DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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(c) Gabi Eder / Pixelio.de

 

 

 

Palau de Les Arts

FALSTAFF

am 2. März 2021

 

Ambrogio Maestri auch in Katalonien in seinem Element!

 

Auch die Opern-Kompagnie von Valencia, Les Arts Opera, führt während der Pandemie mit sorgsam ausgearbeiteten und genauso achtsam umgesetzten Hygienekonzepten im futuristischen Palau de Les Arts Reina Sofía des katalanischen Architekten Calatrava Valls, das in Valencia liebe voll „El huevo“ (das Ei) genannt wird, eine volle Temporada 2020/2021 durch. Nur hat es – leider – den „Tristan“ von Richard Wagner erwischt, den man wegen der Länge der Aufzüge sowie der Gesamtlänge mit den Hygieneauflagen der Generalitat Valenciana nicht in Einklang bringen konnte und wollte. Man ersetzte die wirklich sehenswerte „Tristan“-Produktion der Fura dels Baus aus Lyon, die in einer der folgenden Temporadas nachgeholt werden wird, durch den ebenso erfolgreichen „Falstaff“ von Giuseppe Verdi in der Regie von Mario Martone aus der Staatsoper Berlin. Er kam dort während der Berliner Staatsopern-Tage im März 2018 unter Daniel Barenboim mit Michael Volle in der Titelrolle heraus, sicher eine Luxusbesetzung. Diese hatte man mit dem wohl derzeit unerreichten Ambrogio Maestri als Falstaff in Valencia auch, zumal er auch noch eine Stimme mit dem unvergleichlichen italienischen Timbre und Kolorit mitbringt.

In einem allerdings ganz und gar nicht italienischen Ambiente war Maestri der Dreh- und Angelpunkt des Abends - seine erste lang gehaltene Höhe animierte das Publikum gleich zu spontanem Beifall. Er hielt das Geschehen im weiteren Verlauf mit starken, ihm ständig am Fell flicken(wollen)den Partnerinnen unter Dauerspannung. Martone hatte diesen „Falstaff“ - wohl auch, um Berlin eine Referenz zu erweisen - mit seiner Bühnenbildnerin Margherita Palli und der entsprechenden Kostümästhetik von Ursula Patzak in ein von oben bis unten mit Graffiti bemaltes Ambiente à la Tacheles an der ehemaligen Grenze zwischen West- und Ostberlin angesiedelt. Umso fremdartiger wirkt hier der Gemütlichkeit und Selbstverliebtheit ausstrahlende Italiener Maestri als Falstaff. Ihm geht es zunächst mal um einen guten Rotwein, das heißt die zweite Flasche, und einen entsprechend schmackhaften Happen dazu. Die Zigarette darf natürlich nicht fehlen. Im Tacheles agieren unterdessen die tätowierten Bardolfo (überzeugend Joel Williams aus dem Centre de Perfeccionament der Kompagnie) und Pistola (Antonio Di Matteo mit guter Charakterstudie) im Stile auch einmal etwas härter anpackender Hausbesetzer, umringt von ihren sie wohl bewundernden und ebenso unorthodox wie leicht gekleideten Mädels. Die bourgeoisen Elemente werden durch den total auf spießig gedrehten Dr. Cajus und Ford in das muntere Geschehen eingebracht. Jorge Rodriguez-Norton gibt den Cajus mit einer komödiantischen Charakterstudie und einem ins Charakterfach neigenden Tenor. Davide Luciano ist ein Ford mit starker Bühnenpräsenz und einem kraftvollen Bariton. Beide spielen, wie auch alle anderen, ihre Partien mit großer Intensität und entsprechender Mimik, was auch die gute Personenregie des leading teams unter Beweis stellt.

Eine ganz andere Atmosphäre als das depressive Tacheles-Ambiente bietet das Zweite Bild mit dem mondänen Garten von Ford in lockerer Badeathmosphäre. Hier kommen nun die vier Damen zu ihrem ersten großen Auftritt und bilden einen dramaturgisch exzellenten Kontrapunkt zum etwas düsteren Geschehen um Falstaff im „Gasthof“. Frische Farben lassen auf die gute und lockere Stimmung von Alice Ford, Nannetta, Mrs. Quickly und Meg Page schließen. In diesem Ambiente lassen sich gut Intrigen spinnen…

 

Ainhoa Areta lässt als Alice einen vollen und klangschönen Sopran hören und stehlt auch große Persönlichkeit aus. Violeta Urmana ist hier völlig ihrer Persönlichkeit entsprechend die weise ältere Freundin von Alice mit einem vollen Mezzo, der völlig vergessen lässt, dass sie sich einmal intensiv für einen Wechsel ins Sopranfach bemühte. Ihr „Reverenza!“ im folgenden Akt hat große humoristische Tiefe und dezenten Sarkasmus. Herrlich spielt sie das, als Grande Dame! Chiara Amarù spielt eine eher unauffällige Meg Page mit gutem Mezzo.

Aber wer hier und später noch ganz besonders beeindruckt, ist die junge Sara Blanch als Nannetta. Mit einem glockenreinen jugendlich-lyrischen Sopran, lang gehaltenen Noten und großer Musikalität singt sie die Tochter Alices, ohne zugleich die entsprechende Emotionalität für das Wechselbad ihrer Gefühle im Hinblick auf ihre gewünschte Liaison mit Fenton zu dokumentieren, wie Lauretta in „Gianni Schicchi“ von Puccini. Einen ganz großen Auftritt bekommt sie im letzten Bild, dem Park von Windsor, wo sie mystisch die Feenkönigin mit ihrem zahlreichen Gefolge spielt. Ihre Arie von einem verfallenen Kirchturm in einem abgedunkelten und mysteriösen Bühnenbild, das in seiner subtilen Erotik an das Geschehen der französischen Fassung von Wagners „Tannhäuser“ erinnert, ist ganz große Oper! Pasquale Mari kann hier mit seiner stets stimmungsrelevanten Beleuchtung regelrecht verzaubern. Auch die gute und fantasievolle Choreographie von Raffaela Giordano und Anna Redi kommt hier gewinnend zur Geltung. In diesem Bild beeindruckt auch der wohlklingende, von Francesc Perales einstudierte Coro de la Generalitat Valenciana, besonders der Damenchor mit klangvollem Piano.

