DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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ARENA DI VERONA

www.arena.it/de

 

 

TURANDOT                                          

Aufführung am 10.8.22 (Premiere am 4.8.)

 

 

In diesem Jahr brachte das Verona Opera Festival (übrigens das 99., mit Aussicht auf besondere Leckerbissen im nächsten Jahr zum Hunderter) verschiedene Inszenierungen des 2019 mit 96 Jahren verstorbenen Franco Zeffirelli heraus, von denen Puccinis letzte Oper vermutlich die prunkvollste ist. Die Intellektuellen mit hochgezogenen Augenbrauen und gerümpfter Nase möchte ich fragen "Wo, wenn nicht hier"? Der auch für das Bühnenbild zeichnende Regisseur hatte für seine Produktion aus 2010 ein Bühnenbild entworfen, das zu Beginn links einen Turm, von dem aus der Mandarin seine Ansage an das Volk gab, zeigte und rechts einen solchen, auf dem Kalaf schließlich Turandot erblickte. Dazwischen gab es eine dunkle Wand mit geheimnisvollen Zeichen, die auch noch in der Ministerszene des 2. Akts zu sehen war. Als sich diese öffnete, erstrahlte der kaiserliche Palast in seinem ganzen Glanz und entriss dem Publikum spontanen Applaus. (Als leidgeprüfte Opernbesucherin zeitgenössischer Inszenierungen hatte ich das schon lange nicht mehr erlebt). Die phantasievollen Kostüme stammten von Emi Wada und waren bloß bei Kalaf, der mit seinem Pelz an einen russischen Fürsten erinnerte, nicht so ganz gelungen. (Abgesehen von der Zumutung, im Hochsommer ein solches Kostüm tragen zu müssen, ganz zu schweigen von den heurigen Temperaturen).

 

 

Zu bewundern war in der Arena wieder einmal die Präzision, mit der ein nach Hunderten zu zählendes Massenspektakel perfekt ablief. Ein Hoch auf die BühnenarbeiterInnen (ja, es sind auch weibliche darunter!) ist hier absolut angebracht. Gleich danach der von Ulisse Trabacchin einstudierte, auf höchstem Niveau singende Chor, dem die Regie viel Bewegung abverlangt, was die Qualität des Gesangs in keiner Weise beeinflusste. (In den grauen Kostümen war er wirklich eine furchterregende Masse, die je nach Situation ihr Fähnchen nach dem Wind hängte).

Marco Armiliato und das Orchester der Fondazione Arena di Verona wurden zurecht sehr gefeiert. War es schon beeindruckend, wenn angesichts der aufgebotenen Massen alles wie am Schnürchen ablief, so erfreute um so mehr manche musikalische Nuance, die in der Arena nicht immer gebührend zu hören ist.

 

 

In den ersten drei von sieben Vorstellungen sang Anna Netrebko (die auch dreimal Aida war) die Titelrolle, und es war natürlich spannend, zu hören, wie sie mit einer Stimme, die zwar voluminös ist, aber nicht den berühmten Schwedenstahl von Birgit Nilsson, der Turandot des vorigen Jahrhunderts, besitzt, die Partie angehen würde. Nun, es war der Beweis, dass man Turandot, so man man über die entsprechende Technik verfügt, auch "weicher" singen kann. Das hinderte Netrebko nicht daran, im 2. Akt geradezu spielerisch über das entfesselte Orchester zu kommen und dann im Finale von Alfano die Interpretation einer fast zerbrechlichen Figur zu geben, die in ihrem Inneren schon weiß, dass die Liebe sie verändert hat. Ich hätte nie gedacht, dass mir nach meinen Erfahrungen mit Nilsson/Corelli auch eine solche Interpretation gefallen könnte, die erstmals die von Turandot schon vor Kalafs Kuss entwickelten Gefühle zeigt, und das ohne die kostbare Stimme zu strapazieren. Dass die Stimme von Yusif Eyvazov kein edles Timbre hat, ist hinlänglich bekannt, aber es ist bemerkenswert, wie der Tenor nach merkbarem ständigem Studium gefühlvoll phrasiert und nun auch über mehr als respektable Piani verfügt. In der Höhe ist seine Stimme ja immer schon schön aufgegangen, und das Publikum honorierte seine Leistung als Kalaf nicht nur mit der dringenden Bitte nach Wiederholung von "Nessun dorma" (die gewährt wurde), sondern auch mit großem Jubel am Schluss.

 

 

Ruth Iniesta war hingegen eine etwas blasse Liù mit professioneller gesanglicher Leistung, der es aber an Intensität fehlte. Der junge Bass Riccardo Fassi, der bereits im Begriff ist, sich einen Namen zu machen, war ein ausgezeichneter Timur, der mit seiner Klage nach Liùs Tod zu erschüttern wusste. Wenn ich aus den drei Ministern den Bariton Gëzim Myshketa als Ping hervorhebe, so ist es nur, weil seine Rolle die größere ist, denn auch seine Tenorkollegen Matteo Mezzaro (Pong) und Riccardo Rados (Pang) waren ausgezeichnet als szenisch und musikalisch bestens eingespieltes Trio. Der unverwüstliche Carlo Bosi gab einen prägnanten Altoum und sang auch hinter der Bühne den Todesschrei "Turandot" des persischen Prinzen. Ein Lob auch für Youngjun Park als vokal nachdrücklicher Mandarin.

