallen. Im Einzelnen sind dies Chelsea Kolic, Antigoni Chalkia, Maya Blaustein, Susanne Seefing, Boshana Milkov, Woongyi Lee, Robin Grunwald, Guillem Batllori und Matthias Wippich. Besonders die größeren Ensemble-Nummern wie z. B. „We Cheated the Parson“ aus Purcells „King Arthur“ begeistern auch vor dem heimischen Fernseher. Alle verwendeten Stücke sind übrigens auch übersichtlich im Programmheft aufgeführt, welches kostenlos über die Homepage des Theaters Krefeld-Mönchengladbach heruntergeladen werden kann. In diesem 16seitigen Heft finden sich auch einige weitere interessante Informationen über die Produktion dieses Opernfilms, der im Übrigen im letzten Kapitel noch mit einem netten kleinen Twist aufwartet, der an dieser Stelle nicht verraten werden soll.

 

Die rund 68 Minuten vergehen bei dieser Produktion wie im Fluge und durch seine ganz besondere Eigenart als reine Filmproduktion, hebt sich The Plague wohltuend von anderen Streamingangeboten ab. Hier sind die 10 Euro sehr gut investiert und der Film ist jedem Opernfreund wärmstens ans Herz zu legen. Nach Sichtung des Online-Streams ist die DVD bereits bestellt um eine solch gelungen Produktion auch in einigen Jahren erneut genießen zu können.

 

Markus Lamers, 02.04.2021
Fotos: © Kobie van Rensburg / Matthias Stutte

 

 

Neujahrskonzert 2021

 

In diesem Jahr spielen die Niederrheinischen Sinfoniker ihr Neujahrskonzert ohne Livepublikum, dafür aber für alle Zuschauer kostenlos abrufbar über den YouTube-Kanal des Gemeinschaftstheaters Krefeld-Mönchengladbach. Den schwungvollen Beginn der knapp 30minütigen Konzertaufzeichnung liefert die recht kurze „Cumana“ von Barclay Allen aus dem Jahr 1947. Es folgt „Amapola“, das wohl bekannteste Werk des Komponisten José Maria Lacalle bei dem David Esteban einmal mehr seinen wunderbaren Tenor präsentieren darf. Zu „I Feel Pretty“ aus Leonard Bernsteins weltbekannter „West Side Story“ bedarf es wohl keiner weiteren Erläuterungen. In diesem Fall kommt der Song durch die Sopranistin Sophie Witte deutlich klassischer daher, als man es von vielen anderen Interpretationen gewohnt ist. Und wir bleiben mit George Gershwins „`s Wonderful“ aus dem Musical „Funny Face“ aus dem Jahr 1927 noch eine Runde am New Yorker Broadway, hier sehr schön dargeboten von der Mezzosopranistin Boshana Milov. Es folgt das eher bedächtige „I will wait for you“ von Michael Legrand aus dem etwas unbekannteren Musicalfilm „Die Regenschirme von Cherbourg“ aus dem Jahr 1964 in dem u. a. Catherine Deneuve die Hauptrolle übernahm. Bei der bei diesem Konzert präsentierten Instrumentalversion mit Philipp Wenger als Solist an der Geige kann man wahrlich ins Träumen geraten bevor es zum Abschluss mit „Cheek to Cheek“ von Irving Berlin aus dem Fred Astaire/Ginger Rogers-Film „Top Hat“ aus dem Jahr 1935 nochmal etwas schwungvoller wird und David Esteban und Sophie Witte ein Zweites Mal auftreten dürfen. Erneut beweisen die Niederrheinischen Sinfoniker unter der musikalischen Leitung von GMD Mihkel Kütson was für ein hervorragendes Orchester das Gemeinschaftstheater Krefeld - Mönchengladbach beheimatet. In diesem Sinne, allen Lesern ein Frohes Neues Jahr 2021.

 

Markus Lamers, 01.01.2021
 


 

The Show must go on

Premiere Krefeld: 26.09.2020

Musical-Highlights in 90 Minuten

Eigentlich sollten in dieser Spielzeit mit „Cabaret“, „Sunset Boulevard“ und der Wiederaufnahme von „Otello darf nicht platzen“ gleich drei Musicals am Theater Krefeld-Mönchengladbach stattfinden. Stattdessen gibt es am Gemeinschaftstheater nun erstmals ein Musical-Konzert mit Songs, Duetten und Ensembles aus insgesamt zehn Musicals. In rund 90 Minuten spielen die Niederrheinischen Sinfoniker unter der Leitung von Andreas Fellner, der auch die Moderation des Abends übernimmt, ganz wunderbar auf und den Zuschauer beschleicht einmal mehr das Gefühl, dass viele Musicalstücke mit einem echten und großen Orchester erst ihre ganze Wirkung entfalten. Auch wenn coronabedingt „nur“ mit rund 29 Leuten im Orchester gespielt werden durfte, entfaltet sich ein Klang, den man bei vielen Konzerten dieser Art vermisst. Bravo! Als Solisten treten aus dem eigenen Haus Debra Hays, Gabriela Kuhn, Susanne Seefing und Markus Heinrich an. Letzterer hat an diesem Abend zwar am wenigsten zu singen, zeigt als Wirt Thénardiers allerdings einmal mehr sein komödiantisches Talent. Als Gäste waren bei den ersten drei Abenden in Krefeld Lukas Witzel und Oliver Arno anwesend, bei den meisten weiteren Abenden wird Andrea Matthias Pagani Oliver Arno ersetzen.

Da bei einem reinen Konzert die Playlist oftmals viel entscheidender für einen Besuch ist als 1.000 weitere Worte, soll diese nachfolgend für sich stehen:

 

Gypsy - Together Whereever We Go

Otello darf nicht platzen - Sei du selbst

Drei Musketiere - Wer kann schon ohne Liebe sein?

Miss Saigon - Mein Gott, warum

Miss Saigon - I still Believe

Jekyll & Hyde - This is the Moment

Jekyll & Hyde - Someone like you

Sunset Boulevard - Nur ein Blick

Sunset Boulevard - Viel zu sehr

Chess - Anthem

Chess - I Know him so well

Chicago - Ouvertüre

Secret Garden - Lilys Augen

Secret Garden - Das habe ich nicht gewollt

Les Miserables - Stars

Les Miserables - Ich hab‘ geträumt

Les Miserables - Master of the House

Les Miserables - Bring him home

Les Miserables - One More Day

Zugabe: The Show must go on


Das Konzert ist in Krefeld nochmals Ende Oktober an zwei Abenden und als Silvesterprogramm zu erleben. In Mönchengladbach findet die Premiere am 21. Oktober 2020 statt, wo weitere vier Konzerte im Jahr 2020 auf dem Spielplan stehen.


Markus Lamers, 04.10.2020
Bilder: © Matthias Stutte

 


HEUTE ABEND: LOLA BLAU

Am 14. Juni 2020 fand nun doch, man möchte sagen endlich, mein erster echter Theaterbesuch nach gut drei Monaten statt, mal abgesehen von einem wunderbaren Open-Air-Konzert zu Pfingsten. Wie bereits berichtet spielt das Theater Krefeld – Mönchengladbach derzeit an den Wochenenden bis zu den Sommerferien einen ganz besonderen Spielplan, bei dem zu den Vorstellungen im großen Saal nur maximal 70 Zuschauer zugelassen sind. Diese fanden sich am Sonntag in Krefeld zu „Heute Abend: Lola Blau“ auch komplett ein, bereits einen Abend zuvor lief das Musical im Theater Mönchengladbach. In ungewöhnlichen Zeiten will ich diesen Bericht auch ausnahmsweise ungewöhnlich beginnen, und zwar mit dem sonst doch allgemein bekannten Prozedere vor der eigentlichen Vorstellung. Direkt am Eingang wird man als Zuschauer persönlich begrüßt und auf die bereitstehenden Desinfektionsmittel hingewiesen. Im nächsten Schritt werden die gebuchten Plätze von einer freundlichen Mitarbeiterin des Hauses auf ihrem internen Saalplan abgehakt und es wird sichergestellt, dass zusammenhängende Plätze auch nur von einem Haushalt erworben wurden. An einem Pult werden anschließend Name, Adresse und Kontaktdaten aufgenommen, eine Garderobe steht derzeit nur in der Form zur Verfügung, dass zwei separate Ständer für Jacken bereitgehalten werden. Nach einer weiteren kurzen Erklärung des Einbahnstraßen-Wegesystems hoch zur Bar und auf der anderen Seite wieder herunter, darf man sich aber frei im Haus bewegen. Auch wenn dies nun vielleicht für den ein oder anderen abschreckend klingen mag, das Theater hat sich hier wirklich Gedanken gemacht und diese auch durch Einsatz von sehr viel Personal ganz hervorragend entsprechend umgesetzt, hierfür ein ganz großes Lob an die Verantwortlichen des Hauses. Dies geht sogar so weit, dass man vor der Treppe zu den Toilettenräumen von einer weiteren Mitarbeiterin gebeten wird kurz zu warten, wenn sich bereits zwei Leute im Untergeschoss befinden.

Doch nun zur eigentlichen Aufführung: Vor einigen Jahren lief das leider viel zu selten gespielte Musical „Heute Abend: Lola Blau“ von Georg Kreisler bereits einmal als vollständige Inszenierung am Gemeinschaftstheater. Gabriela Kuhn stellte sich mit dieser Produktion quasi dem Publikum am Niederrhein vor, nachdem sie ins Ensemble des Theaters gewechselt war. Es handelt von der jüdischen Sängerin Lola Blau die das Theater von ganzem Herzen liebt und gerade eine Anstellung am Landestheater Linz übernehmen will, als der Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland verkündet wird. In Basel will sie sich mit ihrem Freund am Hauptbahnhof treffen, doch dieser erscheint nicht zur Verabredung. Später stellt sich heraus, dass er kurz vor dem Treffen verhaftet und in Konzentrationslager Dachau gebracht wurde. Auch die anfangs noch sehr naive Lola Blau erhält kurz darauf die staatliche Anweisung, die Schweiz verlassen zu müssen. Ihr gelingt die Reise nach Amerika, wo sie schnell in Bars und Nachtclubs als Sexsymbol gefeiert wird. Die Härte und die Unerbittlichkeit des Showgeschäftes drängen sie aber in die Vereinsamung und zur Flucht in den Alkohol. Nach dem Krieg kehrt sie zurück nach Österreich, sieht aber das Land und die Menschen dort in einem ganz anderen Licht, denn fast alles ist nicht mehr so, wie es einst war. Der österreichische Autor und Komponist Georg Kreisler schrieb dieses Stück für eine Sängerin und einen Pianisten Anfang der 70er-Jahre und ließ einige autobiografische Aspekte ins Werk einfließen, denn auch er flüchtete während der nationalsozialistischen Diktatur in die Vereinigten Staaten.

 


Für diese zwei Aufführungen am niederrheinischen Gemeinschaftstheater erarbeitete die junge Regisseurin Helena Jackson zusammen mit Sopranistin Gabriela Kuhn und dem Pianisten Karsten Seefing, der den Abend wunderbar am Klavier begleitete, eine eigene Kurzfassung des Musicals, die das Werk auf ca. 65 Minuten verkürzt. Insbesondere Fräulein Blaus Leben in Amerika wurde hier fast komplett entfernt, so dass ihr dortiger Niedergang leider nur etwas bruchstückhaft zu erahnen ist. Auch auf Kulissen wurde weitestgehend verzichet, die verwendeten Bilder stammen aus der der ursprünglichen Inszenierung im Jahr 2010. Dennoch ist das Stück derart stark, dass es auch trotz dieser den Umständen geschuldeten Bearbeitungen noch nachhaltig beeindruckt. Hierzu reichen auch die wenigen Requisiten wie ein Telefon, ein Stuhl, eine Weinflasche und ein altes Mikrophon schon aus. Den Einbau eines aktuellen Bezuges hat man auch nicht gescheut, denn im Lied von „Frau Schmidt“ ist auch der Virus nicht mehr so wie er mal war. Insgesamt durfte der Zuschauer hier eine gute Stunde bei Liedern wie beispielsweise „Sie ist ein herrliches Weib“ mitlachen und ebenso bei der tragischen Lebensgeschichte der Titelfigur mitleiden. Ein bewegender Theaterabend, der dem Zuschauer hier präsentiert wurde. Und unter den allseits bekannten Umständen bekommt die in dieser Version gewählte Eröffnung mit „Im Theater ist was los“ gleich eine passende zweite Bedeutung.

 

Markus Lamers, 15.06.2020
Bilder der ursprünglichen Inszenierung: © Matthias Stutte

 

 

Wilhelm Tell als Lesung auf YouTube

Wilhelm Tell – Szenische Lesung in Corona-Zeiten


Im ursprünglich geplanten Spielplan für die inzwischen ruhende Spielzeit war für den 16. Mai 2020 die Premiere des Schauspiels Wilhelm Tell von Friedrich Schiller angesetzt. Da diese nicht stattfinden konnte, hat Regisseur und Schauspieldirektor Matthias Gehrt zusammen mit Thomas Blockhaus eine szenische Lesung unter Corona-Bedingungen erarbeitet. Diese wurde gestern live auf dem YouTube-Kanal des Theaters gestreamt und steht seitdem dort auch zum Abruf bereit (https://youtu.be/2KTkY7rxrlQ). In den ersten 24 Stunden wurde das Video bereits rund 1.900 mal abgerufen, was eine durchaus beachtliche Zahl darstellt.

 

In rund 80 Minuten wird das gekürzte Schauspiel mit einigen hinzugefügten und nachgedichteten Texten erweitert. Inspiriert wurden diese Texte vor allem durch die internationalen Klimaschutzbewegungen und dem Umgang der Politik und der Wissenschaft mit den Themen Kapitalismus und Klimawandel. Am auffälligsten ist dies im Gespräch zwischen Werner Stauffacher und seiner Frau zu erkennen, wo nicht mehr die habsburgische Tyrannei als solche, sondern die zerstörte Natur zum Hauptproblem wird. Auch im weiteren Verlauf des Stückes ist bei den Gesprächen der Landleute oft der Klimawandel ein großes Problem der Zeit, dem man sich nun endlich annehmen will. Trotz dieser Bearbeitungen gelingt es Matthias Gehrt aber, das Stück nicht komplett auf den Kopf zu stellen und das Thema immer wieder geschickt in die „Originalgeschichte“ des bekannten Schweizer Nationalmythos einzuflechten. Abgerundet wird die Lesung durch passende Musikeinspielungen von York Ostermaier, so dass hier fast ein echtes Hörspiel entsteht.

Gelesen wird Wilhelm Tell durch die Schauspieler/innen des Theaters, im einzelnen sind dies Paul Steinbach (als Wilhelm Tell), Adrian Linke (als Werner Stauffacher), Michael Ophelders (als Walter Fürst), Henning Kallweit (als Arnold von Melchtal), Ronny Tomiska (als Fährmann Ruodi und Pfarrer Rösslmann), Raafat Daboul (als Konrad Baumgarten und Söldner Leuthold), Michael Grosse (als Reichsvogt Hermann Gessler), Esther Keil (als Gertrud Stauffacher, Söldnerin Mechthild und Bäuerin Armgard), Nele Jung (als Hedwig Tell), Jannike Schubert (als Tochter Tells und Elsbeth, eines Fischers Frau) sowie Bruno Winzen (als Erzähler). Bis auf wenige Ausnahmen entspricht dies der Besetzungen der ursprünglich geplanten Inszenierung, die wir hoffentlich in der kommenden Spielzeit am Theater Krefeld sehen können.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass kein Stream und kein anderer digitaler Weg, den Besuch einer Theateraufführung ersetzen kann. Ferner fehlen die optischen Aspekte einer vollwertigen Inszenierung schmerzhaft. Dennoch zeigt uns das Theater Krefeld eindrucksvoll, was aktuell unter den gegebenen Umständen überhaupt nur möglich ist. Es bleibt zu hoffen, dass solche Produktionen in der Not in nicht allzu ferner Zukunft wieder durch das gewohnte Theater ersetzt werden können. Bis dies aber soweit ist, lohnt sich durchaus mal ein Blick auf die Arbeit, die man hier für uns Zuschauer auf sich genommen hat.


Markus Lamers, 17.05.2020
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

OPER IN DEN ZEITEN VON CORONA

„RUSALKA“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rezension des LIVESTREAMS der Premiere v. 15.3.2020

Es gehört zum Ehrenkodex von Bühnenschaffenden, dass der Vorhang hochgehen muss, komme was da wolle. Wenn eine Drehbühne nicht wie vorgesehen dreht, wenn plötzlich ein Requisit fehlt, eine Tür klemmt oder ein Kostüm reißt – der Zuschauer soll von alledem nichts bemerken; Theaterleute sind Meister der Improvisation, der Illusion – und des Weitermachens um (fast) jeden Preis.

In Ariane Mnouchkines kultgewordenem Filmepos „Molière“ gibt es eine Szene, die dieses Phänomen in poetisch eindrucksvoller Weise veranschaulicht: die fahrende Theatertruppe hat ihre Bühne auf einem Markt aufgebaut. Während der Vorstellung zieht ein Gewitter heran, Wind kommt auf, erfasst die Vorhänge und schließlich das ganze hölzerne Theater, welches daraufhin vom Boden abhebt und übers Land schwebt. Die Schauspieler können sich kaum auf den Beinen halten, klammern sich an der Dekoration fest, schreien gegen den Wind an, während andere versuchen, der Bühne hinterherzulaufen und sie irgendwie am Wegfliegen zu hindern. Einer der Schauspieler ruft durch den Sturm: „Was sollen wir tun?“ Die Antwort lautete: „Weiterspielen!!!“

Und so hat in diesen Tagen, während europaweit Theater und Konzerthäuser ihren Proben- und Spielbetrieb einstellten, das Theater Krefeld-Mönchengladbach an seiner Mission festgehalten und Antonín Dvořáks Oper „Rusalka“ zur Aufführung gebracht. Zwar ohne Publikum, aber unter vollem Einsatz aller Beteiligten. Die Zuschauer durften via Livestream dabeisein.

„Rusalka“ – dieses laut Opernführer „lyrische Märchen in drei Akten“ kommt in Krefeld unter der Regie von Ansgar Weigner ganz ohne Wasserpflanzen, Fischschwänze und sonstiges submarines Kolorit aus. Stattdessen erleben wir eine spezielle Art von Unter(wasser)welt: einen düsteren, fast verliesähnlichen Kellerraum (Ausstattung: Tatjana Ivschina), aus dem lediglich eine Treppe nach oben in die Welt führt. Es gibt einen Tisch und eine Wandnische, in der ein Bett aufgestellt ist. In einem weißen, nachthemdartigen Gewand sitzt eine junge Frau im Rollstuhl und schreibt in ihrem Tagebuch: es ist die sich nach der Welt sehnende Rusalka, die Meerjungfrau, die gern wie die Menschen wäre, Füße und ein „richtiges“ Leben hätte – und dafür alles zu opfern bereit ist.

Die Metapher der Behinderung, des Ein- und gleichsam Ausgeschlossenseins, erklärt sich unmittelbar. Der Zusammenhang wird noch deutlicher, da man wenig später erlebt, wie die Hexe Ježibaba als emotional distanzierte und gestrenge Mutter ins Spiel kommt und der Wassermann als zwar liebevoller, aber auch hilfloser Vater dem Geschehen mit hängenden Armen zusehen muss. Schnell wird klar: hier sollen die Probleme buchstäblich im Keller gehalten werden. Als Zuschauer blickt man mitten hinein ins kranke Herz einer dysfunktionalen Familie.

Dass der später hinzukommende Prinz wie eine jüngere Ausgabe des Vaters wirkt, und auch die Fremde Fürstin im zweiten Akt als nahezu deckungsgleiches Abziehbild von Rusalkas Mutter erscheint, ist in dieser psychologisch fein ausgeloteten Inszenierung bis zum bitteren Ende beklemmend logisch.

Gesungen und musiziert wurde durchgängig auf bemerkenswert hohem Niveau.

Unter der Leitung von Diego Martin-Etxebarria spielten die Niederrheinischen Sinfoniker einen erdig-kernigen Dvořák mit viel Seele und Dramatik.

Der Opernchor (Einstudierung: Maria Benyumova) erfüllte seine Aufgaben untadelig.

Mit Spielfreude und schönen Stimmen – sowohl in ihren Solopassagen als auch im sehr homogen gesungenen Terzett – erfreuten als die drei Elfen Maya Blaustein, Gabriela Kuhn und Boshana Milkov. Mit schlankem und agilem Mezzosopran präsentierte Susanne Seefing den Küchenjungen. Den Heger gab Kairschan Scholdybajew. Hayk Dèinyan spielte und sang besonders in den drängenden Fortepassagen einen überzeugenden Wassermann. In der Rolle des Prinzen begeisterte David Esteban mit sicherer Höhe und einer strahlenden, durchsetzungsstarken und dabei immer schönen Tenorstimme.

Mit Dorothea Herbert als Gast in der Titelrolle konnte eine Sopranistin mit auffallend schönem Timbre gewonnen werden, die nicht nur ihr berühmtes „Lied an den Mond“ eindringlich zu gestalten wusste, sondern den gesamten Abend über mit inniger, differenzierter und bis in die großen Ausbrüche ihrer Partie wohlklingend-ausgeglichener Stimmgebung überzeugte.

Eva Maria Günschmann aus dem hauseigenen Ensemble ist in der Reihe der Solisten besonders hervorzuheben: mit jederzeit eleganter und sicher beherrschter Stimme meisterte sie nicht nur die hexenhaft zu gestaltende Mezzopartie der Ježibaba, sondern auch die eigentlich einem dramatischen Sopran zugedachte Rolle der Fremden Fürstin, wo sie sich in den exponierten Lagen ebenso sicher bewegte, wie sie zielgerichtet die Gefühle des Prinzen zu manipulieren und ihn damit Rusalka auszuspannen wusste – eine schauspielerische wie sängerische Spitzenleistung, die höchsten Applaus verdient.

Dieser blieb am Ende des Abends leider aus. Der Vorhang schloss sich. Der Live-Stream war beendet. Es gab keinen Jubel, keine freudigen, erschöpften, erleichterten Künstler vor dem Vorhang. Eigenartige Leere breitete sich aus und ließ auf diese Weise noch einmal deutlich werden, wie sehr Theater auf Menschen angewiesen ist. Natürlich auf die, die auf der Bühne und im Graben die Kunst lebendig werden lassen, aber auch auf diejenigen, welche nicht nur im Stream, sondern wirklich live dabei sind, die mitfiebern, lauschen, ergriffen und still sind oder in lauten Jubel ausbrechen. Und all das hätte diese Aufführung vollauf verdient.

Mögen alle Künstler weiterhin gesund bleiben, so dass, wenn der „Sturm“ einmal vorüber ist, dieser emotional wie intellektuell packenden Inszenierung viele „echte“ Vorstellungen vor vollem Haus beschieden sein werden.

 

Sibylle Eichhorn, 20.3.2020

Besonderer Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN

Fotos © Matthias Stutte

 

 

RUSALKA

Premiere: 15.03.2020

Theater Krefeld trotzt der Corona-Krise mit vorbildlichem Kundenservice

Programmheft zum Download

 

Derzeit sind nahezu sämtliche Theater in Deutschland auf Grund des Corvid-19-Virus geschlossen, einem Thema, dem man sich in vielen Lebensbereichen gerade nicht entziehen kann. Das Theater in Krefeld hat sich allerdings dazu entschieden, dass die für heute angesetzte Premiere der Oper „Rusalka“ von Antonin Dvořák trotz der vorerst bis Ende März angesetzten Schließung des Hauses dennoch stattfinden soll. Um die Inszenierung von Ansgar Weigner hierbei so vielen Zuschauern wie möglich zugänglich zu machen, wurde diese Premiere live auf dem YouTube-Kanal des Theaters gestreamt. Bei dieser Gelegenheit entstand diese für den Verfasser erste „Livekritik“, die parallel zur Übertragung verfasst wurde.

 

Vorab aber noch ein paar kurze Worte zum (etwas abgewandelten) Inhalt der Oper, die in Krefeld zu einem wahren Familiendrama wird. Die auf Grund einer Gehhinderung zumindest zum Teil an den Rollstuhl gefesselte Rusalka vertraut ihrem Vater an, dass sie von einem Leben unter den Menschen träumt (bisher kennst sie wohl ausschließlich ihre Familie), um dort ihre Liebe finden zu können. Der alte Mann warnt seine Tochter vor diesem Schritt, denn die menschliche Welt ist eine durchaus grausame. Auch die Mutter Jezibaba will ihre Tochter nicht gehen lassen, gibt aber schließlich doch nach. Allerdings weist sie nochmals eindrücklich darauf hin, dass sie damit für immer ihr zu Hause verliert. In der Menschenwelt begegnet Rusalka einem Prinzen, der ganz ihren Träumen entspricht. Die beiden wollen heiraten, obwohl Rusalka von vielen als Außenseiterin abgelehnt wird. Doch bevor es zur endgültigen Hochzeit kommt, taucht Rusalkas Mutter als fremde Fürstin auf um ihr den Prinzen auszuspannen. Nur in ihrem Vater sieht Rusalka noch den Retter, der sie aus dieser feindlichen Gesellschaft wieder befreien kann. Rusalka wird von ihrer Mutter für den Ausbruchversuch bestraft und vom Familienleben ausgeschlossen. Sie verlangt zudem von der Tochter, sich am Prinzen zu rächen indem sie ihn tötet. Als dieser wieder im Haus erscheint, kommt es zu einer tödlichen Begegnung.

Diese Handlung wurde im Übrigen vor jedem Akt auch für die Zuschauer eingeblendet. Auch die Einblendung der Untertitel, der in tschechischer Sprache aufgeführten Oper funktioniert ganz wunderbar, damit aber zu der bereits erwähnten „Livekritik“. Bereits in der bespielten Ouvertüre wird schnell klar, dass die Mutter eine mehr als nur strenge Frau ist, die in dieser Familie das Sagen hat. Eva Maria Günschmann verkörpert diese Rolle der Übermutter bravourös, zu Beginn vor allem durch ihr Schauspiel, im Verlaufe des Abends auch durch ihre gesanglichen Darbietungen, einen ersten größeren Part hat sie erst nach einer knappen halben Stunde zu singen. Zu dieser Zeit werden mir im Übrigen 765 Zuschauer beim Livestream angezeigt, was in etwa 40 Plätze über dem ausverkauften Haus bedeuten würde. Stichwort bravourös, gleich im ersten Akt der Oper wird auch klar, dass die Rolle der Rusalka mit Dorothea Herbert, die bereits in Mönchengladbach als Salome vollkommen überzeugen konnte, ganz wunderbar besetzt ist, solch einen wunderbaren Sopran hört man nicht alltäglich. Hayk Deinyan gibt am Premierenabend einen überzeugenden Vater und rundet damit die Familienbesetzung ab, mal abgesehen von den drei Schwestern, die immer wieder einen kleinen Auftritt haben. Ein paar Worte noch zum Bühnenbild von Tatjana Ivschina, die zudem auch die Kostüme für diese Produktion entworfen hat. Die Oper spielt vor allem in einer klammen Kellerwohnung, in der auf der rechten Seite Rusalkas Zimmer angebracht ist. Ein brennender Eimer scheint offenbar die einzige Wärmequelle in diesem Heim zu sein. Die Wände schimmern etwas vermodert und auch auf dem Boden scheint sich Wasser zu spiegeln. In dieser Wohnung „verwandelt“ Jezibaba zudem ihre Tochter durch einen Zauber, der in diesem Fall durch Make-Up, Schmuck und Parfum dargestellt wird. Und in dieser Wohnung trifft Rusalka auch auf Ihren Märchenprinzen, der wie es scheint, allerdings nur in ihrer Fantasie besteht. Auch hier ist die Besetzung mit David Esteban treffend gelungen. Damit endet nach 50 Minuten der erste Akt sehr gewöhnungsbedürftig ohne jeglichen Applaus, der bei einer gewöhnlichen Premiere an dieser Stelle sicher bereits sehr euphorisch ausgefallen wäre. Etwas verborgen blieb mir allerdings, warum Rusalka am Ende des Aktes auf Ihren Rollstuhl verzichten konnte, ist dieser einfach in der Traumwelt nicht vorhanden oder wurde dies in der Inszenierung zumindest kurz angedeutet? Hier gebe ich an dieser Stelle zu, dass meine Aufmerksamkeit am Fernseher nicht ganz so gut wie im Opernhaus funktioniert, erst recht nicht, wenn man dabei versucht einen zumindest halbwegs verständlichen Text zu verfassen.

Der zweite Akt beginnt mit einer Art Zwischenspiel bei dem Heger (Kairschan Scholdybajew) und sein Küchenjunge (Susanne Seefing) über die neue Frau an der Seite des Prinzen schlecht reden, bevor der Palast des Prinzen erscheint, in dem nun die große Hochzeit gefeiert werden soll. Hier erlebt Rusalka in ihrem bösen Traum allerdings statt des ersehnten Glückes, wie ihre Mutter als fremde Fürstin den Prinzen umgarnt und dieser sich auf der Hochzeitsfeier plötzlich gegen Rusaka wendet und sich stattdessen unter dem Jubel des Volkes an die Seite der Fürstin stellt. Diese Umsetzung gelingt Ansgar Weigner sehr gut, der in Krefeld u. a. mit „Die Liebe zu den drei Orangen“, „Frau Luna“ und „Otello darf nicht platzen“ drei Publikumsfavoriten der letzten Jahre inszenierte. Erwähnenswert an dieser Stelle noch der wie immer gut einstudierte Opernchor des Theaters, der insbesondere bei der Hochzeit eine wichtige Rolle einnimmt. Im Verlaufe des zweiten Aktes entwickelt sich zunehmend ein Familiendrama zwischen den Personen, in welches der Prinz irgendwie unabsichtlich hineingeraten ist. In der Pause erklärt der Regisseur auch diese familiären Ansätze der Inszenierung nochmal sehr anschaulich in einem sehr interessanten Video zu dieser Produktion. Eva Maria Günschmann und Diego Martin-Etxebarria gehen in diesem Pausenvideo auch nochmal auf die schwierige Einstudierung der tschechischen Sprache ein. Nach der Pause befinden wir uns wieder im gewohnten Bühnenbild des ersten Aktes und die Übermutter zieht Rusalka zur Verantwortung. Während die Familie aus Vater, Mutter und den drei Schwestern Weihnachten feiern, muss Rusalka die Zeit in einer Art Kellerraum unterhalb des Kellers verbringen. Diese Inszenierung ist nicht immer leichte Kost und wie es schnell passieren kann, sind bei solchen Übertragungen nicht immer alle Szenen komplett logisch. Dennoch gelingt es hier, dem Märchen eine gänzlich andere Interpretation zu geben und wenn man sich einmal darauf einlässt, erwartet den Zuschauer ein durchaus interessanter Opernabend, der musikalisch wie bereits erwähnt ebenfalls komplett überzeugen kann. Und das obwohl es in der Regel wenig förderlich ist, wenn man eine Darstellerin die Silbermond-Arie im Liegen singen lässt.