Sara Blanch hat gewiss noch einiges an Entwicklung vor sich. Auch ihr Zusammenspiel mit Fenton, den Juan Francisco Gatell mit gutem Tenor und körperlicher Behinderung authentisch gestaltet, gelingt natürlich und sehr menschlich. Gatell singt im Übrigen auch eine sehr schöne Arie im ersten Bild des 3. Akts. Natürlich kommt es im Mittelakt auch zur ominösen Waschkorbszene, die aber gerade mit dem schon von Hause aus komisch wirkenden Maestri und der sich zum völligem Chaos steigernden Verrücktheit aller anderen zum heiteren Scherzo an diesem Abend wird. Sein Bariton ist mit seinen Farben, Facetten und seiner Ausdruckskraft weiterhin die Garantie für einen exzellenten Falstaff.

 

Am Schluss wird dem Armen, der sogar mit dem klassischen Hirschgeweih auftritt, was ja heutzutage alles andere als normal ist, ganz übel mitgefahren. Die Schlussfuge wird zum starken Finale eines großartigen musiktheatralischen Abends. Er lag in den kompetenten und offenbar Verdi-erfahrenen Händen von Daniele Rustioni, der die dramatischen Akzente der Partitur und die emotionale Dichte des Stücks musikalisch mit dem Orquestra de la Comunitat Valenciana dynamisch umzusetzen verstand.                               

 

Fotos: Miguel Lorenzo y Mikel Ponce

 

Klaus Billand/1.4.2021

www.klaus-billand.com

 

IL CORSARO

Palau de les Arts Reina Sofia

Aufführung am 10.4.18 (Premiere am 28.3.)

Der Traum des Poeten

Giuseppe Verdis 12. Oper, entstanden nach „Masnadieri“ und vor „Battaglia di Legnano“ und 1848 in Triest uraufgeführt, gehört für mich, zusammen mit „Alzira“, zu den schwächsten Werken der „Galeerenjahre“ des Komponisten. Das dramaturgisch eher hinkende Textbuch von Francesco Maria Piave basiert auf Lord Byrons 1814 herausgekommener, halb autobiographischer Versnovelle und ist sicher nicht die beste Arbeit des treuen Librettisten. Verdi schien an diese seine in Paris geschriebene Oper auch nicht allzu sehr zu glauben, denn er war, ganz gegen seine Gewohnheit, bei der Uraufführung nicht anwesend.

Die Tatsache, dass Byron seine persönlichen Erfahrungen während des Freiheitskampfs der Griechen gegen die Osmanen in seine Verse einfließen hatte lassen, ließ in der deutschen Regisseurin Nicola Raab den Einfall entstehen, das Ringen des Dichters um die Entstehung seines Werks zu zeigen. An sich keine schlechte Idee, um so die Plattheiten der recht vorhersehbaren Handlung zu umgehen. Deren Umsetzung ließ allerdings an Klarheit zu wünschen übrig, denn es wurde nicht immer deutlich, wann Byron glaubte, am Schauplatz des Geschehens zu sein und wann er sich nur Inspiration holen wollte (u.a. durch das Rauchen einer Pfeife, die vermutlich Opium enthielt).

Auch das Bühnenbild des Zyprioten George Souglides zeigte eine gewisse stilistische Unschlüssigkeit. Waren im 1. Akt eine Art bläulicher Plastikvorhänge zu sehen, die wohl nächtliche Atmosphäre suggerieren sollten (vor ihnen stand Byrons Schreibtisch mit brennender Lampe), so gab es für den 2. Akt eine Leinwand aus Papier, die während des Kampfes der Korsaren gegen die Türken zerrissen wurde. Im ersten Bild des 3. Akts, der im Kerker spielt, war die Bühne fast leer, um für das letzte Bild wieder zu den Plastikvorhängen zurückzukehren. Die Kostüme des selben Künstlers waren für Byron in der zu dessen Lebzeiten gängigen Herrenmode gehalten, für die verlassene Geliebte Medora (die nur im ersten und letzten Bild auftritt) zeitlos, für Gulnara, die Lieblingssklavin von Sultan Seid, orientalisch prächtig wie für den Sultan selbst. Dessen Mannen waren sämtlich in Schwarz gehüllt. Mit der Positionierung der Frauen in Gulnaras Gemach gelang der Regisseurin das eindrucksvollste Bild, das in seiner Ästhetik ganz dem Stil der Malerei verpflichtet war, wie sie im 19. Jahrhundert den Orient mit westlichen Augen sah. Videoprojektionen von Miguel Bosch ergänzten die Szene, vor allem bei der Darstellung von Kämpfen und Bränden. (Während der Ouverture wären sie verzichtbar gewesen).

Am Pult des Orquestra de la Comunitat Valenciana stand Fabio Biondi, der sich ja mit Roberto Abbado die Rolle eines Musikdirektors teilt. An sich eher für Barockmusik und Originalinstrumente zuständig, gelang Biondi mit dem willig mitgehenden Orchester aber eine durchaus temperamentvolle Wiedergabe, in der auch der Cor de la Generalitat Valenciana unter der Leitung von Francesc Perales wieder brillierte. In der Titelrolle des Corrado war der Amerikaner Michael Fabiano zu hören, der sich vom lyrischen Tenor langsam zum lirico-spinto zu entwickeln scheint. Die Stimme zeichnet sich nicht durch allzu viele Farben aus, was zu einer gewissen Monotonie führt, und die Registerwechsel lassen geräuschvolle Begleiterscheinungen hören, aber Stimme und Höhen sitzen. Dazu bemühte sich der Künstler sehr um die Personifizierung des hektisch nach Eingebungen suchenden romantischen Poeten. In der vokal dramatischen Rolle der Gulnara ließ die Ukrainerin Oksana Dyka einen machtvollen, nicht unangenehm timbrierten, aber von Schärfen nicht ganz freien Sopran hören, den sie furchtlos einsetzte.