Viel Jubel und großer Applaus des zahlreich erschienen, wenn auch das Arenarund nicht völlig füllenden Publikums.                                                                              

Eva Pleus 19.8.22

Bilder: Ennevi Foto

 

 

LA TRAVIATA

30.07.2022

ÜBERWÄLTIGEND

 

Wer hätte das erwarten können, dass ausgerechnet ein so intimes Werk wie LA TRAVIATA, welches außer dem Brindisi im ersten und dem Ballett mit großem Chor im dritten Bild wenig "arenataugliches" Material enthält, zu einem dermaßen überwältigenden Triumph wird. Regie und Bühnenbild stammen noch vom legendären, stets einer historisierenden Ästhetik sich unterwerfenden Regisseur Franco Zeffirelli. Dass ein Bühnenbild (und dessen Umbau auf offener Bühne) zu spontanen Beifallsstürmen führen, erlebt man in Opernhäusern nördlich der Alpen nur noch äußerst selten. Zeffirelli bleibt mit seiner Inszenierung exakt Mitte des 19. Jahrhunderts, es sieht alles genau so aus, wie man es erwartet. Prachtvolle, historische Kostüme (Maurizio Millenotti) versetzen uns in die mondäne Welt der Pariser Salons, als Rahmen dient das Bühnenportal mit Vorhang und Seitenlogen des Palais Garnier in Paris. Doch keine Bange, es wird kein Theater auf dem Theater - intellektuelle Überstülpungen und aktualisierte Verfremdungen waren nie Zeffirellis Ding. Wohl aber vermochte er die Weitläufigkeit der Bühne in der Arena gekonnt und sinnig auszunutzen, das ist alles punktgenau inszeniert, sängerfreundlich durch die nach hinten geschlossenen Räume noch dazu - pures Opernglück. Allein schon die Tatsache, dass es im Publikum von Bild zu Bild ruhiger wurde, spricht für die Aufführung.

DIE "EINSPRINGERIN"

Über das vorgesehene und dann relativ kurzfristig von der Sängerin selbst gecancelte Arena Debüt von Angel Blue will ich hier keine Worte mehr verlieren, man kann alles dazu in meiner AIDA-Kritik nachlesen. Die Fondazione Arena di Verona jedenfalls hatte Frau Blue bis zwei Tage vor der Vorstellung alle Türen offen gelassen, um ihren Entscheid zu überdenken. Davon machte sie keinen Gebrauch. Gestern Abend nun stand Nina Minasyan auf der Bühne und ersang sich einen umjubelten Triumph. Die junge armenische Sopranistin verfügt über eine samtweich und blitzsauber intonierende, warme Stimme. Ihr "Dite alla giovine" im zweiten und das "Addio del passato" im letzten Bild gelangen mit zu Tränen rührender, überirdischer Schönheit. Für das "Amami, Alfredo" und die grosse Szene am Ende des ersten Aktes "È strano ... Sempre libera" verfügte sie über den erforderlichen großen Atem und fein ziselierte, leichtfüssige Koloraturen, ohne je unschön forcieren zu müssen, alles auf tief empfundenen Ausdruck und nicht auf oberflächliche Bravour hin ausgerichtet. Den Übergang vom Sprechgesang ins Delirium des Todesgesangs der Schlussszene habe ich noch nie so kunstfertig erlebt! Darf man heutzutage noch erwähnen, dass Nina Minasyan auch eine außergewöhnliche Schönheit ist?

TENOR UND BARITON

Vittorio Grigolo ist natürlich meinen Zürcher Opernfreunden bestens bekannt, wurde er doch seinerzeit von Pereira und Nello Santi als lautstarker Latin Lover gerne und oft besetzt. Pereira nahm ihn dann später auch an der Scala oft unter Vertrag. In Zürich war er nicht mehr zu Gast. Es wurden dann auch Gerüchte so wegen #metoo laut, die sind unterdessen verstummt. Grigolo sang gestern Abend einen erstaunlich zurückhaltenden Alfredo, zeigte gekonnt die nervöse Unbeholfenheit des Jungen vom Land in der mondänen Großstadt. Seine große Arie mit Kabaletta im zweiten Akt sang er sehr schön und verzichtete gar auf das (nicht notierte, aber erwartete) Acuto. Erst beim Schlussapplaus war Grigolo dann wieder ganz der alte: Exaltiert, Küsschen in die Menge, Anfeuern des Applauses. So ist er halt. Doch schön singen kann er immer noch.

 

 

Grandios gestaltete Ludovic Tézier die Rolle des Vaters Germont, machte die Wandlung vom kaltherzigen Patriarchen zum empathisch fühlenden, tiefe Hochachtung vor der menschlichen Grösse Violettas empfundenen Mannes plausibel. Verdientermaßen erhielt Ludovic Tézier für diese herausragende Interpretation besonders warmherzigen Applaus. Lilly Jørstad sang eine ausgezeichnete Flora und Yao Bohui war die besorgte Annina. Besonderen Applaus erhielt das Ballett der Fondazione Arena di Verona für das traditionell choreographierte Matador-Ballett im dritten Bild, inklusive Glitter-Konfettiregen. Etwas Spektakel erträgt selbst eine Open Air TRAVIATA unbeschadet.

DIRIGENT UND ORCHESTER

Wie bereits in der AIDA stand der routinierte Marco Armiliato am Pult des an diesem Abend erstaunlich gut disponierten Orchesters und ließ viele Feinheiten der Partitur aufblühen. Besonders das subtile, intensive Spiel der Soloklarinette verdient eine Erwähnung.

Ein rundum beglückender Opernabend in der um Mitternacht immer noch heißen Luft Italiens hinterließ tiefen, bewegenden Eindruck.