 

Auch die Niederrheinischen Sinfoniker unter der musikalischen Leitung von Diego Martin-Etxebarria klingen am TV-Bildschirm sehr gut, soweit dies eben bei einer solchen Übertragung möglich ist. Abgesehen von einigen kleineren Auflösungsproblemen verlief die rund 160minütige Übertragung zudem ohne jegliche Probleme, hier hat das Theater in sehr kurzer Zeit ein technisch sehr gelungenes Projekt bewerkstelligt, hierfür allen beteiligten Personen ein herzliches Dankeschön. Auch wenn am Ende nicht alle 765 Zuschauer bis zum Ende durchgehalten haben, bleibt zu hoffen, dass die geplanten Aufführungen dieser sehens- und hörenswerten Inszenierung ab dem 21. April 2020 dann wieder mit einem hoffentlich sehr gut gefüllten Zuschauersaal stattfinden können, denn trotz dieses vorbildlichen Angebots des Theaters Krefeld kann eben nichts einen echten Theaterbesuch ersetzen. Ich werde mir diese Produktion ganz sicher auch nochmal live im Theater anschauen. In diesem Sinne, bleiben Sie gesund und gehen Sie demnächst auch wieder zu möglichst vielen Theater- und Kulturveranstaltungen in Ihrer Umgebung.

Markus Lamers, 15.03.2020


Bilder: © Matthias Stutte

 

 

 

RUSALKA

Premiere am 15. März 2020

 

PRESSEMITTEILUNG


Die Krefelder Premiere von Antonín Dvořáks Oper „Rusalka“ am 15. März muss wegen der bekannten Vorsichtsmaßnahmen im Hinblick auf die aktuelle Corona-Krise ohne Publikum stattfinden.

Das Theater möchte die Inszenierung von Ansgar Weigner trotzdem so vielen Interessierten wie möglich zugänglich machen und wird deshalb am Sonntagabend ab 18 Uhr den Livestream aus dem Theater übertragen.

 

 

(c) Stutte

 

 

Let´s Stop Brexit!

Premiere Krefeld: 27.11.2019

besuchte Vorstellung: 13.12.2019

Keep Calm and Drink Tea

Im Vereinigten Königreich feierte der Komponist Sir Arthur Seymour Sullivan zusammen mit dem Librettisten William Schwenck Gilbert große Erfolge. Ihre komischen Opern begeisterten das Publikum dermaßen, dass sie unter dem Namen „Gilbert and Sullivan“ im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts für mehr als 20 Jahre zu einem Inbegriff für die englische „comic opera“ wurden, die vor allem stark an Offenbachs Operetten erinnert. Außerhalb der Insel blieben die Werke mit Ausnahme der USA weitestgehend unbekannt, das hin und wieder mal aufgeführte „The Pirates of Penzance“ ist vielleicht noch das bekannteste Werk auch in Kontinentaleuropa. Der verwehrte Erfolg über die Landesgrenzen hinaus mag vor allem daran liegen, dass man sich bereits zu dieser Zeit sehr satirisch den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Missständen annahm. Neben der durchaus schwierigen Übersetzung des überspitzten Humors waren auch die Themen sehr speziell auf die britische Bevölkerung um 1875 bis 1890 zugeschnitten. Genau diesem Gesichtspunkt nahm sich Ulrich Proschka an und entwarf für die wunderbaren Melodien aus insgesamt acht „Gilbert and Sullivan“-Werken neue deutsche Texte und erschuf ein herausragendes Pasticcio, welches sich der alten Tradition bedient und das aktuelle Tagesgeschehen ironisch auf die Theaterbühne bringt.

 

Die Handlung ist schnell angerissen. Am Tag vor der endgültigen Abstimmung über den Brexit steht es unentschieden zwischen den Befürwortern und Gegnern des EU-Austritts. Theresa May probt eine flammende Rede und will für den Austritt stimmen und somit die entscheidende Stimme abgeben. Dies gefällt ihrem Minister Henry Crowfield gar nicht. Er ist ein überzeugter Europäer und noch viel wichtiger, er hat im Wettbüro eine große Summe auf den Verbleib in der EU gesetzt. Auch sein jüngerer Kollege Matthew Plainbrooke ist noch voller Überzeugungen und will den Brexit um jeden Preis verhindern. Um weitere Pläne zu schmieden, treffen die beiden sich in einem heruntergekommenen Pub und bemerken dort, dass die Kellnerin Ms. Cripps eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Premierministerin hat. Mit Hilfe von Theresa Mays Assistentin Mabel Stanley, auf die Plainbrooke zudem ein Auge geworfen hat, soll ein Austausch der Personen den Brexit in letzter Minute verhindern.

Entstanden ist dieses Werk in der ersten Hälfte des Jahres 2018, zu diesem Zeitpunkt war noch völlig offen, wie sich die Situation in England entwickeln würde und besonders erschreckend hierbei ist es, dass Dinge die vor 1 1/2 Jahren noch als absolut überspitzte Parodie angedacht waren, heute schon fast wie ein halbwegs realer Rückblick wirken. Insbesondere auch in der Probenphase vor der Premiere in Mönchengladbach am 09. Februar 2019 war die tagesaktuelle Politik quasi ein ständiger Begleiter. Einige wenige Textzeilen wurden auch im Laufe der letzten Monate mehrmals an das jeweils geplante Austrittsdatum angepasst. Nach komplett ausverkauften Vorstellungen und einigen Zusatzterminen in Mönchengladbach fand am 27. November die Übernahmepremiere in Krefeld statt. Leider konnten hier nur 5 Termine disponiert werden, die auch allesamt ausverkauft sind. Dennoch kann ich nur jedem Leser dringend empfehlen kurz vor den drei verbleibenden Vorstellungen im Dezember nochmal nach evtl. Restplätzen aus Kartenrückgaben zu fragen, denn hier erwartet den Besucher ein witziger und hervorragend gemachter Theaterabend, der seines gleichen sucht. Dies liegt neben der hinreißenden Musik und den gelungenen Texten auch an den vier Darstellern aus dem eigenen Ensemble.

Mit Debra Hays hat man eine wunderbar elegante Theresa May und gleichzeitig eine doch eher „rustikale“ Ms. Cripps, die gewohntermaßen brillant singt. Dem steht Markus Heinrich als Henry Crowfield (Name nach Kre-feld) in nichts hinterher, einem Mann, der in jeglichen lustigen Rollen jedes Mal aufs Neue aufblüht und sein ganzes musikalisches wie auch schauspielerisches Talent auf die Bühne bringt. Mit wunderbarem Bass steht im Matthias Wippich als Matthew Plainbrooke (Name nach Glad-bach) zur Seite, der sich in der besuchten Vorstellung auch von einer Fußverletzung nicht abhalten ließ und seine Rolle mit einer Krücke wunderbar meisterte. Wie gut ein Darsteller ist merkt man auch daran, dass er diese ungewohnte Situation fast wie selbstverständlich mit in die Rolle einfließen lässt, ganz großer Respekt hierfür. Abgerundet wird das Quartett von Gabriela Kuhn als Mabel Stanley, auch hier gilt das zuvor gesagte, diese vier Darsteller(innen) sind einfach wunderbar. Unter der musikalischen Leitung von Yorgos Ziavras spielen die Mitglieder der Niederrheinischen Sinfoniker in kleiner Besetzung schwungvoll auf und erzeugen einen Klang, als wären sie hier mit einer deutlich größeren Besetzung angetreten. Das gelungene musikalische Arrangement stammt von Martin Brenne.

Eine Besonderheit der Inszenierung ist zudem das Bühnenbild, denn die Zuschauer nehmen im nachgebauten Plenarsaal des britischen Parlaments rechts und links auf der Bühne Platz. Passend hierzu werden sie zu Beginn der Vorstellung durch Mr. Speaker per „Order“-Rufe dazu aufgefordert die Handys auszuschalten und auf keinen Fall Fotos oder Bildaufnahmen zu machen. Hier hat Bühnen- und Kostümbildnerin Christine Knoll hervorragenden Arbeit geliefert. Die Inszenierung von Ulrich Proschka sprüht vor Ironie und Witz, ohne dabei das eigentlich ernste Thema lächerlich zu machen. Hier gelingt ihm der Spagat, der diesen Theaterabend unvergessen macht. Schön auch gegen Ende die Symbolik, dass sich die britischen und europäischen Flaggen nicht ganz in der Mitte treffen, aber mit Hilfe der Darsteller doch ein „Hände reichen“ gelingt. Und auch die Queen lässt es sich nicht nehmen, dem Theater Krefeld noch einen Besuch abzustatten. Oh, what a wonderful evening. Thank you!

 

Markus Lamers, 15.12.2019
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

RIGOLETTO

Premiere 16.11.2019

Verdis "Rigoletto" als Blöd Runner

Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen... (Raumpatrouille - die fantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion, 1968)

Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

fragte Science-Fiction-Autor Philip K. Dick im Jahre 1968. Darauf basierend drehte Ridley Scott 1982 einen der besten Filme des Genres überhaupt: BLADE RUNNER. Nun können wir als fleißige Operngeher diese Frage nach dem gestrigen Rigoletto auch endlich schlüssig beantworten. Nein! Androiden träumen von der Liebe, zumindest will uns die angehende Regisseurin Dorothea Kirschbaum in ihrer Rigoletto-Konzeption dies klar machen.

Das gilt natürlich besonders für weibliche Cyborgs, wie diese Gilda von Verdi respektive Victor Hugo. Und so erwartet man dann in einer bodenlos uninspirierten Inszenierung, wenn man das Konzept verinnerlicht hat, auch jeden Moment, dass Roy Black aus den einfallslosen Seitennischen des billig wirkenden Bühnenkonzepts von Julius Theodor Semmelmann hervorlatscht und seinen alten Hit Du bist nicht allein, wenn Du träumst von der Liebe trällert.

Ein Paket, ein Paket ... Amazon wir danken Dir.

So könnte es schon während des Vorspiels lauten, wenn wir sehen, wie der grübelnde Rigoletto eine in Papier versteckte Statue entpackt. Gut, es ist kein richtiges Paket, sondern Lebend-Ware, wie wir kurz darauf erfahren, als der rührige „Vater“ die Statue irgendwie einschaltet. Dann geht der Vorhang wieder zu und wir hören Mikhel Kütson und seinen Niederrheinischen Sinfonikern wieder unabgelenkt zu, wenn sie das Vorspiel zwar etwas wackelig, aber doch ganz passabel zu Ende bringen. Merke: einem bebilderten Vorspiel folgt meist eine schlechte Inszenierung.

Um es gleich vorweg zu nehmen: An die grandiose Salome des Saisonauftakts in Mönchengladbach reichen weder Orchesterleistung noch Dirigat auch nur annähernd heran. Eine biedere Stadttheater-Präsentation und von Italianità – wie gerade in der grandiosen BonnerCavalleria/Pagliacci erlebbar – keine Spur. Seltsam unausgewogen, mal klingt es zu laut, mal zu leise. Vielleicht nimmt man auch auf die Künstler zuviel Rücksicht. Sängerfreundlich muß nicht kammermusikalisch bedeuten.  Irgendwie kam kein Feuer aus dem Krefelder Graben an diesem Abend. Vielleicht hätte man das Ganze dann freudvoller ertragen.

Doch zurück zur gebotenen Geschichte, die so hanebüchen unsinnig wie dilettantisch präsentiert wird. Zwar gab es schon den Doris Dörries Planet-der-Affen-Rigoletto und mal eine Opernregie ganz im Weltall mit Astronauten, aber diese Inszenierungen hatten Humor oder zeichneten Ironie. Ein Faktor, der dieser Cyborg-Rigoletto-Inszenierung von Kirschbaum gänzlich abhold ist. Sie ist nur an einigen Stellen unfreiwillig komisch, weil sinnlos. Sonst ist alles bierernst gemeint.

Die Party beim Herzog von Mantua (Bild oben) erinnert, dank der pastellfarbenen Kostüme von Devin McDonough – eine Beleidigung fürs Auge und eine Zumutung für die Sänger und Choristen – eher an eine Tuntenparty als an ein Gelage oder eine gefährliche Männerrunde von Spiessbuben. Man(n) betrachtet beim dezenten Sektnippen die drei neuesten Modelle der lokalen Roboterproduktion. Leider sehen diese eher Schaufensterpuppen ähnlich, als futuristischen Cyborgs. Aber es sind Mädels natürlich! Das wiederum passt nun gar nicht zu dem Eindruck, den das Outfit dieser Männergesellschaft auf den ersten Blick suggeriert. Seltsam ...

 

Bedienungsroboter – oder sind die Frauen gar echt? – stehen statuenhaft am Rand und liefern Alkoholnachschub oder offerieren seltsame Dreieckstüten. Kokain oder Astronautennahrung?

 

Sie erinnern den alten Sci-Fi-Fan irgendwie an die dreieckigen Raumschiffe, mit denen einst Major McLane in der Uralt-Fernseh-Serie Raumpatrouille zu tun hatte. Egal, was auch immer da drinnen ist, jedenfalls konsumieren Rigoletto und der Mörder Sparafucile (Bild rechts) später dasselbe Zeug, wenn sie auf der trostlosen hellerleuchteten Bühne konspirativ zusammenhocken. (Bild oben) "Also dieser Sparafucile sieht irgendwie aus wie ein schwuler Prince Charming!" tönt eine hinter mir sitzende Opernfreundin nicht gerade leise in des Ehegaten Ohr. Zustimmendes Nicken im Umfeld. Ich würde dem auch nicht widersprechen wollen.

Überhaupt – na, wenigstens ist für eine speziell Lichtregie niemand benannt – erschöpft sich die Beleuchtungskunst meist in der Simplizität des Lichtschalters mit den Stufen Ein-Aus. Ein Dimmer ist vermutlich den Sparmaßnahmen der Krefelder Oper zum Opfer gefallen. Leider konnte ich bei der meist viel zu hellen Bühne auch nicht in seligen Theaterschlaf verfallen oder zumindest die Augen schließen, wie einige Theaterbesucher um mich herum. Letzteres hätte, wie mir ein Sitznachbar versicherte, doch noch zu mehr Genuss von Verdis schöner Oper geführt ...

Wir danken IKEA für die das Kinderzimmer und die Plüschtiere

Das wäre ein schöner Übertitel für Gildas Domizil gewesen; ein rundes erhöhtes Tableau überfüllt mir Plüschtieren und Kindersesseln. Das haben wir ja noch nie gesehen! Ein Bett fehlt übrigens – Roboter schlafen ja bekanntlich im Sitzen. Das niedlich putzige Kinder-Kaffeegeschirr aus Plastik war immerhin eine leicht erhältliche billige Bühnenrequisite. Klar auch, dass ein anständiger Papi dann so tut, als wenn er wirklich daraus mit seiner Tochter Kaffee trinkt.

Das Spiel habe ich bei meinen Kindern vor gefühlten 100 Jahren auch immer mitgemacht. Die Beziehung zu Rigoletto erschließt das jedenfalls nicht. Es wird dann auch kurios, wenn das Kindchen sich zum Schampusschlürfen (Bild unten) mit dem Herzog kurz danach einlässt. Oh, wie so trügerisch sind Weiberherzen – also hier eher Roboterherzen.

Selbstredend gibt es auch keine Leiter. Wozu auch, denn die Schergen des Herzogs können ja ebenerdig in Gildas Plattformzimmer latschen. Es fährt nur eine Wand nach hinten. Natürlich wird dazu das Bühnenlicht wieder ausgeschaltet, denn die Burschen haben ja irgendwie aus der Zeit gefallene Oldtimer-Taschenlampen. Nix Laser! Die Fieslinge nehmen nicht nur Gilda mit, sondern – wie gemein – auch die ganze Ikea-Plüschtier-Sammlung. Warum?

Im nächsten Akt, so viel sei verraten, wird ihnen der empörte Rigoletto das Spielzeug einzeln aus der Hand schlagen. Während der ganzen Kidnapper-Szene muß Vater Rigoletto vorne mit verbundenen Augen am Souffleurkasten knien. Und zum Aktschluss sich in Verzweiflung und mit rollenden Augen am Boden herumwälzen. Achtung, Spoiler! Genauso endet dann auch das Finale der Oper.

Den Kappes mit dem Riesen-Kleiderschrank im zweiten Akt (Bild oben), vor dem sich der Graf despektierlich ankleidet, überspringe ich jetzt und gehe direkt weiter zu der markanten Szene, wenn der Lustmolch Gilda die Kleider auszieht und sich plötzlich – Horrortorio olé – einer total abturnenden, geschlechtsneutralen Schaufensterpuppe gegenüber sieht, worauf er den Kopf schüttelt und beleidigt abgeht.

Ich vergaß: Vorher wird noch Monterone mit einer Lego-Wasser-Pistole erschossen. Warum grinsen die bösen Damen (siehe Bild unten) eigentlich dabei wie für ein Erinnerungsfoto.

Der dritte Akt ist so blöd und dilettantisch inszeniert, daß man weinen möchte. Natürlich klopft Gilda nicht an die Tür, sondern stampft wie ein mürrisches Kind auf den Boden. Natürlich kann man einen Roboter nicht mit einem Messer töten. So klappt Gilda mit ein paar Verrenkungen, als habe sie einen Stromstoß abbekommen, dann einfach im Mordgewühl zusammen. Nun hätte hier die Oper ja zuende sein können, wäre Verdi nicht auf die unsinnige Idee gekommen, dass Gilda noch mal – wie weiland bei Karl May bei Winnetous Tod – was Schönes zum Abgang singen muss. Das gibt dann dieser blödsinnigen Inszenierung den Rest, denn:

Rigoletto singt in einen leeren Müllsack.

Logisch, die Seele des Gilda-Roboters weilt längst im siebten Andromeda-Nebel und träumt von den anfangs erwähnten elektrischen Schafen, während ihr „Vater“ sich kniend und verzweifelnd auf der Bühne wälzen muss. Aaaah, la maledizione! Vorhang. Buuuuuuuuuuuuh! Buuuuuuuuuuuuuuh!!!!! Buuuuuuuuuuh!

Es gibt noch ein paar echte Opernfreunde ;-) auch in Krefeld, die sich ihrem Ärger Luft machen. Einige Zuschauer des ohnehin nicht vollbesetzten Theaters sind auch schon in der Pause gegangen.

Nach soviel Schmarrn noch das Positive: die Solisten und der Chor. Johannes Schwärsky singt einen sauberen, recht braven Rigoletto, David Estebans Herzog klingt zumindest erwartungs- und entwicklungsfähig und Sophie Wittes Gilda ist trotz der Hampelrolle des Androiden ein stimmlicher Genuss. Man wünschte allen dreien eine bessere Inszenierung, denn alle sind normalerweise nicht nur gute Sänger, sondern auch bravouröse Musiktheater-Darsteller. 

Fazit: Es gibt einen überragenden Film, der heißt Blade Runner, und sogar eine hervorragende Fortsetzung, die 35 Jahre später spielt. Sehr empfehlenswert! Es wird aber darin leider nicht gesungen.

 

Sollten Sie sich für die Problematik der Androiden und deren Vermenschlichung interessieren, dann klicken Sie diese Streifen auf NETFLIX an. Beide Filme sind im Übrigen auch super spannend, was man von dieser langweiligen

Rigoletto-Produktion nicht sagen kann.

 

Hoffen wir, daß die Jungregisseurin Kirschbaum irgendwann auch mal ihre Hausaufgaben macht und uns wirklich spannendes und intelligentes Musiktheater liefert. Das war es an diesem Abend leider nicht. Verschenkte Lebenszeit – gehen Sie lieber irgendwo nett essen, als sich im Krefelder Haus zu ärgern oder schlimmer: dem „Tod durch Langeweile“ zu erliegen. Und lassen Sie sich, liebe Opernfreunde, nicht durch den Galgen-Humor meiner Besprechung täuschen.

 

Peter Bilsing, 17.11.2019

Bilder (c) Stutte / Warner

 

Credits

Graf von Monterone - Hayk Dèinyan

Graf von Ceprano - Alexander Kalina

Gräfin Ceprano - Maya Blaustein

Marullo - Rafael Bruck

Borsa - Kairschan Scholdybajew

Sparafucile - Matthias Wippich

Maddalena - Eva Maria Günschmann

Giovanna - Janet Bartolova

Page - Maya Blaustein

Gerichtsdiener - Dae Jin Kim

 

Das schreiben die Kollegen:

Cyberschmarrn - Online Musik Magazin

Verwundert welche Konzepte Intendanten durchgehenlassen - O-Ton

 

 

 

Die Dreigroschenoper

Premiere: 20.09.2019

Ein Fall für die Pathologie

 


Bereits im Jahr 1928 uraufgeführt, zählt „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht nicht zuletzt auch durch die wunderbare Musik von Kurt Weill auch heute noch zu einem der großen Klassiker auf deutschen Schauspielbühnen. Ein weiterer Grund hierfür ist vielleicht auch die geschickte Personenkonstellation des Werkes. Der Verbrecher Macheath, genannt Mackie Messer ist gut mit dem Polizeichef Brown befreundet. Auf der anderen Seite steht der skrupellose Unternehmer Jonathan Jeremiah Peachum, der sein Geld damit verdient Bettler besonders mitleidvoll auszustatten und dafür von Ihnen große Anteile des erbettelten Geldes verlangt. Nachdem Macheath heimlich Peachums Tochter Polly geheiratet hat, steigert sich der Konkurrenz- zu einem wahren Existenzkampf an, der für Macheath am Galgen enden soll.

 

In Krefeld übernimmt Helen Malkowsky die Inszenierung, die an diesem Hause schon ganz hervorragende Opern wie „Mazeppa“, „Stiffelio“ oder auch „Katja Kabanowa“ inszeniert hat. Nun führt sie zum ersten Mal Regie mit einem Schauspielensemble, was leider nicht zum erhofften Erfolg führt. Bereits ihre Worte im Programmheft sollten stutzig machen: „Also haben wir uns dann gar nicht so sehr über die Interpretation sondern viel mehr über die Sektion dieser „Scheinleiche“ Dreigroschenoper genähert.“ Denkt man vor dem Vorstellungsbesuch noch, dass es ja durchaus ein interessanter Ansatz sein könnte, das Thema Tod welches im Stück allgegenwärtig ist in den Mittelpunkt zu stellen, muss man nach Vorstellungsende leider feststellen, dass hier im Bühnenbild eines rechtsmedizinischen Instituts ( Hermann Feuchter ) die Handlung wirklich sehr auseinandergeschnitten wurde, so dass vieles einfach auch gar keinen Sinn mehr ergibt. Dabei überzeichnet Malkowsky die Figuren zu einer „lustvollen, grotesken Verzerrung“, was für das Kostümbild von

Alexandra Tivig durchaus vorteilhaft ist.

 

Ihr gelingen hierdurch in Verbindung mit einer hervorragenden Maskenbildner-Abteilung des Theaters einige wirklich schön-schrille Kostüme. Für die eigentliche Handlung des Stückes ist es leider nicht wirklich förderlich. So bleibt Macheath in dieser Produktion eher der brave Pathologe als der gefürchtete Verbrecher. Die Idee, dass Leichen immer wieder zu Leben erwachen und durch die verschiedenen Leichenkammern an den Wänden in den Obduktionssaal rein- und rausschlüpfen ist auch nicht wirklich originell. Zudem sind einige Personen auch nicht wirklich zuzuordnen, was insbesondere Zuschauern, die das Werk zum ersten Male sehen, den Zugang erschweren könnte. Was bleibt ist ein der eigentlichen Handlung entraubtes Werk, bei dem die übergezogene Deutungsebene leider nicht für einen entsprechenden Ausgleich sorgt. Interessanter Weise konzentriert man sich nach der Pause dann doch wieder mehr auf die eigentliche Geschichte und man kann als Zuschauer erahnen, welches Potential vor der Pause verschenkt wurde.

 

Zum Glück hat man in Krefeld ein hervorragendes Schauspiel-Ensemble, was den Abend dann doch im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten retten kann. Michael Ophelders spielt die Rolle des Mackie Messer bravourös und überzeugt auch bei den Gesangsnummern. Auch Carolin Schupa zeigt als Polly Peachum was in ihr steckt, sie sei stellvertretend genannt für die weiteren elf Darsteller, die allesamt sehr gute Arbeit ablieferten und hierfür vom Premierenpublikum zu Recht mit großem Beifall bedacht wurden. Dies gilt auch für das achtköpfige „Threepenny Opera Orchester“ unter der musikalischen Leitung von

Willi Haselbek, einem gern gesehen Gast an diesem Hause. So verlässt man den Theatersaal schlussendlich etwas zwiegespalten mit einem „Die Moritat von Mackie Messer“ auf den Lippen und dem guten Gefühl, dass ein Großteil des Publikums auch dem Inszenierungsteam brav applaudierte, so dass anzunehmen ist, dass die Umsetzung dieses Klassikers wenigstens ihnen besser gefallen haben mag.

 

Markus Lamers, 22.09.2019
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

Der goldene Drache

Premiere: 12.05.2019, besuchte Vorstellung: 23.05.2019

Emotionale Inszenierung, die unter die Haut geht

Bereits im Jahr 2009 fand die Uraufführung des Schauspiels „Der goldene Drache“ von Roland Schimmelpfennig am Wiener Akademietheater statt. Schimmelpfennig, aktuell einer meistgespielten Gegenwartsdramatiker Deutschlands, inszenierte das Werk dort selbst. Und auch heute findet das Schauspiel welches im Asia-Schnellimbiss „Der goldene Drache“ spielt immer wieder seinen Weg auf die Bühnen der Schauspielhäuser. So sah der ungarische Komponist und Dirigent Peter Eötvös vor einigen Jahren eine Aufführung in Budapest und da ihn die fast melodiöse Textpartitur sehr fesselte, kam er auf die Idee einer musikalischen Umsetzung des Werkes. Zudem hilft die Musik nach seiner Überzeugung dabei, einzelne Charaktere besser wiederzuerkennen. Hierzu muss man wissen, dass die verschiedenen Rollen, im Musiktheaterstück sind es insgesamt 18, von nur fünf Sängern bzw. Sängerinnen verkörpert werden.

 


Die Hauptrolle spielt hierbei ein junger Chinese, genannt „der Kleine“, der von starken Zahnschmerzen geplagt wird. Da er sich aber illegal im Land befindet, kann er nicht zum Zahnarzt gehen, so dass seine Kollegen ihm den Zahn mit einer Rohrzange entfernen, woran er später verbluten wird. Und dies, bevor er seine bereits vor einigen Jahren ausgewanderte Schwester finden kann, die ironischer Weise fast nebenan wohnt, dort allerdings ebenfalls ein menschenunwürdiges Leben führen muss. Zunächst nur als billige Putzkraft angeheuert, später zur Prostitution gezwungen. Eine sehr eindringliche Geschichte, die allerdings besonders im ersten Teil auch durchaus heitere Momente beinhaltet, wodurch die eigentliche Dramatik noch deutlicher zur Geltung kommt. Hilfreich ist hierbei auch der Kniff, das Leben der jungen Asiatin auf die Fabel „Die Grille und die Ameise“ zu übertragen, wobei der kleinen mittellosen und zierlichen Grille von der dominanten Ameise übel und gefühlskalt mitgespielt wird.

 

 


Die sehr gelungene Neuinszenierung in Krefeld stammt von Petra Luisa Meyer . Die Zuschauer sitzen hierbei mit auf der Hauptbühne, jeweils rechts und links eines langen Steges. Ein Konzept welches bereits bei „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ sehr gut funktionierte, da man den Darstellern sehr nahekommt. Und dies ist bei diesem dramatischen Werk ein großer Vorteil, wirkt das Geschehen so doch besonders intensiv auf den Zuschauer ein. Erst recht, mit einer so grandiosen und spielfreudigen Besetzung wie in Krefeld. Panagiota Sofroniadou aus dem Opernstudio Niederrhein spielt den Kleinen, mit einer ganz besonderen Hingabe. Zudem hat Sie in der vorletzten Szene noch die ergreifende Arie „Die Heimreise“ als Monolog zu singen, wo sich der Asiate auf seine letzte lange Reise begibt. Als seine Schwester und Grille zeigt James Park einmal mehr sein schauspielerisches Talent, wie er zum Beispiel die asiatische Kellnerin verkörpert ist allein ein Besuch der Vorstellung wert. Auch gesanglich wie immer tadellos. Dies gilt auch für Rafael Bruck , der als Asiate, chinesischer Onkel und als blonde Stewardess Inga auftritt. Susanne Seefing verkörpert insgesamt 5 Rollen, wobei hier die Ameise besonders hängen bleibt. Ebenfalls 5 Rollen verkörpert Peter Koppelmann , der bereits am Theater Koblenz bei diesem Werk mitwirkte. Besonders bemerkenswert hierbei, wie auch optisch unterschiedlich gerade seine Rollen daherkommen. Wenn man es nicht besser wüsste würde man fast denken hier sind verschiedene Darsteller im Einsatz. Dies liegt auch an den interessanten Kostümen die Dietlind Konold hier geschaffen hat. Sie geben die verschiedenen Rollen gut wieder, kein sonderlich leichtes Unterfangen hinsichtlich der Tatsache, dass oft sehr schnelle Kostümwechsel notwendig sind zwischen den 21 Szenen des Werkes. Unter der musikalischen Leitung von

Yorgos Ziavras spielen die Mitglieder der Niederrheinischen Sinfoniker das rund 90minütige Werk (Aufführung ohne Pause) sehr facettenreich und souverän.

 

 


Nach der Uraufführung an der Oper Frankfurt im Jahr 2014 und Aufführungen in Bremerhaven und Koblenz ist das Gemeinschaftstheater übrigens erst die vierte Aufführungsstätte der temporeichen Kammeroper. Auch wenn Peter Eötvös den goldenen Drachen eher als Theater mit Musik und weniger als Oper bezeichnet sehen möchte. Denn ja, es ist modernes Musiktheater, was oftmals durchaus eine kleine Überwindung vonnöten macht, um sich auf den Abend einzulassen. Die Musik untermalt hier aber besonders treffend die einzelnen Rollen des ursprünglichen Schauspiels und so entwickelt sich trotz des dramatischen Kerns ein doch stellenweise auch sehr unterhaltsamer Theaterabend. Vor allem ist es ein Theaterabend, den man so schnell nicht wieder vergessen wird und dies ist in der Regel die höchste Auszeichnung, die ich persönlich zu vergeben habe. Zwei weitere Aufführungen finden in Krefeld noch am 02. und 10. Juli 2019 statt, in Mönchengladbach wird das Stück in der Spielzeit 2019/20 zu sehen sein. Ein Besuch lohnt sich hier für alle Opernfreunde, insbesondere wenn man hin und wieder auch mal ein Stück abseits des bekannten Repertoires mag.