Die Russin Kristina Mkhitaryan als Medora (die die einzige relativ bekannte Arie des Werks, „Non so le tetre immagini“, zu singen hat) ließ mit sehr interessantem lyrischem Material aufhorchen; leider war es nicht gut um ihre Wortdeutlichkeit bestellt. Ausgezeichnet die Leistung von Vito Priante als Sultan Seid , der seinen Bariton, von der Alten Musik kommend, behutsam an dramatisch fordendere Rollen heranführt und dazu auch ein guter Schauspieler ist. Der russische Bass Evgeny Stavinsky ergänzte als Corrados Gefolgsmann Giovanni; die Kleinstrollen waren mit Mitgliedern des Chors besetzt.

Im fast ausverkauften großen Saal gab es viel Zuspruch für diese letzte Vorstellung. Man kann nur hoffen, dass das neuerlich führerlose Haus (Intendant Livermore „wurde zurückgetreten“) bald in ruhigere, produktive Gewässer gelangt.                                                               

Eva Pleus 15.4.18

Bilder: Mikel Ponce und Miguel Lorenzo / Les Arts

 

 

 

WERTHER                         

Palau de les Arts Reina Sofia - Aufführung am 31.5.17 (Premiere am 20.5.)

Gar nicht süßlich

 

Diese letzte Vorstellung einer Serie von Jules Massenets Oper im Großen Saal des immer wieder beeindruckenden Baus des Architekten Calatrava hinterließ ihren stärksten Eindruck durch das Dirigat und die gesangliche Leistung des Interpreten der Titelrolle. Henrik Nánási erwies sich als des ihm vorauseilenden Rufes mehr als würdig, denn es war atemberaubend, was er aus dem gerade im ersten doch teilweise geschwätzigen Teil herausholte. Er ließ diese nicht kitschfreien Szenen wie im Flug vergehen, um dann im zweiten Teil die Tragödie voll auszuloten und mit dem Orquestra de la Comunitat Valenciana hochdramatische, aufwühlende Wirkung zu erzielen. Als Zuschauer und vor allem -hörer lebte man mit Werther mir, dies um so mehr, als Jean-François Borras das, was er uns als Schauspieler vorenthielt, gesanglich glanzvoll umsetzte. Seine immer gut gestützten Piani beeindruckten ebenso wie seine strahlenden Höhen und seine Phrasierung, die an die vorbildliche französische Schule eines Alain Vanzo oder Georges Thill erinnerte. Wäre der Tenor szenisch überzeugender, hätte er in diesem Fach kaum Konkurrenz.

Enttäuscht wurde ich hingegen von Anna Caterina Antonacci, die sich seit ihren Anfängen mit einer hybriden Nicht-Fisch-Nicht-Fleisch-Stimme eine bedeutende Karriere als Singschauspielerin erarbeitet hatte, und die ich zuletzt vor drei Jahren an der Scala als Cassandre in Berlioz' „Troyens“ bewundern konnte. Hier besaß ihre Stimme keinerlei Mezzoschattierung, die Mittellage sprach überhaupt nicht an, die tieferen Noten wurden fast gesprochen. Zudem schien sie sich im ersten Teil auch als Figur nicht wohlzufühlen, während sie im zweiten ihre Fähigkeiten als Tragödin ausspielte und den dramatischen Stellen der Briefszene auch stimmlich besser entsprach.

Die Sophie der Baskin Helena Orcoyen hatte den rechten silbrigen Klang und war auch szenisch sehr präsent, weil die Regie von Anfang an ihre Schwärmerei für Werther hervor strich. Die Arbeit von Regisseur Jean-Louis Grinda möchte ich generell als gelungen bezeichnen, obwohl er die Handlung als Rückschau des sterbenden Werther inszenierte, der während des Vorspiels seine Fieberphantasien vor einem Spiegel ausleben und den ganzen Abend sein blutverschmiertes Hemd tragen musste. Positiv sind die pausenlosen Übergänge zwischen dem ersten und zweiten bzw. dritten und vierten Akt zu bewerten, sowie die liebevolle Führung der (sämtlich aus dem Centro de Perfeccionamiento Plácido Domingo rekrutierten) Nebenpersonen. Viel hat Grinda seinem Lightdesigner Laurent Castaingt zu verdanken, der immer die richtige Atmosphäre schuf, speziell im 3. Akt, wie er die vor einem Klavier sitzende Charlotte während „Pourquoi me réveiller“ herausleuchtete, dass sie wie ein Gemälde wirkte. Gelungen auch die einem Wald nachempfundenen Bühnenbilder von Rudy Sabounghi und die Kostüme desselben Künstlers. Ein Höhepunkt war das von Nánási intensiv aufgepeitschte Zwischenspiel vom 3. zum 4. Akt mit der filmischen Einblendung Antonaccis, die atemlos durch eine verschneite Allee läuft (Video: Julien Soulier).

Die jungen Künstler, die zwei Jahre im Centro studiert hatten, zeigten, dass sie diese Zeit nicht vergeblich verbracht haben. So waren der Deutsche Michael Borth ein souveräner Albert, den Typ trockener Buchhalter verkörpernd, Alejandro López (Bailli), Moisés Marín (Schmidt), Jorge Álvarez (Johann) kraftvolle Vertreter der Anhänger des Bacchus und Fabián Lara ein fescher Brühlmann, von dem man gerne mehr als Кlopstock gehört hätte. Gesanglich tadellos und szenisch unbefangen zeigten sich die zahlreichen Kinder des Bailli, die, als Engel mit Flügeln gekleidet, den sterbenden Werther umstanden - offenbar ein (diskutabler) Hinweis der Regie auf Weihnachten.

Das konzentrierte Publikum dankte den Künstlern am Schluss begeistert, mit Ovationen für Borras und Nánási.                                                                                  

Eva Pleus 8.6.14

Bilder: Miguel Lorenzo und Mikel Ponce

 

 

 

THE TURN OF THE SCREW       

Palau de les Arts Reina Sofia - Aufführung am 2.6.17 (Premiere)

Atemberaubend

Obwohl Benjamin Brittens Kammeroper nicht zum Kern des Repertoires gehört, hatte ich in meinem langen Opernleben doch die Möglichkeit, das Werk mehrfach in verschiedenen Produktionen zu erleben, nicht zuletzt in der laufenden Saison an der Scala. Die in Valencia im kleinen Saal Martín i Soler gesehene brachte mir ein Erlebnis, das für mich bei diesem Werk neu war. Bekanntlich geht es um eine praktisch nicht zu definierende Handlung zwischen ghost-story und Psychodrama, die sich für unzählige Interpretationen anbietet, die in ihrer Aussage, je nach Fähigkeit des Regisseurs, alle überzeugend ausfallen können.