Kaspar Sannemann, 5.8.22

https://www.oper-aktuell.info/kritiken/artikel/verona-arena-la-traviata-30072022.html

Ennevi © Arena di Verona

 

 

NABUCCO

29.07.2022

15 Minuten Musik

Tja, was soll man über eine Aufführung schon groß schreiben, die keine Viertelstunde gedauert hat? Außer dass man seinem Ärger über die abgefeimte Praxis der Verantwortlichen der Fondazione Arena di Verona Luft verschaffen möchte. Selbstverständlich akzeptiert man die Verkaufsbedingungen mit dem Erwerb eines Tickets, selbstverständlich stehen die Festspiele in Verona nicht unter einem besonderen Schutz des Wettergottes, man weiss, dass diese Region ziemlich oft von heftigen Sommergewittern heimgesucht werden kann. Aber: Sämtliche Meteo Apps prophezeihten andauernde Niederschläge, doch die Verantwortlichen nutzten das sich zufällig punkt 21 Uhr öffnende, niederschlagsfreie Fenster, um mit der Ouvertüre zu beginnen - und damit dem Publikum das Recht auf finanzielle Entschädigung zu rauben. Bereits 14 Minuten später - der Eröffnungschor hatte eben eingesetzt - musste die Vorstellung wegen des wieder einsetzenden Regens unterbrochen werden.

 

 

Was nun folgte, war ein kommunikatives Trauerspiel, ja ein Desaster. Das Publikum wurde alle 30 Minuten (klang wie ein vorproduziertes Band) um Geduld gebeten, man sei in Kontakt mit den Meteorologen und werde dann informieren. Da alle im Publikum ein Smartphone dabei hatten, wussten wir zahlenden Zuschauer, dass das heute Abend nichts mehr werden würde. Trotzdem ließ sich die Leitung der Arena genau 150 Minuten Zeit, um die Aufführung definitiv abzusagen. Anscheinend hatte es jedoch so viele Proteste gegeben, dass die Arena anstelle des nach Reglement beanspruchbaren Rabatts von 50% auf eine Vorstellung in der laufenden oder der kommenden Spielzeit nun Tickets zum Symbolpreis von € 2.50 erworben werden können. Das ist zwar für all die angereisten Zuschauer aus entfernteren Weltgegenden immer noch nicht attraktiv, aber für die näher wohnhaften akzeptabel. Die Geste ändert jedoch nichts am empathielosen Gehabe der Verantwortlichen des Abends. Aufgrund der klaren meteorologischen Verhältnisse (es gibt ziemlich zuverlässige Regenradar Apps, liebe Arena!) hätte man gar nicht zu beginnen brauchen oder zumindest das Publikum nicht noch weitere zweieinhalb Stunden in der Arena aushalten lassen sollen. Die Arena hat sich mit diesem Verhalten sehr viel Sympathie verspielt.

 

 

Zur Inszenierung: Viel kann ich logischerweise nicht sagen, nur dass Arnaud Bernard sie zur Zeit des Risorgimento ansiedelt. Im Mittelpunkt steht das Teatro alla Scala, in welchem die Uraufführung von Verdis NABUCCO stattgefunden hatte. Verdi hatte ja nicht geringen Anteil am Erwachen und dem Festigen des Widerstands gegen die Habsburger in Italien. Somit kann man das so zu inszenieren versuchen. Allerdings hat Verdi in dieser Art Opern nie die eigentlichen Kampfhandlungen auf die Bühne gebracht, sondern die daraus entstehenden privaten Konflikte. Da wirken die Kavalleristen auf ihren (echten) Pferden und die Kanoniere, die sich während der Ouvertüre rund um das Theatergebäude tummeln doch eher etwas schultheaterhaft unbeholfen. Aber wie gesagt, beurteilen möchte ich das nicht. Kann gut sein, dass das Konzept aufgeht. Solisten hörte man keinen, da die Oper nach wenigen Takten des Chors abgebrochen wurde. Daniel Oren leitete das Orchestra Fondazione Arena di Verona. Die eigentlich Schmidsite, federnde Potpourri Ouvertüre des jungen Verdi klang ziemlich matt und uninspiriert, die wussten bestimmt alle schon, dass sie gleich nach Hause gehen können - was sie sicherlich auch taten. Nur das Publikum harrte auf den pitschnassen Steinstufen und den Metallsitzen dank der Hinhaltetaktik brav bis beinahe um Mitternacht aus…

Kaspar Sannemann, 4.8.22

Ennevi © Arena di Verona

 

AIDA

28.07.2022

 

 

DER FALL "BLACKFACING"

Nachdem die US amerikanische Sopranistin Angel Blue ihren Vertrag als Traviata einseitig gekündigt hatte, weil sie das Blackfacing der Titelfigur in der Arena Inszenierung von AIDA als nicht akzeptabel und für sie als schwarze Sängerin sowieso als störend empfand, kochte das Thema in den sozialen Medien mal wieder hoch. Komisch nur, dass Frau Blue ihre Besorgnis erst äußerte, als Anna Netrebko als braun geschminkte äthiopische Sklavin aufgetreten war. Denn nachdem die ukrainische Kollegin Monastyrska ebenfalls mit dunkler Schminke die Rolle sang, krähte kein Hahn danach - und auch keine Henne. Aber alles was zur Zeit mit der Ukraine in Verbindung steht, geniesst wohl Unberührbarkeit. Wie dem auch sei, Theaterschminke gehört nun mal zum Theater, ich will mir hier gar nicht die Mühe von Umkehr - und Analogschlüssen machen, sondern nur auf das Statement der großartigen Grace Bumbry hinweisen (auch sie eine schwarze Sängerin), die ihre jüngere Kollegin liebevoll in die Schranken gewiesen hat: "To be proud of your race is a noble thing, and one which should be honored all the time, but if you made the choice to perform in a medium of Opera you must first know the history and the desire for credibility. I am sorry to have to be so stern with you because you are one of my very favorite young singers, however, it is my job and my responsibility as a black pioneer in this profession, to correct you when you are out of line. I hope that you will take this correction with the love that I write it. I am sorry that you will not be singing the Traviata in Verona, because I heard you sing the role about three years ago, and vocally you were wonderful. Is there no way that you could recall that decision? Your friend always, Grace B.”