 

 

Markus Lamers, 30.05.2019
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

 

Spielzeit 2019/20


Auch in der kommenden Spielzeit hält das Gemeinschaftstheater am Niederrhein im Bereich Musiktheater wieder eine interessante Zusammenstellung parat. Insgesamt zeigt man 11 Produktionen, davon vier komplette Neuinszenierungen, jeweils zwei in Krefeld und Mönchengladbach. Das Motto der Spielzeit lautet „Keine Zukunft ohne Herkunft“, in diesem Rahmen sei nochmals auf die große Internationalität der Mitarbeiter am Krefelder Theater verwiesen.

Zum Auftakt der Spielzeit in Mönchengladbach erklingt am 22. September 2019 Salome von Richard Strauss in einer Inszenierung von Anthony Pilavachi. Die zweite Neuinszenierung in Mönchengladbach wird zum Ende der Spielzeit das Musical Sunset Boulevard von Andrew Lloyd Webber. Hier wird man Debra Hays als alternde Diva Norma Desmond erleben können, die nochmals als Salome auftreten will, obwohl ihr Stern längst verglüht ist. So spannt sich hier ein schöner Bogen über die erste und letzte Premiere in Mönchengladbach. Die Inszenierung übernimmt Francois De Carpentries, Premiere ist am 02. Mai 2020.
Zwischen diesen beiden Produktionen finden in diesem Theater die Übernahmepremieren von Der goldene Drache (Peter Eötvös / Regie: Petra Luisa Meyer) am 28. September 2019 und Die Gespräche der Karmeliterinnen (Francis Poulenc / Regie: Beverly & Rebecca Blankenship) am 11. April 2020 statt. Nach einer Wiederaufnahme der sagenhaften Zauberflöte in Krefeld am 13. Oktober 2019 bei der Kobie van Rensburg die Zuschauer mit auf eine Reise in die Welt der Science-Fiction nimmt, wird diese wunderbare Produktion am 18. Januar 2020 auch erstmals in Mönchengladbach zu sehen sein.



Giuseppe Verdis Oper Rigoletto wird am 16. November 2019 seine Premiere in Krefeld feiern, die Inszenierung hier liegt in den Händen von Dorothea Kirschbaum. Als zweite große Premiere zeigt das Gemeinschaftstheater am Krefelder Standort am 15. März 2020 mit Rusalka das bekannte lyrische Märchen in drei Akten von Antonin Dvorak, die Inszenierung übernimmt Ansgar Weigner. Als Übernahmepremieren stehen in Krefeld Boris Godunow (Modest Mussorgskij / Regie: Agnessa Nefjodov) am 27. Oktober 2019 und Let´s Stop Brexit! (mit Musik von Arthur Sullivan / Regie: Ulrich Proschka) am 27. November 2019 auf dem Spielplan. Diese Produktion war in der laufenden Spielzeit der große Hit in Mönchengladbach mit komplett ausverkauften Vorstellungen. Da aus organisatorischen Gründen nur wenige Termine in Krefeld gespielt werden können, sollte man hier nicht zu lange mit der Kartenbestellung warten. Zu guter Letzt wird auch Jacques Offenbachs Operette Orpheus in der Unterwelt in der Inszenierung von Hinrich Horstkotte ab dem 22. Februar 2020 in Krefeld zu sehen sein, zuvor findet am 11. Oktober 2019 noch die Wiederaufnahme in Mönchengladbach statt.
In der Vorweihnachtszeit wird im Theater Krefeld zudem die Kinderoper Der Räuber Hotzenplotz in einer eigenen Fassung des Theaters zu sehen sein, nachdem das Stück im Vorjahr bereits viele ältere und jüngere Zuschauer in Mönchengladbach erfreut hat. Dort wird in diesem Jahr das Schauspiel Des Kaisers neue Kleider aufgeführt, die Premiere in Krefeld ist am 07. Dezember 2019, in Mönchengladbach startet das Weihnachtsmärchen bereits am 09. November 2019.
Auch das Schauspielensemble wird in der Spielzeit 2019/20 wieder ein großes musikalisches Werk im Programm haben, die Auswahl fiel hierbei auf Die Dreigroschenoper von Bertold Brecht. Inszenieren wird dies die erfahrene Opernregisseurin Helen Malkowsky, Premiere in Krefeld ist zum Spielzeitauftakt am 20. September 2019, in Mönchengladbach ist das Werk ab dem 21. Februar 2020 zu sehen. Neben weiteren interessanten Schauspielwerken, hält auch das Ballett wieder fünf große Produktionen bereit. Aus dem umfangreichen Konzertprogramm der Niederrheinischen Sinfoniker sei an dieser Stelle vielleicht die Neuauflage des Filmmusikkonzert am 18. & 23. April 2020 oder das Chorkonzert „Gospel goes Classic“ besonders hervorgehoben. Wer schon immer gerne auch mal hinter die Kulissen schauen wollte, hat bei den neuen Theaterführungen unter sachkundiger Leitung die Gelegenheit hierzu. Ausführliche Informationen zu allen Werken liefert der Online-Spielplan sowie das informative Spielzeitheft online unter  www.theater-kr-mg.de.

 

Markus Lamers, 09.05.2019

Fotos: © Matthias Stutte

 

Helden der Leinwand

mit den Niederrheinischen Sinfonikern

Premiere: 21.02.2019

Ein Stück Hollywood am Niederrhein

Beginnen möchte ich heute mal mit einem ganz persönlichen Statement. Als langjähriger Besucher des Theaters Krefeld-Mönchengladbach, habe ich mir jedes Jahr aufs Neue ein Filmmusikkonzert der Niederrheinischen Sinfoniker gewünscht. Lange hat es gedauert, umso größer war aber meine Freude im April 2018 bei der Vorstellung der Spielzeit 2018/19. Unter dem Titel „Helden der Leinwand“ fand dieses Konzert nun erstmalig am 21. Februar 2019 im Krefelder Theater statt. Zwei Tage später kamen auch die Zuschauer aus Mönchengladbach in den Genuss dieses kleinen Juwels, denn die Sinfoniker lieferten nicht nur den erhofften Genuss für die Ohren ab, man sorgte auch für einen passenden Rahmen.

 

Bereits vor dem Theatereingang war der rote Teppich ausgerollt und ein Fotograf vom Stadtmagazin erwartete die ankommenden „Ehrengäste“ auf Wunsch zum Fotoshooting vor der passenden Leinwand. Im Foyer waren viele der üblichen Bilder zu den laufenden Produktionen durch Filmplakate ersetzt worden, passender Weise sogar Filme deren Musik später am Abend erklingen sollte, was allerdings erst im Nachhinein wirklich auffiel. Der Treppenaufgang war passend zu der an diesem Wochenende anstehenden Oskar-Verleihung ebenfalls stimmungsvoll dekoriert. Für Freunde des eher legeren Filmgenusses gab es zudem frisch gemachtes Popcorn günstig zu erwerben.
Unter dem Dirigat des 1. Kapellmeisters Diego Martin-Etxebarria verwöhnten die Niederrheinischen Sinfoniker die Zuschauer rund 2 ½ Stunden mit vielen großen Filmmelodien. Die Moderation übernahm Juri Tetzlaff , der sehr unterhaltsam durch den Abend führte und die ein oder andere Anekdote zu den jeweiligen Werken einbringen konnte. Neben den zu erwartenden Klassikern war auch das ein oder andere weniger bekannte Stück vertreten, beispielhaft genannt seien hier die Filme „Das Leben der Anderen“ oder „Hugo Cabret“. Gerade bei Letzterem kam die große Leinwand besonders schön zur Geltung, die im Laufe des Abends zu vielen passenden Filmausschnitten genutzt wurde. In diesem Fall passten Musik und Bild auf die Sekunde zusammen, man kann da wohl passender Weise von „ganz großem Kino“ sprechen. Auch bei den ausgewählten Komponisten gelang eine gute Mischung, wie das nachfolgende komplette Programm des Abends verdeutlicht:

Lalo Schifrin

 

Thema aus „Mission: Impossible“

 

Howard Shore

„The Thief“ aus „Hugo Cabret“


John Powell

Suite aus „Ice Age II: Jetzt tauts“


Alan Silvestri

Suite aus „Forrest Gump“


Howard Shore

Suite aus „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs”


Elmer Bernstein

Suite aus „Die glorreichen Sieben“
 

John Williams

Superman-Marsch

Thema aus „Schindlers Liste“


Gabriel Yared

„Georg Dreymann, der Dichter“ und „Die unsichtbare Front“ aus „Das Leben der anderen“


David Arnold

„The name’s Bond … James Bond“ aus „James Bond 007: Casino Royale”


Hans Zimmer

Suite aus „Gladiator”


Klaus Badelt

Suite aus „Fluch der Karibik”


Bill Conti
Thema aus „Rocky“


Zu guter Letzt gab die Mezzosopranistin Valerie Eickhoff aus dem Opernstudio noch „Die Sandmännchen-Melodie“ von Wolfgang Richter zum Besten, ein durchaus netter Ausklang dieses Abends. Es bleibt zu hoffen, dass nach den beiden ausverkauften Abenden und vielen, vielen positiven Stimmen zum Konzert auch in den kommenden Spielzeiten die ein oder andere Wiederholung eines solchen Abends stattfinden wird.

Markus Lamers, 27.02.2019
Bild © DER OPERNFREUND / Markus Lamers

 

 

 

Zum Zweiten

Les dialogues des Carmélites

Premiere: 26.01.2019

„Die Gespräche der Karmeliterinnen“ scheint fast so etwas wie die Oper der Stunde zu sein, steht das Werk von Francis Poulenc doch derzeit auf dem Spielplan zahlreicher Theater im In- und Ausland. Doch in Krefeld geht die Geschichte bedeutend weiter zurück in die Vergangenheit, denn ursprünglich sollte diese Oper bereits im Jahr nach ihrer Premiere (26.01.57 an der Mailänder Scala) an den Niederrhein kommen, was seinerzeit dann doch nicht umgesetzt werden konnte. Nun ist das Werk schlussendlich gute 60 Jahre später erstmals an diesem Hause zu sehen und man ist geneigt zu sagen: „Gut Ding will Weile haben.“ Zum Inhalt dieser dramatischen Oper soll an dieser Stelle dann auch - da wahrscheinlich allgemein bekannt - nicht viel gesagt werden. Wenden wir uns stattdessen gleich der Umsetzung des Stoffes am Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach zu, denn die hat es wahrlich in sich.

Star des Abends ist hier das Ensemble samt großartigem Chor, der unter der Einstudierung von Michael Preiser an diesem Abend zeigt, was in ihm steckt. Der Damenchor ist zudem auch als Orden optisch stark vertreten, während der Männerchor vom Rang den Zuschauerraum eindrucksvoll beschallt. In der Schlussszene, in der nach und nach eine Ordensschwester beim „Salve Regina“ verstummt, findet diese Chorleistung dann ihren Höhepunkt. Doch auch die Solisten, bis auf zwei Ausnahmen erneut komplett mit dem hauseigenen Ensemble besetzt, zeigen einmal mehr die Stärke dieses Hauses. Und irgendwie möchte man Kerstin Brix auch noch immer nicht wirklich als Gast einordnen, hat sie in Krefeld und Mönchengladbach doch schon oft das Publikum begeistert. So auch bei dieser Premiere, denn in der Rolle der Priorin sitzt nicht nur jeder Ton, nein, sie spielt hier mit einer Intensität, die ihres Gleichen sucht. So ist es nicht verwunderlich, dass das Krefelder Publikum ihr am Ende begeisternden Beifall spendet. Und auch Sophie Witte zeigt als Blanche einmal mehr, dass sie auch die ganz großen Rollen mit einer scheinbaren Leichtigkeit auf die Bühne bringen kann. Auch hierfür gab es großen Beifall. Allgemein schien es fast so, als wollte sich das Krefelder Publikum die Wucht der Inszenierung, hierzu später mehr, nach rund 2 ½ fesselnden Stunden regelrecht orkanartig vom Leibe klatschen.

Aber wie eingangs bereits erwähnt, den Applaus hat sich jeder Akteur hier auch wahrlich verdient. Eigentlich möchte man an dieser Stelle nun alle Darsteller namentlich erwähnen, sei es Eva Maria Günschmann als Novizenmeisterin Mère Marie oder Janet Bartolova als neue Priorin, David Esteban als Chevalier de La Force oder (als zweiter Gast an diesem Abend) Mathieu Abelli in der Rolle des Vaters. Besonders erwähnenswert zweifellos noch Panagiota Sofroniadou aus dem Krefelder Opernstudio, der selbst die Bild-Zeitung laut Pressespiegel im Theaterfoyer eine große Zukunft vorhersagt. Auch wenn dort vielleicht nicht das fachmännischste Journalistenteam in Sachen Oper arbeiten mag, hier kann man dem Boulevard ausnahmsweise mal zustimmen. Liebe Opernfreunde, merkt euch diesen Namen, denn wer die Novizin Soeur Constanze mit solch einem schönen Sopran versieht ist in der Ausbildung weit fortgeschritten. Und auch in den für eine Oper vergleichsweise recht vielen kleineren Rollen passt bei dieser Inszenierung einfach alles.

 

Doch was wären all diese wunderbaren Darsteller ohne die Musik. Unter der Leitung von GMD Mihkel Kütson spielen die Niederrheinischen Symphoniker in großer 10er-Besetzung kraftvoll und intensiv, aber niemals zu laut, obwohl das Orchester bei dieser Inszenierung auf der Hinterbühne seinen Platz findet. Den Geschwistern Rebecca und Beverly Blankenship war in ihrer Inszenierung sehr daran gelegen, das Publikum ganz tief in diesen Abend „hineinzuziehen“ und so für eine noch stärkere Intensität zu sorgen. Dies gelingt sehr gut, auch durch das Bespielen der vorderen Bühne, ein Bereich der bei Operninszenierungen in der Regel für den Orchestergraben geblockt ist. So ist der Zuschauer in diesem Fall noch näher am Geschehen, verstärkt wird dieser Effekt durch die bereits erwähnten Chorgesänge vom Rang und einer sehr schönen Ausleuchtung der Theaterdecke in bestimmten Szenen. Allgemein finden die beiden Regisseurinnen immer wieder starke Bilder, die fast komplett ohne Requisiten auskommen. Bühnenbildner

Christian Floeren schuf ein quadratisches Spielpodest, auf dem sich fast die gesamte Handlung abspielt und auf dem Akt für Akt eine Guillotine aus dem Boden emporsteigt.

 

Lediglich im dritten Akt befinden sich rechts und links von diesem Podest zwei Treppenaufgänge und die Bilder von 16 Frauen, die wie seinerzeit die 16 namentlich bekannten Karmeliterinnen bereit waren, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen. Auch im Foyer sind diese Bilder zu finden, samt kleinerer Biographien der Damen. Ein durchaus interessanter Regieansatz, der aber trotz der großen Bedeutung für diese Inszenierung dennoch nicht übermäßig präsent ist. Ein positives Beispiel für einen interessanten interpretatorischen Ansatz, ohne hierbei die eigentliche Geschichte zu sehr zu verbiegen. So sind auch die Kostüme von Gerti Rindler-Schantl direkt der Zeit der französischen Revolution zuzuordnen.


Ein alles in allem sehr überzeugender Theaterabend und ein musikalischer Leckerbissen, den uns das Theater Krefeld hier präsentiert, auf solch einen Abend wartet man dann auch gerne ein paar Jahre länger.

Markus Lamers, 28.01.2019
Bilder: © Matthias Stutte

 

Die Gespräche der Karmeliterinnen

Premiere: 26.1.2019

Eine geradezu sensationelle Chorleistung

Nach dem Verlöschen der Musik eine gebührliche Pause, dann jedoch euphorischer Beifall, wie in diesem Hause schon lange nicht mehr erlebt. Nun geht einem das Finale der „Carmélites“ (freilich nicht nur dieses) unweigerlich unter die Haut und rührt den einen oder anderen sicherlich auch zu Tränen. Aber in den Schlußbildern zeigt sich halt eine besondere Stärke der Inszenierung Rebecca Blankenships (in Zusammenarbeit mit ihrer Schwester Beverly): praktisch jede Choristin steigert sich zu einer Hauptrolle von unterschiedlichem Charakter (musikalische Einstudierung: Michael Preiser). Von der Szene an, als die neue Priorin, Madame Lidoine, ihren Mitschwestern den Tod durch die Guillotine verkünden muß, brechen sich die unterschiedlichsten Gefühle Bahn, von tiefer Angst und Betroffenheit bis hin zu ekstatischer Verzückung. Zuvor formt die Regisseurin das Frauenkollektiv häufig zu Mauern, welche der Bühnenbildner Christian Floeren seiner Ausstattung wohl nicht grundlos vorenthält. Auf der weitgehend leeren Szene gibt es eigentlich nur eine Sitzbank, welche zuletzt zu einer Guillotine hochgefahren wird.

Rebecca Blankenship hat vor Ort mit Puccinis „Suor Angelica“ schon einmal eine Nonnen-Oper inszeniert. Ihre jetzige Arbeit lebt von einer sich unglaublich steigernden choreografischen Intensität. Das beginnt mit dem beklemmenden Auftritt der alten, sich dem Tod nahe fühlenden Priorin Madame de Croissy, welche sich, von ihren Schwestern nur mühsam gestützt, auf die Bühne schleppt. Was Kerstin Brix hier neben vokaler Autorität darstellerisch einbringt, erzeugt regelrecht Gänsehaut. Bis in die kleineren Partien hinein setzt Rebecca Blankenship starke Akzente, so bei Valerie Eickhoff (Soeur Mathilde). Woongyi Lee (1. Kommissar), Alexander Kalina (Diener Thierry, 2. Kommissar), sie alle aus dem Opernstudio. Panagiota Sofroniadou dürfte ihm nicht mehr lange angehören. Ihr frisches, sopranhelles Porträt von Soeur Constance gerät dermaßen eindrücklich, daß ihr nunmehr ein Platz im offiziellen Ensemble gehören sollte, in Krefeld oder anderswo. James Park (Beichtvater) ist diesen Weg bereits gegangen, hat sich dann aber bescheiden in den Chor des Hauses verfügt, bleibt als markanter Sängerdarsteller aber jederzeit abrufbar.

In der Vita des Komponisten der Oper, Francis Poulenc, gibt es aus früher Zeit „wilde Jahre“. Nach seiner Hinwendung zum Katholizismus (ausgelöst durch den Tod eines Freundes) wurde er ein ernster, abgeklärter Mensch, was sich auch in seiner vielfach sakralen Musik spiegelt. Die der „Karmeliters“ greift in psalmodierender Weise auf die 1957 (Scala-Uraufführung) eigentlich schon „abgeschaffte“ Tonalität zurück und erzielt mit ihr sublime Wirkungen. Die Art, wie sich Dirigent Mihkel Kütson sogleich vehement in die Anfangstakte stürzt, den Publikumsbeifall für seinen Auftritt ignorierend, zeigt, wie stark er sich von der Partitur seit den Proben offenkundig hat fesseln lassen. Auch während der gesamten Aufführung formt er die (übrigens auf der Hinterbühne plazierten) Niederrheinischen Sinfoniker zu machtvollem, loderndem Spiel heraus, welchem es an Pianosuggestion aber nicht fehlt.

So wie Gerti Rindler-Schantl zu Beginn die Soloakteure (Marquis de la Force: Mathieu Abelli, sein Sohn: David Esteban - beide rollendeckend besetzt) in historisierenden Kostümen präsentiert, gibt auch die Regie historische Fingerzeige. Bereits eine kleine Ausstallung im Foyer offeriert, analog zu den 16 (namentlich bekannten) Karmeliterinnen, Frauen der Geschichte, welche aus den unterschiedlichsten Gründen zu Märtyrerinnen wurden, Edith Stein etwa oder Sophie Scholl.

Alle Namen sind auf Flugblättern verzeichnet, welche am Schluß es 2. Aktes von dem auf der hinteren Empore sitzenden Herrenchor ins Auditorium geworfen werden. Ihre Gesichter werden auch noch abwechselnd auf einer Videoleinwand im Hintergrund abgebildet und erscheinen nach der Pause als Standbilder auf der linken Bühnenseite.

Diese Akzentuierung ist eine überzeugende, eine andere etwas weniger. Um die Kluft zwischen elitärem Adel und geknechtetem Volk zu verdeutlichen, hat Rebecca Blankenship eine „Putzkolonne“ ersonnen, die von Anfang an auf der Bühne vorhanden ist und den Boden schrubbt. Aus den Reihen solch unterdrückter Menschen erwuchsen dann ja die revolutionären Triebe, welche zu den Umwälzungen von 1789 führten. Daß es dabei blutige Ausschreitungen und Auswüchse gab, wird von der Inszenierung nicht unter den Tisch gekehrt. Auch die Zeit ihres Lebens angstbesetzte Blanche reiht sich zuletzt in diese Gruppe ein, ein letzter Versuch, ihrer inneren Unruhe Herr zu werden. Eine interpretatorische Hinzufügung der Regie, welche die düstere Atmosphäre des Geschehens fraglos verstärkt, aber doch eher beiläufig wirkt.

Sophie Witt ist eine bewegende Blanche, hingebungsvoll singend und schonungslos spielend. Als Meer Marie überzeugt Eva Maria Günschmann mit ihrem üppig blühenden, höhenstarken Mezzo, bei Janet Bartolova (Madame Lidoine) dominiert die Bühnenautorität. Susanne Seefing (Mère Jeanne), Dae Jin Kim (Arzt Javelinot) und Hayk Dèinyan (Offizier, Kerkermeister) ergänzen die Sängerriege. Alle Akteure bilden ein, dies sei nochmals nachdrücklich betont, ein Ensemble von immenser Ausdruckskraft. Das sollte sich herumsprechen und helfen, das Haus bei den kommenden Vorstellungen angemessen zu füllen.

 

Christoph Zimmermann (27.1.2019)

 

 

 

Hänsel und Gretel

Premiere: 11.11.2018

Alle Jahre wieder…

Woran merkt der regelmäßige Operngänger, dass die Weihnachtszeit ins Haus steht? Richtig, auf den Spielplänen Land auf, Land ab ist wieder die wunderbare Märchenoper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck zu finden. Dabei hat das Werk an sich wenig mit dem Weihnachtsfest gemein, sieht man einmal von der von Richard Strauss dirigierten Uraufführung am 23. Dezember 1893 in Weimar ab. Dies aber auch nur, weil die zuvor geplanten Premieren in München und Karlsruhe auf Grund einer großen Grippewelle verschoben werden mussten. Unter diesem Gesichtspunkt bekommen die kleineren Hustereien heutzutage in der Winterzeit eine verschwindend geringe Bedeutung, aber lassen wird dieses heikle Thema mal beiseite, auch wenn eine Dame in der besuchen Premiere gefühlte 5 Minuten ihre Handtasche nach einem Hustenbonbon durchwühlte.

 

Nach der wunderbaren „Zauberflöte“ und „Der Faschingsfee“ gelingt dem Theater Krefeld die dritte vom Publikum frenetisch gefeierte Premiere in Folge, am vergangenen Sonntag wollte der Applaus im bis auf den letzten Platz gefüllten Theatersaal gar nicht enden. Und dies zurecht, denn die Produktion kann in allen Bereichen überzeugen. Die Niederrheinischen Sinfoniker spielten die Partitur unter GMD Mihkel Kütson so detailliert und kraftvoll, dass es eine wahre Freude war. Und auch wenn im Gegensatz zur Premiere in Mönchengladbach vor ca. zwei Jahren nun Übertitel verwendet wurden, ließ das Orchester den Sängern genügend Raum, so dass sich ein harmonisches Gesamtbild ergab. Als Besenbinder Peter gab Johannes Schwärsky nicht nur optisch eine passende Figur, auch stimmlich wusste er zu gefallen. Ebenso Eva Maria Günschmann als seine Ehefrau Gertrud. Die Titelpartien übernahmen Susanne Seefing als Hänsel und Sophie Witte als Gretel. Deutlich weniger Text hatte Markus Heinrich als Knusperhexe zu bewältigen, dafür gab es für ihn größere Schauspielszenen. Abgerundet wurde die in allen Teilen einfach nur wunderbare Besetzung durch das Opernstudio-Mitglied Panagiota Sofroniadou als Sand- bzw. Taumännchen.

Für Inszenierung, Bühne und Kostüme zeigt sich Hinrich Horstkotte verantwortlich, der einmal mehr alle drei Bereiche selbst abdeckt. Dabei inszeniert er das Märchen in einer recht düsteren Art, allzu kleine Kinder sollte man daher vielleicht nicht mit in diese Vorstellung nehmen. Dafür fühlt man sich als Erwachsener durchaus gut unterhalten, dies begann schon mit der bebilderten Ouvertüre bei der verschiedene Märchenfiguren von der Hexe im Ofen zu Lebkuchenmännchen gebacken wurde. Diese „Armee der Lebkuchenmännchen“ nahm im weiteren Verlauf der Inszenierung auch eine gewichtige Rolle ein, tauchten Sie doch immer wieder mal auf, fast schien es so, als wollten Sie Hänsel und Gretel den Weg zum Knusperhäuschen weisen. Weiteres zentrales Element waren die gebundenen Besen, die bereits im Haus von Peter und Gertrud omnipräsent sind und sich später durch eine nett inszenierte Drehung in einen Wald aus Besen verwandeln. Vielleicht für einige Kinder etwas zu abstrakt, aber durchaus mit einem gewissen Witz.

Allgemein weiß die Inszenierung zu gefallen, stellt sie sich doch ganz im Sinne der Geschichte etwas in den Hintergrund, setzt aber immer wieder entscheidende Akzente. Lediglich das Sandmännchen als Doktor und das Taumännchen als eine Art Hobbit sind vielleicht etwas Geschmackssache und wirken eher wie ein kleiner Stielbruch. Gut einstudiert zeigten sich am vergangenen Sonntag auch der Kinderchor Theaterspatzen (Einstudierung: Susanne Seefing), der durch Kinder der Musikschule Krefeld (Einstudierung: Chao-Li Chen) ergänzt wurde. Wie bereits eingangs erwähnt feierte das Premierenpublikum alle Beteiligten mit lautem und langem Applaus, der insbesondere beim Orchester fast orkanartig anstieg.

Markus Lamers, 13.11.2018
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

Der Sängerkrieg der Heidehasen

Premiere: 04.11.2018

Familientheater in Bestform

Auch in diesem Jahr zeigt das Theater Krefeld in der Vorweihnachtszeit wieder ein musikalisches Märchen für die ganze Familie, daher fand am vergangenen Sonntag im großen Saal die Premiere vom „Sängerkrieg der Heidehasen“ statt. Berühmt wurde das Stück von James Krüss (u. a. auch Autor von Timm Thaler) im Jahr 1952 vor allem als Hörspiel des bayrischen Rundfunks und eins als Offenlegungserklärung vorne weg, auch der Schreiber dieser Zeilen hat seine Kassette hiervor vor vielen, vielen Jahren abgöttisch geliebt und rauf und runter gehört. Grund genug, sich nun die nächste Generation in Form seines 6jährigen Neffen zu schnappen und mit ihm einen Sonntagsausflug ins Theater Krefeld zu unternehmen.

Erzählt wird die Geschichte des Karnickel Lodengrün, der beim alljährlichen von König Lamprecht dem Siebten ausgerufenen Sängerwettstreit antreten möchte. In diesem Jahr winkt dem Sieger nämlich als besonderer Preis die Pfote der Heidehasenprinzessin. Doch auch der alternde Musikdirektor Wackelohr möchte die Prinzessin für sich gewinnen. Da kommt ihm der korrupte Minister für Hasengesang gerade recht, der sich eine böse Intrige überlegt hat. Wer nicht rechtzeitig auf der Festwiese erscheint, darf nämlich aus alter Sitte nicht am Wettbewerb teilnehmen und so wird flink die Sonnenuhr vor Lodengrüns Höhle verstellt. Doch mit Hilfe seines Freundes Hoppel erreicht Lodengrün doch noch die Festwiese und darf auf Anordnung des Königs doch noch sein selbstgetextetes Lied vortragen.

Bruno Winzen, langjähriges Mitglied im Schauspielensemble gelingt mit „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ eine rundum gelungene und stimmige Inszenierung, die sowohl für die Kinder wie auch die Erwachsenen vor Ort viele gelungene Ideen bereit hält. So sind einige Witze für die Kinder sicherlich nicht zu verstehen, unterhalten die begleitenden Eltern aber umso mehr. Positiv zu erwähnen, dass auf sämtliche im Kindertheater gern mal eingesetzten „Mitmachaktionen“ komplett verzichtet wird. Trotzdem blieben im gut gefüllten Theatersaal alle Kinder über 70 Minuten aufmerksam bei der Sache. Sehr nett auch die Idee, den langen Lauf zur Festwiese bei dem gleichzeitig noch der Text für das Wettbewerbslied entworfen werden muss, mit Hilfe einer kleinen Drehscheibe darzustellen. Allgemein ist das Bühnenbild von Harald Stieger einfach wunderbar. Sei es die große Windmühle rechts, die alte Dampfmaschine auf der anderen Seite oder der große Heißluftballon, mit dem der König und die Prinzessin fahren. Schön gelöst auch die Abendstimmung mit großem Mond über den Hasenbauten, die aus der Unterbühne hochgefahren werden. Ebenso gelungen die tollen detailreichen Kostüme von Petra Wilke, bei denen die vielen verschiedenen Hasen mit ihren dicken Bäuchen und langen Ohren echte Hingucker sind. Als Moritatensängerin begleitet Julia Klomfaß auf der Bühne die gesamte Inszenierung musikalisch, auch hier werden schöne alte Erinnerungen an das eingangs erwähnte Hörspiel wach.

Die Darsteller Liliom Lewald (Lodengrün), Denis Merzbach (Hoppel), Till Brinkmann (König / Direktor Wackelohr), Thomas Wenzel (Gesangsminister), Carolin Schupa (Prinzessin / Karline), Paula Emmrich (Lodengrüns Mutter), Slim Weidenfeld (Herold / Hyazinth Löffelstein) und Oliver Jesberger (Otto Lampe) sowie die Statisterie des Theaters sind voller Witz und Spielfreude bei der Sache und auch die Mimik ist oft eine Klasse für sich. Da verzeiht man gerne, dass auf Grund der Doppelrolle des Königs und des Direktors Wackelohr, der Gesangsvortrag des letztgenannten aus der Konserve kommt, indem er diesen mit dem Rücken zum Publikum gewandt vor dem König stehend vorträgt. Alles in allem ist „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ vielleicht das beste Stück Familientheater was man in Krefeld bisher zu sehen bekommen hat und hier kann nur eine absolute Besuchsempfehlung ausgesprochen werden oder wie es mein Neffe abschließend treffend zusammengefasst hat: „Das war super cool.“


Markus Lamers, 06.11.2018
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

 

Warum Heinz mit Erhardt lacht

Premiere: 23.10.2018

Wer sich selbst auf den Arm nimmt, erspart anderen die Arbeit.