Die hier besprochene gab mir allerdings das Gefühl, die Auslegung des Stoffes gesehen zu haben, auch wenn dies im Kontrast zum zuvor Gesagten steht. So spannend, so wie ein Thriller von Hitchcock war das Ganze, dass man die Dauer von einer Stunde und 50 Minuten gefesselt auf seinem Sitz saß und fast aufs Atmen vergaß. Die 16 Szenen endeten jedes Mal mit dem Schließen des Vorhangs, was das unerbittliche Fortschreiten der tragischen Handlung betonte. Das Bühnenbild von Manuel Zuriaga bestand aus verschiebbaren Wänden mit einem Tapetenmuster, das wohl harmlos und dem Geschmack der Zeit geschuldet schien, aber in Wirklichkeit die erstickende Bedrücktheit der Story unterstrich. Den verschiedenen Szene entsprechend rückten diese Wände einander näher oder bildeten geometrische Formen, die mit der ausgezeichneten Lichtregie von Nadia García und Antonio Castro immer bedrückender erschienen. Genial gelöst die Szene mit Miss Jessel, in der die Erzieherin in ihrem Bett schief an der Wand hängt, um die Alptraumhaftigkeit dieser Erscheinungen der Toten zu unterstreichen. Auch Mrs. Grose erhält einen unheimlichen Touch, denn ihre hoffnungsvollen Worte erscheinen irgendwie nicht ehrlich.

Eine grandiose Inszenierung des Hausherrn Davide Livermore also (der übrigens kein Extrahonorar für seine Regiearbeiten erhält), die aber ohne die fabelhafte Unterstützung durch das Orquestra de la Comunitat Valenciana unter Christopher Franklin nur eine halbe Sache geblieben wäre. Was der amerikanische Dirigent aus dieser reduzierten Besetzung herausholte, war gleichfalls sensationell. Jeder einzelne Einwurf (ich denke dabei an Oboe oder Klarinette, ohne irgendein anderes Instrument bzw. dessen Spieler hintan zu stellen) stand in direkter Beziehung nicht nur zu der betreffenden Szene, sondern auch zur jeweiligen Phrase – einfach großartig!

Die Sänger stammten mit Ausnahme des Miles, alle aus dem Centro de Perfeccionamiento Plácido Domingo. Es muss gesagt werden, dass hörbar wirklich nur die begabtesten Stimmen ausgewählt wurden und offenbar auch der Unterricht funktioniert, denn nicht nur sangen alle tadellos, sondern erwiesen sich auch als gestandene Schauspieler. Hier gab es nun wirklich keinen Schwachpunkt, dennoch sollen die Solisten neben ihren unbestreitbaren schauspielerischen Fähigkeiten auch für ihre – in diesem Werk an sich nicht vorrangigen – stimmlichen Qualitäten gelobt werden: Die Mexikanerin Karen Gardeazabal als Erzieherin, ein frischer lyrischer Sopran mit Entwicklungspotential, die Japanerin Nozomi Kato als Mrs. Grose mit beeindruckendem, nach anspruchsvolleren Rollen verlangenden Mezzo, der Venezolaner Andrés Sulbarán als Peter Quint, normalerweise ein Charaktertenor, aber hier mit süßen, überaus verführerischen Tönen gesungen (den Prolog, üblicherweise dem Interpreten des Quint anvertraut, sang Livermore selbst). Miss Jessels Rolle ist etwas undankbar, aber die Italienerin Marianna Mappa war absolut intensiv und überzeugend. Auch Flora kam aus dem Centro: Die (durchaus erwachsene) Italienerin Giorgia Rotolo war unglaublich präsent als als unaufrichtiges Mädchen, dessen Einfluss auf den Bruder nicht zu unterschätzen war. Dieser wurde von William Hardy aus der Trinity School in Croydon            interpretiert, und falls diese Produktion noch einer Komponente bedurft hätte, um ihren absoluten Wert zu bestätigen, so war es dieser junge Künstler. Wir wissen, wie schwierig es ist, einen richtig besetzten Miles zu finden, aber dieser wusste - in der Statur schon hochgeschossen, aber eben noch nicht im Stimmbruch - die Ängste des Knaben (einschließlich nächtlicher Samenergüsse nach dem Gespräch mit Quint) atemberaubend ehrlich umzusetzen.

Großer Erfolg für Livermore und seine Mitarbeiter und natürlich vor allem die so vorbildlich ausgebildeten Sänger des Centro, dessen Leiter er zusätzlich zu seinem Amt als Intendant ist.

Eva Pleus 7.6.14

Bilder: JC BARBERA

 

 

IDOMENEO

Palau de les Arts am 24.4.2016

Die Produktion der Mozartoper wurde szenisch vom Direktor des Hauses Davide Livermore (Regie und Bühnenbild) und musikalisch von einem der beiden musikalischen Leiter, dem für das 16. bis 18, Jahrhundert zuständigen Fabio Biondi, verantwortet. Für besagtes Repertoire ist Biondi ein echter Glücksfall, denn er leitete das Orquestra de la Comunitat Valenciana sozusagen mit dem richtigen Mozartdrive, der dem Werk des 25-Jährigen bei aller Dramatik auch Duftigkeit und die gewisse Schwerelosigkeit verlieh, welche das Salzburger Genie auszeichnet. Gleich nach dem Orchester muss der Cor de la Generalitat Valenciana genannt werden, der bei dieser Choroper (Mozarts musikalische Einfälle für den Chor gehören zu den schönsten Stellen des Werks) seinen Rang als eines der besten Gesangskollektive der Opernwelt bestätigte und mit seinem so machtvollen wie nuancierten Gesang die Hörer beim Schlussdéfilé zu Begeisterungsstürmen hinriss. Der Palau de les Arts darf auf ihn und seinen Leiter Francesc Perales stolz sein.