DER FALL "NETREBKO"

Die Starsopranistin Anna Netrebko dient seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine als personifiziertes Feindbild der "woke" Generation. Zudem hat sie sich zum Blackfacing bei entsprechenden Rollen bekannt und bietet so nun eine doppelte Angriffsfläche für die ach so empfindliche Betroffenheits-Generation. Nachdem Frau Netrebko an der Met und den Salzburger Festspielen praktisch Auftrittsverbot erhalten hat, ist die Lage andernorts gespalten: Stuttgart nein, Regensburg ja, Monte Carlo ja, Arena di Verona ja. Und dies obwohl sich Frau Netrebko deutlich gegen den Krieg positionierte und deshalb selbst in ihrer Heimat Russland nicht mehr engagiert wird. Der von russischen Geldgebern abhängige und somit dem System Putins weitaus näher als Netrebko stehende Dirigent Teodor Currentzis hat sich bisher nie positioniert oder gar von Putin und den russischen Geldgebern distanziert und wird im Westen trotzdem von der Kulturschickeria umschwärmt und hofiert. Das verstehe wer will, ich jedenfalls nicht.

Anna Netrebko jedenfalls sang in der von mir besuchten Vorstellung eine überragende Aida: Rund in der Tongebung, dynamisch fein abgestuft mit herrlich tragenden und sauber schwebenden Piani, die heiklen Intervalle der Nilarie souverän meisternd, ohne je forcieren zu müssen. Das "Ritorna vincitor" gelang mit mitreißender Ausdruckskraft und im Finale II legte sich ihre so wunderbar timbrierte Stimme glanzvoll über Chor und restliche Solisten. Darstellerisch wirkte sie mit ihren barfuß getänzelten Tripelschritten und den fremdartig wirkenden Armbewegungen durchaus exotisch, ja mädchenhaft, ein Eindruck, den das viel (braunes ...) Bein freigebende Kostüm noch unterstrich.

DER FALL "EYVAZOV"

 

Netrebko und ihr Gatte, der aserbaidschanische Tenor Yusif Eyvazov, treten natürlich gerne gemeinsam auf, das erleichtert wohl das Familienleben, ist auch legitim. Bisher habe ich ihn nur im TV gehört und war deshalb neugierig, wie seine große Stimme live klingt. Nun muss ich ehrlicherweise eingestehen, dass ich den Klang seiner Stimme nicht besonders mag. Sein Timbre ist für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Die Tiefe war an diesem Abend praktisch nicht vorhanden, in den anderen Registern klingt für mich die Stimme belegt und unschön. Einzig in der oberen Mittellage verfügte er als Radames über eine fantastische, golden schimmernde Strahlkraft. Aber Stimmen sind nun mal Geschmackssache und Eyvazov hatte viele Fans im Publikum.

Das Schlussduett "O terra addio, addio valle dei pianti" fiel leider dem einsetzenden Regen zum Opfer und das Ehepaar verabschiedete sich winkend von den Fans - Aida und Radames überlebten für einmal ihr gemeinsames Grab.

DIE ÜBRIGEN HAUPTPARTIEN

Die Figur der ägyptischen Prinzessin Amneris (sie braucht keine dunkelbraune Schminke ...) gehört mit zu den dankbarsten Mezzo-Rollen des italienischen Repertoirs. Olesya Petrova blieb der Partie nichts an dramatisch packender Kraft und Mezzofülle schuldig. Was für eine faszinierende Stimme, welche die Gerichtsszene regelrecht zum Explodieren brachte. Man war sehr dankbar, dass der Regen erst danach einsetzte, denn das war ein packendes Hörerlebnis. Frau Petrova gehört dabei nicht zu den brustig orgelnden Sängerinnen (gottseidank), sondern gestaltete mit wunderbar ausgeformte Tongebung. Grosse Klasse! Rafal Siwek verfügt über eine fantastische, präsente Bassstimme von balsamsicher Pracht, beinahe schon zu wohlklingend für den kriegstreiberischen Priester Ramfis. Amartuvshin Enkhbat, der mongolische Bariton, ist mit einer markanten Baritonstimme gesegnet, die er autoritär als äthiopischer König (blackface) und als Vater Aidas einzusetzen weiss. Gerne hätte ich ihn am nächsten Abend als Nabucco erlebt, doch dem sollte nicht sein. (Siehe den folgenden Artikel)

Simon Lim schließlich sang einen Respekt gebietenden ägyptischen Pharao und Vater von Amneris.

SANDALENFILM-OPTIK

Auch für AIDA hat man hier in der Arena di Verona keine Experimente gewagt, sondern auf die beim Publikum beliebte Inszenierung von Franco Zeffirelli zurückgegriffen. Zeffirelli war ein Meister im Arrangement von optisch beeindruckenden Massenszenen mit perfekter Symmetrie. Der Monumentalismus der auch von ihm entworfenen Bühne ist genau das, was ein Arena-Publikum zu sehen hofft. Alle mit dieser Haltung wurden nicht enttäuscht. Allerdings schien die Handlung vor dem Klimawandel zu spielen, als in Ägypten noch ganz kühle Temperaturen zu herrschten. Jedenfalls ließen die luxuriös wallenden Stofffluten der Kostüme darauf schließen. Einzig Aida in ihrem hochgeschlitzten Tunika ähnlichen Kleidchen wurde Afrika adäquat eingekleidet. Man gönnte es der Netrebko, wahrscheinlich hatte sie genug unter der dicken braun-schwarzen Schminke zu leiden. Wladimir Wassiljew zeichnete für die Choreographie der Tänze verantwortlich. Das war nun wirklich Peinlichkeit pur. Sowas grenzt dann an Rassismus und Aneignung, zum Fremdschämen und ganz schnellem Vergessen. Dass Zeffirelli das zugelassen hat, lässt dann doch etwas an seinem guten Geschmack zweifeln.