Was hat denn nun bitte das „Wicke-Wacke-Wucke-Lied“ oder die „Skatpolka“ mit der Oper zu tun, mögen sich einige Opernfreunde vielleicht fragen. Die Antwort ist einfach und lautet: Grundsätzlich erstmal gar nichts. Doch das Musiktheater ist breit gefächert und oftmals lohnt sich auch ein Blick über den Tellerrand. So auch in diesem Fall, wo das Theater Krefeld Mönchengladbach mit dem begnadeten Schauspieler Michael Ophelders einen Soloabend zeigt, der absolut sehenswert ist. Hierzu der Programmflyer: „In der Rolle des urkomischen Professors Max Busch referiert, rezitiert und deklamiert Schauspieler Michael Ophelders eine Vielzahl bekannter und weniger bekannter Gedichte des unvergessenen Komikers Heinz Erhardt. (…) Dabei kommt auch Heinz Erhardts musikalische Seite nicht zu kurz.“ Dies klingt auf jeden Fall so vielversprechend, dass man der Aufführung einen näheren Blick gewähren sollte, kann man Heinz Erhardts Lebenswerk doch zweifellos als „Kulturgut“ bezeichnen.

 

Entwickelt wurde das gut zweistündige Programm von Michael Ophelders und Jürgen Lorenzen bereits vor einigen Jahren, doch das Gemeinschaftstheater tut gut daran, diesen Abend nun nach den erfolgreichen Aufführungen in Mönchengladbach auch dem Krefelder Publikum zu präsentieren. In Form einer Hochschul-Vorlesung führt uns der in bester Heinz-Erhardt-Manier zerstreute Professor durch das Leben und das Werk dieses großen deutschen Komikers. Hierbei entdeckt er auch immer wieder, selbstverständlich auf „wissenschaftlich fundierter Basis“, einige neue interessante Aspekte. So wird den anwesenden Studenten erklärt, wie die Gedichte Erhardts beispielsweise den jeweiligen Zeitgeist trafen und sogar in vielen deutschen Schlagern aufgegriffen wurden. Andere Texte sind zeitlos und heute noch so aktuell wie zur Entstehungszeit, auch dies wird dem Zuschauer exemplarisch belegt und dargeboten. Zwecks Benotung der mündlichen Mitarbeit, werden die Zuschauer auch immer wieder aktiv ins Geschehen einbezogen, so dass Ophelders hier teilweise wunderbar spontan sein Können zum Besten geben kann. Begleitet wird er hierbei am Klavier von der „studentischen Hilfskraft“ Winni Slütters. Alles in allem wird der Zuschauer an diesem Abend gut unterhalten, unabhängig davon wie vertraut er mit dem Werk Heinz Erhardts ist. Das Premierenpublikum spendete langen und verdienten Applaus.


Markus Lamers, 24.10.2018
Bilder: © Matthias Stutte

 

Ausschnitte aus dem Programm

 

 

Die Faschingsfee

Premiere: 13.10.2018

Karneval im Herbst

 

Denkt man an Emmerich Kálmán fällt einem sicherlich zuerst „Die Csárdásfürstin“ und „Gräfin Mariza“ ein. Doch das Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach hat wie in den vergangenen Spielzeiten das Augenmerk einmal mehr auf die etwas seltener gespielten Werke gelegt und so fand bereits im letzten Jahr die Premiere von Kálmáns Operette „Die Faschingsfee“ in Mönchengladbach statt, an diesem Wochenende folgte die Übernahmepremiere am Theater Krefeld. Die reiche Witwe Alexandra soll sich mit dem gut situierten Rittmeister Ottokar von Grevelingen verloben, einem alten Bekannten aus Jugendtagen. Auf dem Weg zur Verlobung erleidet das Auto allerdings einen Defekt, so dass sie samt Chauffeur Hubert von Mützelburg in der Künstlerkneipe „Der grüne Pinsel“ landet, in der großes Faschingstreiben herrscht. Auch Huberts Angebetete Lori Aschenbrenner feiert hier den Karneval, zeigt sich aber verärgert darüber, dass „ihr Hubsi“ scheinbar mehr Augen für Alexandra als für sie hat. Dabei versucht der gute Mann doch nur seinen Pflichten nachzukommen, was ihn von einem Fettnäpfchen ins andere führt. Auch der Maler Victor Ronai feiert hier mit seinen Künstlerfreunden, da er für einen Kulturpreis über 5000 Mark nominiert wurde, der von Staatssekretär Dr. Lothar Mereditt nur noch übergeben werden muss. Es kommt, wie es in der Operette kommen muss, Victor rettet Alexandra vor den Übergriffen eines fiesen Grapschers, der sich als Dr. Mereditt entpuppt und der dem Künstler natürlich gleich zu verstehen gibt, dass er sich den Preis nun abschminken kann.

Als Ausgleich hat Victor dafür seine „Faschingsfee“ gefunden. Doch auch hier greift eine der bekanntesten Zutaten der Operette, das Geheimnis um die wahre Identität. So entschwindet Alexandra fast wieder so schnell wie sie gekommen ist, zumindest vorerst. Zudem lässt sie Victor zum Dank durch den Hubert, nicht nur Chauffeur sondern auch Freund des Malers, anonym 5000 Mark zukommen, so dass er dem Glauben erliegt, das Preisgeld doch noch bekommen zu haben. Zur Eröffnung von Victors neuem Atelier taucht Alexandra dann am Faschingsdienstag doch wieder persönlich auf um ihren Retter wiederzusehen. Auch Dr. Mereditt erscheint irritiert von Victors Dankesschreiben für das Preisgeld zur Eröffnung. Am nächsten Morgen schweben Alexandra und Victor nach zusammen verbrachter Nacht zunächst im siebten Himmel, doch da die Dame zu ihrer wahren Identität noch immer schweigt, kommt es zum Streit der beiden Liebenden. In dem Moment platzt der Rittmeister herein, der sein Auto vor der Türe hat stehen sehen, erneut bleibt Victor am Ende allein zurück. Zum Abendessen am Aschermittwoch soll die Verlobung offiziell bekannt gegeben werden. Zuvor kommt es im Hotel Regina aber noch zur Aussprache zwischen Lori und Hubert, so dass zumindest hier das glückliche Ende sicher ist. Sich scheinbar der Vernunftehe hinzubeben lässt Alexandra das Abendessen über sich ergehen und der Vorhang beginnt sich zu schließen. Doch in letzter Sekunde springt sie auf, der Vorhang stoppt und dem Happy End steht nichts mehr im Wege, da der Rittmeister großmütig auf die Ehe verzichtet indem er einsieht, dass nicht ihm, sondern dem Maler Victor Alexandras Liebe gilt.

Regisseur Carsten Süss verlegt die Handlung in seiner Inszenierung aus dem Jahr 1918 in die Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg und steuert zudem eine entsprechend angepasste Dialogfassung bei. Hierbei wird als vielleicht drastischste Änderung der Staatssekretär Dr. Mereditt zu einem Altnazi, der „den guten alten Zeiten“ hinterhertrauert. Immer wieder gibt er auch gerne von der AfD verwendeten Floskeln von sich, so dass einem schon sehr mulmig werden kann, wie leichtfertig und schnell hier gesellschaftliche Veränderungen ohne großen Protest erfolgen können, die an längst vergangene Tage erinnern. Dazu bedarf es nicht einmal den nach der Premiere in Mönchengladbach vor einem Jahr wohl nachträglich eingebauten Vergleich mit Chemnitz. Ob es nun unbedingt vier jungen Damen vom Bund deutscher Mädel bedarf, die im dritten Akt den Auftritt von Dr. Mereditt im Hotel Regina begleiten ist vielleicht Geschmackssache, ansonsten funktioniert diese Anpassung aber durchaus gut. Um es mit einem Zitat des Regisseurs aus dem Programmheft zu sagen: „Operette ist wie Schokolade, richtig gut wird sie erst, wenn man den Zucker auf ein Minimum reduziert“. Ganz weglassen, darf man den Zucker freilich auch nicht, denn dann wird die Schokolade ungenießbar. So soll allen Operettenfreunden gesagt sein, dass alle weiteren Figuren mehr oder weniger nur leicht „modernisiert“ wurden und Die Faschingsfee natürlich auch in Krefeld, das auszeichnet, was dieses Genre nach wie vor so beliebt macht.

 

Allen voran ist dies natürlich die Musik, die von den Niederrheinischen Sinfonikern unter der musikalischen Leitung des 1. Kapellmeister Diego Martin-Etxebarria schwungvoll leicht aufspielen. Das Highlight des Abends bilden aber ganz zweifellos Markus Heinrich als Hubert von Müzelburg und Gabriela Kuhn als Lori Aschenbrenner. Wie immer, wenn Schauspiel, längere Sprechtexte, Komik und perfekter Gesang gefragt sind, kann man sich auf diese beiden Darsteller verlassen und ein Besuch der Faschingsfee lohnt sich allein auf Grund dieser Besetzung. Ganz hervorragend, so dass ihre große Versöhnungsnummer im dritten Akt auch unter großem Applaus des Publikums zwei tänzerische Zugaben liefert. Die schönen Choreografien stammen übrigens von dem australischen Tänzer und Choreografen David Williams . Zu begeistern wissen auch die beiden Gasttenöre Mark Adler als Victor Ronai und Juan Carlos Petruzziello als Dr. Lothar Mereditt mit wunderbaren Stimmen. Die titelgebende Faschingsfee wird bei der Krefelder Premiere vom langjährigen Ensemble-Mitglied Janet Bartolova dargestellt, eine für sie sehr gut passende Rolle, was das Publikum ihr am Ende mit entsprechendem Applaus dankt. Auch Hayk Dèinyan als Samuel Lubitscheck und Generalintendant

Michael Grosse als Ottogar von Grevelingen (eine Rolle komplett ohne Gesangspart) runden das eingesetzte Ensemble passend ab. Großes Lob auch an den spielfreudigen Chor, der diesbezüglich schon lange in der obersten Liga mitspielt. Auch hier bietet sich für den Zuschauer immer wieder abseits des Hauptgeschehens einiges zu entdecken.

 

Das der Abend mit etwas über drei Stunden auf den ersten Blick relativ lang wirkt, ergibt sich auch durch zwei Pausen, da jedem der drei Akte ein eigenes großes Bühnenbild gewidmet ist. Ist es im ersten Akt die vom Bühnenbildner Siegfried E. Mayer liebevoll gestaltete Künstlerkneipe, die in einem Kellergeschoss untergebracht ist und über der auf der hochgefahrenen Hinterbühne das Straßengeschehen samt liegen gebliebenem Auto dargestellt wird, wird im dritten Akt die Hotellobby mit angrenzendem Speisesaal raumfüllend und detailreich dargestellt. Sehr schön hierbei auch einige Anspielungen auf das bekannte „Dinner for One“ samt Fellteppich. Auch das Künstleratelier mit großen Dachfenstern und Außenbalkon im zweiten Akt ist opulent ausgefallen, einziger Kritikpunkt hier, dass es doch etwas sehr modern für die gewählte Zeit daherkommt. Aber darüber lässt sich an einem ansonsten rundum gelungenen Abend auch leicht hinwegsehen.

Markus Lamers, 14.10.2018
Bilder: © Matthias Stutte

 

 

 

 

DIE ZAUBERFLÖTE

Premiere am 23.9.2018

Phantasievolle Projektion in die Sternenwelt

HOLLYWOOD LÄSST GRÜSSEN

Trailer

 

Hochgeschätzte Opernfreunde, Kinder der Opernfreunde, Science-Fiction-Fans und Opernneueinsteiger: Bitte versucht unbedingt, eine Karte für diese wunderbare Inszenierung von Mozarts Zauberflöte zu ergattern – viele gibt es in dieser Theatersaison nicht mehr. Warum?

Fantasievoller, schöner, bildgewaltiger, humorvoller und spannender wurde ich noch nie bei einer Oper von wem auch immer unterhalten. Und ich sage das nach über 50 Jahren Opernerfahrung und auch als alter Filmkritiker. Das ist ein Meilenstein!

Was Kobie van Rensburg, der für Regie, Video, Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet, hier inszeniert hat wird auch in Krefeld Theatergeschichte schreiben, wie einst der großartige Ring von John Dew in den Jahren 1980 bis 1984. Nach dem finalen Bild haben auch gestern die Premierenbesucher das Haus beinah abgerissen vor Jubel und Euphorie, wobei auch viele ältere Theaterbesucher – von denen ich es wirklich nicht erwartet hätte – in die Akklamationen mit und laustark einfielen. Nur ganz wenige gingen in der Pause. Solch einen Jubel habe ich zuletzt bei der Götterdämmerung am gleichen Haus 1984 erlebt. Das niederrheinische Publikum erkennt große Qualität und würdigt sie. Quod erat demonstrandum – mal wieder – bei der gestrigen Premiere. Großes ist zu vermelden...

Man muss nicht unbedingt 2001, Enterprise oder die herrlichen alten Star-Wars-Filme kennen, um sich köstlich zu amüsieren. Aber wer mit Obi-Wan Kenobi, R2-D2, C-3PO, Jabba, Mr. Spock, den putzigen Ewoks, Darth Maul oder Darth Vader etwas anfangen kann, der wird dieses grandiose Sammelsurium der Zauberflöten-Sternenwelt in all seinen ausziselierten, köstlichen Feinheiten erst richtig genießen können. Hier hat jemand jahrelang gearbeitet. Auch die Kostüme und Masken sind außerirdisch gelungen. Irgendwie fehlte mir am Anfang, wenn der oben zitierte Einführungstext über das Sternenuniversum sich ausrollt, noch die Widmung an den großen Regisseur George Lukas, der das ganze ja einst vor vielen Jahrhunderten einmal für Hollywood aus der Taufe hob. Oder war es erst 1977?

Van Rensburg hat das Ganze so genial umgesetzt, als wäre es ein großer Science-Fiction-Film; nicht umsonst erinnert die anfängliche, radförmige, sich drehende Raumstation an den Jahrhundertfilm 2001 – Odyssee im Weltraum. Der Filmfreak hat zwar immer noch an der schönen blauen Donau im Kopf, aber Mozart passt auch sehr gut. Überhaupt wurde die Zauberflöten-Ouvertüre wohl noch nie mit einer so brillant rasanten Weltraum-Verfolgungsjagd bebildert – allein für diesen Kurzfilm lohnt schon der Besuch. Tamino Skywalker wird in seinem Raumgleiter von bösen Mächten verfolgt und überlebt nur, weil er mit atemberaubender Geschwindigkeit durch ein Meteoritenfeld steuert. Kommt Ihnen diese Szene bekannt vor? Wenn ja, werden Sie noch vieles andere cineastisch Bekannte entdecken.

Über die Jahre sind von Rensburgs Projektionen gereift. Am Anfang war es beispielsweise Don Giovanni als Comic mit Sprechblasen des Librettos. Heute nun das Meisterstück: Seine Inszenierungen haben nach den Probeläufen der Technik in Studio-Inszenierungen in Rheydt im Kleinen nun das ganz große cinemascope-artig bühnenfüllende Filmformat erreicht. Bravissimo!

Gerade auf der eigentlich viel zu großen Krefelder Bühne wirkt das hinreißend. Dabei bedient der Regisseur sich mittlerweile perfekt realisierter, schon hollywoodreifer Bluescreen-Technologie, die dann live – was für ein Aufwand! – in die galaktischen Weltraumbilder und Fantasiewelten eingebeamt werden. Dass der fleißige und kreative Regisseur das alles, wozu Hollywood millionenteure Programme, gigantische Rechenkapazitäten und Heerscharen von Technikern brauchte, quasi in Heimarbeit in Kooperation mit Steven Koop an seinem Laptop kreiert, ist unfassbar. Man kann es kaum glauben ...

Dass man dann das alles Mozarts Zauberflöte fast nahtlos überstülpen kann – einige Puristen und Opernmuseale werden dennoch weinend aufschreien – ist dem Märchencharakter der Vorlage zu verdanken. Ja, liebe Opernfreunde, es klappt beinahe hundertprozentig. Der alte junge Wolfgang Amadeus würde, auf Wolke sieben schwebend, aufspringen und jubilieren Ja, Freunde am Krefelder Theater, genauso hätte ich mir das 250 Jahre später – oder sind wir schon im Jahr 3000? – vorgestellt. Modern werktreuer geht es nicht. Danke Kobie, Du genialer Bühnenberserker! Ich bin sicher, dass ein himmlisches Telegramm an den Regisseur längst eingetroffen ist.

Und dann ist da noch die musikalische Seite. Dass auch diese umfassend beglückt, liegt an wunderbaren Musiktheater-Darstellern, die auch noch kosmisch gut singen. Der Sarastro von Matthias Wippich ist ein Space-Träumchen. Den Tamino singt David Esteban so jung und erfrischend herzig wie einst Mark Hamill den jungen Skywalker 1978 spielte. Judith Spiesser brillierte nicht nur mit der Bravourarie „Der Hölle Rache“ und erntete vom Publikum zurecht minutenlangen Applaus. Papageno Raffael Bruck mit sensationeller Irokesenfrisur überzeugte ebenso, wie seine quirlige, sympathische Papagena Gabriela Kuhn. Nicht zu vergessen die zurzeit berauschendste Stimme am Theater: Sophie Witte als Pamina. Viel schöner und sicherer kann man eine Pamina nicht und nirgendwo singen. Brava!

Die musikalische Leitung von Diega Martion-Etxebarria verzichtete auf althergebrachte Weihe und Würde und zelebrierte einen hochmodernen Mozart mit Eleganz und flüssiger Lebendigkeit. Stilsicher – ich würde schon fast sagen mit überragender Virtuosität – spielten die Niederrheinischen Sinfoniker auf. Lange haben wir nicht so einen überzeugenden Mozart gehört – da muss man weit fahren. Michael Preiser hat den Chor wie immer bestens vorbereitet.

Fazit: Nicht nur allen Salzburger Zauberflöten-Geschädigten sollte diese überragende Produktion ins Reisetagebuch geschrieben werden. Es lohnt die weiteste Anreise. Diese Inszenierung muss eigentlich allen Opernfreunden von nah und fern ans Herz gelegt werden, denn was hier gezeigt wurde, ist nicht nur ein Meilenstein für das niederrheinische Zwei-Städte-Theater, sondern auch für die Inszenierungsgeschichte zukünftigen Musiktheaters und Bühnenbilds. Das ist die Zukunft des Musiktheaters. Und nur so – auch dermaßen zeitgemäß – kann man junges Volk fürs Theater begeistern und die sieche Gattung Oper noch retten.

Ein großes Dankeschön für diese so geniale wie epochale Produktion!    

 

Bilder (c) Matthias Stutte

Peter Bilsing / 24.9.2013

Besonderer Dank an die zwei Stormtrooper

 

P.S.

So ensteht praktisch auch jeder Kinofilm, der mit CGI arbeitet - nur hat man heute meist keine Blue-Screen-Technik mehr (wie im Bild unten), sondern öfter eine Green-Screen. Achten Sie bitte auf die kleine Kugel unten im Bild links! Sie generiert zu R2-D2 dann in der Projektion.

Damit das nahtlos funktioniert braucht man bis zu 10 Helfer in blauen Komplettanzügen, die dann auf der Filmleinwand unsichtbar sind. Für eine Operninszenierung ein riesiger Aufwand, denn da läuft alles live. Auch damit alles nahtlos klappt und an der richtigen Stelle dann einprojiziert wird, müssen die blauen Requisiten exakt zentimetergenau platziert werden.

Credits

 

 

 

Spielzeit 2018/19

In der kommenden Spielzeit präsentiert das Gemeinschaftstheater am Niederrhein im Bereich Musiktheater 12 Produktionen, davon sieben Neuinszenierungen. Dabei liegt das Augenmerk der Spielzeit am Mehrspartenhaus laut Generalintendant Michael Grosse darauf, Geschichten anderer in der eigenen Art und mit eigenen Mitteln zu erzählen. Dazu zählt auch wieder, dass man wie in den Vorjahren auf die Stärke des eigenen Ensembles setzt und nur in wenigen Produktionen vereinzelt Gäste einsetzen wird. Mit der gewohnt guten Mischung aus Bildung und Unterhaltung will man auch in der kommenden Spielzeit wieder die Zuschauer überzeugen.

Dabei startet die Spielzeit gleich mit einem echten Highlight, Kobie van Rensburg inszeniert „Die Zauberflöte“. Bereits in den bisherigen Produktionen an diesem Hause, setzte van Rensburg auf eine sehr eigene Videotechnik die mehr und mehr perfektioniert wurde. So wird auch die Zauberflöte in einer ähnlichen Art inszeniert sein, auch wenn Operndirektor Andreas Wendholz lächelnd anmerkt, dass laut derzeitige Plänen des Südafrikaners dies seine letzte Arbeit dieser Art sein soll. Warten wir es ab, fest steht aber, dass die Zauberflöte als „Sciene-Fiction-Oper“ Mozarts Werk mit Star Wars und einigen anderen bekannten Figuren kombinieren wird, so dass der Zuschauer bei der Fülle an Anspielungen sicherlich Spaß an der Produktion haben kann, wie der neu gestaltete ausführliche und sehr informative Magazinteil des Jahresheftes verspricht. Premiere ist am 23.09.2018 im Theater Krefeld.

Nach der Übernahmepremiere von „Die Faschingsfee“ (Inszenierung: Carsten Süss) am 13.10.2018 in Krefeld steht in Mönchengladbach am 28.10.2018 die Kinderoper „Der Räuber Hotzenplotz“ (Inszenierung: Katja Behning) erstmals auf dem Spielplan. Ebenfalls in der Vorweihnachtszeit wechselt Hinrich Horstkottes Inszenierung von Humperdincks Klassiger „Hänsel und Gretel“ von Mönchengladbach nach Krefeld, wo es ebenfalls für 2 Spielzeiten eingeplant ist. Premiere ist hierbei am 11.11.2018. Es folgen die Übernahmen der zwei absolut sehenswerten Produktionen von „Hamlet“ (Inszenierung: Helen Malkowsky) am 24.11.2018 und „Otello darf nicht platzen“ (Inszenierung: Ansgar Weigner) am 01.12.2018 in Mönchengladbach.


Das neue Jahr startet wieder sehr vielversprechend am 26.01.2019 mit einer Inszenierung von Beverly und Rebecca Blankenship, die sich Poulencs Werk „Les dialogues des Carmélites“ vornehmen. Ursprünglich sollte diese Oper bereits im Jahr nach ihrer Premiere nach Krefeld kommen, was seinerzeit dann doch nicht umgesetzt werden konnte. Nun ist das Werk endlich 60 Jahre später erstmals an diesem Hause zu sehen. In Gladbach wird es nach der Uraufführung einer heiter-satirischen Musikrevue „Let´s Stop Brexit!“ am 09.02.2019 mit „Boris Godunow“ am 23.03.2019 deutlich dramatischer. Für die Inszenierung konnte hier Agnessa Nefjodov gewonnen werden. Am 12.04.2019 feiert Verdis „Nabucco“ seine Premiere in Krefeld, zuvor ist die Inszenierung von Roman Hovenbitzer zu Beginn der Spielzeit nochmals als Wiederaufnahme in Mönchengladbach zu erleben.

Zum Abschluss der Spielzeit folgen zwei weitere Highlights. Am Theater Krefeld wird „Der goldene Drache“ von Peter Eötvös in einer Inszenierung von Petra Luisa Meyer zu sehen sein, die Premiere ist für den 12.05.2019 geplant. Der Abschluss der Spielzeit in der Sparte Musiktheater ist der Operette „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach vorbehalten, nur wenige Tage vor Offenbachs 200. Geburtstag kommt das Werk am 15.06.2019 in einer Inszenierung von Hinrich Horstkotte in Mönchengladbach auf die Bühne.

Anzumerken sei an dieser Stelle noch, dass auch das Schauspiel wieder musikalisch unterwegs sein wird. So wird „Monty Python´s Spamalot“ wie auch „Wir sind Borussia“ in Mönchengladbach zu sehen sein, in Krefeld findet am 01.12.2018 die Uraufführung von „Himmel über Paris“ statt, einem Werk von Lothar Kittstein in dem rund 12 französische Chansons eingebaut werden. Die Inszenierung übernimmt hier Schauspieldirektor Matthias Gehrt. Auch im Bereich des Balletts bietet das Haus fünf sicherlich interessante Produktionen. Aus dem umfangreichen Konzertprogramm der Niederrheinischen Sinfoniker sei an dieser Stelle vielleicht das Filmmusikkonzert am 21. & 23. Februar 2019 besonders hervorgehoben. Ausführliche Informationen zu allen Werken liefert die Übersicht sowei das informative Spielzeitheft online unter  www.theater-kr-mg.de.

 

Markus Lamers, 27.04.2018

Fotos: © Matthias Stutte

 

 

OTELLO darf nicht platzen

Premiere am 10.3.2018

Grandioses Musical - hinreissende Unterhaltung: 7 Sterne !

"Dio fulgor della bufera" mit Donner und Blitz im forte fortissimo des Originalklanges von Verdis OTELLO beginnt das Musical "OTELLO darf nicht platzen" - dazu winkt der Riesenchor des Theaters mit Wackelhänden wie in einer großen amerikanischen Revü-Nummer ins Publikum - natürlich in original klassischen Opernkostümen (der Riesenfundus des Krefelder Theaters lässt grüßen!). Alles erinnert irgendwie auf ganz wunderbare Weise an Otto Schenks Kultstücke, nämlich die Opernparodien Tosca auf dem Trampolin.

Ja, liebe Opernfreunde, der vermeintliche Musica-Abend in Krefelder Stadttheater fängt wirklich sensationell an. Sind wir gar an der Scala -haben wir uns verlaufen? Und es wird noch toller, wenn nach der Pause auch noch der originale Verdi Schluss "Un bacio..." mit dem schönsten Liebesmotiv aller Zeiten - zwar klassisch aber mit durchaus Loriotschem Humor - gespielt wird. So umklammert die vielleicht schönste Oper Verdis ganz begnadet dieses herrliche Musical-Spektakel.

Der Originaltitel des Stücks Lend me a tenor hat nicht ansatzweise den doppelbödigen Sprachwitz der wunderbaren deutschen Übersetzung. Geht es doch hier vordergründig zwar um die Oper OTELLO, deren Premiere nicht platzen darf - hintergründig aber hat Autor Ken Ludwig bei seinem ursprünglichen Boulevard-Stück natürlich an den großen Tenor Big P. gedacht, von dem man ja auf die Frage "Singt er wirklich heute Abend?" regelmäßig (vor allem in späteren Jahren) die Antwort der Theaterleitung bekam "Natürlich, wenn er nicht geplatzt ist ;-) !"

Das Stück ist ursprünglich eine reine Komödie des Sprechtheaters; 1986 im West End Theatre in London uraufgeführt, erhielt es gleich neun (!) Nominierungen für den Tony Award und gewann anlässlich der Broadwayaufführung 1989 sogar den Preis für den besten Hauptdarsteller (Philip Bosco) und die beste Regie (Jerry Zaks). Der Siegeszug auch über deutsche Bühnen war gewaltig. Die legendäre Otto-Schenk-Produktion lief z.B. über 600 Mal in Wien. Es gibt eine schöne DVD.

Die deutsche Erstaufführung der Musicalversion fand erst 2014 in Leipzig statt. Die Musikalische Komödie Leipzig hatte es der Wiener Volksoper quasi vor der Nase weggeschnappt. Eigentlich hätte es durchaus auch den Titel "Der nackte Wahnsinn" (von M. Frayns) verdient. Geht es doch auch hier um Theater auf dem Theater, also um die Spielchen, Intrigen und amourösen Verwirrungen des Lebens, die sich im Klassiker auf der Bühne spiegeln. Seit "Kiss me Kate" von Cole Porter (1948), hat dieses Konstrukt für ewige köstliche Unterhaltung und immer herzlichen Theaterspass gesorgt.

Auch hier geht es um den Minikosmos Musiktheater. Es geht um jene Menschen, die sich dort auf, vor und hinter der Bühne versammelt haben. Hauptperson ist der große Startenor Tito Merelli, der anfangs im Krefelder Theaterfoyer (was für ein schöner Einfall) noch diverse Autogramme gibt. Siehe Bild unten !

 

Er wird - kurz vor der Otello-Premiere - sprichwörtliches Opfer seiner Fresssucht wird. Statt Tabletten gegen seine Verdauungsprobleme nimmt er aber diesmal versehentlich eine Handvoll Schlaftabletten. Dummerweise hatte man ihm ähnliche auch schon von der Theaterleitung wg. seiner Nervosität in den obligaten und stets präsenten Vino Rosso gemischt. Sowas haut selbst den stärksten Tenore aus den Schuhen.

 

Das ist große Chance für Max, den Assistent des Operndirektors, der schon lange von einer Karriere als Tenor träumt. Flugs schlüpft er in "Pavarottis" Originalkostüm, den er für tot hielt. Und singt danach - als unerkannter Double - unter rauschendem Publikumsjubel die Rolle seines Lebens.

Blöder Weise ist der Superstar-Tenor nicht tot, sondern versucht in seinem Zweitkostüm nun gewaltsam ins Theater zu gelangen, was die Polizei erfolgreich verhindert. Aber das Alles ist erst der Anfang einer verwirrenden Vierecksgeschichte

die mit den üblichen drei Paaren nach klassischem Prinzip abläuft, aber soviel Chaos, Verwirrung und Spannung in sich birgt, daß es den Zuschauer förmlich an die Sitze fesselt. Tempus fugit - die immerhin 2,5 Stunden (incl. Pause) vergehen wie im Flug.

Regisseur Ansgar Weigner, der das Stück auch schon in Bremerhaven (siehe unsere damalige Kritik) inszenierte, ist der ideale Regisseur. Er setzt alles bravourös - nicht nur mit dem Charme der großen Blake Edwards Filme - sondern höchst theaterkenntnisreich unterhaltsam bis in die Nebenrollen hinein feinsinnig durchdacht - in Szene. Die Anspielungen an Opern, bekannte Musicals und Theaterstücke sind so ungeheuer vielfältig, daß man sie nicht aufzählen kann und darf, denn Sie, liebe Theaterfreunde, sollten den Spass ja ohne vorherige Hinweise genießen - daher empfehle ich auch (ganz wichtig!!!) bitte lesen Sie den Inhalt nicht vorher durch: SPOILERGEFAHR! Sie verstehen das Stück auch ohne Vorbereitung...

Das Musical - Brad Carrol (Musik) und Peter Sham (Textbuch) - repräsentiert einen heutigen Cole-Porter-Stil und ist für Big Bands geradezu ein Träumchen. Es sprüht vor Originalität mit Songs im Stil der 50er. Das swingt und hat Melodie - wobei nicht nur George Gershwin und Cole Porter grüßen - auch Blues, Balladen- und Opernpathos finden sich in diversen Anklängen wieder. Und wenn die Operndiva (die grandiose Gabriela Kuhn) ihrem angebeteten Superstar im Hotelzimmer ein Sammelsurium aller großen Opernarien in Kurzform präsentiert, dann brüllt das Haus. Dann steppt der Publikums-Bär ;-). Dirigent Andreas Fellner und seine handverlesenen Musiker bringen einen souveränen Sound, die Microports sind endlich einmal perfekt eingemessen. Und überhaupt klappt an diesem sieben Sterne Abend wirklich alles und alles harmoniert superb.