In der Titelrolle verblüffte Gregory Kunde einmal mehr mit auch koloraturgewandter Stimmpotenz. Vielleicht hielt er nicht immer ganz die Linie, aber seine Leistung beeindruckte allemal, auch weil er schauspielerisch sehr präsent war. Die für mich neue Lina Mendes (Ilia) verfügt über keinen sehr großen Sopran, den sie anfangs etwas zaghaft einsetzte. Im zweiten Teil klang ihre Stimme dann gefestigter. Persönlichkeitsstärker war Monica Bacelli als mit viriler Körpersprache auftretender Idamante; allerdings hat sich ihr Mezzo im Laufe einer intensiven Karriere schon recht abgenützt und wurde mit einer gewissen Mühe eingesetzt. Die große Elettra-Arie „Oreste, Ajace“ gilt als unsingbar (und tatsächlich habe ich die große Julia Varady in einer Scala-Inszenierung von 1984 damit untergehen gehört), aber es wird sich auch dafür noch die geeignete Interpretin finden (Mariella Devia machte es 2002 in Ancona auf ihre wenig dramatische Art möglich). Man denke nur an die Zeiten, als Lisa della Casa die Arabella war und die Fiakermilli als unsingbar galt. Dann kam Edita Gruberová und heute gibt es Daniela Fally. Dennoch empfand ich die Leistung von Carmen Romeu als ziemliche Zumutung, da sie auch an allen anderen Stellen nicht viel besser klang (sie hatte auch die oft gestrichene Arie „Idol mio“ zu singen). Die drei kleinen Rollen waren mit Mitgliedern des Centre Plácido Domingo (das Opernstudio des Hauses) besetzt: Emmanuel Faraldo (Arbace) ließ einen angenehm klingenden Tenor hören, der in der Koloratur noch sicherer werden muss; Michael Borth (Hohepriester) und Alejandro López (Die Stimme) klangen angemessen düster.

Die Regie gab einige Rätsel auf, als der zunächst projizierte griechische Kopf sich langsam in Kundes Gesicht verwandelte und dieser als Astronaut in den Kosmos flog, nicht ohne Idamante seine Uhr als Andenken zu hinterlassen. Zu sehen waren auch moderne und trojanische Kämpfer, sowohl griechische, als auch moderne zerstörte Gebäude: Ein Hinweis, dass sich die Menschheit immer und ewig im Krieg befinden wird? Idamante tritt auf einer Art Schiffsgangway auf, die dann zur Brücke mutiert; Elettra ist von Zeit zu Zeit sechsfach vorhanden (Kostüme: Mariana

Fracasso); vor der Abreise Elettra/Idamante ist im Hintergrund eine Raketenrampe zu sehen; das tobende Meer wird nicht nur projiziert, sondern es gibt auch echtes Wasser, in welchem nach den Drohungen des Monsters ein Ballett stattfindet; als es zu Ilias Opferung kommen soll, ändert sich das Bühnenbild in einen Saal mit griechisch-römischen Statuen.

Das häufig gestrichene Schlussballett wird in moderner Form, neuerlich im Wasser, absolviert (Choreographie: Leonardo Santos). Währenddessen sitzt Idomeneo sinnend in seinem Fauteuil und lässt offenbar seine Erlebnisse Revue passieren – ein berührender Moment, von Kunde auch mimisch sehr gut gemeistert. Am Schluss steht er auf und stirbt in den Armen eines rätselhaften, weiß gekleideten alten Mannes, der schon zuvor, während „Die Stimme“ zu hören war, auf einem Prunkbett gesessen war. Also eine Inszenierung, die auch Rätsel aufgab, aber im Ganzen mit großteils ästhetischen Bildern punkten konnte.

Das nun seit etwas mehr als einem Jahr unter Livermores Leitung stehende Haus war vollbesetzt, das Publikum begeistert und ausnahmslos alle Mitwirkenden feiernd, mit Spitzenlautstärke für Kunde und Biondi.                                                                          

Eva Pleus 3.5.16

Profduktions-Bilder (c) Theater Valencia

 

 

SILLA

Teatre Martín i Soler - Aufführung am 19.12.15

Premiere am 12.12.

Es muss nicht immer Mozart sein

Der neue künstlerische Leiter des Palau de les Arts Davide Livermore hat zwei Musikdirektoren bestellt: Roberto Abbado für das „normale“ Repertoire und Fabio Biondi für die Barockopern, die in größerem Umfang als bisher gepflegt werden sollen.

Im dem kleinen Saal des Gebäudes von Calatrava, der den Namen des aus Valencia stammenden Komponisten der zu Mozarts Zeiten so beliebten Oper „Una cosa rara“ trägt, wurde Georg Friedrich Händels mit einer Dauer von rund zwei Stunden kürzeste Oper gespielt. Wir wissen wenig von ihr, und es ist nicht einmal sicher, ob sie überhaupt öffentlich gegeben wurde, obwohl die Annahme besteht, sie sei im Juni 1713 am Queen's Theatre gegeben worden. Bis vor etwa 20 Jahren verfügte die Musikwelt nur über Fragmente aus dem nach „Rinaldo“ entstandenen Originalmanuskript und eine Dirigierpartitur. Nachdem in Kalifornien die Ausgabe des gedruckten Librettos von Giacomo Rossi aufgetaucht war, wurde es möglich, die 26 Nummern zu rekonstruieren, wobei der ganze Titel „Titus Cornelius Silla“ lautet. Warum das auf Plutarchs Berichten über den römischen Diktator Sulla beruhende Werk hier nur den obigen Titel trug, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls gelangte es bei den Händel-Festspielen in Halle 1993 zur konzertanten und im Juni 2015 zur szenischen Aufführung.

Die junge italienische Regisseurin Alessandra Premoli zeigte während der Ouvertüre, wie Silla seinen Rivalen Marius im Stile eines Gladiatorenkampfes besiegt. Während der wegen weniger Rezitative fast ununterbrochen aufeinanderfolgenden Arien wurde die Handlung von Mimen vorangetrieben – eine geschickte Lösung. Im wie ein (allerdings drehbares) Amphitheater angelegten Bühnenbild von Manuel Zuriaga waren Sillas Parteigängerinnen wie Collegemädchen mit Zöpfen und weißen Stutzen gekleidet (Kostüme: José Maria Adame), was die Regie u.a. dazu nützte, um eine Art nordkoreanischen Drill darzustellen, wie auch die (nicht nur psychologische) Folter der Feinde Sillas wiederholt gezeigt wurde.