ORCHESTERKLANG

Marco Armiliato stand wie bei der TRAVIATA am Pult des Orchestra Fondazione Arena di Verona. Der Orchesterklang war weitaus undifferenzierter als am übernächsten Abend bei der TRAVIATA. Das mag davon abhängen, wo man seinen Sitzplatz hat. Bei TRAVIATA sass ich ganz oben auf den Steinstufen, bei AIDA auf einem teureren Platz weiter unten auf einem Metallklappstuhl. Klangprächtig und imponierend sang der grosse Chor der Fondazione Arena di Verona.

Ein durchaus hörens- und sehenswertes Erlebnis, wenn auch ohne Schlussduett. Dafür können die Ausführenden nichts, damit muss man bei Opern unter freiem Himmel nun mal rechnen.

Kspar Sannemann, 3.6.22

https://www.oper-aktuell.info/kritiken/artikel/verona-arena-aida-28072022.html

Foto © Ennevi, Arena di Verona

 

NABUCCO

NI - 20. August 2021

Regietheater in der Arena

Nach einem entsagungsreichen Sommer 2020 wartete die Fondazione Arena di Verona in diesem Sommer wieder mit einem reichhaltigen Opern- und Gala-Programm auf. Sie präsentierte unter anderen eine Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Nabucco“. Um das Covid-Ansteckungsrisiko in Verbindung mit von außen akquirierten Inszenierungen zu verringern und die szenischen Umbauten von einem kleinen eigenen Team von Bühnenarbeitern in den Pausen zu erledigen, entschloss man sich, die diesjährigen Inszenierungen selbst durchzuführen. „One size fits all“-Bühnenbild ist eine im Halbrund und damit sängerakustisch ideal um die Hinterbühne aufgebaute hoch abgestufte LED-Wand, die von der Firma D-WOK zu diesem „Nabucco“ bebildert wird. Recht ungewöhnlich für den traditionellen Inszenierungsstil der Fondazione Arena di Verona griff man in einen nicht mehr ganz neuen Teil der Regietheater-Kiste der letzten 30 Jahre, die Verlegung der biblischen Handlung der Oper in die Nazizeit mit ihren Konzentrationslagern und faschistischen Aperçus jener unseligen Periode deutscher Geschichte von Ausgrenzung, Judenverfolgung und Unmenschlichkeit.

 

Nun mag eine Assoziation der Gefangenschaft und Befreiung der Hebräer von den Babyloniern in jener fernen Zeit um etwa 600 v. Chr., also das Thema Gefangenschaft und Unterdrückung sowie Mord, durchaus Anreize mit der deutschen Nazizeit geben. Wenn das aber in Bühnenbildern und Kostümen im Rahmen der szenischen Gestaltung von Michele Olcese wie and diesem Abend umgesetzt wird, dann wirkt doch allzu vieles unverständlich, befremdend und nicht mehr nachvollziehbar. Dazu kommen viele nationalsozialistische Stereotype wie die Pumphosen, die Koffer der Juden, das ewige Herumfuchteln stahlhelmbewehrter Soldaten mit ihren Gewehren, deren dauernde Auf- und Abgänge etc.

 

Es ist nun einmal im Libretto von Temistocle Solera ein biblisches Stück mit durchaus auch mystischen Elementen, was die göttliche Bestrafung Nabuccos angeht, wenn er sich selbst zum Gott ausruft. Wenn das ein faschistischer Diktator im obligaten schwarzen Ledermantel mit Pistolengürtel wie in dieser Inszenierung macht, und zu seiner „göttlichen“ Bestrafung eine Knall mit Feuerstoß und Qualm hinter seinem Rücken genügt, dann erscheint das genauso unglaubwürdig, wie seine Läuterung durch den Glauben an den Gott der Hebräer, die ihn wiederum als voll bewaffneten Diktator (also ohne jegliche Kostümänderung) auferstehen und seine Dienstmütze gerade ziehen lässt. Der ist derselbe wie zuvor! Und das passt genauso wenig zusammen, wie der Ausruf Zaccarias zu Nabucco Halt Rasender! was wagest Du! Du eilst dem Tempel Gottes zu“, wenn er das in einem Konzentrationslager singt… Es gab im Laufe dieser Produktion einfach zu viele Ungereimtheiten, natürlich auch mit dem Text, als dass die Geschichte glaubwürdig über die Rampe gekommen wäre.

 

Dafür konnte man sich über eine guten musikalischen Abend freuen. Amartuvshin Enkhbat gab einen Nabucco mit edler Belcanto-Stimme und einem üppigen Timbre, mit dem er auch in den Höhen glänzt. Darstellerisch war er eingezwängt in die Nazi-Uniform und die damit verbundenen rituellen Bewegungsabläufe mit seinem Hofstaat. Anna Pirozzi sang eine kraftvolle Abigaille mit einem breiten Spektrum an vokalen Ausdrucksmöglichkeiten im Rahmen der verschiedenen Facetten dieser zentralen Rolle, die sie auch mit starker Persönlichkeit und einem dramatischen Ende zu spielen verstand. Bei guter Höhe fand Pirozzi auch lyrische Töne im Monolog über ihre wahre Vergangenheit.

 

Rafal Siwek war ein klangvoller und souveräner Zaccaria mit guter Aktion unter den Hebräern. Riccardo Rados sang den Ismaele mit schlankem Tenor und spielte ihn eher unauffällig, naturgemäß von der Anlage der Rolle her mitbedingt. Géraldine Chauvet verkörperte eine überzeugende und charakterstarke Fenena mit weit mehr Persönlichkeit, auch stimmlich, als man es in dieser Rolle bei klassischen Inszenierungen erlebt. Ein Pluspunkt! Nicolò Ceriani als Hoher Priester des Baal gab die Rolle mit einem guten Bass. Carlo Bosi war Abdallo und Elena Borin Anna.