Stern Nr.1 für die Regie, Nr.2 für die Band (im Programmheft unbenannte Mitglieder der Niederrheinischen Sinfoniker), einen weiteren für die phantasievollen Kostüme (Christian Robert Müller), Nr.4 für die ausgefuchste Choreografie (Andrea Danae Kingston), Nr.5 für den tollen Chor (Michael Preiser), Nr.6 für die drei superben Musical-Gäste in den Hauptrollen (Elena Otten/Maggie, Andrea Matthias Pagani/Tito und Lukas Witzel/Max) und den letzten vergibt der Rezensent an alle Mitglieder des Haus-Ensembles, die brillieren als habe man bisher immer schon auf dem Broadway agiert. Bravissimo!!!!!

Auf solch eine, auch noch qualitativ im der Spitzenliga spielende Produktion kann man stolz sein im kleinen, aber feinen Theater am Niederrhein. So begeistert man niveauvoll sein Publikum, bindet es und schafft die zum Überleben notwendige Identifikation. Ein großes Musical auf Broadway-Niveau.

Dank für die fabelhaften Fotos an Matthias Stutte (c)

Foto vom autogrammgebenden Tenor (c) Der Opernfreund

Peter Bilsing 11.3.2018

 

Nur noch 6 Mal !

 

 

 

 

 

Monty Python´s

SPAMALOT

Premiere: 03.02.2018, Besuchte Vorstellung: 22.02.2018

Britischer Klamauk und Furzhumor

Mit einer hervorragender Rocky Horror Show und fast ebenso guten Blues Brothers, hat das Schauspielensemble des Gemeinschaftstheaters Krefeld-Mönchenglachbach vor Jahren die Messlatte extrem hochgelegt, so dass nach der Ankündigung von Monty Python´s Spamalot in der Vorschau auf die aktuelle Spielzeit bereits vor Monaten die Vorfreude riesig war. Nachdem man sich in den Jahren zuvor ebenfalls sehr unterhaltsam Rio Reiser und der Gladbacher Borussia gewidmet hatte, sollte also nun diese wunderbare Musicalparodie von Eric Idle und John Du Prez in der gelungenen deutschen Übersetzung von Daniel Grosse Boymann folgen. Die Suche nach dem Heiligen Gral kann also beginnen.

Wir schreiben das Jahr 932, König Artus ist erst gerade zum König der Britten gewählt worden und macht sich nun im Auftrage des Herrn auf die Suche nach dem heiligen Gral. Hierzu wirbt er einige lustige Gesellen an, die er zu seinen Rittern seiner runden, aber wirklich sehr runden Tafelrunde ernennt. Er kämpft sich vorbei am französischen Chateau, weicht erfolgreich den hier fliegenden Kühen aus, besiegt das gefährliche Killerkaninchen, kämpft sich mit seinem Diener Patsy durch einen teuren, sogar sehr sehr teuren Wald und findet um es vorweg zu nehmen, am Ende nicht nur den Gral, sondern auch seine große Liebe. Auch viele andere Szenen aus dem Kultfilm „Die Ritter der Kokosnuss“ sind selbstverständlich im Musical enthalten, auch das aus dem noch bekannteren Film „Das Leben des Brian“ entliehene Lied „Allways look on the bright side of life“ darf natürlich auch nicht fehlen. Soweit so gut, das Krefelder Schauspielensemble albert sich treffsicher durch die Gags, allen voran Adrian Linke als wunderbarer König Artus. Auch Michael Ophelders als Sir Lancelot bleibt in bleibender Erinnerung.

Esther Keil hat als Fee aus dem See die einzige weibliche Rolle im Stück, alle anderen Damen werden in typischer Monty Python Manier von den Männern übernommen. Zwar muss Frau Keil im Vergleich zu anderen Produktionen wo diese Rolle von ausgebildeten Musicaldarstellerinen übernommen wird einige Stellen mehrmals octavieren oder vorgesehene Schlusstöne komplett abändern, dennoch bleibt festzuhalten, dass das Krefelder Schauspielensemble nach wie vor zur Freude des Zuschauers in der Lage ist, auch musikalische Produktionen zu stemmen. In weitere Rollen sind Hennig Kallweit (Patsy), Paul Steinbach (u. a. Sir Robin), Ronny Tomiska (u. a. Sir Galahad), Philipp Sommer (u. a. Sir Bedevere) und der Generalintendant des Theaters Michael Grosse (u. a. als Historiker und Prinz Herberts Vater) zu sehen.
Die Bühne von Udo Hesse ist bewusst schlicht gehalten, so macht man den recht begrenzten finanziellen Rahmen am Gemeinschaftstheater zur Tugend, was allerdings nur teilweise gelingt. Die Kostüme von Anne Weiler sind überwiegend passend und langjährige Theatergänger finden auch das ein oder andere Kostüm aus dem Fundus vergangenen Produktionen wieder.

Größte Schwäche der Krefelder Aufführung ist leider die Inszenierung von Christine Hofer, die sich an vielen Stellen auf das bloße nachspielen von Monty Phyton Sketchen zu konzentrieren scheint. Hierbei gerät leider die eigentliche Musicalparodie des Stückes absolut ins Hintertreffen, was sehr schade ist, denn gerade hier liegt eine weitere große Stärke des Stückes.

Nicht nur dass einige Lieder komplett gestrichen wurden, so wartet man auf die wunderbare Eingangsnummer „Finnland“ ebenso vergeblich wie auf einige weitere Nummern. Ersetzt wurden diese durch Blödeleien in Monty Python Manier, was dem Fluss des Stückes meist nicht gut tut. Eine Stärke des Stückes sind nun eben auch die Songs und die Parodie bekannter Musicals.

Auf musikalischer Seite sorgt die Band unter der musikalischen Leitung von Jochen Kilian immerhin für einen erfreulichen Ausgleich zur Inszenierung. Der Klang ist voll und knackig und stets gut abgemischt. Alles in Allem hinterlässt die Produktion ein etwas gemischtes Gefühl, insbesondere für langjährige Besucher des Hauses ist Spamalot sicherlich eine Freude, nicht zuletzt auch durch die Spielfreude des bekannten Ensembles. Hierfür bedankte sich das ausverkaufte Haus auch mit entsprechend großem Beifall am Ende. Gelegenheitsbesuchern die Spamalot in einer kaum besser zu machenden Gesamtinszenierung erleben wollen, sei an dieser Stelle nochmals kurz das nicht so weit entfernt liegende Schauspielhaus Bochum empfohlen, wo Spamalot nach vielen sehr erfolgreichen Spielzeiten nur noch sechs Mal zu sehen sein wird, letztmals im Mai diesen Jahres.

Markus Lamers, 25.02.2018
Fotos: © Matthias Stutte

 

 

HAMLET

Premiere: 17.4.2016

Plädoyer für eine weitgehend unbekannte Oper

 

Ungeachtet einer relativ kontinuierlichen Aufführungsstatistik in jüngerer Zeit (es gab auch Produktionen an mittleren Häusern wie Magdeburg 2002 und Bielefeld 2015) kann „Hamlet“ von Ambroise Thomas im gegenwärtigen Repertoire nicht als wirklich verankert gelten. Der einst so populären „Mignon“ geht es freilich auch nicht sonderlich gut, als zu harmlos wird heutzutage empfunden, was die Librettisten Michel Carré und Jules Barbier aus Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ heraus destillierten. „Hamlet“ ist seinerseits ein recht fragwürdiger Shakespeare-Verschnitt, welcher dem Gedankenreichtum und der tiefenpsychologischen Dramaturgie des Originals kaum gewachsen ist. Dass einige Figuren durch die Textdichter (es sind die gleichen wie bei „Mignon“) gestrichen wurden, mag man hinnehmen und die figurative Konzentration auf Hamlet, Ophelia, König Claudius und Königin Gertrude billigen. Aber das Werk von Thomas, dramatisch zwar einfallsreich und szenisch plausibel ersonnen, entbindet dem Handlungsgerüst Shakespeares oft nur Begebenheiten von opernklischeehaftem Anstrich. Freilich wäre en detail auch beim Sprechdrama einzugreifen. Das Reuegebet von Claudius, an den von ihm ermordeten Bruder gerichtet, wirkt beispielsweise theatralisch etwas aufgesetzt. Eine Schauspielinszenierung könnte das fraglos korrigieren; bei Thomas steht dem die leicht patethische Musik entgegen. Ophelias Wahnsinns-Szene wiederum endet mit einem Chor-Tableau, welches sich an den Geisterwesen des Balletts „Giselle“ von Jean Coralli orientiert und heute allzu befremdlich wirkt.

Eine besondere Auswirkung hat die Positionierung Ophelias. Bei Shakespeare ist sie sicher keine beiläufige Figur, in der Oper steht sie jedoch im Mittelpunkt. Einem typisch fragilen Frauentypus der Oper des 19. Jahrhunderts entsprechend vermag sie nicht zu verkraften, dass sie von Hamlet nicht ihrem eigenen Begehren entsprechend geliebt wird. Die Regisseurin Helen Malkowsky (vor Ort bereits mit anderen Raritäten wie Verdis „Stiffelio“ und Tschaikowskys „Mazeppa“ aktiv) deutet das bei der ersten Begegnung unmissverständlich an: die beiden kommen sich nicht wirklich nahe, schreiben sich ihre Gefühlsbekenntnisse (Hamlet spricht anfangs durchaus von Liebe) gegenseitig auf Arme und Beine, romantische Tattoos gewissermaßen.

Rührt die erotische Hemmung bei Hamlet einzig von seiner fast schon pathologisch zu nennenden Bindung an den ermordeten Vater her? Im Krefelder Programmheft sind Bemerkungen von Sigmund Freud über die „männliche Sexualabneigung“ Hamlets zu lesen, die „von der Seele des Dichters immer mehr Besitz nehmen sollte“. Vergleichbare Identitäten? Die Inszenierung lässt dies immerhin vorstellbar erscheinen. Dazu passt, dass der Titelrollensänger Rafael Bruck wie ein romantischer Jüngling wirkt, schlank von Statur, die langen Haare immer wieder verzweiflungsvoll durch die Luft schleudernd. Die markante Stimme ist hierzu ein Kontrast, jedoch kein Widerspruch.

Der Regie gelingt es zwar nicht, sämtliche Operntrivialitäten zu umschiffen, bringt dem Zuschauer das Geschehen mit plausibler Personenführung aber doch sehr nahe. Ein zentraler Interpretationsansatz ist es, den Geist von Hamlets Vater mit einem hinzu erfundenen Narren zu parallelisieren, welcher die Handlung immer wieder dämonisch antreibt. Am Schluss setzt sich der zum neuen König ernannte Hamlet ebenfalls eine Narrenkappe auf: die ganze Tragödie könnte sich also wiederholen.

Hermann Feuchters relativ nüchterne, gleichwohl reich wirkende Ausstattung orientiert sich offenkundig an der Shakespeare-Bühne. Architektonische Schrägen sollen vermutlich andeuten, dass die Welt aus den Fugen geraten ist. Die Kostüme von Susanne Hubrich changieren stimmig zwischen Moderne und Historie.

Mihkel Kütson holt aus den Niederrheinischen Sinfonikern die Opulenz und Farbfantasie von Thomas’ Musik wirkungsvoll heraus, der Chor (Michael Preiser) erhält zu Recht Ovationen, wie er sie zuvor kaum je erleben konnte. Dass „Hamlet“ auf den Spielplan gesetzt wurde, hat nicht zuletzt mit dem Bemühen des Theaters Krefeld/Mönchengladbach zu tun, Sänger des Ensembles ihrem künstlerischen Vermögen entsprechend wirkungsvoll zu präsentieren. Rafael Bruck in der Titelpartie wurde bereits positiv erwähnt. Eine besondere Sympathie des Premierenpublikums galt nicht von ungefähr Sophie Wittes Ophelia. Ihr sind offenbar jedwede „Wahnsinns“-Koloraturen und stratosphärische Tongirlanden abzuverlangen; und sie bezaubert mit fein gesponnenen Piani. Andrew Nolen ist sich nicht zu schade, mit den wenigen Verlautbarungen von Hamlets Vater vorlieb zu nehmen. Mit seiner Präsenz als Narr verleiht der darstellerisch sehr virile Sänger der Aufführung eine besondere Spannung. Janet Bartolova bietet ein sehr eindringliches, aristokratisches Porträt der Königin, Matthias Wippich engagiert sich überzeugend für den König Claudius. Carlos Moreno Pelizari lässt als Laertes tenoral aufhorchen. Ihm verordnet die Regisseurin seltsam stampfende Gänge und erklärt das im Programmheft bei ihren „Gedankensplittern zur Personage“ wie folgt: „Laertes – das Zirkuspferd in der Manege, das Hamlet als Prototyp des idealen Königsstall-Pferdes vorgeführt wird.“ Auch sonst viel verbaler Dampf. Hayk Dèinyn (Polonius), Kairschan Scholdybajew (Marcellus) und Gereon Grundmann (Horatio) haben die gänzlich unauffälligen Nebenrollen inne.

Der Premierenbeifall war bereits vor der Pause ungewöhnlich stark, nach dem Fallen des Schlussvorhanges steigerte er sich fast zur Extase. Ob das die künftige Rezeption des Werkes günstig beeinflusst? Im Vorjahr hat man in Bregenz übrigens eine andere, gänzlich unbekannte Hamlet-Oper vorgestellt, nämlich „Amleto“ von Franco Faccio. Auch hier waren die Reaktionen größtenteils enthusiastisch.

Bilder (c) Matthias Stutte

Christoph Zimmermann26.11.2017

 

 

 

Spielzeit 2017/18

„Der Konsul“, Oper von Gian Carlo Menotti (21.10.2017)

Inszenierung: Katja Bening

„Hamlet“, Oper von Ambroise Thomas (25.11.2017)

Inszenierung: Helen Malkowsky

„My Fair Lady“, Musical von Frederick Loewe (17.12.2017)

Inszenierung: Roland Hüve

„Monty Python’s SPAMALOT“ , Musical von Eric Idle (03.02.2018)

Inszenierung: Christine Hofer

„Orpheus und Eurydike“, Oper von Christoph Willibald Gluck (17.02.2018)

Inszenierung: Jakob Peters-Messer

„Otello darf nicht platzen“, Musical von Brad Carroll (10.03.2018)

Inszenierung: Ansgar Weigner

„Carte blanche – Musiktheater aktuell“ (26.05.2018)

Inszenierung: N.N.


Das Gemeinschaftstheater lädt die Besucher in der kommenden Spielzeit dazu ein, die Theater am Niederrhein mit allen Sinnen zu genießen. Entsprechend ist auch das heute veröffentlichte Programmheft gestaltet: Ganz nah dran am Ensemble, im wahrlich bildlichen Sinne des Wortes. Hierzu sei vorab verwiesen auf den Link ganz am Ende dieses Artikels. Das Theater ist ein Ort, der Raum für neue Blickwinkel und Perspektiven schafft und wo den Besucher oftmals Bekanntes allerdings auch weniger Bekanntes erwartet. Dazu vielleicht die ein oder andere überraschende Interpretation eines als vermeintliche bekannt eingestuften Werkes, die wiederrum eine ganz andere Sicht auf die Dinge zulässt. Das man dieses Spiel am Theater Krefeld-Mönchengladbach sehr gut beherrscht, hat man in den vergangenen Spielzeiten immer wieder aufs Neue bewiesen, so dass man voller Vorfreude dem Spielzeitbeginn Mitte September entgegenfiebern darf. Vorab fand Generalintendant Michael Grosse bei der Programmpräsentation noch lobende Worte für das hervorragende Ensemble am Haus. Auch in der kommenden Spielzeit können fast alle Produktionen bis auf wenige Ausnahmen komplett aus dem eigenen Ensemble besetzt werden, sicherlich auch ein Zeichen für die Qualität am Niederrhein. Die Spielzeit 2017/18 verspricht zumindest einiges.

Immer wieder ist es dem Haus gelungen, wunderbare Perlen abseits der großen Klassiker zu finden, so erwartet die Zuschauer in Mönchengladbach gleich zu Beginn der Spielzeit die selten gespielte Operette „Die Faschingsfee“ von Emmerich Kálmán, die man dramaturgisch entstaubt und durchaus auch mit lokalem Bezug fast genau 100 Jahre nach ihrer Uraufführung aus dem Dornröschenschlaf wecken will.

In einer kleinen aber feinen Studioproduktion setzt sich Kobie van Rensburg nach dem wunderbaren Opern-Pasticcio „The Gods must be crazy“ nun mit der Musik von Claudio Monteverdi auseinander, passender Titel daher auch „Der seltsame Fall des Claus Grünberg“.

Eine weitere große Neuproduktion wird die französische Opernrarität „Hamlet“ von Ambroise Thomas in Krefeld.

In Sachen Bekanntheitsgrad im kompletten Gegensatz dazu steht Verdis „Nabucco“, einer der größten Opernhits aller Zeiten steht ab Juni 2018 auf dem Spielplan in Mönchengladbach.

Auch im Bereich Musical ist das Theater in der kommenden Spielzeit sehr gut aufgestellt, in Kooperation mit dem Stadttheater Bremerhaven zeigt man „Otello darf nicht platzen“ von Brad Carrol und Peter Sham, teilweise auch bekannt unter dem Originaltitel „Lend me an Tenor“.

Stichwort Musical, hier liefert auch das Schauspielensemble mit Monty Python´s „Spamalot“ ein höchst unterhaltsames Werk ab.

Allgemein sei an dieser Stelle auch kurz auf die vielen hochwertigen Schauspielproduktionen am Hause hingewiesen, zu denen man entsprechende Hinweise dem Spielzeitheft entnehmen kann. Auch das Ballett-Programm wird dort ausführlich vorgestellt, auch hier lohnt sich ein genauerer Blick ins Heft.

Zurück zum Musiktheater, als Übernahmepremieren werden in Krefeld in der kommenden Spielzeit „Der Konsul“ von Gian Carlo Menotti sowie Glucks „Orpheus und Eurydike“ zu sehen sein.

In Mönchengladbach feiern Wagners „Lohengrin“ sowie der Doppelabend „Cavalleria rusticana / Gianni Schicchi“ nach erfolgreichen und hochgelobten Aufführungen in Krefeld ihre Premiere.

Ebenfalls von Krefeld nach Mönchengladbach wechselt das Kammeroper-Projekt „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ des britischen Komponisten Michael Nyman. Hierbei sitzen die Zuschauer hautnah am Geschehen, passend zum Motto der kommenden Spielzeit.

In Krefeld soll es eine Fortsetzung dieses Formates geben mit einem modernen Musiktheaterstück, hier hält man sich die endgültige Auswahl zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch offen und vergibt daher als Platzhalter den Titel „Carte blanche – Musiktheater aktuell“.

Abgerundet wird das Musiktheaterprogramm neben einigen Sonderveranstaltungen mit zwei großen Wiederaufnahmen, in Mönchengladbach kehrt Humperdincks „Hänsel und Gretel“ auf die Bühne zurück während es Krefeld auch im Winter wieder grünt, wenn am 17. Dezember 2017 in „My Fair Lady“ Spaniens Blüten erneut erblühen.

Markus Lamers 28.4.2018


Das vollständige Programm ist ab sofort auf der Homepage des Theaters unter http://theater-kr-mg.de/ohrengespitzt/ zu finden.

 

 

 

 

LOHENGRIN

Premiere 16.4.2017

Ein Wagnerwunder hat sich am Niederrhein ereignet

Liebe Niederrheinische Opernfreunde!

Obwohl es heuer kein Problem mehr ist, Tickets für Bayreuth zu bekommen (immerhin gehen mittlerweile fast 80 Prozent in den offenen Verkauf und nicht wie früher nur 10 Prozent) und Sie an der Abendkasse gute Chancen haben noch Karten zu ergattern, falls Sie zufällig in der Nähe urlauben, merken Sie aber bitte auf, was der Rezensent sagt:

"Sinnlose Plage, Müh ohne Zweck..." (Wagners "Siegfried", 1.Akt)

Tun Sie sich die weite Reise nicht an, liegt doch das Gute meist sehr nah. Damit meine ich Ihr wunderbares Theater in Krefeld. Denn was der rührige Intendant Michael Grosse in Zusammenarbeit mit seinem Operndirektor Andreas Wendholz den niederrheinischen Wagner-Fans heuer anbietet, ist durchaus als "sensationell" zu bezeichnen.

Unglaubliche Qualität in Musik und Gesang!

Erst einmal traut man seinen Ohren kaum. Holla, was ist denn das für ein hehrer Wagnerklang, der da aus einem Orchestergraben in der "Provinz" strömt? Goldenes Blech, als wären wir in Bayreuth oder Salzburg. Später dann im Vorspiel zum dritten Akt mit einer Wucht und Vehemenz, welcher das Dach des altehrwürdigen Theaterbaus geradezu erschüttert. Kleines historisches Apercu: In Krefeld wurde am Theaterplatz 1952 als Provisorium die sogenannte Kulturscheune schon mit „Lohengrin“ eröffnet.

Wagnerwellen wogen vortrefflich wabernd über die Niederrheinische Landschaft...

GMD Mihkel Kütson hält die trefflich aufspielenden Musici der Niederrheinischen Sinfoniker ganz ausgezeichnet zusammen und integriert bayreutherprobte Gäste ins Orchesterensemble. So entsteht ein herrlicher, so selten gehörter wunderbarer Wagnerklang. Die originalen Königstrompeten z.B. wurden per Jet extra aus Bayreuth eingeflogen. Es hat sich gelohnt!

Stichwort "Gäste": Für die Monsterrolle des Lohengrin hat man den großen aufstrebenden Wagner-Tenor - er singt erst seit 2013 das große Wagnerfach - Peter Wedd engagiert. Eine weitere lohnende Investition, denn Wedd ist noch unverbraucht und auch mit der nötigen lyrischen Emphase für diese Rolle ausgestattet. Wenn ich allerdings seine internationale Programmplanung lese, dann wird mir angst und bange.

Wieso fallen mir hier sofort die Namen Villazon und Kaufmann ein...?

Doch zurück zum großen Ensemble-Geist, der hier in dieser Aufführung aufs Grandioseste beschworen wird. Alle sonstigen Partien werden nämlich unglaublicher Weise aus den eigenen Reihen besetzt. Und was die Sänger gestern bei der Premiere leisteten, war der blanke Wagner-Wahnsinn.

Wer hätte gedacht, dass Izabela Matula (Elsa), der bezirzende und bewährte Sangesstar im Niederrheinischen Ensemble seit 2013 („Suor Angelica“, Gräfin „Le nozze di Figaro“, Marija in „Mazeppa“, Lina in „Stiffelio“ Verdi, Donna Elvira in „Don Giovanni“, Antonia in „Hoffmanns Erzählungen“, Ellen Orford in „Peter Grimes“, Lola in „Cavalleria rusticana“ & "Katja Kabanowa") auch noch solches internationales Wagner Format hat. Bitte legt sie in goldene Ketten und samtene Handschellen, verehrte Theaterleitung, sonst wird sie bald weggekauft und im internationalen Startheater verramscht und verschlissen. Diese grandiose und vielfältige Sängerin ist ein Juwel!!

Grandios auch Eva Maria Günschmann, sie schaffte die Höllenpartie der Ortrud mit respektablem Einsatz und großer darstellerischer Überzeugungskraft; am gestrigen Premierenabend ging sie an ihre Grenzen und gelegentlich darüber hinaus. Diese Produktion, die ich zugegebener Maßen nicht ganz verstehe, schweißt ein fabulöses Team anscheinend hoch motiviert zusammen.

Johannes Schwärsky (Friedrich von Telramund) hat nicht nur den Rezensenten, sondern auch das vielfach wagner-erfahrene Premierenpublikum förmlich aus den sprichwörtlichen Socken gerissen. Ebenso vom Stuhl gehauen wurden wir durch die exzellente Sanges-Leistung von Matthias Wippich (als junger König Heinrich). Beide würde ich sofort nach Bayreuth verpflichten ;-).

Daß auch die sogenannten Comprimarii glänzend präsent waren (selten hörte ich einen so gut artikulierenden Heerrufer, Raffael Bruck), ist ein Glücksfall für diesen Sterneabend.

Chor und Extrachor sangen auf absolutem Bayreuth-Niveau; Chorleiterin Maria Benyumova hat hier in Vorbereitung und Koordination ganz Großes geleistet.

"Welch harte Not tust du uns an..." (Lohengrin, 3.Akt)

Mit diesem Zitat nun zur Regie von Robert Lehmeier, zu welcher ich, auch nach einmaligem drüber schlafen, nicht viel sagen kann, denn sie verwirrt mich immer noch mehr, als dass sie Anmerkenswertes enthüllt, obwohl der Regisseur viel Intelligentes im Programmheft zu "Lohengrin" schreibt.

Leider findet sich das auf der Bühne (Tom Musch) doch nur recht bieder wieder. Die Angabe "Orientierung am Sitzungssaal der UN" ist schon hoch und weit hergeholt; sieht es doch eher, vor allem mit dem biederen Vorhang im Hintergrund - zumindest im ersten Akt - aus wie die Kulisse in einem Billigfilm von Ed Wood. Das Stuhlseminar im gleichen Einheitsbühnenbild (2. Akt) wirkt nicht nur trostlos langweilig, sondern auch ausgesprochen abtörnend zu der schönen romantischen Musik. Und zum dritten Akt fällt mir nur wieder Richard Wagner selber ein:

"Selige Öde, auf (wenig) wonniger Höh..." (Siegfried)

Militaria martialica all überall; sogar die Damen in den weißen Brautkleidern tragen zum "treulich geführt" Kalaschnikows. Ja, sie sind doch ein ganz schön militantes Völkchen diese Brabanter, in ihren schicken taillierten Kamuflasch-Uniformen (Ingeborgh Bernerth), rüde Soldateska, die nur auf einen Anführer gewartet hat.

Doch dieser Wundermann ist eher eine Art Batman, "a silent guardian, a watchful protector" (The dark Knight). Eher sogar ein Flower-Power Man mit seinem schönen Hippie-Blumenkranz ums Haupt, und es scheint dem hehren Helden gerade recht, daß Elsa doch die verbotene Frage gestellt hat, damit er sich nun ohne Gesichtsverlust verkrümeln kann. Er möchte nicht "Führer" sein. Recht so! Das hat zumindest innere Logik.

Wenn dann der junge Gottfried am Ende noch als Kindersoldat in eben solcher Kinder-Uniform (!) mit Mini-Kalaschnikow wild um sich zielend über die Parlaments-Tische springt, geriert das Ganze zum Kindergeburtstag. Da hilft es auch wenig, wenn die böse Tante Ortrud sich nun als neue finster dreinblickende Kriegsministerin ans Präsidentenpult setzt - oh weh. Vorhang!

Peter Bilsing 16.4.2017

Bilder von Matthias Stutte

 

 

Zweiter Premierenbericht

LOHENGRIN

Premiere am 15. April 2017

Am Premierenende wahrer Begeisterungstaumel. Man meinte förmlich zu spüren, dass die Besucher das Wagner-Defizit der jüngeren Vergangenheit am Gemeinschaftstheater Krefeld/Mönchengladbach durchlitten haben müssen. Dabei hat es vor gut dreißig Jahren am Haus sogar den kompletten “Ring“ gegeben (in der sogar vom „Spiegel“ aufmerksam beäugten Inszenierung John Dews). Jetzt also „Lohengrin“, voll aus dem Ensemble besetzt. Dies gilt auch für die Titelpartie, welche nach dem Gast Peter Wedd auch Michael Siemon in Folgevorstellungen verkörpern wird. Eine ganze Reihe ergänzender Veranstaltungen zeigt überdies, mit welchem Ehrgeiz die Theaterleitung die wohl „romantischste“ Wagner-Oper auf den Spielplan gesetzt hat. Hoher Respekt!

Sieht man von einigen Fehlern im 3. Akt ab, spielten die NIEDERRHEINISCHEN SINFONIKER einen dramatisch aufgepeitschten, blutvollen Wagner, sorgten aber auch für sphärische Klangoasen. GMD MIHKEL KÜTSON dirigierte mit Feuer und Flamme. Der verstärkte Chor (Einstudierung: MARIA BENYUMOVA) zeigte sich auf einer exorbitanten Qualitätshöhe.

Dass, wie bereits erwähnt, nach Ensemblemöglichkeiten besetzt worden ist, führt u.a. dazu, dass die „erste Lyrische“ des Hauses, Sophie Witte, gelegentlich eine der Brautjungfern singt (in der Premiere war dies nicht der Fall), dass ein Nummer-eins-Tenor wie Kairschan Scholdybajew einen brabantischen Edlen übernimmt und sich Andrew Nolen und RAFAEL BRUCK einen ebensolchen mit dem Heerrufer teilen (Bruck in der Premiere ganz exzellent). Dem König verleiht MATTHIAS WIPPICH mit seinem höhenstarken Bass autoritative Züge. JOHANNES SCHWÄRSKY gibt einen rundum bühnenfüllenden, emotional starken Telramund mit baritonaler Cholerik. Als Ortrud erlebt man EVA MARIA GÜNSCHMANN. Prinzipiell ist die einst von einer Astrid Varnay oder Christa Ludwig ideal verkörperte Partie für ihren Zwischenfach-Mezzo eine Nummer zu groß. Es fehlt der vokale „Biss“, der fanatische Rausch (etwa bei „Entweihte Götter“). Dennoch besitzt die Rollengestaltung der Sängerin mit ihrem Plus an Weiblichkeit große Dringlichkeit. IZABELA MATULA gibt mit ihrer jugendlich-dramatischen, in der Höhe regelrecht lodernden Stimme der Elsa höchste Inbrunst mit. Man könnte fast geneigt sein, in ihr eine kommende Ortrud zu sehen.

In der Titelpartie: PETER WEDD. Der britische Tenor absolviert(e) Auftritte an vielen Bühnen Englands. Nach anfänglichen lyrischen Partien hat er sich inzwischen zum dramatischen Repertoire vorgearbeitet, welches auch das Wagner-Fach umfasst. Seinen ersten Lohengrin sang er 2013 an der Welsh National Opera; inzwischen hat er sich sogar den Tristan erobert. In Krefeld beweist er immer noch hohe vokale Geschmeidigkeit, bietet aber auch enorme tenorale Muskelkraft. Angenehm schlanke Erscheinung, impulsive Darstellung. Womit, bewusst verzögert, zum szenischen Teil der Aufführung gekommen sei.

Über den Regisseur ROBERT LEHMEIER ist viel Positives zu lesen, so hinsichtlich engagierter Operninitiativen in Südafrika. Sein Krefelder „Lohengrin“ wirkt freilich nur maßvoll inspiriert, was – das sollte wirklich nicht untergehen – vom Premierenpublikum offensichtlich anders empfunden wurde. Freilich: mit Jubel vermag man nicht wirklich zu argumentieren. Wie so häufig gibt es viele konzeptionelle Worte im Programmheft, auf der Bühne sieht man hingegen eine eher vage Interpretation.