Insgesamt eine packende Regie, die im Einklang mit dem sehr spannenden Dirigat von Fabio Biondi stand, der die Streicher des Orquestra de la Comunitat Valenciana immer wieder zu sehr aggressivem Spiel anhielt, aber auch schöne Cellosoli zuließ. Exzellent war die Begleitung einer Arie des Claudius (Gegner des Silla und Geliebter der Celia) durch die Solotrompete. Fünf der sieben vor vollem Haus agierenden Solisten stammten aus dem Centro de Perfeccionamiento Plácido Domingo: In der Rolle von Sillas betrogener Gattin Metella wies Karen Gardeazbal zunächst ein vermutlich nervositätsbedingtes Vibrato auf, später festigte sich ihr Sopran. Mit gut gebildetem, homogenem Mezzo sang Elisa Barbero den Lepidus, ein weiteres Opfer Sillas (und Kompliment an die Maske, die wirklich einen jungen Mann aus ihr machte).

Das gilt übrigens auch für Adriana di Paola, die stimmlich brillanteste der Besetzung, wobei der Mezzo allerdings nicht aus dem Centro de Perfeccionamiento stammt. Ihr Claudius war in seiner Klage um Celia herzergreifend gesungen. Diese fand sich bei Nozomi Kato in einer geläufigen Soprangurgel, deren Besitzerin auch sehr engagiert spielte. Weniger gefielen Federica di Trapani (Flavia), deren Sopran steife Höhen hören ließ und als zweite nicht zum Centro gehörende Interpretin Benedetta Mazzucato in der Titelrolle, die ihrem Mezzo eindeutig zu tief lag, sodass sie manche Stellen geradezu sprechen musste.

Insgesamt ein musikalisch wie szenisch überzeugender Abend, der an seinem Ende viel Beifall fand.                                                                                                

Eva Pleus 28.12.15

Bilder: Tato Baeza / Palau de les Arts

 

 

 

MACBETH

Palau de les Arts - Aufführung am 20.12.15

Premiere am 5.12.15

Verstaubt? Nein, den Autoren getreu!

Ich kann mich noch sehr gut an die hämischen Kommentare der Profijournalisten erinnern, als diese Inszenierung von Peter Stein 2011 in Salzburg herauskam. Es wurde moniert, dass das Geschehen einfach so gezeigt wird, wie es abläuft. Na so was! Ist ja auch eine Schande, die Geschichte zu erzählen, wie sie geschrieben wurde! Ich persönlich habe die Regie jedenfalls genossen, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass das karge Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer (das von der Beleuchtung durch Joachim Barth enorm profitierte) in der Felsenreitschule noch mehr Eindruck machte. (In Valencia war die in Rom für eine normale Opernbühne adaptierte Fassung zu sehen). Gut organisiert die verschiedenen Aufmärsche, ausgezeichnet gelöst der Übergang des Chors „O patria oppressa“ zur Arie des Macduff. Einzig die Art, wie Bancos Sohn den Häschern entkam, wirkte etwas ungeschickt – allerdings habe ich für diese Szene, in der ein Knabe einer großen Gruppe von Mördern entwischt, noch nie überzeugend dargestellt gesehen. Jedenfalls war die Atmosphäre finsteren, blutrünstigen schottischen Mittelalters bestens getroffen. Und die von Männern dargestellten Hexen waren in ihren beiden Szenen überhaupt ein schauriger Höhepunkt. Die historisch inspirierten Kostüme von Anna Maria Heinreich ergänzten das positive Bild.

Von der Orchesterleistung her war der Abend überhaupt ein Ereignis, denn das Orquestra de la Comunitat Valenciana (das trotz mancher Umstellungen seine hohe klangliche Qualität beibehalten hat) realisierte in bewundernswerter Weise die Vorgaben des Dirigenten Henrik Nánási. Der junge Ungar (der in Wien an der Universität für Musik und Darstellende Kunst studiert hat) überzeugte in jedem Moment durch die kluge Gliederung von Verdis Musik, peitschte die grausigen Szenen nach König Duncans Ermordung oder bei der zweiten Hexenbefragung zu erregenden Höhepunkten, ließ aber auch die Einleitung zur Nachtwandelszene in verstörendem Ton erklingen. Eine beeindruckende Leistung des Klangkörpers und seines Leiters, ergänzt durch den fabelhaften Cor de la Generalitat Valenciana unter Francesc Perales, der immer wieder nicht nur mit seiner machtvollen Stimmschönheit beeindruckt, sondern auch mit ungeheuer präziser Diktion.

Ekaterina Semenchuk war eine beeindruckende Lady, die mit ihrem prunkvollen Mezzo machen konnte, was sie wollte und neben klanglichen Explosionen auch feinster Pianophrasen fähig war. Dass ihrem Stimmfach das hohe Des nicht zur Verfügung steht, ist weiter kein Makel, denn auch ein toller Manrico soll meines Erachtens nicht danach beurteilt werden, ob er das C der Stretta mühelos hat oder nicht. Auch im Spiel war die Russin überzeugend in ihrer Gier nach Macht und dem Einfluss, den sie auf ihren Gatten ausübte. Dieser wurde von Plácido Domingo gesungen, der sich mit seinen tiefliegenden ersten Phrasen plagte, was gequetschte Töne zur Folge hatte, dann aber bewies, dass er in sehr guter stimmlicher Form war (auf die für mich unverrückbare Tatsache, dass er eben kein Bariton ist, will ich nicht weiter eingehen). Seine szenische Interpretation zeigte von Anbeginn einen sehr bedrückten Macbeth, der ohne die Einflüsterungen seiner Frau sicher nicht zum Mörder geworden wäre. Beeindruckend das Finale mit „Vil corona“ (gespielt wurde eine Mischfassung der Florentiner und der Pariser Ausgabe). Als Banco ließ Alexander Vinogradov einen machtvollen, schön timbrierten Bass hören und spielte sehr engagiert. Ausgezeichnet auch Giorgio Berrugi, der als Macduff mit noblen Tenortönen punktete und auffallend das sehr schöne, vielversprechende Material von Fabián Lara aus dem Centro de Perfeccionamiento (Malcolm). Aus dem Centro kam auch Federica Alfano, die sicher singende Dama der Lady, während der gleichfalls sicher klingende Arzt Lluis Martínez aus dem Chor rekrutiert war.