 

Natürlich kommt dem Chor in „Nabucco“ eine ganz große Rolle zu, singt er doch nicht zuletzt die heimliche italienische Nationalhymne „Flieg‘ Gedanke auf goldenen Schwingen…“. Der Chor der Arena di Verona war wieder auf der linken seitlichen gradinate platziert und Daniel Oren, ein wirklich alter Hase am Pult des Orchesters der Arena di Verona, wusste ihn in perfekter Abstimmung mit dem Orchester und den Sängern auf der Bühne zu dirigieren. Das zeigte sich gerade beim Gefangenenchor, der selbstredend wiederholt werden musste - und nach Oren auch sollte. Denn er machte eine Kopfbewegung, um den Applaus noch zu erhöhen… Es war einer der großen Momente des Abends, als er das lange Piano am Schluss dieses Chores mit klarer Gestik er- und ausklingen ließ. Die Arena schien den Atem anzuhalten. Riesenapplaus! Auch ansonsten war die Aufführung musikalisch bei Oren in bester erfahrener Hand. Er hat offenbar ein sehr gutes Gespür für die Klangverhältnisse in der Arena, gibt der orchestralen Entfaltung mehr Raum als andere, wenn es möglich ist. So war gerade auch für ihn und das Orchester die Begeisterung beim Schlussapplaus sehr groß. Das machte dann die Entbehrungen und Befremdlichkeiten auf der Bühne wieder etwas wett.       

 

Fotos: ENNEVI foto                                                                        

 

Klaus Billand/6.9.2021

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Mozart: Requiem

am 31. Juli 2020

Wahrlich berührend

Gleich mit der zweiten Vorstellung des Festival d’Estate 2020 der Fondazione di Arena di Verona wurde nicht besser zum Thema „Nel cuore della musica“ passend das Mozart Requiem aufgeführt, unter der musikalischen Leitung von Marco Armiliato mit dem Orchestra e Coro dell’Arena di Verona sowie mit der Sopranistin Vittoria Yeo, der Mezzosopranistin Sonia Ganassi, dem Tenor Saimir Pirgu und dem Bass Alex Esposito. 

Von der VIP-Empore hält der Bürgermeister von Verona, Federico Sboarina, zunächst eine bewegende Rede, die den in Verbindung mit der Corona-Epidemie Verstorbenen gewidmet war. Das war der eigentliche Anlass, gleich zu Beginn des Sommerfestivals, das im Prinzip Puccini, Rossini, Vivaldi und Wagner gewidmet war, die Messa di Requiem von W. A. Mozart aufzuführen. Mit des Bürgermeisters Worten bekam diese Aufführung ein anderes Gewicht. Mit einer außerordentlich fantasie- und geschmackvollen Lichtregie löste sie diese Erwartung auch voll ein. Allein schon die Tatsache, das das gesamte Rund der Arena einbezogen wurde (bei den Opern sonst ja nur zwei Drittel), mit dem Orchester auf einem roten rechteckigen Holzpodest in der Mitte mit Zu- und Abgängen nach vorn und hinten war eine gute Idee. Hinzu kam die Positionierung der Chorsänger one by one um das ganze Rund herum, ein auch akustischer Kunstgriff! Mit attraktiven Lichtspielen, deren Farbwahl nie kitschig wurde, und in den Nachthimmel aufsteigenden Scheinwerferstrahlen, die manchmal zu einer Art Lichtdom zusammen kamen, entstand ein Gesamtkunstwerk aus Aufführungsort und dem Requiem selbst. Oben am Himmel standen auch noch der helle Mond und Venus in seiner Nähe…

Die Atmosphäre war einzigartig, auch wegen des durch die weitgefächerte Aufstellung des perfekt von Vito Lombardi einstudierten Chores entstehende Klangerlebnisses. Schon gleich beim Requiem entspinnt sich der Chorgesang wie aus weiter Ferne kommend zur Bitte für die Ruhe der Toten, und in den folgenden Nummern wird immer wieder zartestes Piano der Damenchore hörbar. Man meint, sie sängen fast neben einem. Das Dies Irae geht Armiliato mit viel Verve und fast entfesselter Gestik an und bekommt vom Chor auch die entsprechende Antwort, ohne dass auch hier irgendwas pathetisch klänge.

 

Im Tuba mirum lässt Alex Esposito seinen klangvollen Bass ertönen, und im Rex tremendae beeindruckt der Damenchor durch ein herrliches Piano. Besonders klar, prägnant und wortdeutlich singt Vittoria Yeo. Auch Samir Pirgu überzeugt mit seinem kräftigen und stabilen Tenor, wenn auch nicht unbedingt mit letztem tenoralem Glanz. Die Mezzosopranistin Sonia Ganassi bleibt unter den Solisten etwas an Wirksamkeit zurück, was auch bis zu einem bestimmten Grad an ihrer Rolle liegt. Im Confutatis-Satz fallen einmal mehr die Damen mit einem filigran-zärtlichen Piano bei weicher Klanggebung und eindrucksvoller Transparenz auf.

Immer wieder erzeugt die Lichtregie dabei eine passende Theatralik, die die Ausdruckskraft der Solisten untermauert und beflügelt. Marco Armiliato schafft es, stets eine gute Balance zwischen seinen Musikern und den Sängern sowie dem Chor zu halten – dieses Requiem wirkt somit wie aus einem Guss! Majestätisch erklingt das Sanctus, und beim Benedictus kommt wieder ein guter Moment für die Solisten.   

Dieses Mozart Requiem schuf beim im weiten Rund der Gradinate verteilten Publikum nachvollziehbare Andacht und erfüllte somit seinen Sinn. Das Finale mit einem herrlich intonierten Lux Aeterna war der Schlusspunkt eines großen und ganz und gar ungewöhnlichen Abends in der geschichtsträchtigen Arena di Verona. Da war das Ave Verum Corpus sicher die passendste Zugabe.