Der erste Akt überzeugt. TOM MUSCHs Bühnenbild zeigt einen Parlamentssaal, wo in Anwesenheit eines ganzen Journalistenheeres politisch offenkundig Bedeutsames diskutiert wird. Weiterhin gib es den „Fall Elsa“. Tatverdacht: Brudermord. Dabei hatten ganz zu Beginn Elsa und ihr Gottfried, beide blumenbekränzt, in geschwisterlicher Harmonie vor dem Vorhang gestanden und sich zum sphärischen A-Dur der Geigen holdselig angelächelt. Danach sieht man, was wirklich geschah, nämlich Ortruds Entführung des Knaben, ihr Umlegen eines zauberischen „Kettleins“. Wieder einmal muss Musik bebildern, was jeder Besucher aus dem Opernführer eigentlich kennen dürfte. Noch später erscheint hinter einem rückwärtigen Vorhang ein nackter Lohengrin. Erotische Wunschvorstellung Elsas? Nun ja, so wie sie ihren Auftritt im „Parlament“ kokett hinlegt, scheint das nicht ganz ausgeschlossen. Und das geblümte Kleid von INGEBORG BERNERTH hat wohl auch tiefere Bedeutung, selbst wenn man darob nicht gänzlich schlau wird. Auch der eigentliche Auftritt des Gralsritters, ziemlich sportiv übrigens und ohne Schwan (die Menge spielt lediglich mit Federn), lässt Sinnfragen offen. Dass der gleißend gepanzerte Lohengrin (mit Blumenkranz) auf die politisch so coole, aber sich offenbar nach Wundern sehnende Menschenmenge narkotische Wirkung ausübt, teilt sich immerhin mit.

Im zweiten Akt tut sich szenisch dann aber nur wenig, vielfach sogar einfach Unsägliches. Lehmeier konzentriert sich, um wirkliche Ideen verlegen, vor allem auf das Drapieren einer Riesenschleppe für Elsa, womit das Quartett der Brautjungfern in eifriger Bewegung gehalten wird. Der (gekürzte) Brautchor im dritten Akt wiederum ist ein starres Bild, welches der bereits erwähnte Hintergrundsvorhang frei gibt. Die Damen tragen Kalaschnikows in den Händen. Ein mühevoller, lächeln machender Versuch, fatalen Zeitgeist kritisch in den Mythenstoff zu infiltrieren.

Zum Finale (wiederum im „Parlament“) rappelt sich die Inszenierung dann allerdings noch einmal auf. Die Gralserzählung wird zu einem zärtlich-verzweifelten Beieinander von Lohengrin und Elsa. Der kleine Gottfried, Hoffnungsträger für Brabant, tritt in einem Kampfanzug auf und bedroht die Anwesenden mit einer Flinte. Und Ortrud, in schwarzer Witwenkleidung ihren getöteten Gatten lügnerisch betrauernd, setzt sich in Führerpositur. König Heinrich hat wohl ausgedient. Was wird wohl aus diesem Lande werden? Lohengrin vermag nichts anderes zu tun, als sich davon zu schleichen. Das sind in der Tat starke (und ausbaufähig zu denkende) Momente, aber sie trösten über vorherige Regiedefizite nicht hinweg.

Christoph Zimmermann 16.4.2017

Bilder siehe Erstbesprechung !

 

 

 

EIN MASKENBALL

TRAILER

Premiere in Krefeld am 14. Januar 2017

Erstaufführungspremiere am 11.9.2015 in Rheydt

Teilweise misslungene US-Adaptation

Die Premiere von Guiseppe Verdis „Ein Maskenball“ in Krefeld, der Opern-Schwester von Mönchengladbach, stand offensichtlich unter keinem guten Stern. Zum einen handelt es sich genau genommen nur um eine Wiederaufnahme in anderer „location“, der ganze Tross aus Kulissen, Orchester, Sänger und Chor inklusive Dirigent hatte mal gerade 25 km Ortswechsel hinter sich. Aber das ist schon in Ordnung so, jede Bühne liebt ihr eigenes Premieren-Publikum, mit dem sie feiern möchte. Von daher gesehen ist eine erneute Besprechung der Aufführung in Krefeld eigentlich entbehrlich, es sei denn, der Rezensent ist in Teilen ganz andere Meinung oder es hat einen Wechsel bei den Sängern gegeben.

Letzteres ist kurz vor der Premiere passiert; Michael Siemon, den Sänger des Ricardo, und auch seinen „Ersatzmann“, hatte eine üble Erkältung dahingerafft. Der im letzten Moment gefundene Waliser Timothy Richards, mittlerweile zum Haustenor der Komischen Oper Berlin arriviert und Gastsänger an so bedeutenden Bühnen wie der Semperoper oder der Oper in Köln, konnte glücklicherweise einspringen und die Aufführung retten. Er ist ein alter Bekannter des Hauses und war 2005/6 im italienischen und französischen Fach fest engagiert. 

 

Die weitgehend positiven Besprechungen der Premiere in Mönchengladbach in der Presse (so auch von Jochen Rüth im Opernfreund) konnten, was zumindest den ersten Teil der Aufführung angeht, nicht recht nachvollzogen werden. Das mag am späten Einstieg des Ricardo und einer gewissen Nervosität des Teams gelegen haben. Richards ist kein italienisch timbrierter Tenor, vielleicht ein wenig unbeweglich; aber seine Stimme sprach im Piano gut an, ist sehr präsent und wird differenziert eingesetzt. Gerade in den hohen Lagen prunkte Richards mit strahlenden Spitzentönen; man hörte ihm durchaus gerne zu. Johannes Schwärsky als sein Gegenspieler Renato verfügt über einen vollen und wohl klingenden Bass- Bariton, den er aber nur sehr eindimensional und vor allem in seiner großen Arie im dritten Akt eintönig laut einsetzt. Hayk Dèinyan und
Andrew Nohlen

mimten und sangen die Verschwörer ganz prima.

 

Izabela Matula, welche in dieser Aufführung die Amelia, die von Ricardo begehrte Gemahlin Renatos, verkörpert, verfügt über einen auch in den Spitzentönen  sehr sicher geführten Sopran, aber auch sie singt zumindest in den ersten beiden Akten durchgängig zu gleichmäßig und zu laut. Man vermisst die lyrisch zarten Passagen. Das wurde aber in der zweiten Hälfte des Abends deutlich besser. Izabela Matula gelangen nun sehr anrührende Szenen voller Emotion und Verinnerlichung. Vielleicht hat  der Dirigent Mikkel Kütson ja  in der Pause noch die notwendige „Feinjustierung“ vorgenommen. Eva Maria Günschmann als Wahrsagerin Ulrica bringt ihren prächtigen, dunkel timbrierten Alt in einen sehr fragwürdigen Akt ein, für dessen Regie (Andreas Baesler) und auch für die alberne Verkleidung durch Caroline Dohmen sie nicht verantwortlich ist. Sehr erfreulich Sophie Witte als Oscar; ein properes Persönchen mit glockenhellem Sopran und gewinnendem Auftreten. Vielleicht kann man ihr albernes Tänzchen etwas reduzieren, Die kleineren Partien wurde von Shinyoung Yeo und Xianghu  Alexander Liu (Mitglied des Opernstudios) sehr ordentlich und rollengerecht gesungen und gespielt.

Leider konnte auch das Orchester nur teilweise überzeugen. Manche Wackeleien, oft zu lautes und schrilles Blech, Unsauberkeiten, schlechte Synchronisation mit der Bühne und ein unglückliches Violinsolo im letzten Akt führten immer wieder zu Stirnrunzeln. Symptomatisch dafür ist vielleicht der viel zu späte Knall nach dem Schuss auf Ricardo. Aber über das kann man alles hinwegsehen bzw. -hören, wenn denn auf der Bühne alles stimmen würde. Und da hakt es am meisten.

Die Verlegung der Handlung in das Oval Office des Weißen Hauses mag im ersten Akt ja stimmig sein (Bühne von Hermann Feuchter), aber auch nur dort. Die Zauberin Ulrika ihr Voodoo im selben Raum auf einem runden Tisch abspulen zu lassen und die versuchte Verführung von Amelia durch Ricardo, beide auf Knien und halb ausgezogen, vor einem elektrischen Stuhl und hinter einem schlichten Sichtschutz aus einer Kassenpraxis anstatt vor einem Galgen zu präsentieren, das tut schon weh (und vielleicht Ricardo auch an den Knien). Und warum mussten alle Protagonisten ständig auf sämtliche verfügbaren Tische hüpfen ?

Fast eine Lachnummer bot der recht ordentlich singende Chor (Maria Banyumova). Als Staatsbeamte im einheitlichen Trainingsanzug joggte er nach ausgiebigem Strechting im Gänsemarsch wieder raus oder präsentierte sich als Verschwörertruppe, alle mit gleicher Sonnenbrille, Schlapphut und Trenchcoat a la Kojak. Das kratzte alles schon arg an eine Persiflage, vor allem im Schlusstableau, wo der Chor mit Mickymaus-Masken und weißen Handschuhen im Hintergrund ein lustiges Tänzchen zum Besten gab, während es davor hochdramatisch um Liebe, Leben und Tod ging.  Verdi halt.

Ein Opernglück hat sich beim Rezensenten leider nicht eingestellt; auch das nicht ausverkaufte Haus reagierte nur zweimal mit Zwischenapplaus, aber mit reichlich Schlussbeifall.                                

Michael Cramer 16.1.2017

Fotos © Theater KR/MG / Stutte

 

Redaktions-P.S.

Etiam altera pars audiatur ;-)

Opernfreund-Kritiken der Erstpremiere in Rheydt

 

 

FRAU LUNA

Premiere 28.10.2016

Nette Einladung zur Reise auf den Mond

Als dritte Musiktheater-Premiere im Theater Krefeld stand nach den hervorragenden Inszenierungen von „Cavalleria rusticana / Gianni Schicchi“ und „Katja Kabanowa“ am Freitag, dem 28.10.2016 die Berliner Operette „Frau Luna“ von Paul Lincke als Übernahme aus Mönchengladbach auf dem Spielplan. Zur kleinen geschichtlichen Einordnung sei an dieser Stelle lediglich kurz auf den Bericht zur Premiere in Mönchengladbach aus dem März diesen Jahres verwiesen. Und um es vorweg zu nehmen, zum Glück hat sich das Stück wenig bis gar nicht verändert und es ist auch in Krefeld ein echter Genuss, sprichwörtlich eine (leider nur) rund zweistündige Erlebnisreise, welche wahrlich wie im Fluge vergeht.

Großen Anteil hieran hat Regisseur Ansgar Weigner, der an diesem Theater u. a. mit „Die Liebe zu den drei Orangen“ bereits seine Kreativität und sein Gespür für stimmige Inszenierungen unter Beweis stellen durfte. Auch mit „Frau Luna“ gelingt es ihm wieder, hervorragend den Nerv des Publikums zu treffen und hierbei erneut zu beweisen, dass sich Anspruch und gute Unterhaltung nicht gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil perfekt ergänzen können. Wie schrieb Peter Bilsing bereits vor einem guten halben Jahr: „Charmanter, unterhaltsamer, flotter und beglückend freudvoll für alle Mitwirkenden und die Zuschauer inszeniert, sah ich selten eine Operette.“ Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.

Schön auch, wenn sich ein Theater immer auf sein Ensemble verlassen kann, welches auch an diesem Abend einmal mehr sein Können unter Beweis stellen durfte. Allen voran Markus Heinrich, bei dem man sich als Zuschauer immer wieder freut, wenn er in einer entsprechend großen Rolle besetzt ist. Herrlich sein Berliner Dialekt, gesanglich wie immer hervorragend und voller Spielfreude, bravo. Gern gesehener Gast nach vielen Jahren am Gemeinschaftstheater auch immer wieder Kerstin Brix, die als Frau Pusebach für den ein oder anderen Lacher sorgt. Aber auch in allen anderen Rollen ist man bei dieser Operette sehr stark aufgestellt. Susanne Seefing als Marie, Hayk Dèinyan als Pannecke und Rafael Bruck als Lämmermeier können als „Berliner-Fraktion“ ebenso überzeugen wie Matthias Wippich als sechsarmiger Theophil, Gabriela Kuhn als Stella oder Michael Simon als Prinz Sternschnuppe auf Seiten der Mondbewohner.

Insbesondere die Rolle des Prinz Sternschnuppe bietet bei dieser Inszenierung einige nette Anspielungen, von gekauften akademischen Titeln, über „wichtige“ Autobiografien bis zur Skandalschlagzeile im Boulevardblatt ist alles vertreten. Abgerundet wird die Riege der Hauptdarsteller natürlich von Frau Luna persönlich, bei der Premiere besetzt von Janet Bartolova.

Gut einstudiert auch wieder der Chor des Hauses unter der Leitung von Maria Benyumova sowie die Niederrheinischen Symphoniker, die an diesem Abend von Alexander Steinnitz dirigiert hervorragend aufspielten. Mehr als nur erwähnenswert noch das Ballettensemble, die sehr gelungenen und detailverliebten Kostüme von Marlis Knoblauch und das nicht minder verzückende Bühnenbild von Jürgen Kirner.

Auch wenn die Spielzeit noch jung ist, mit diesen drei eingangs bereits erwähnten Produktionen die aktuell in Krefeld zu sehen sind, liegt man im Rennen um das „Opernhaus des Jahres“ ganz weit vorne. Das Publikum im nahezu ausverkauften Theater, auch dies ist bei Premieren längst nicht mehr immer und überall der Fall, zeigte sich auf jeden Fall begeistert und feierte Darsteller und Leistungsteam mit großem Beifall. So darf es gerne weitergehen und ein Besuch am Niederrhein sei jedem Leser wärmstens empfohlen. Und wenn dann quasi ganz nebenbei durch die „Bewegung für Jerechtigkeit und Liebe zwischen die Menschen“, kurz BJLM, als unterschwellige dafür aber mit bleibendem Eindruck verbreitete Botschaft noch vermittelte wird, dass „Habgier und Frieden aneinander ausschliessen“, dann zeigt Theater einmal mehr, wie unterhaltsam man solche Botschaften vermitteln kann. Großes Lob an alle (!) Beteiligten dieser Produktion.

Markus Lamers, 09.10.2016
Fotos: © M. Stutte

 

 

KATJA KABANOWA

Krefeld-Premiere am 16.10.16

Wovon wir träumen, ist Teil der Realität, in der wir leben

"Ein animierender Spielzeitausklang im Theater Mönchengladbach. Die furiose Premierenbegeisterung sollte sich herumsprechen und die Besucherauslastung der kommenden Vorstellungen steigern helfen" schrieb unser Kollege Christoph Zimmermann am 12.6.16 in seinem Finalsatz zu dieser Produktion, wobei man dankenswerter Weise die tolle Besetzung - ein wahrer Glücksfall ! - nicht beim Umzug nach Krefeld geändert hat.

 Weiter "Auch wer mit der Musik Leos Janaceks vertraut ist, mochte an diesem Abend so etwas wie eine Offenbarung erleben. Klänge von solch Suggestivkraft und Herzblut-Intensität werfen den Zuhörer einfach aus der Bahn." Auch hier muss ich einfach die Worte aus der Erstbesprechung übernehmen, was soll man mehr sagen, denn in der Tat spielen die Niederrheinischen Sinfoniker unter Mihkel Kütson auf einem derartigen Qualitätsniveau, daß man auch als alter Janacek-Liebhaber (mit allen Mackerras CDs im Regal) sich am Ende verblüfft die Ohren reibt. Wobei mir spontan ein alter aber genialer Werberspruch einfällt, der damals zur Einführung von 5-Kanal-Musik lautete "Ihre Ohren werden Augen machen!"

"Und dann gibt es auch noch Izabela Matula. ... Ihre Katja besitzt eine nochmals gesteigerte Intensität des Singens, wobei die sichere, leuchtende Höhe besonders nachhaltig beeindruckt. Fast möchte man für diese Wirkung Brünnhildes "Heil dir, Sonne, Heil dir, Licht“ (Anmerkung der Redaktion: aus Richard Wagner Siegfried) zitieren. Izabela Matulas Gesang wirkt freilich nie selbstzweckhaft, sondern macht auf beklemmende, erschütternde Weise das Schicksal einer Frau erlebbar, welche vergeblich Lebensglück und echte Liebe sucht, doch zuletzt keinen anderen Ausweg sieht als den Freitod." Glücklich ein jedes Theater, welches eine solch grandiose Sängerin hat - möchte ich noch ergänzen.

Doch glänzte an diesem Premierenabend auch die restliche Personnage, die für ein relativ kleines Stadttheater trefflich und wohltönend besetzt war. Satik Tumyan überzeugte als herrisch böse Kabanicha, glaubhaft Hayk Deinyan als Dikoj und Markus Heinrich als Wanja. Ganz großartig und als Muttersöhnchen sehr realitätsnah war Kairschan Scholdybajew. Besonders erwähnend loben möchte ich Eva Maria Günschmann (Barbara) und den großartigen Michael Siemon (Simon), der am Ende die höllischen und gefürchteten Höhen tadellos bewältigte.

Schön, daß sich am Ende die Regisseurin Helen Malkowsky (einst Oberspielleiterin in Nürnberg, dann Operndirektorin in Bielefeld und jetzt Hausregisseurin am wunderbaren Opernhaus von Chemnitz) trotz 2.Premiere auch noch persönlich zeigte; Dinge, die man heuer eigentlich nur noch an solch sympathisch netten, kleinen bis mittleren Opern-Häusern erlebt.

Last but not least sei noch der vorzüglich einstudierte Chor (Ltg. Maria Benyumova) erwähnt, dessen damen und Herren - wie immer - nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch Bemerkenswertes boten.

Fazit: Großes hochspannendes und ergreifendes Musiktheater, welches die regionalen Grenzen der vielgeschmähten "Provinz" weit sprengt und auch von weither Anreisenden als dringlicher Opernfreund-Tipp ans Herz gelegt werden muss.

P.S: Liebe Niederrheiner und rechtsrheinischen Opernfreunde, sowie Janacek-Freunde aus der restlichen Republik! Daß die Premiere nur zu 60 Prozent verkauft war, schiebe ich auf die Herbstferien. Aber danach sollte es für Euch Pflicht und Ehre sein, diese tolle Produktion, die sich auch auf einem hohen musikalischen Niveau bewegt, unbedingt zu besuchen. Janacek ist ganz ganz fabelhaft zu rezipierende, teils ergreifend spätromantische Musik!

Tempus fugit

Die etwas mehr als 1,5 Stunden (ohne Pause) sind so spannend, daß man nicht einmal - auch als Janacek-Novice, deren viele um mich herum saßen - auf die Uhr schaut. Ein wirklich faszinierendes Stück Musiktheater mit ans Herz gehender Musik. Bitte hinfahren!!

Peter Bilsing 16.10.16

Bilder (c) Theater Krefeld / Stutte

 

OPERNFREUND-CD-TIPP

"Das Maß der Dinge" an Janacek-Gesamtaufnahmen

 

 

CAVALLERIA RUSTICANA/ GIANNI SCHICCHI

Premiere: 17. September 2016      

Besuchte Zweitaufführung: 7. Oktober 2016

TRAILER

Einen Einakter-Abend zu konzipieren, ist reizvoll, aber nicht ganz leicht. Soll man Stücke der gleichen Entstehungszeit wählen, auf Stoffkontrast setzen oder Handlungsparallelen betonen? Puccini hat bei „Il Trittico“ ein authentisches Konzept freilich bereits vorgegeben. Der “Stein des Anstoßes“ dabei ist allerdings immer wieder das Mittelstück „Suor Angelica“, eine kitschgefährdete Oper, dazu wirkungsbeengt nur mit Frauenstimmen besetzt. Schwer in den Griff zu bekommen. Nach Meinung des Rezensenten ist dies Christine Mielitz 2010 in Dortmund indes exemplarisch gelungen. Es geht also. Die Düsseldorfer Rheinopern-Produktion von Dietrich Hilsdorf 2003 wurde nicht gesehen.

Für das Gemeinschaftstheater Krefeld/Mönchengladbach, welches jetzt „Schicchi“ mit „Cavalleria“ kombinierte, kam „Il Trittico“ nicht mehr infrage, wurde doch „Suor Angelica“ 2011 doch schon mit „Le Villi“ zusammengespannt. Als Zweiteiler hätte sich „Schicchi“ mit „Tabarro“ angeboten, wie anderswo häufiger geschehen. Aber man dachte ehrgeiziger. Von der Dramaturgin des Hauses scheint die Idee freilich nicht ausgegangen zu sein, sonst hätte sie sich im Programmheft geäußert. Vielleicht gab es eine Empfehlung von Opernintendant Andreas Wendholz, welcher 2011 noch als Dramaturg wirkte.

Die Frage ist so oder so: überzeugendes Konzept – ja oder nein? Blutiges Verismodrama, gefolgt von einer als Satyrspiel zu verstehenden Musikkomödie, das kann man als locker gefügtes Konstrukt unschwer akzeptieren. Karine Van Hercke stellt im Programmheft indes Überlegungen an und  Beziehungen her, dass einem als Leser der Kopf nur so raucht. All ihre Querverweise (komprimiert nicht angemessen darstellbar) mögen für sich genommen zwar stimmig sein, bieten für die beiden Opern jedoch kaum ein wirklich vertiefendes Verständnis. Dass Turiddu als „glühender Verfechter der neu aufkeimenden faschistischen Bewegung“ und Alfio als Kommunist gesehen wird, akzentuiert Mascagnis „Cavalleria rusticana“ bestenfalls beiläufig. Dass Puccinis Buoso Donati als erpresserischer Verwandter von Mamma Lucia zu Geld kam und in „Gianni Schicchi“ ein erkleckliches Erbe hinterlässt, schließt nicht wirklich eine Informationslücke und stellt auch keine zwingende Handlungsbrücke dar. Die konstruierte Generationenabfolge („Schicchi“ spielt 35 Jahre nach „Cavalleria“) nimmt man ebenso zur Kenntnis wie familiäre Neuorientierungen (Lucia und Turiddu Donati, Alfio und Lola Schicchi in „“Cavalleria“), ohne daraus wirklich Gewinn ziehen zu können.

Eindrucksvoll prägt sich bei „Cavalleria“ zunächst einmal das komplett schwarze Bühnenbild vonSIEGFRIED E. MAYER ein: hohe Rückwand mit hell erleuchteter Marienstatue als Blickfang, davor auf Stühlen sitzend die müden Männer des Dorfes, welche – wie ihre Frauen auch – an nichts anderem mehr festklammern können als an religiösen Ritualen. Vergreist sind sie alle und tapsen herum, als seien sie gleichzeitig mit Parkinson und Demenz geschlagen. Im Libretto heißt es allerdings an einer Stelle „Ihr Schönen“. Freilich: auch eine jüngere Gemeinschaft kann bigott sein und würde eine entehrte“ Santuzza ebenfalls aus ihren Reihen verstoßen (Osterchor mit riesiger Bänderkrone). In dem Film „Alexis Sorbas“ (er war kürzlich im deutschen Fernsehen wieder mal zu sehen) wird das beispielsweise auf besonders niederschmetternde Weise gezeigt. Der Auftritt eines kinderhaften Engelchens zu Beginn und beim „Intermezzo sinfonico“ und andere figurale Erinnerungskonstellationen prägen die assoziativ durchsetzte Inszenierung von FRANCOIS DE CARPENTRIES Immer wieder.

Allerdings sorgt der Regisseur auch für zwischenmenschliche Hinweise. Sie werten beispielsweise den sonst meist einseitig als Hallodri gezeichneten Turiddu auf. Auch wenn er Santuzza immer wieder, sich mit Wein Mut antrinkend, entwürdigend behandelt, ist die alte Zuneigung doch nicht ganz verschwunden, und das zu erwartende Kind lässt ihn sogar regelrecht fürsorglich reagieren. Diesen etwas zerlumpten Charakter macht MICHAEL WADE LEE, mit fester Strahlkraft singend, ausgesprochen glaubhaft.

JANET BARTOLOVA ist (in der gesehenen Zweitaufführung) eine vokal weitgehend standfeste Santuzza (Eva-Maria Günschmann war in der Premiere zu erleben) und spielt ihre Partie mit starker dramatischer Präsenz. Die Bulgarin ist langjähriges Ensemblemitglied des Gemeinschaftstheaters Krefeld/Mönchengladbach (seit 1994/95) und war vor einigen Jahren so frei, sowohl Norma als auch Adalgisa in einer Produktion der Bellini-Oper zu gestalten.

Besondere Sympathien gelten stets (es darf auf „Schicchi“ vorgegriffen werden) DEBRA HAYS. Mittlerweile ist sie mit 25 Jahren noch länger als ihre Kollegin am Haus und nach wie vor  eine voll präsente und theaterblütig pulsierende Sängerdarstellerin, jetzt als Nella. Von den „Cav“-Sängern ist noch IZABELA MATULA nachzutragen, diesmal eine laszive Lola sowie als wackere Lucia SATIK TUMYAN, die mit ihren Registerbrüchen später bei der Zita besser durchkommt, JOHANNES SCHWÄRSKY gibt mit natürlicher Männlichkeit und baritonal ausladend den „Händler“ Alfio, welcher von Buosi Donati am Schluss erstochen wird. Der von MARIA BENYUMOVA einstudierte Chor singt und agiert (zitternd, wie vorgeschrieben) ausgesprochen eindrucksvoll.

Als Schicchi steht Schwärsky dann sozusagen von den Toten wieder auf und schließt im Finale den ebenfalls ins Leben zurück kehrenden Buosi Donati in die Arme. Was der stumm agierende TOBIAS FORSTREUTER zuvor an drastischer Agonie bietet und als Leiche durch die Szene gewirbelt wird, gehört zu den wahrhaft lachtreibenden Szenen in Carpentiers putzmunterer Inszenierung

Der Bühnenboden ist jetzt bunt gestreift, die verbliebenen Wände sind kitschig tapeziert; ein Riesenbild zeigt das blühende Florenz. Wird man bei Carpentiers „Cavalleria“-Arbeit nicht so ganz glücklich, kann man sich über seine lustvolle und auf eine burleske Spitze getriebene Puccini-Regie nur unbändig vergnügen. Unter seiner Anleitung werden Sänger zu Komödianten wie noch nie zuvor erlebt.

So gibt HAYK DÈINYAN auf gloriose Weise einen alterstrotteligen Simone, den er bis in den Schlussapplaus hinein spielen darf. KAIRSCHAN SCHOLDYBAJEW hatte, wenn die Erinnerung nicht täuscht, bislang noch nie Gelegenheit, eine so wilde Hummel wie den Krefelder Gherardo zu spielen; er macht das köstlich. Besonderes Lob auch für GABRIELA KUHN (Ciesca),  MATTHIAS WIPPICH(Betto),und RAFAEL BRUCK (Marco). Selbst die Kleinstpartien sind ausgesprochen typenwitzig besetzt: DAE JIN KIM (Spineloccio), BONDO GOGIA (Amantio), YASUYUKI TOKI (Pinellino) undBERNHARD SCHMITT (Guccio).

MICHAEL SIEMON (Rinuccio) ist mit seinem feschen Tenor ein feuriger Langhaar-Lover, undSOPHIE WITTES Lauretta erfreut mit luxuriösem Sopran und Modelfigur. Nach ihrem „O mio babbino caro“ erfreulicherweise (!) mal kein störender Zwischenbeifall. Johannes Schwärsky zeigt sich in der Titelrolle stimmlich und komödiantisch raumfüllend. MIHKEL KÜTSON realisiert mit denNIEDERRHEINISCHEN SINFONIKERN Mascagnis Verismo-Schmelz und –glut ebenso überzeugend wie Puccinis rabiaten Komödienton. Für den „Schicchi“ drei Sterne!

Christoph Zimmermann 8.10.16

Bilder (c) M. Stutte

 

 

Cavalleria Rusticana / Gianni Schicchi

Premiere am 17.9.2016

Schöner kann ein Opernabend nicht sein...

Vorwort: Zu den beeindruckendsten Inszenierungen der Cavalleria zählt für mich immer noch die Produktion der damals noch so genannten "Vereinigten Bühnen Krefeld & Mönchengladbach" - nicht nur aufgrund der Traumbesetzung (Rachael Tovey und Lado Ataneli), sondern auch wegen der spektakulären Inszenierung (Bühne: Wagenknecht / Regie: Münstermann), wo während der Ouvertüre im Gleichklang von Musik und einsamer nächtlicher Straße - genau passend zum Crescendo des Orchesters - ein Auto explodiert und sich zeitlupenmässig in den Bühnenhimmel erhebt, wobei das Wrack später weiterhin bedrohlich über der Szenerie schwebt.

Es war damals eine "Sternstunde des Musiktheaters" - eine Inszenierung mit Bildern, die man auch 20 Jahre später nicht vergessen hat, wie den meisten langweiligen Opernkrempel, denen man sich als Kritiker Jahr für Jahr - schon fast sado maso mässig - unterziehen muss. Und hier möchte ich auch gleich eine Lanze für die kleineren Häuser brechen, für die das Theater Krefeld Mönchengladbach (wie man sich heute nennt) geradezu exemplarisch steht: Seit über 40 Jahren gehe ich, auch heute noch immer gerne, in Vorstellungen dieses Gemeinschaftstheaters, weil hier munteres, lebensnahes (Verismo anno 2016), spannendes, sowie unterhaltsames MUSIKTHEATER in kontinuierlich relativ gleichbleibender Qualität und Form geboten wird. Das war über fast ein halbes Jahrhundert - egal unter welchem Intendanten - immer Aushängeschild dieser schönen Opern-Häuser am Niederrhein.

 

Als eine "Sternstunde des Musiktheaters" würde ich auch den gestrigen Abend bewerten, der ganz unter dem Sinnbild jenes Maskenbildes des dramatischen Theaters der zwei Gesichter der antiken Musen (Melpomenes weinende Maske und die lachende Maske ihrer Schwester Thalia) stand.

 

Nicht der übliche Doppelabend "Cavalleria / Bajazzo" war angesagt, sondern nach dem Trauerspiel über die "Sizilianische Bauernehre" platzierte man die Komödie "Gianni Schicchi" und ich nehme es gleich vorweg: Schöner kann ein Opernabend nicht sein...

Es gibt erfreulicher Weise diese beglückenden Abende, wo einfach alles stimmt; die Sänger präsentieren sich in Hochform, der Chor singt nicht nur überzeugend, sondern ist von faszinierender Darstellungskraft, die Inszenierung ist so bewegend spannend wie unterhaltsam, das Orchester spielt als hätte man es frisch aus der Mailänder Scala eingeflogen und auch das Bühnenbild ist so stimmig düster im ersten, wie im zweiten Teil ganz köstlich bunt und kitschig passend (Sonderbeifall und herzliches Lachen im Publikum).