Ein packender Abend, an dem Bühne und musikalische Umsetzung ihr Bestes gaben, und der vom vollen Haus entsprechend bejubelt wurde.                                            

Eva Pleus 28.12.15

Bilder: Tato Baeza / Palau de les Arts

 

 

 

 

 

NORMA

Palau de les Arts Reina Sofia

Premiere am 8.3.15.

Wer immer sich für Oper mit all ihren Nebengeräuschen interessiert, wird wohl über den Eingriff der spanischen Polizei gelesen haben, die für ein paar Stunden die österreichische Intendantin des Hauses in Gewahrsam genommen hatte.

Ohne im Rahmen einer Besprechung auf diese Situation einzugehen, soll hier die noch von ihr verantwortete, in den finanziellen Mitteln drastisch beschnittene Saison (man denke an die Vorjahre, als die gesamte Tetralogie und aufwendig zu produzierende Werke wie „Les Troyens“ oder „Parsifal“ neben so bedeutenden Titeln wie „Fidelio“, „Carmen“ oder „Simon Boccanegra“ zur Aufführung kamen und das Haus mit seinem phantastischen Orchester als das künstlerisch bedeutendste in Spanien positionierten) besprochen werden, die nun nach „Manon Lescaut“, „Luisa Fernanda“ und „Don Pasquale“ eine interessante „Norma“ präsentierte, in der Mariella Devia nach ihrem Rollendebut im Vorjahr in Bologna nun neuerlich die Druidenpriesterin verkörperte. Devia, die nie die ganz große Divenkarriere gemacht (und vermutlich auch nicht angestrebt) hat, verfügt über eine Technik, wie sie in dieser Perfektion heute nur mehr ganz selten zu finden ist. Mehr noch, die Stimme der im gleichen Alter wie Edita Gruberova stehenden Sängerin besitzt die Frische einer Dreißigjährigen. Was Mariella Devia fehlt, ist eine Ausstrahlung, die gemeinhin als Charisma umrissen wird, aber Achtung, es handelt sich nicht um das langweilige Abspulen virtuoser Rouladen usw., sondern diese Stimme vermag alle Nuancen von Emotionen zu transportieren, ohne halt das gewisse Quäntchen stardom. Jedenfalls eine faszinierende Leistung, von deren Möglichkeiten der Nachwuchs durch aufmerksames Hören nur profitieren kann.

Akzeptierte man als Hörer, dass ihr mit Varduhi Abrahamyan eine Adalgisa mit sehr viel dunklerem Mezzo zur Seite stand, während Devias Sopran in quasi jungfräulicher Klarheit erklang (also eine contradictio in se angesichts der Mutterrolle Normas, ohne auf die Uraufführung verweisen zu müssen, in der die Hochdramatische Giuditta Pasta in der Titelrolle die Lyrische Giuditta Grisi als Adalgisa neben sich hatte), so ist der armenischen Sängerin zu bescheinigen, dass sie dem für Bellini geforderten Belcantostil bestens entsprach. Eine Überraschung war der farbige Tenor Russel Thomas, der als Pollione eine echte Spintostimme erklingen ließ, die aber auch über die nötigen Mezzavoce-Nuancen verfügte. Enttäuschend Sergej Artamonov, der dem Oroveso zwar authentische Basstöne schenkte, dem aber schon bei leichteren Höhenflügen die entsprechenden Farben abhanden kamen. Aus der Opernschule des Hauses kamen Cristina Alunno (Clotilde) und David Fruci (Flavio), die beide gute Figur machten. Weniger beeindruckte Gustavo Cimeno am Pult des Orquestra de la Comunitat Valenciana: Der über zehn Jahre als Schlagwerker im Concertgebouw Amsterdam tätige Musiker soll sich als Dirigent von symphonischer Musik einen guten Namen gemacht haben, aber „Norma“ überzeugte nicht. Bekanntlich ist es besonders schwierig, Bellinis Orchesterbegleitung Leben einzuhauchen (aber in den letzten Jahren haben wir das mit Michele Mariotti und Matteo Beltrami durchaus erlebt), doch davon war Cimeno leider noch weit entfernt. (Ein Beispiel ist die Einleitung zum zweiten Akt, als nach und nach immer mehr Huster zu hören waren). Stimmprächtig hingegen wieder der Cor de la Generalitat Valenciana unter Francesc Perales.

Davide Livermore, bisher Leiter der Opernschule des Palau de les Arts und hier bereits mehrfach und erfolgreich eingesetzter Regisseur, sorgte auch diesmal für die Inszenierung. Hinsichtlich der Sängerführung hatte er einige neue Einfälle, etwa wenn Norma „Casta diva“ wie in Trance singt und dabei von Adalgisa mehrmals gestützt werden muss. Auch Normas Kindern, die u.a. vor dem den 1. Akt beschließenden Terzett von Adalgisa gesehen werden, kommt größere Bedeutung als üblich zu, etwa, wenn eines der Kinder sichtlich vor der Mutter Angst hat. Manche Einfälle sind etwas überbordend, wenn sich beispielsweise schon während der Ouvertüre Tänzer zeigen, die wohl Elfen im Heiligen Wald verkörpern sollen. Auch die Produktionen von D-WOK illustrieren oft mehr als nötig, aber sehr gelungen ist das Bühnenbild von Giò Forma, das einen verzweigten, durch eingehauene Stufen begehbaren Baumstamm in das Zentrum der Bühne stellt. Ist dieser nicht zu sehen, verwandelt sich der eigentlich aus Metallstangen bestehende Wald je nach Stimmung und wird im Kerzenschein der Fackeln auch zum Flammenmeer des abschließenden Scheiterhaufens. Die für die Römer durchaus historisch ausgefallenen Kostüme von Mariana Fracasso schienen mir für Norma besonders geglückt, da sie zusammen mit der Haartracht die Gratwanderung der unglücklichen Hohepriesterin besonders unterstrichen.