Fotos: Klaus Billand

 

Klaus Billand/9.9.2020

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LE STELLE DELL’OPERA

am 1. August 2020

Aus dem Herz der Musik…

Im Rahmen des FESTIVAL D’ESTATE 2020 der Fondazione di Arena di Verona, mit dem sie als Organisatorin dieses so traditionsreichen norditalienischen Opernfestivals auch in Zeiten der Corona-Krise nicht ganz auf ihren künstlerischen Anspruch verzichten wollte, hat man mit „Nel cuore della musica“ ein schönes und zutreffendes Motto gefunden, die treuen Verona-Pilger doch noch zu beglücken. Neben dem Mozart Requiem, mit dem der Toten, die Covid-19 bisher gefordert hat, an einem eindrucksvollen und zeitweise bewegenden Abend zuvor gedacht wurde (Extrabericht), war an diesem fast heißen Sommerabend ein Treffen der Stelle dell’Opera, der Stars der Oper angesagt, mit Anna Netrebko an der Spitze, sowie der Mezzosopranistin Ekaterina Gubanova, dem Tenor Yusif Eyvazov und dem Bariton Ambrogio Maestri. Klingende Namen also, keine Frage, und dazu Marco Armiliato am Pult des in bester Stimmung befindlichen Orchestra dell’Arena di Verona.

Während dieses kleinen Sommerfestivals hat man die ganze Arena geöffnet, was einen völlig anderen und viel intensiveren Eindruck dieses wunderbaren römischen Bauwerks aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. und aus heutiger Sicht einzigartigen Spielstätte bietet. Das ermöglichte auch eine überaus interessante und das gesamte Rund umfassende Lichtregie, die man stimmungsvoll auf die jeweiligen Arien und Duette anpasste. Zentrales Element waren dabei weit in den Nachthimmel hinaufragende Punktstrahler, die des Öfteren eine Art Licht-Dom über dem Orchester mit den Solisten erzeugten, die auf einer roten rechteckigen Plattform postiert waren. Auch regten dezente Farbspiele mit dem Boden die Fantasie an, der mal in türkisen, mal in goldgelben Farben - Arena halt - leuchtete, sowie auf den Gradinate, den Stufen der Arena, auf denen das Publikum in Corona-hygienegerechter Sitzordnung Platz genommen hatte. Der optische Eindruck war stets großartig!

Und der musikalische weitgehend auch. Passend begann Ambrogio Maestri mit dem Prolog aus dem „Bajazzo“ „Si può? … si può? Er schien unter der enormen Hitze dieses Tages mit 37°C zu leiden, denn sein Vortrag ist sonst prägnanter. Sie war möglicherweise auch der Grund, warum er das As auf „…al pari di voi“ nicht sang, mit letzter Kraft und sichtbarer Erleichterung dann aber das „Incominciate!“ eindrucksvoll schaffte. Viel besser und regelrecht mitreißend gelang ihm gegen Ende des Programms das lustige Duett von Dulcamara „Quanto amore! Ed io spietata“ mit Anna Netrebko aus „L’elisir d’amore“, bei der er - gemeinsam mit Anna - sein sprichwörtliches Komödiantentum zur Schau stellen konnte und auch befreiter sang. Das Publikum war begeistert. Sein gesanglicher Höhepunkt war schließlich Gérards „Nemico della patria“ aus „Andrea Chénier“, das er in facettenreicher Stimmung klangvoll interpretierte.

 

Ekaterina Gubanova stellte sich zunächst mit einem eindringlichen „Stride la vampa“ aus „Il trovatore“ vor, mit dem sie die Fülle ihres wohlklingenden Mezzos hören ließ, aber vielleicht eine Spur mehr Emotion hätte zeigen können. Das kam besser heraus bei ihrem späteren „O don fatale, o don crudel“ aus „Don Carlo“, das sie mit viel emotionalem Nachdruck sang.

 

Dann war die Zeit des Paares gekommen, Yusif Eyvazov und Anna Netrebko. Er, sichtlich und eindrucksvoll erschlankt, betrat resolut die Bühne und begann mit „La vita è inferno all’infelice…“ und „O tu que in seno agli angeli“ aus „La forza del destino“. Hier zeigte er einmal mehr, mit welcher Präzision und guter Technik er die Noten aussingen kann, mit lang gehaltenen Höhen, wie auch später bei „Ma se m’è forza perderti“ sowie in der berühmten Auftrittsarie des Andrea Chénier „Un dì all’azzurro spazio“ aus der gleichnamigen Oper. Da stimmte jede Phrase, jede Höhe, bei großer emotionaler und auch gesanglicher Determination. Allein, Eyvazovs Timbre bleibt - auch mit einer gewissen Gutturalität - weiterhin gewöhnungsbedürftig - aber das ist leider nicht erlernbar.

Mitreißen konnte aber wieder einmal seine Frau Anna Netrebko mit wahrlich traumhaften Auftritten. Sie begann mit „Tu che le vanità“ aus „Don Carlo“, bei dem sie ihre große Klangfarbenpalette, mit der ihr eigenen so charaktervollen Dunkelfärbung dokumentierte, bei klangvoller Tiefe und mit berückenden Piani am Schluss.

Es folgte eines ihrer Paradestücke, die Arie „lo son l’umile ancella“ aus „Adriana Lecouvreur“. Schon ihre wenigen gesprochenen Worte vor der Arie gingen durch Mark und Bein und zeugten von Netrebkos großer Theatralik. Die Arie ließ dann keine vokalen und emotionalen Wünsche offen, nicht zuletzt mit einem nahezu „ewig“ wirkenden Bogen im Finale, bei dem sie einem lang gehaltenen crescendo ein ebenso langes decrescendo folgen lässt.