Herrlich! - ein Abend für den wir gleich zu Anfang der Saison schon unseren heißbegehrten OPERNFREUND STERN verleihen, denn besser kann sich heutiges Musiktheater nicht präsentieren.

Die Cavalleria spielt im deprimierend monochromen Ambiente eines alten italienischen traditionellen Dorfes in den 30er Jahren, welches nur noch überwiegend alten gramgebeugten Bewohnern in so traditionellen Kirchenritualen Halt bietet; die Jungen sind ausgewandert; wohin auch immer. Die wenigen übrig gebliebenen Nichtgreise werden schnell zu Opfern der schlimmen Tradition von Kirche, Mafia und Blutrache. Ein deprimierendes Bild, welches sich in den fast tränenrührenden Klängen der Mascagnischen Musik auch wieder findet. Und wenn Turridu und Santuzza zu den Klängen des herzzerreissend schön, mit wunderbar viel Rubato gespielten Intermezzos (für mich eines der Musikjuwelen der Operngeschichte) auf leeren Bühne einen kindlichen Engel in eine Art Trugbild, vorbeischreiten sehen - dann hatten viele im Publikum so feuchte Augen, wie beim Suizid von Puccinis Madama Butterfly. Dafür gehen wir in die Oper - dafür lieben wir diese tolle Musikgattung ein Leben lang!

Im zweiten Teil des Abends wird nun die am Boden liegende Seele des Opernbesuchers, wie die des Kritikers ;-) wieder aufgeheitert, denn was uns da Siegfried E. Mayer als Bühnenbild hingezaubert hat, ist ein kitschiger Alptraum aus den 60ern, der nicht nur realitätsnah ist, sondern auch alle Klichées der Zeit vielfältig zitiert; ob Blümchentapete oder Streifenteppich der übergangslos sogar die Wand herauf sich rankt. Gleiches Muster im Morgenmantel des toten Buoso, dessen Leichnam fast optisch verschwindet (Mimikri) als man ihn vorübergehend an die Wand stellt. Zum Brüllen ist der riesige Matratzenstapel auf dem das anfangs noch lebende Familienoberhaupt (mit grandios pantomimischer Boshaftigkeit gespielt von Christoph Mühlen) wie die Prinzessin auf der Erbse thront und die auf sein Ende wartende Verwandschaft zu Tode nervt, bis sie sein Ende beschleunigen.

Allein die Szene, als man die Leiche loswerden will, erinnert nicht nur an Hitchcocks "Immer ärger mit Harry", sondern könnte auch einem Blake Edwards Film entliehen sein. Wobei die Regie von Francois De Carpentries (traumhafte Kostüme: Karine van Hercke) ohnehin ihre Liebe zum cineastischen Bildern nie verleugnet, denn auch in der Cavalleria finden sich Anspielungen an Fellinis "La Strada und dem damaligen Zeitgeist des großen italienischen Kinos.

Last but not least die ergreifenden Sänger: Eva Maria Günschman (Santuzza) ist an diesem Abend ebenso ein Glücksfall wie Michael Wade Lee (Turridu), Johannes Schwärski (Alfio später Schichi) und Izabela Matula (Lola) - Verismo-Gesang vom Feinstern, dabei absolut höhensicher in den teils höllischen Partien. So muss große italienische Oper klingen, wobei Chor und Orchester unter der engagierten Leitung GMD Mihel Kütson großartig aufspielen.

"Gianni Schicchi" ist eine Teamwork-Opera, wobei hier das Theater Krefeld alles aufbot, was man an tollen Künstlern und "All-Stars" noch im Ensemble hatte.

Die sprichwörtliche Spielfreude zeichnet alle aus, denn diese "schrecklich nette Familie" (ich hebe hier niemanden heraus, denn so eine tolle Inszenierung klappt nur, wenn das  ganze Team stimmig harmoniert) war ein Dreamteam angefangen von der großen Rolle des Schicchi bis zum skurrilen Notar. Alle haben gleichermaßen Teil am OPERNFREUND STERN, den wir auch für diese Produktion verleihen. Bravo! Bravi! Bravissimo!

Peter Bilsing 18.9.16

Fotos (c) Theater Krefeld Möcnhengladbach / Matthias Stutte

 

P.S. 25-jähriges Dienstjubiläum

DER OPERNFREUND gratuliert besonders Publikumsliebling Debra Hayes zu ihrem 25. Bühnenjubiläum an den Vereinigten Bühnen. Wenn ich sie als "ominpräsente Rampensau" bezeichne, wird sie nicht böse sein, denn das ist ein wunderbarer theatralischer Fachbegriff ;-) ! Ich habe sie in diesem Vierteljahrhundert immer bewundert, denn egal wo, was und in welchen Inszenierungen sie auftrat, sie hat mich nie enttäuscht. Und sie ist immer noch so springlebendig und gesanglich top wie 1991. Grosse Gratulation, liebe Debra. Glücklich ein jedes Theater, das solche Künstler in seinem Ensemble hat.                                                            P.B.

 

 

KREFELDER RENNBAHN

 

Live-Event am 28. August 2016 auf der Krefelder Rennbahn

Das Cabinet des Dr. Caligari

Hinreißender Abend

Als "Film- und Konzertereignis der besonderen Art" kündigte die Pressestelle des Theaters Krefeld Mönchengladbach die Präsentation des Films "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1921) auf der Krefelder Rennbahn an. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich kann dies als alter Konzert- und Filmkritiker nur dreimal unterstreichen !!!

Selten kann man so begeistert über ein Kulturereignis berichten. Was war das für ein toller, hochspannender Abend in geradezu begnadet schöner Sommer-Atmosphäre da am Sonntag (2.Tag), denn im Gegensatz zur Premiere des Vortages war der Himmel klar und es war trocken und nicht zu warm. Dann wird diese herrlich gelegene alte Rennbahn zum geradezu idyllischen Kinostelldichein der wirklich besonderen Art. Sehr schade, daß nur gerade einmal die Hälfte der überdachten Zuschauer-Tribüne besetzt war.

Liebe Krefelder Musik- und Kinofreunde, was ist, was war los mit Euch? Wo ward ihr an diesem Abend? Meine Güte - was habt Ihr da verpasst!

Da bietet Euch das SWK-Open-Air-Kino in Zusammenarbeit mit den großartigen Niederrheinischen Sinfonikern einen Filmabend der Extraklasse - ein wirkliches EVENT - und keiner geht hin...

Was der Besucher hier für faire 39 Euro mit LIVE-ORCHESTERMUSIK geboten bekam war einmalig und ist leider unwiederholbar. Ich habe selten so eine stimmiges Gesamtbild von Wetter, Film und Livemusik erlebt, auch und weil eben die quasi neue (2010) wunderbar komponierte Filmmusik von Stéphane Fromageot die hochspannenden Bilder kongenial begleitete; in Perfektion von den Krefelder Musici unter dem großartigen Andreas Fellner realisiert.

Das Orchester ist direkt neben der Leinwand in eine zehnmal zwölf Meter große und überdachte Bühne platziert und erklingt akustisch durchaus konzert-atmosphärisch akzeptabel.

Filmkenner wissen über diesen Meilenstein der Filmgeschichte - jenem großen expressionistischen Stummfilmklassiker von Robert Wiene, der hier in der akribisch und liebevoll restaurierten Langfassung (in sagenhaften 4 K Bild für Bild digital überarbeitet!) vorlag, Bescheid. Wer sich für mehr Informationen interessiert, sollte den hervorragenden Artikel in Wikipedia lesen, aus dem ich mir einzelne Zitate erspare, denn er ist in Gänze absolut informativ und lesenswert.

Stephane Fromagèot ist, da selber studierter Kapellmeister, ein ausgewiesener Fachmann und Musikkenner; nicht nur in der Klassik-Szene der 20-er Jahre, denn nicht nur die hinreißenden Anspielungen an, pars pro toto Korngold, Schreker, Ravel, Zemlinsky oder Bartok sind unüberhörbar, sondern auch der große Bernard Herrmann klingt mit seinen Hitchcock-Filmmusiken durch.

Dabei ist die Musik die ideale Spannungsergänzung zum Film - was Filmmusik ohnehin eigentlich immer sein sollte. Man wird regelrecht in die Geschichte hineingezogen und vergisst fast Raum und Zeit. Und das alles ohne digitalen mehrkanaligen Surround-Sound der heutigen Tage. Der Film wirkt überhaupt nicht mehr stumm, sondern hier ersetzt Musik jede Sprache, jedes Wort - man vermisst keinen Text, da auch die Zwischentitel künstlerisch auf bravouröse Weise gestaltet sind. Was für ein Erlebnis!

Peter Bilsing 30.8.16

Bilder: Krefelder-Rennclub.de / SWK-Open-Air-Kino / Theater Krefeld M. Stutte

 

P.S. Maldito

Wie schön wäre es gewesen und hätte diesen Abend perfekt gemacht, böte man auch in der Gastronomie des Umfelds adäquate Qualität. Doch was dort offeriert wurde, spottet jeder Beschreibung und entwertet das Wort "Gastronomie" zur Farce.

 

Schnöder Bratwurstverkauf aus einem kleinen Campinganhänger, in welchem sich drei nette, aber erkennbar inkompetente, weil völlig überforderte Damen auf die Füße traten und nach Bezahlung (dann erhielt man ein Nümmerchen wie auf der Behörde) per Zuruf quer über den Platz ihre Kunden zum Essenabholen aufforderten.

Kollege Zerban beschreibt es noch genauer.

 

 

Würde man das wirklich miese Angebot mit Schulnoten bewerten, käme man als Lehrer um eine "7" kaum herum: Teil angekokelte semi-gewürzte Pommes, ein halbkalter Hamburger (mit Krautsalat in einer schuhputzcrème-großen an Aldiware erinnernden flachen Plastikdose mit Deckel) rund eine ungeschnittene immerhin gebräunte Bratwurst zierten unsere Papp-Teller. Immerhin brauchte man jene Bratwurst nicht in die nackte Hand zu nehmen, denn es lag ein wunderschöner organgener Plastik-Pommes-Aufpicker von 6 cm Länge dabei...

 

 

 

DER BARBIER VON SEVILLA

Zweite Premierenbesprechung vom 7. November 2015

Der Einsatz von Video-Technik in der Oper scheint sich zu einem neuen Trend zu entwickeln. Das berühmteste Beispiel dürfte Barrie Koskys Berliner „Zauberflöte“ zu sein, die mittlerweile auch nach Los Angeles, Minneapolis, Barcelona, Madrid, Helsinki exportiert wurde. Als echter Spezialist in diesem Genre hat sich aber der ehemalige Tenor Kobie van Rensburg etabliert. Bisher arbeitet er nur an mittleren Häusern wie Chemnitz, Passau, Münster oder Krefeld/Mönchengladbach. Mit der Zeit dürfe sich aber herumsprechen, wie virtuos van Rensburg das Spiel der Akteure mit Video-Projektionen verbindet. Jüngstes Beispiel ist sein Krefelder „Barbier“.

In den vergangenen Jahren der Regisseur den Einsatz der Technik immer weiterentwickelt, sodass er Rossinis Evergreen auch mit verschiedenen Techniken erzählt. Zum einen nutzt er projizierte Bühnenbilder. Im „Barbier“ kommt dies vor allem in größeren Ensembleszenen zu Einsatz, die im Freien spielen. Blitzschnell entsteht so ein Straßenzug, in dem sich Darsteller bewegen.

Die modernere Variante ist dann das Abfilmen des Spiels der Akteure in einer Blue-Box. Die Bilder werden live auf eine Leinwand übertragen und in einen Raum versetzt und mit weiteren bewegten Bildern kombiniert. So werde die Szenen zwischen Figaro und Rosina zu Telefonaten, bei denen er sich in seinem Frisiersalon befindet, während sie im heimischen Wohnzimmer sitzt.

Die Inszenierung wird dadurch so abwechslungsreich, dass man gar nicht weiß, wo man gerade hinschauen soll. Für zusätzlichen Witz sorgen auch die ins Jugendjargon übersetzten Übertitel, die mit in das Bühnenbild integriert werden. Schriftbild und Bewegung der Texte drücken zudem die Stimmung der Figuren aus.

Kapellmeister Andeas Fellner dirigiert die Oper mit dezenter Dynamik, setzt nicht auf übertriebene Effekte, wodurch sich der Humor der Partitur aber besonders gut entfalten kann. Der Gesang steht hier ganz im Zentrum.

Der junge Tenor Levy Sekgapane wird vom Krefelder groß gefeiert: Die Stimme ist schlank, leicht und beweglich, verfügt aber über wenig Farbe. Das ermöglicht dem Tenor aber fließende Übergänge in die Kopfstimme, sodass keine Probleme in der Höhe auftreten. Für eine Karriere an den großen Häusern, muss die Stimme aber noch etwas reifen.

Optisch ist Sophie Witte sowieso eine Idealbesetzung für die keck-pfiffige Rosina. Witte singt die Partie aber auch sehr schön. Die Koloraturen schnurrt sie locker herunter und lässt ihren Sopran in der Höhe glitzern. Mit vollem Bariton und viel Spielwitz gibt Rafael Bruck den eitlen Figaro.

Etwas enttäuschend sind die Basspartien besetzt: Hayk Dèinyan als Bartolo klingt blass und in den rasanten Abschnitten kommt er nicht immer mit. Andrew Nolen als Basilio hat eine schöne Stimme, verfügt aber nicht über die notwendige Energie, um in der Verleumdungsarie richtig auftrumpfen zu können.

Man kann diesem furiosen Krefelder „Barbier“ nur wünschen, dass ihm das gleiche Schicksal wiederfährt wie der Berliner „Zauberflöte“, nämlich dass sich sein Erfolg schnell herumspricht und er an vielen Theatern weltweit gespielt wird.

Rudolf Hermes 11.11.15

Bilder siehe unten!

 

 

DER BARBIER VON SEVILLA       

Premiere am 7. November 2015

Über- und Bühnentexte im Kidsjargon

Am Schluss stand das Haus Kopf. Wohl noch nie ist am Theater Krefeld / Mönchengladbach über eine Aufführung ein solcher Jubelsturm herein gebrochen wie jetzt bei Rossinis „Barbier“. Euphorie im Zuschauersaal war schon vorher spürbar und kulminierte noch vor dem Finale bei einer zusätzlichen Almaviva-Nummer, über die sich das Programmheft übrigens ausschweigt. Es dürfte sich aber um „Cassa di più resistere“ handeln. Diese Arie hat Rossini für den Tenor Manuel Garcia geschrieben, der sie aber offenbar nie gesungen hat. Teile von ihr gingen in Cenerentolas „Nacqui all‘affanno“ ein.

Welch ein glücklicher Mensch er durch seine Verbindung mit Rosina doch sei, lässt Almaviva mit waghalsigen Koloraturen wissen. LEVY SEKGAPANE wiederum dürfte über seinen Erfolg beim Publikum glücklich sein, welches ihn in der Premiere feierte wie einen Popstar. Den jungen farbigen Südafrikaner hat KOBIE VAN RENSBURG, sein Gesangslehrer und selber Südafrikaner, mit ins Krefelder Ensemble gebracht. Ab 2015/16 wird er dem Jungen Ensemble der Dresdner Semperoper angehören. Für den Almaviva besitzt er die geforderte Agilität des „canto fiorito“ und bewältigt hohe und höchste Töne wie nichts (irgendwann einmal wird er sicher den Tonio in Donizettis „Regimentstochter“ verkörpern). Noch klingt die Stimme etwas schmal, aber nicht unangenehm: Doch wäre es schön, wenn das Timbre auf Dauer eine größere Weichheit hinzu gewinnen würde. Wunderbar die Bühnenpräsenz des liebenswerten Sängers.

So flott und sprudelnd ANDREAS FELLNER die NIEDERRHEINISCHEN SINFONIKER Rossinis quirlige Musik auch spielen lässt (bei leichten Schwachstellen hier und da): hohe Erwartungen waren vor allem auf den Regisseur gerichtet. Kobie van Rensburg dürfte seine Sängerkarriere inzwischen abgeschlossen haben, macht nunmehr andere Dinge – wie eben Regieführen. In Krefeld/ Mönchengladbach hat er bislang Mozarts „Figaro“ und „Giovanni“ herausgebracht und dabei mit seiner speziellen Videotechnik entzückt. Auch beim „Barbier“ werden die sich aufblätternden oder auch schon mal zerstäubenden Übertitel ins Geschehen einbezogen, selbst wenn sie diesmal nicht so mäandernd über die Bühne flitzen wie bei den Mozart-Opern.

Ein wirkliches Szenenbild gib es nicht mehr. Rensburg und STEVEN KOOP lassen das Geschehen mit einer Livekamera einfangen, bei extremer Nähe der Sänger immer wieder auch in Großaufnahme. All das wird auf einen rückwärtigen, hoch hängenden Prospekt geworfen und mit Interieur- und Outdoor-Bildern nach dem Prinzip des Prager Schwarzen Theaters gemischt. Das ergibt witzige Verdoppelungen des realen Bühnenspiels. Manchmal könnte man ein Zuviel des Guten empfinden, etwa gleich bei der Ouvertüre, die dazu dient, Rossini höchstpersönlich in kulinarische Aktion treten zu lassen. Die Titeleinblendungen von „Aureliano in Palmira“ und „Elisabetta d’Inghilterra“ zeigen bei dieser Gelegenheit andererseits, dass hinter all den Verrücktheiten eine profunde Werkkenntnis steckt: die Ouvertüren sind nämlich komplett identisch.

Wie bereits angemerkt: in Kobie van Rensburgs Inszenierung bleiben Aktion und Zeit niemals stehen, und die Übertitel sorgen für ständigen Wirbel. Man sollte sie auch bei Kenntnis des Geschehens unbedingt verfolgen, denn sie übersetzen den Librettotext in eine flotte Young-Generation-Sprache. Es fallen Worte wie Flachzange, Arschgeige oder auch Shitstorm. So kalauernd kann eine Regie sicher nicht bei jedem Werk verfahren. Dem „Barbier“ jedoch wird nicht nur kein Schaden zugefügt, sondern er profitiert von all diesen Keckheiten.

Im Übrigen sind andere „Barbier“-Inszenierungen in jüngerer Zeit ähnlich flott verfahren, etwa die von Philipp Himmelmann 2013 in Bonn oder jüngst die von Axel Köhler in Graz. Der ehemalige Counter beweist wie auch Rensburg (oder – bei „Cenerentola“ gerade wieder – Brigitte Fassbaender), dass eine verdienstvolle Sängerkarriere eine nicht minder imponierende Fortsetzung erfahren kann. Wenn das Theater Krefeld/Mönchengladbach weitere Pläne mit Kobie van Rensburg haben sollte (was zu wünschen wäre), sollte man dem Regisseur aber auch mal Gelegenheit zu einer „ernsten“ Oper geben.

Dass die Partie der Rosina nicht historisch streng mit einem Mezzo besetzt ist, rechtfertigt Rensburgs gänzlich unakademische Arbeit durchaus. SOPHIE WITTE macht mit ihrem glasglockenklaren, beweglichen und höhensicheren Sopran einen anderen, aber trefflichen Typ aus dem Rossini-Girl. Schlank und fesch sieht sie auch noch aus. Dies gilt auch für RAFAEL BRUCK in der Titelpartie. Ein köstlicher Hallodri, der seine (vermutlich mit „Figaros geilem Gel“ gepflegte) Schmachtlocke sorgsam in Schuss hält, gelenkig als Darsteller, baritonal unbeschwert (bei leichter Anstrengung in extremer Höhenlage). Aus dem Basilio macht ANDREW NOLEN einen schwarz-priesterlichen Dämon und lässt dabei seine virile Stimme schon mal ironisierend in Kellerbereiche abdriften. Der bewährte, vielseitige HAYK DÈINYAN gibt den Bartolo reichlich bekloppt, um es im Jargon  der Übertitel zu formulieren. Last not least. DEBRA HAYS, als Soubrette und lyrischer Sopran seit 1991 zum Ensemble gehörend, spielte im „Figaro“ die Marcellina und ist jetzt folgerichtig die Berta im „Barbier“. Ihre Arie serviert sie, im Arm eine Weinflasche aus der Klospülung, mit vitalem Despina-Charme und lässt sich ein paar zusätzliche Höhen-Staccati nicht entgehen.

Christoph Zimmermann 8.11.15

Bilder: Theater Krefeld / Stutte


Das schreiben unsere Kollegen

Der hippeste Barbier weit und breit

ONLINE MUSIK MAGAZIN

 

PETER GRIMES

Krefelder Premiere: 26. September 2015

besuchte Vorstellung: 23. Oktober 2015

Die Opern Benjamin Brittens etablieren sich auf den Spielplänen mittlerweile zu echten Klassikern. In NRW läuft in Gelsenkirchen „Ein Sommernachtstraum“, in Köln folgt „The Rape of Lucrezia“, in Bielefeld „Death in Venice“ und in Krefeld ist „Peter Grimes“ als Übernahme aus Mönchengladbach zu sehen.

Das Team um Regisseur Roman Hovenbitzer hat sich eine Menge interessanter Gedanken über das Stück gemacht, wie im Programmheft von Ulrike Aistleitner zu lesen ist. Beispielsweise wird der Autor George Crabbe, von dem die Verserzählung „The Borough“ stammt, welche die Vorlage der Oper ist, immer wieder als Figur erwähnt, die aber nie persönlich erscheint. Außerdem hat das Team bemerkt, dass einige Stellen der Komposition „marionettenhaft-mechanisch“ klingen.

Aus diesen Erkenntnissen entstand die Idee, Crabbe als Puppenspieler durch das Stück führen zu lassen. Die Umsetzung dieser guten Idee gelingt jedoch nicht schlüssig. Als Crabbe ist Christoph Mühlen mit zynischem Grinsen fast dauerpräsent, doch sind die sonstigen Darsteller weder als Puppen kostümiert, noch bewegen sie sich so.

Das führt dazu, dass Puppenspieler Crabbe in der ansonsten starken Aufführung wie ein Fremdkörper wirkt und man sich als Zuschauer, der das Programmheft noch nicht studiert hat, immer wieder fragt: „Was soll das denn?“

Die Personenführung Hovenbitzers, der die Geschichte Peter Grimes als die eines Außenseiters zeichnet, gelingt nämlich sehr eindringlich und spannungsvoll. Dazu macht der geschlossene Bühnenraum von Roy Spahn alle Figuren zu Gefangenen einer unbarmherzigen Gesellschaft. Gleichzeitig gelingen beeindruckende Videoeinspielungen, die das Stück wieder ans Meer holen.

Beachtlich ist die sängerische Leistung: Heiko Börner singt mit heldischen Aufschwüngen den Peter Grimes, zeigt aber auch die Zerrissenheit der Figur. Izabela Matula ist eine großartige Ellen Orford, die sich selbstbewusst gegen die engstirnige Dorfgemeinschaft behauptet. Mit breit strömendem Wotan-Bariton gibt Johannes Schwärsky den Balstrode.

Geradezu phänomenal ist der von Maria Benyumova einstudierte Chor und Extrachor des Theater Krefeld und Mönchengladbach. Mit stimmlicher Wucht und darstellerischer Überzeugungskraft zeigen die Damen und Herren, dass „Peter Grimes“ ein Werk in der Tradition großer Choropern ist.

Auch GMD Mihkel Kütson zeigt viel Gespür für den typischen Britten-Klang. Am Pult der Niederrheinischen Sinfoniker dirigiert er eine atmosphärisch dichte Aufführung, in der man sowohl den Wohlklang der Musik genießen, als auch die Tragik der Geschichte miterleben kann. Dabei ist man immer wieder begeistert, welch eine tolle Theatermusik Britten komponiert hat.

Ein großes Kompliment verdient auch das Krefelder Publikum: Das Theater ist sehr gut besucht, das Publikum folgt der Aufführung sehr konzentriert und am Ende gibt es begeisterten Applaus.

Der nächste „Peter Grimes“ in RW lässt sich übrigens nicht lange auf sich warten: Im April 2016 wird Tilman Knabe das Stück in Dortmund inszenieren.

Rudolf Hermes 26.10.15

Fotos Manthias Stutte / Theater Krefeld

 

 

Saisonauftakt 2015/16 der Niederrheinischen Sinfoniker

DAS PHANTOM DER OPER

Stummfilm mit toller Livemusik auf Rennbahn Krefeld am 14.8.15

Cooler Open-Air-Saisonstart der Niederrheinischen Sinfoniker auf der Pferde-Rennbahn

www.swk-openairkino.de/

Der Stummfilm-Klassiker von 1925 ist Legende - nicht nur wegen seines Hauptdarstellers Lon Chaney, denn keiner konnte je besser gequälte und groteske Figuren darstellen wie der "Mann mit den 1000 Gesichtern". Auch sein Glöckner von Notre Dame (1923) ist nur noch mit Charles Laughton (1939) vergleichbar, trotz unzähliger späterer Farb-Remakes. Schon deshalb war die Ausgrabung und Restaurierung dieses fabelhaften Films vom renommierten Regisseur Carl Laemmle eine Großtat.

Nur Wenige wissen, daß Gaston Leroux´s Fortsetzungsroman Le Fantome de L´opera schon 1908 in der französischen Zeitung Le Gaulois erschienen ist, und eben nicht von Andrew Lloyd Webber erfunden wurde. Peinlich überflüssiger Weise erscheint bald sogar die leidige Musicalfortsetzung (Das Phantom 2 - Liebe stirbt nie) - man glaubt es kaum...

Doch kommen wir zurück zu einem nicht nur qualitativ, sondern auch künstlerisch ausgesprochen hoch zu bewertenden Open-Air-Abend, was nicht nur am tollen Film lag, sondern auch an der phänomenalen Leistung der Niederrheinischen Sinfoniker unter der souverän engagierten Leitung von Kapellmeister Andreas Fellner, wobei umfangreiche Tontechnik für einen fast konzertsaal-reifen Klang à la Bregenzer Festspiele sorgte. Das Orchester saß unter einem extra Zelt direkt neben der großen aufblasbaren Kinoleinwand (ca. 10 x 13 Meter). Die Zuschauer waren auf der überdachten Haupttribüne der Rennbahn ebenso regengeschützt platziert - ein sehr gelungenes Konzept von Klang und stimmungsvollem Ambiente, besonders vor der abends besonders malerischen Kulisse der Krefelder Rennbahn. Die in der Ferne sichtbaren Gewitterblitze unterstützen noch die teils gruselige Stimmung des Films.

 

Die aus dem Jahre 1996 stammende wunderbar spätromantische Filmmusik vom US Komponisten

Carl Davis - ein anerkannter Fachmann für die klassische Nachvertonung von großen Stummfilmen, immerhin mit dem British Academy Film Award ausgezeichnet und grammy-nominiert - ist ein köstliches wohlgelungenes Konglomerat wohldosierter Reminiszenzen an Berlioz, Wagner, Gounod und diverse andere große Komponisten der Klassik. Diese Musikkomposition ist schon wieder so gut, daß ich sie für durchaus konzertfähig halte. Darüber hinaus klingt dieser Riesen-Orchesterapparat natürlich ganz anders, als die vor 100 Jahren in den großen Lichtspielhäusern gebräuchliche Kinoorgel, https://de.wikipedia.org/wiki/Kinoorgel worauf überwiegend zu den Bildern Töne und Geräusche improvisiert wurden.

 

Nach dem letzten Ton - zeitgleich mit dem projizierten Wort Ende (Fine) auf der Leinwand - sprang das Publikum förmlich von den Sitzen auf; es brach ein Jubel los, wie ihn die überraschten Musiker wohl selten im Theater oder beim Konzert erlebt hatten. Das Publikum war begeistert und feierten Dirigent und Musiker mit nicht enden wollenden Standing Ovations überschwänglich; eine gerechte Würdigung.

Was für ein superbe Idee und was für ein beglückender Erfolg war dieser heuer ganz ungewöhnliche Saisonstart für das Krefelder Theater. Und das hier außergewöhnlich engagiert und konzentriert arbeitende Orchesterkollektiv (Bild unten) hat damit sicherlich viele neue Freunde auch aus dem Bereich der Nichtklassik gewonnen.

Glückwunsch an die PR-Abteilung der Vereinigten Bühnen für diesen großartig gelungenen Theater-Coup. Das sollte Tradition werden in Zukunft; das Repertoire an geeigneten Filmen ist riesengroß. Vielleicht schafft es dann auch der überall fast krakenhaft omnipräsente "NRW-Staatssender" WDR auch einmal endlich (!) so etwas Tolles zu übertragen.

Peter Bilsing 16.8.15

Bilder: Universal, SWK, Theater Krefeld

 

Interessante weiterer Links für Filmfans

Trailer (3,15 min)

verständlicher Weise ohne Ton

Der gesamte Stumm-Film (1,46 h)

hier allerdings mit höchst langweiliger Musik und in grottenhafter Qualität

Il fantasma d´el opera (1,47 h)

Originalfilm mit Kino-Orgelbegleitung (Italienische Version)

Carl Laemle Remembers (6,46 min)

wunderbares Erinnerungs-Video zum Film von seiner Tochter Carla

Universally Me (12,31 min)

Interview mit Carla Laemmle - herrliche historische Bilder, aber dümmliche Fragerin

 

 

DER ROSENKAVALIER

Besuchte Premiere am 21.09.14

Hatten die Bühnen im Ruhrgebiet und näheren Umfeld im Juni den 150. Geburtstag von Richard Strauss so ziemlich vergessen, so wird das in der neuen Spielzeit gründlich nachgeholt. Krefeld beginnt den Reigen von drei Strauss-Premieren innerhalb einer Woche mit dem wohl beliebtesten Werk des Duos Strauss/Hofmannsthal dem "Rosenkavalier". Mascha Pörzgen gelingt eine sehr ausgewogene Regie, die sowohl das buffoneske, wie das philosophische des Werkes miteinander verknüpft. Das ein "Rosenkavalier" in aller barocken Opulenz auf die Bühne gehieft wird, wie in der sagenhaften Inszenierung Otto Schenks am Münchner Nationaltheater, kann sich kein Theater mehr leisten; so findet sich auch Frank Fellmanns Ausstattung im Spagat zwischen der Entstehungszeit von 1911 und der barocken Ansiedlung des Sujets. Die Zeit, eines der Hofmannsthalschen Hauptthemen wird bereits durch eine riesige Sonnenuhr und andere Zeitmesser zum Vorspiel ins Bildgeschehen gebracht, ehe sich der Raum für das Schlafzimmer mitsamt Lever-Outrage weitet. Bei Faninals wird der Raum, sicher auch dem Gebot der Sparsamkeit wegen, verengt, während das Beisl an billige Praterbuden und ihre rummelhafte Kulissenfaktur erinnert. Die Kostüme bewegen sich spielerisch durch Rokoko, über frühes Zwanzigstes Jahrhundert bis zur heutigen Stilmischung. Der dritte Akt zeigt leider auch in Pörzgens Spielführung die BIlligkeit drastischer Komödiantik, die Mariandl-Szenen werden etwas schenkelklopfend verschenkt, die große Ensembleszene mit Ochsens Flucht gerät nicht überzeugend. Doch insgesamt überwiegen die positiven Eindrücke bei der Regie.