Riesenapplaus, wie auch auch bei Yusif Eyvazov bei seinem Chénier. Klar, das bei dem abschließenden „Andrea Chénier“-Block das Duett „Vicino a te s’acqueta“ aus dem Finale der Oper mit Netrebko und Eyvazov nicht fehlen konnte und einen großartigen Schlusspunkt unter das offizielle Programm setzte.

Als einzige Zugabe ließen die vier Solisten mit einem wie immer sehr engagierten Marco Armiliato noch das Quartett aus dem letzten Akt des „Rigoletto“ hören, in dem alle nun völlig befreit und ganz aus sich herausgehend sangen. Das Orchester, das sich wegen der Hygienevorschriften der Herausforderung einer weiter gefächerten Sitzordnung gegenüber sah, meisterte diese ungewohnte Situation eindrucksvoll und trug seinen gehörigen Teil zum Erfolg des Abends bei, in dessen Verlauf es noch die Sinfonia aus „I vespri siciliani“ und jene aus „Don Pasquale“ spielte. Man kennt die Akustik der Arena, die, nun durch die Öffnung des gesamten Runds noch verbessert, mit großer Transparenz beeindruckt und immer wieder auch Einzelistrumente hören lässt. Lange und begeisterter Applaus des Publikums. Sogar das Klatschen war von einer besonderen akustischen Qualität!

 

Klaus Billand/20.8.2020

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Fotos: © Ph Ennevi/Courtesy of Fondazione Arena di Verona

 

AIDA

11. AUGUST  2015

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Amarilli Nizza, Gregory Kunde

 Er kam, sah und siegte!  Gregory Kunde, der für mich unglaublichste Sänger der Gegenwart , triumphierte an diesem Abend mit einem weiteren Rollendebut: er legte einen Radames hin, so bombensicher und perfekt, als hätte er die Rolle bereits Jahre „drauf“… Bereits nach der „Celeste Aida“ – inclusive beeindruckendem An- und Abschwellen des Final-acuto ! – brachen Ovationen los, die sich am Ende der Vorstellung orkanartig steigerten. Zu Recht, muss man konstatieren. Die Bühnenerscheinung korrespondiert bestens mit der Frische und dem noch jungen, dramatischen Timbres des nun – man darf es mit Bewunderung sagen – sechzigjährigen Sängers, der als einzig bekannter Tenor im selben Jahr Verdis und Rossinis „Otello“ auf höchstem Niveau gesungen hat! Eine derartige Karriere, vom Rossini und Belcanto Tenor der alleresten Güte ( irrwitzig etwa seine Aufnahme von „Bianca und Faliero“ aus Catania mit hohem „F“) zu einem Alvaro, Arrigo, Otello der absoluten Sonderklasse ist in unserer Zeit absolut einmalig! Dass in seinem dicht gedrängten Terminkalender  der nächsten Jahre Wien nicht dabei ist, das ist einfach skandalös!

     Ohne Ermüdungserscheinungen bestach er mit strahlendem Tenorklang und konnte in den heldischen Passagen genauso überzeugen, wie in den fein gesponnenen lyrischen Passagen des Nilduetts oder der gefühlvollen Schlussszene. Die Stimme gehorcht ihm perfekt, an technischen Finessen kann ihm sowieso niemand was vormachen, rundum also ein perfektes Debut!

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Sanja Anastasia, Gregory Kunde

      Leider war es um seine Partnerin nicht gut bestellt. Von den sechs in dieser Stagione angesetzten Aidas war gerade Amarilli Nizza eingeteilt, die – zumindest an diesem Abend – neben einigen schönen Passagen , die leider die Ausnahme bildeten, schon recht abgesungen und mit unangenehmen Schwingungen behaftet war, was den Genuss der Duette erheblich minderte. Erstaunlicherweise wurde sie am Ende trotzdem (zu! ) kräftig beklatscht.  Gott sei Dank fing sich nach schwachem Beginn die Amneris  der in Wien studierten Serbin Sanja Anastasia, die nicht ihren besten Tag zu haben schien. So konnte sie zumindest in der Gerichtsszene ihr schönes Timbre und ihre dramatische Ausdruckskraft erfolgreich präsentieren. Routiniert gelungen der Auftritt vonMarco Vratogna als Amonasro, die beiden restlichen „Stockerl-Plätze“ neben Kunde holten sich diesmal aber die beiden Bässe!  Marco Spotti als Ramfis bestach durch eine phantastische Wortdeutlichkeit und souveränen Einsatz seiner markigen, blitzsauber geführten Stimme. Roberto Tagliavini als Re konnte seinen Kollegen in punkto Stimmschönheit und Volumen sogar noch toppen, man bedauerte, dass die Partie nicht größer ausgefallen ist. Francesco Pittari und Francesca Micarelli ergänzten unauffällig als Messaggero und Sacerdotessa.

      Der erst 28 jährige Maestro Andrea Battistoni ( der mit 24 der jüngste Dirigent in de Geschichte der Mailänder Scala war )  hatte die gut disponierten Gruppen sicher im Griff, scheint nach seinen Sprüngen und Gesten auch bei Oren gelernt zu haben.  Szenisch war das Auge durch die Bühne und die Regie von Altmeister Franco Zeffirelli bestens bedient, wozu auch die wunderschönen Kostüme von Anna Anni beitrugen ( das nenne ich eine Kostümbildnerin, nicht die heutigen „Fetzendrapierer“..! ).  Traurig nur, dass die gegen früher 21.000 Zusehern fassende Arena durch die Bestuhlung der ehemaligen „Prima gradinata“  nun ohnedies nur mehr für die Hälfte zugelassen, maximal zu zwei Dritteln gefüllt war..!  Und das bei „Aida“ und knapp vor „Ferragosto“ – auch hier also „Götterdämmerung“…

Michael Tanzler 25.8.15

Bilder: M. Tanzler

 

 

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