Beachtenswert ist die Tatsache, daß ein so den Sparzwängen unterworfenes Haus wie die Bühnen Krefeld/ Mönchengladbach so ein riesiges Personenaufgebot wie im "Rosenkavalier", bis auf zwei Ausnahmen auf so gelungenem Niveau aus dem hauseigenen Ensemble und Chor besetzen können.  Ausnahmen sind zum einen: Lydia Easley als  Marschallin, vielleicht keine Stimme mit ganz großem Volumen, doch macht sie es durch schönes Soprantimbre in allen Lagen und vor allem durch eine sehr ergreifende, feinsinnige Interpretation mehr als wett. Und der eher ordentliche Faninal von Hans Christoph Begemann, der seine großen Momente in den outrierenden Eskapaden des zweiten Aktes hat.
Ansonsten alles Haussänger: Matthias Wippich als Ochs auf Lerchenau hat hier eine seiner besten Partien gefunden, bringt er zum einen die geforderte jugendliche Ausstrahlung mit, wie eine Stimmfrische, die lediglich in den ganz hohen Tönen an ihre Grenzen gerät, was wenig für eine Partie mit so einer weit gespannten Tessitur bedeutet. Besonders erfreulich seine österreichisch eingefärbte Sprachinterpretation. Eva Maria Günschmann zeigt als Oktavian ebenso elegant schlanke Figur, wie sie die stimmliche Leidenschaftlichkeit für den jungen Mann mitbringt, ein sehr gelungenes Rollendebut, der sich von Akt zu Akt steigernden Mezzosopranistin. Sophie Witte ließ sich in der Partie ihrer Namensvetterin indisponiert ansagen, überzeugte jedoch durch lyrische Unschuld und intelligentes Gestalten der wichtigen Stellen und leichte Zurücknahme der nicht ganz so wichtigen, da wird man bei Gesundung noch viel begeisterter sein.

Die kleineren Partien ebenfalls sehr beachtlich, so zum Beispiel einmal gesunden Sopranglanz versprühende Debra Hays in der oft nur leidlich gesungenen Leitmetzerinpartie. Das komödiantische Duo von Janet Bartolova und Markus Schneider als Annina uns Valzaccchi. Hayk Deinyan in der Doppelrolle von Notar und Polizeikommissar. Der blattgoldartig abblätternde Tenorglanz von Kairschan Scholdybajew in der exponierten Rolle des Sängers. So wie eigentlich alle Solisten und Chorsolisten mit viel Liebe kleine Glanzpunkte in den anvertrauten Aufgaben entwickeln konnten.

Musikalisch gelang ein von den Niederrheinischen Sinfonikern ein weitgehend schlackenloses Spiel in den verantwortungsbewußten Handen des GMD Mihkel Kütsons, der sich teilweise recht gediegener Tempi bediente, was im Zeitmonolog der Marschallin zu wundervollen Momenten führte, in spielerischen Szenen manchmal zu leichten Stockungen, die sicherlich in Folgeaufführungen behoben werden können. Kütson läßt gelegentlich eine dominante Führung vermissen, was bei den Sängern zu leichter Verwirrung in den Strukturen führt (Rosenüberreichung!). Ansonsten gerät gerade die dynamische Regelung der Lautstärken ausgezeichnet. Insgesamt eine sehr gelungene Premiere, die das Publikum zu langen Beifallsbekundungen und einigen Bravorufen begeisterte.

Martin Freitag 24.09.14

  

 

DER ROSENKAVALIER

Premiere: 21. September 2014

  Wenn im Vorspiel Violinen und Hörner in Terzenseligkeit nahezu verglühen, betritt eine nicht näher identifizierbare Person die rechte Seitenbühne und wirft einen Schatten auf die getäfelte Rückwand von  FRANK FELLMANNs Ausstattung. Dieser Moment besitzt ein Art Mahncharakter für die Fürstin, die sich – leichter Sinn hin, leichter Sinn her – an einem Punkte ihres Lebens befindet, welcher Endzeitgedanken aufkommen lässt. Die Marschallin ist von jeher eine kluge, gefühlvolle, aber unsentimentale Frau, welche die Dinge des Seins immer auch nüchtern betrachtet. Gegen Schmerzen der Seele ist sie deswegen aber nicht gefeit, der Gedanke an die vergehende Zeit greift ihr oft genug ans Herz. „Manchmal steh‘ ich auf, mitten in der Nacht, und lass‘ die Uhren alle steh‘n.“ In die Bühnenrückwand einmontiert ist ein Emblem mit einer Figurengruppe à trois, ein Spazierstock wird zum Perpendikel, der äußere Rand zeigt die Stundeziffern einer Uhr. Ein schönes, sinnfälliges Bildsymbol.

 Die äußere Erscheinung von Marschallin und Octavian addiert sich in Krefeld – stärker als bislang anderswo erlebt – der szenischen Deutung hinzu. EVA MARIA GÜNSCHMANN gibt einen hochgewachsenen, schlanken Jüngling, impulsiv, voll drängender Gefühle und singt mit einer wunderbar ausgeglichenen Stimme voller Leuchtkraft. Nach ihrem Adriano eine neue  Figur voll feurigen Lebens. Die Marschallin von LYDIA EASLEY (exzellente Diktion trotz minimaler Amerikanismen hier und da) wartet mit höhensicherem, lyrisch-schlankem Gesang auf, dem es zur rechten Zeit („wenn eine Sach‘ ein End‘ hat“) an markantem Nachdruck nicht fehlt. Durch ihre leicht junonische Figur wirkt die Sängerin etwas reifer als üblich, ihre Liaison mit Octavian hat solcherart  etwas von einer Mutter-Sohn-Beziehung. Dennoch versteht es die Sängerin, Charme und Liebesfähigkeit der Figur ohne falsche Gestik über die Rampe zu bringen. Dass ihr die Regisseurin MASCHA PÖRZGEN im 3. Akt nur einen konventionellen Abgang zugesteht (ohne beispielsweise nochmal auf den Schatten zu Beginn anzuspielen), empfindet man freilich als kleines Defizit. Die Schlusssequenz mit ihrem „Geht ruhig heim, das Spiel ist aus“-Gestus, nimmt man als Zuschauer durchaus an, sinniert aber sofort über eine überzeugendere Lösung.

 Insgesamt hat das szenische Konzept Mascha Pörzgens aber viel für sich. Die Regisseurin unterlässt es, die mit drastischem Humor, manchmal sogar Klamauk nicht sparende, im Kern aber wehmütige Handlung in irgendein modernistisches Ambiente zu zwingen, Die Kostüme siedeln sie in die Nähe der Entstehungszeit der Oper an. Das Zeremoniell der Rosenüberreichung, früher oft mit leerem Pomp auf die Bühne gebracht, wirkt in Krefeld wie ein Bilderbuchzitat. Auf einem mit Knospen bedeckten, geschrägten Spielpodest wird Octavian auf die Szene geschoben, nachdem die Wände des etwas engen Faninal-Palais‘ mit ihren protzig goldenen Gravuren über die Erhebung des Hausbesitzers in den Adelsstand auseinander gefahren sind. Im 1. Akt genügt ein von links unten nach rechts oben hereingezogener Raumprospekt, um die Szene vom Marschallin-Boudoir in das Empfangszimmer zu verwandeln. Die etwas skurrilen Lever-Besucher werden per Bühnenhydraulik herein gehievt, erwachen aus ihrer Spielzeugstarre zum Leben. Der „Sänger“ (KAIRSCHAN SCHOLDYBAJEW mit imposantem Tenorschmelz) mutiert sogar zu einer Aufziehpuppe à la Olympia.

 Das Finalbild wirkt wie ein Sammelsurium ausgelagerter Dekorationsteile. Zuletzt verschwinden die Kulissen, das Anfangsbild schiebt sich wieder herein. Und da hätte, wie gesagt, inszenatorisch stärker ergänzt werden dürfen. Dennoch ist die Aufführung reich an Menschenbeobachtung, bietet angemessene Situationsstimmungen. Dafür sorgt nicht wenig auch die Konturierung des Ochs, in Gestalt von MATTHIAS WIPPICH ein Schwerenöter im besten Mannesalter, unsympathisch, aber nicht wirklich widerwärtig In dieser Figur hat der spiellaunige und sprach-idiomatische Sänger fraglos seine bislang beste Rolle am Haus gefunden. Wie das arme Hascherl SOPHIE heißt auch die Sängerin dieser Partie mit Vornamen so (weiter: WITTE), tapfer und tonschön eine Erkältung überspielend. HANS CHRISTOPH BEGEMANN ist ein rechter Gockel von Faninal, DEBRA HAYS, Ensemblemitglied seit über zwei Jahrzehnten, als köstliche Leitmetzerin mal wieder eine vollgriffig umrissene Figur. Positiv zu ergänzen sind JANET BARTOLOVA (Annina) und MARKUS HEINRICH (Valzacchi). Auch in Kleinpartien (z.T. aus dem Chor besetzt) gibt es gute Stimmen zu hören.

  Last not least haben die NIEDERRHEINISCHEN SINFONIKER einen an Höhepunkten reichen Abend. Es wird blitzsauber und mit seidigem Ton gespielt, der Klangkörper wird unter dem estnischen GMD MIKHEL KÜTSON zu einem echten musikalischen Sprachrohr. Der Beifall des Premierenpublikums geriet enorm enthusiastisch.

 

22.9. 14 Christoph Zimmermann

Dank für die schönen Bilder an Matthias Stutte

 

 

 

 

NEUER SPIELPLAN 2014/15

Nur fünf echte Opernpremieren bei zwei Häusern

Welch ein trauriges Bild

Richard Strauss Der Rosenkavalier

nach Louis Spohr Die Schöne und das Biest

Jacques Offenbach Hoffmanns Erzählungen

Rupert Holmes Das Geheimnis des Edwin Drood

Benjamin Britten Peter Grimes

Weiteres

 

 

DON GIOVANNI

Besuchte Aufführung am 14.05.14

(Premiere am 10.05.14)

Verfilmtes Nachtstück

Schon vor drei Jahren hatte der Sänger und Regisseur Kobie van Rensburg an den Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach einen selten lebendigen, sehr erfolgreichen Mozart-Figaro auf die Bretter gestellt, so hatte man ihn für die Neuinszenierung des "Don Giovanni" wieder eingeladen. Das Ergebnis kann sich ebenfalls sehen lassen: Schon beim "Figaro" wurden die Projektionen von Lorenzo da Pontes genialem Libretto gleich Sprechblasen über die handelnden Personen direkt ins Bühnenbild integriert, was einen gleichsam filmischen Ablauf des Geschehens erfordert, im "Giovanni" wird der "Film Noir" zum Thema. Rensburg arbeitet mit seinen Ausstattern, Dorothee Schumacher und Lutz Kemper, auf das ebgste zusammen, denn der filmische Ablauf wird direkt auf die Bühnenelemente projeziert, ebenso müssen die Sänger genauestens auf den Ablauf achten, denn wenn im Film ein Fenster geöffnet wird,muß die Aktion dazu auf den Punkt erfolgen. Ganz toll gelingt wieder die Personenführung, die Figuren werden menschlich absolut erfahrbar, witzige Ideen bereichern die Handlung, statt sich in den Vordergrund zu drängen, das Ganze stets auf sehr musikalischer Ebene. Gerade die schnellen Ortswechsel werden brilliant gelöst, das Ambiente des New Yorks der zwanziger Jahre passt mit seinen geschmackvollen Kostümen hervorragend. Freilich gerät manches etwas dunkel, da wird der "Film Noir" zu sehr mit wenig Licht, statt mit pessimistischer Sicht verwechselt, die Projezierungen des Textes auf den dunklen Hintergrund sind nicht immer vorteilhaft. Doch das Positive der Szene überwiegt bei weitem, zum Finale mit Höllenfahrt wird sogar mit einer, wie ich finde, sehr gelungenen Pointe aufgewartet, die hier jedoch nicht verraten wird.

Solch eine Inszenierung kann jedoch auch nur mit einem ausgezeichneten Ensemble gelingen, mit sängern, die sich als Darsteller und nicht lediglich als Tonproduzenten verstehen, einem Ensemble wie es in Krefeld aufgeboten wird: Mit Martin-Jan Nijhof erlebt man einen attraktiven, agilen Giovanni, dessen Bariton durch sinnliche Viriltät besticht, sei es als despotischer Autokrat mit vokalem Anspruch oder raunendem Verführer wie in der Serenade; Nijhof kann mit allen Nuancen aufwarten. Andrew Nolen steht ihm als Leporello mit manchmal aufrührerischem Habitus, mal mit devoter Servilität zur Seite, manchmal gerät sein vokales Profil jedoch etwas nachlässig. Ein Clou der Vorstellung ist der erfundenen zweite Diener "Django", Andrew Maginley ist eigentlich weder Sänger , noch Darsteller, sondern Musiker, trotzdem fügt er sich prima in die Szene ein. "Django" trägt einen Gitarrenkasten mit sich und begleitet natürlich mit Laute und Mandoline nicht nur das Ständchen, sondern übernimmt auch manche Aufgabe des Continuo, was der Aufführung zusätzliche Lebendigkeit verleiht.

Elena Sancho Pereg ist ein bezaubernde Donna Anna von mädchenhafter Erscheinung und stählerner Seele, dazu passt ihr gut fokussierter Sopran mit interessant metallener Höhe hervorragend. Debra Hays gestaltet als reife Frau die Donna Elvira gerade durch ihre sensible Komödiantik zu einem glaubhaften Charakter. Susanne Seefings zerlina gefällt durch sinnliche Erotik ohne je frivol zu wirken, freilich klingen die Höhen ihres Sopranes etwas gefährdet, vor allem bei "Batti,batti", dann kommt es auch zu leichten Defiziten in der Intonation. Matthias Wippich als kerniger Masetto schöpft aus dem Vollen seines Bassbaritons und übernimmt auch Teile des "Komturs". In der ersten Szene wird dieser von Bondo Gogia effektvoll gesungen.

Alexander Steinitz liefert zu diesem "Film" den lebendigen "Mozart-Soundtrack", ohne einer historisch informierten oder romantischen Interpretation hinterherzuhechten, freilich machen seine manchmal etwas willkürlichen Temporückungen, den Sängern Schwierigkeiten, so daß es zu einigen Wacklern zwischen Graben und Bühne kommt, die jedoch schnell wieder eingefangen werden. Die Niederrheinischen Sinfoniker bleiben stets flexibel hinter ihrem Dirigenten und absolvieren den Orchesterpart mit großer Aufmerksamkeit, ebenso wie der Chor.

Mit dem "Don Giovanni" hat Krefeld/ Mönchengladbach auf jeden Fall wieder eine sehr attraktive Mozart-Produktion im Repertoire, die hervorragend beim Publikum ankommt und sich in ihrer verständlichen Modernität bestens dazu eignet gerade junge zuschauer für die Oper zu gewinnen. Musikalisch klingt vielleicht nicht alles perfekt, was jedoch marginal bleibt, denn hier entsteht echtes, glutvolles Musiktheater. Eine Fahrt nach Krefeld lohnt.

Martin Freitag 22.4.14

 

 

DON GIOVANNI

Premiere am 10.Mai 2014

Im Oktober 2011 schlug die Inszenierung von „Le nozze di Figaro“ durch KOBIE VAN RENSBURG am Theater Mönchengladbach nachgerade wie eine Bombe ein. So burlesk und auf moderne Weise komödiantisch aufgefrischt hatte man Mozarts Opera buffa bislang kaum gesehen. Der südafrikanische Regisseur ist als Tenor vor allem mit Barockrepertoire (oft unter der Stabführung von René Jacobs) und Mozart-Partien (2006 Idomeneo an der Met) bekannt geworden, wirkte 2005 aber auch bei einer Produktion von Wagners “Holländer“ beim Westdeutschen Rundfunk Köln mit (Cappella Coloniensis unter Bruno Weil). Wie weit er als jetzt Mittvierziger seine Sängerkarriere noch ausübt, ist nicht verlässlich bekannt. Seine Inszenierungen seit 2006 (Monteverdis „L’Orfeo“ mit gleichzeitiger Übernahme der Titelpartie in Halle) oder 2002 (so das Krefelder Programmheft) zeigen allerdings, dass er nicht nur mal eben die Fronten wechselt, sondern mit einer sehr eigenen Handschrift diese neue Tätigkeit vielleicht einmal zur einzigen machen wird, ähnlich wie Brigitte Fassbaender.

 Auch bei „Don Giovanni“ bestimmen Videos das Visuelle der Aufführung. Van Rensburgs Ausstatter (DOROTHEE SCHUMACHER, LUTZ KEMPER), die u.a. schon für seine Monteverdi-Trilogie in Passau verantwortlich zeichneten, stellen vor allem Leinwände zur Verfügung, welche mit entsprechenden Projektionen perspektivisch weit greifende und „stehende“ Raume ermöglichen, aber auch mäandernde Dekorationen wie ein riesiges Treppenhaus zeigen, wenn Donna Anna von Giovannis nächtlichem Eindringen in ihr Schlafgemach berichtet. Eine Autofahrt (Giovanni mit seinen Kumpanen auf der Flucht nach dem Komtur-Mord) war schon im „Figaro“ zu sehen und macht neuerlichen Effekt.

 Auf dekorative Weise werden auch Übertitel eingesetzt, und zwar in „Sprechblasenmethode“. Die Texte (köstlich flapsig eingedeutscht) laufen nicht als Spruchband am Zuschauerauge hochoben am Bühnenportal vorbei, sondern sind essentieller Teil des Bühnenbildes. Sie springen mal von oben nach unten, mal von links nach rechts, umkreisen sich und lösen sich auch schon mal in Splittern auf. Manchmal bekommt man nicht alles mit, der Methode wohnt also eine Gefahr von Überfülle inne – aber die Idee bleibt äußerst attraktiv. Ob mit ihr jugendliche Besucher noch stärker für die Oper erwärmt werden? Der Versuch ist es auf alle Fälle wert. Die bisherigen Regiearbeiten von Kobie van Rensburg galten Sujets mit komödiantischem Einschlag. Jetzt wäre natürlich interessant zu testen, ob sich diese Surtitle-Prinzip auch bei Seria-Stoffen und Ähnlichem bewährt. Die Benutzung von Video, wie von Rensburg betrieben, kann aber in jedem Falle als visuelle Bereicherung nur willkommen geheißen werden. Das Krefelder Premierenpublikum reagierte jedenfalls neuerlich enthusiastisch. Mit ähnlich Mitteln verfuhr übrigens vor einem halben Jahr in Dortmund Kay Voges überaus glücklich, als er mit Wagners “Tannhäuser“ sein Operndebüt gab.

 Historisches Ambiente gibt es im Krefelder „Giovanni“ natürlich nicht, der Maskenauftritt bei Giovannis Fest ist bestenfalls als „Zitat“ zu sehen. In die meist dunkel gehaltene Bilderwelt der Inszenierung spielt der “Film noir“ der vierziger und fünfziger Jahre hinein, das Handlungsmilieu ist im Amerika der Dreißiger angesiedelt, als „die Wertvorstellungen nach dem Ersten Weltkrieg unter die Lupe genommen wurden“ (Rensburg). Dieser Interpretation muss man nicht unbedingt folgen, und dass der Librettist da Ponte in New York starb, ist wohl kaum mehr als eine biografische Marginalie. Rein optisch macht sich die gewählte Bühnenlandschaft aber ausgesprochen gut.

 Wie nun aber steht es mit Mozarts Titelhelden? Wer ist er, welche gesellschaftliche Funktion kommt ihm zu? Die Bildsequenzen zur Ouvertüre zeigen eindeutig: Giovanni gilt bei Frauen als Objekt von allerhöchster Begehrlichkeit, bei Männern als Feindfigur in einem „wohlanständigen“ Lebensentwurf, für den bei Mozart namentlich Don Ottavio steht. Der schlitzohrige Leporello und der tumbe Masetto sind eher neutrale Anpassertypen. Differenzierter verhält es sich bei den Damen. Donna Anna zeigt bei Rensburg im Schlussteil ihrer Szene „Crudel“, dass auch in ihr erotisch Einiges lodert. Zerlina besteht (auf charmante Weise) sowieso nur aus Erotik, Donna Elvira womöglich noch mehr. Rensburg beschneidet die tragischen Dimensionen dieser Figur vielleicht zu sehr, macht aus der emotional brodelnden Lady ein etwas zickiges Weibsbild. Legitimiert wird dies ein wenig dadurch, dass in Krefeld die von Mozart für Wien nachkomponierte Arie „In quali eccessi“ entfällt, wie nota bene auch Ottavios „Dalla sua pace“. Diese (keineswegs zwingende) Entscheidung kompensiert der Regisseur nach der Pause witzig mit einer Szene, in welcher „Django, stummer Diener im Dienste Don Giovannis“, eine Schellackplatte mit eben diesen Titeln abnudelt. Django ist eine nette Hinzuerfindung für’s Personarium, er greift mit seiner Gitarre hier und da in die Rezitativbegleitung ein und klimpert auch die Mandoline beim Ständchen seines Herrn.

 Giovanni, um nochmal auf ihn zurückzukommen, bedeutet einen vehementen Stachel im Fleisch einer gutbürgerlichen Gesellschaft, die gelernt hat, Triebhaftigkeit im Zaume zu halten. Entspricht das der Natur des Menschen? Mozarts Oper wirft da einige Fragen auf, Kobie van Rensburg verstärkt sie auf inszenatorisch intelligente Weise. Dennoch lässt er am Schluss Konventionen siegen. Die von Giovanni „Geschädigten“ betrieben eine gemeinsame Vendetta. Masetto wird als Kontur verkleidet (entsprechend verschmelzen sich die Partien auch vokal) und sorgt selbst bei dem coolen Giovanni für Angst und Schrecken. Der Chor tritt hinzu und intoniert (statt des Gesangs der Höllengeister) das „Dies irae“ aus Mozarts „Requiem“. Ein gewagter, aber legitim wirkender Werkeingriff, dramatisch ungemein suggestiv. Der Dur-Schluss gerät dann freilich zur kaschierenden Tea-Party. Polizisten, welche nach dem Rechten sehen, werden beruhigt und sogar unverhohlen mit Geld bestochen. Kobie van Rensburgs Konzept ist unterhaltsam, gibt aber intellektuell auch nachhaltig zu denken auf. Eine bestechende Mixtur.

 Ohne den als Sänger wie als Bühnenerscheinung höchst attraktiven  Niederländer MARTIN-JAN NIJHOF würde der Aufführung das Zentrum fehlen. Er ist Don Giovanni. Auch ANDREW NOLEN wäre in der Titelpartie vorstellbar. Indem er Leporello übernimmt und diesem seine markante Stimme leiht, wirkt die Figur aufgewertet, auch wenn das Servile damit etwas eingeebnet ist. Vokal wirkt die als Donna Elvira engagiert spielende DEBRA HAYS etwas kleinformatig. Dafür ist die gertenschlanke SOPHIE WITTE eine in jeder Hinsicht ausgekochte Zerlina. In ELENA SANCHO PEREG begegnet einer ebenso lyrischen wie dramatisch vitalen Donna Anna; letzter Belcanto-Schliff wird sich noch einstellen. Mit dem Masetto macht Matthias Wippich gute Figur, als „Komtur“ stößt er sängerisch an Grenzen. MICHAEL SIEMON verkörpert den Ottavio mit tenoraler Grandezza. Unbedingt ist noch der vielseitig agierende ANDREW MAGINLEY als „Django“ zu erwähnen. Für einen eloquenten Mozart-Klang sorgt mit den NIEDERRHEINISCHEN SINFONIKERN der erste Kapellmeister des Hauses, ALEXANDER STEINITZ. Nach Wagners „Rienzi“ ist dieser “Giovanni“ ein neuer, bedeutsamer  Höhepunkt in der aktuellen Geschichte des Gemeinschaftstheater Krefeld/Mönchengladbach.

Christoph Zimmermann 11.5.14

Bilder: Stutte / Theater Krefeld

 

Red. Anmerkung

Leider sind die Sprechblasentexte vom Balkon aus überwiegend, weil viel zu dunkel projeziert, zu 80 Prozent nicht lesbar. Bil

  

MANON

Große Oper in der kleinen Stadt Krefeld

PR Krefeld am am 1.3.2014 (Aufführungsdauer 2 h 40 / eine Pause))

Was für ein grandioses Ensemble !

 

Endlich endlich endlich eine glaubwürdige Manon! Darauf haben wir über 100 Jahre gewartet ;-) Die gerade einmal 29-Jährige

Sophie Witte bot nicht nur eine mehr als superbe Sangesleistung in der Titelpartie als Manon, die allerdings noch von ihrem geradezu herzzerreißendem Darstellungsvermögen überboten wurde - sondern sie war genau diese, am Anfang der Oper, noch (lt. Libretto) 16-jährige Manon Lescaut.

 

Da kommt eine weibliche Opern-Figur endlich einmal glaubwürdig herüber. Frau Witte verfügt über einen wirklich lyrischen, wunderschönen, auch im Fortissimo höhensicheren Sopran, wie wir ihn selten erleben; ein Glücksfall für Massenets "Manon", die wir ja auch heute noch meist (ähnlich wie die eigentlich noch jüngere Butterfly) an den Top-Häusern dieser Welt mit bejahrten Sopranistinnen besetzt sehen, die dem Altersdurchschnitt (*) ihres Publikums entsprechen oder ihn schon überschritten haben. Das reißt dann meist keinen vom Hocker oder erzeugt irgendeine Form von Gänsehaut, wie ich sie am Samstag ständig hatte. Ich würde Sophie Witte eine große Zukunft prophezeien, wenn sie sorgsam mit ihrer Stimme umgeht. Da wächst ein Weltstar heran. Selten habe ich mich in den letzten 40 Jahren mit solchen Spekulationen geirrt.

Noch etwas sehr Erfreuliches: Die Vereinigten Bühnen Krefeld & Mönchengladbach beweisen sich endlich erneut wieder als respektables Sprungbrett in die große Internationale Opernwelt. Die umsichtige und erfolgreiche Intendanz von Michael Grosse bringt das Gemeinschaftstheater qualitativ vorwärts und die umtriebig stetige Talentsuche von Operndirektor Andreas Wendholz zeitigt Erfolge. Nur mit solcher Qualität bringt man eine (Verzeiht mir Niederrheiner ! ;-) "Provinzbühne" endlich wieder überregional ins Gespräch. Ein toller, überzeugender Abend! Bravi per tutti!

Dabei sollte man aber auch die wunderbare Leistung des restlichen Ensembles, welches dieses schwierige Werk komplett aus den eigenen Reihen besetzen konnte, nicht übersehen: Was boten Walter Planté (Guillot), der Grandseigneur des Hauses, zusammen mit Andrew Nolen (Bretigny) für ein köstlich spätsonnenköniglich dekadentes Adelspaar. Und selten hörte man einen dermaßen markanten Vater wie Matthias Wippich, sowie einen Lescaut (Rafael Bruck) von solcher Präsenz und zielsicherer Intonation.

Für diese französische Oper einen sowohl in Statur und Alter, als auch stimmlicher Prägnanz passenden Sänger zu finden, gleicht sicherlich einer schon fast sisyphalen Suche in der globalen Opernwelt. Auch hier wurde man - welch weiterer Glücksgriff - fündig und hat zurecht Michael Siemon, ein blutjunges Tenortalent, sofort am Haus beschäftigt. Was ist dieser junge Sänger mit solch  optimalen Veranlagungen für eine Erwartung an die Zukunft? Auch er wird, davon bin ich überzeugt, gut beraten und geführt, seinen großen Weg auf die Weltopernbühne finden. Bravo!

Die Comprimarii: Debra Hays (Poussette), Gabriela Kuhn (Javotte) und Charlotte Reese (Rosette) krönen stimmlich, wie auch tänzerisch, dieses echte Gold-Ensemble. Mal wieder war auch der Chor (Ltg. Maria Benyumova) überzeugend präsent und sowohl stimmlich, als auch darstellerisch erfrischend gut disponiert; ein Opernchor von überregionalem Format - ein zu bewahrendes Kleinod.

Die Niederrheinischen Sinfoniker spielten nach der Pause wirklich traumhaft schön und GMD Mihkel Kütson führte sein Orchester stets umsichtig, sicher, sängerfreundlich und einfühlsam. Ein großes Massenetsches beseeltes Klangbild konnte sich, trotz karger Streicherbesetzung, besonders im Finale - wer hatte bei diesem ergreifenden Schluss keine Tränen in den Augen -  einstellen. Nur eine kleine kritische Anmerkung sei erlaubt: Bitte verehrte Musici! Die sogenannte "akademische Viertelstunde" kann für ein gutes Orchester nicht in Anspruch genommen werden. Über dreißig Minuten quasi Einspielzeit (!) bis sich die Gruppen vernünftig zusammengefunden haben, sind zuviel des Schlechten.

Nicht zuletzt die die Regie: François de Carpentries gehört zu den ganz wenigen Regisseuren, die mich noch nie enttäuscht haben. Wenn ich in der Vorankündigung seinen Namen lese, dann freut man sich als Kritiker auf diesen Abend. Und auch diesmal zeigte er sich mit seinem Team (Bühne Siegfried E. Mayer & Kostüme Karine Van Hercke) als meisterhafter Regisseur zeitgemäßen Musiktheaters, obwohl man das ganze Szenario mit traumhaften Rokoko-Perücken und zeitgemäßer Kostümierung zur Entstehungszeit, wie im Libretto vorgeschrieben (1850) spielen ließ. Eine Rarität in der heutigen zeit. Werktreuer geht nicht! Und noch etwas sticht ins Auge: werktreu in barocken Originalkostümen muss nicht gleich schlecht oder langweilig sein. Quod erat demonstrandum. Alles klappt, alles ist sinnfällig, überzeugende Chor- und Personenführung - kein Leerlauf dank gefühlvoller Kürzungen. Fazit: so muss, so sollte eine intelligente Regie sein. Was für eine Wohltat im deprimierenden Umfeld der szenischen Katastrophen- oder Langweilerabende der großen Konkurrenzhäuser im Umfeld.

Hallo Niederrheiner! Hallo NRW-Opernfreunde! Es gibt einen wirklich großen Opernabend zu vermelden: die vorbildliche Realisierung einer schwierig zu inszenierenden "Grande Opera"; noch dazu mit fabelhafte, unverbrauchten Sängern, die fast Unmögliches leisten. Ein hinreißender Musiktheaterabend - jede noch so weite Anreise wert.                      

Peter Bilsing / 3.2.14                                       Bilder (c) Matthias Stutte

 

* P.S.

der Alterdurchschnitt des Opernpublikums unserer Tage in den deutschsprachigen Ländern der EU liegt bei rund 60 Jahren; in manchen Häuser sogar darüber.

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de