Im Ganzen eine mitreißende Aufführung, die unter einem interessanteren Dirigat besonders erinnerungswürdig geworden wäre.

Eva Pleus 21.3.2015

P.S.: Davide Livermore wurde als neuer Intendant des Teatro de les Arts für 4+2 Jahre bestätigt. Als musikalische Leiter bestellte er Fabio Biondi für die Barockmusik und Roberto Abbado für das romantische und moderne Repertoire. Gregory Kunde wird head coach der Opernschule. Das derzeitige (magere) Budget ist bestätigt. Das macht Livermore aber keine Angst: Sein „Otello“ hat für Bühnenbild, Kostüme und Projektionen 150.000 Euro gekostet, die hier besprochen „Norma“ gerade einmal 135.000.

P.P.S.: Die Außenseite des derzeit eingerüsteten Theatergebäudes soll in den nächsten 8 Monaten auf Kosten des Architekten Calatrava und der betreffenden Baufirmen instand gesetzt werden. „Eine spanische Komödie und weiter nix“?

Bilder: Tato Baeza / Palau de les Arts

 

 

TURANDOT

10.6.2014  

(Premiere einer Wiederaufnahme)

Palau de les Arts Reina Sofia

Ganz anders die traditionelle Inszenierung von Puccinis letzter Oper (die der Erinnerung an den am selben Morgen achtzigjährig verstorbenen Rafael Frühbeck de Burgos gewidmet war): Chen Kaige, mit seinem mehrfach preisgekrönten Film „Leb wohl, meine Konkubine“ berühmt geworden, setzte, wie schon viele Filmmacher vor ihm, auf eine üppige Ausstattung (Bühnenbild: Liu King, Kostüme: Chen Tong Xun), die manchmal den Kitsch streifte, aber das Auge doch auch sehr erfreute. Den (wieder prachtvoll singenden Chor unter Francesc Perales) führte der Regisseur geschickt. Interessant war es, den Henker (ein Tänzer auf Kothurnen) bei seinen zeremoniellen Vorbereitungen zur Hinrichtung des Prinzen von Persien zu beobachten, und ganz neu war die Interpretation von Altoum als dekadenter Sack à la römischer Kaiser der Spätzeit des Imperiums, der sich vor lauter mit Genuss geleerten Gefäßen kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Ansonsten business as usual in der von Allex Aguilera betreuten Wiederaufnahme einer Produktion aus dem Jahr 2008, will man nicht auch Liùs Tod dazuzählen, denn sie erwürgt sich (nicht eben sehr glaubwürdig) mit einem Timur gehörenden langen Tuch.

Lise Lindström, mir als sehr eindrückliche „Walküre“-Brünnhilde in Palermo in Erinnerung, hat nicht die ideale Stimme für die Titelrolle, dazu fehlt ihr eine breiter aufgestellte Mittellage, aber sie kommt über das entfesselte Orchester gut hinweg. Was sie, eine ausgezeichnete Schauspielerin, an dieser statuarischen Rolle reizte, blieb mir schleierhaft. Jorge de León sang den Kalaf mit beträchtlichem Kraftaufwand und nicht immer frischer Stimme (aus Vorsicht verzichtete er auch das von Puccini als Optional geschriebene „C“ im 2. Akt nicht). Recht anonym in Stimme und Auftreten war die Liù von Jessica Nuccio. Alexánder Tsymbalyuk war ein Timur wie gehabt, Javier Agulló übertrieb die Dekadenz des Altoum ein wenig. Germán Olvera gab einen wohltönenden Ping, umrahmt von Pablo García López (Pong) und Valentino Buzza (Pang). Dem Mandarin verlieh Ventseslav Anastasov Autorität. Auch die Kinder der Escolania de la Mare de Déu dels Desemparats unter Luis Garrido kamen mit schönem Klang ihrer Aufgabe nach.

Ovationen für Zubin Mehta und das Orchester, die eine glanzvolle Leistung geboten hatten, wobei die standing ovations samt Flugblättern den Maestro anflehten, seinen Entschluss, Valencia zu verlassen, rückgängig zu machen: Er sieht sich durch politische Querelen um das Haus nämlich nicht mehr in der Lage, ein Repertoire nach seinen Vorstellungen aufzubauen.                                           

Eva Pleus 16.6.14

Photo Credit: Tato Baezza

 

 

LA FORZA DEL DESTINO

Aufführung 10.6.2014  

(Premiere 31.5.2014) 

Palau de les Arts Reina Sofia

Das architektonisch so tolle Haus hat große Sorgen, sowohl bezüglich der Wartung bzw. Ausbesserung von Bauschäden, als auch künstlerisch-finanzieller Natur. Man wird sehen, was die Zukunft bringt.

Hier soll es zunächst nur um eine Besprechung der Vorstellungen gehen, die bei Verdi heute schwer unüberbietbar besetzt waren, wobei mit Ausnahme von Preziosilla alle Protagonisten ihre Rollen zum ersten Mal sangen. Mit Liudmila Monastyrska war eine Leonore zu hören, die der Rolle mit echt dramatischem Sopran gerecht wurde. In ihrer Interpretation beeindruckten besonders die prachtvollen filati, die sie ihrer Riesenstimme nicht abzutrotzen brauchte, sondern die vollkommen selbstverständlich wirkten (vorbildlich das „Madre, pietosa vergine“). Dazu kamen eine schauspielerische Leistung, wie man sie von ihr bisher nicht gewohnt war, und eine wesentlich verbesserte italienische Aussprache. Bestechend! In seiner relativ neuen Rolle als Spintotenor bestätigte Gregory Kunde ein stimmliches Wunder, das wir seit seinem Debüt als Henri in den „Vêpres Siliciennes“ verfolgen konnten. Diese explosiven Spitzentöne, diese mühelos den passaggio überwindenden Noten machen den ursprünglich als lirico-leggero tätigen Amerikaner zu einem der ersten Vertreter dieses Repertoires.

Ganz ohne kritische Bemerkungen kommt auch Ekaterina Semenchuk aus, deren Preziosilla vokal eine reine Freude war - die szenische Auslegung findet sich in dem der Regie gewidmeten Abschnitt. Schwieriger wird es, die Leistung von Simone Piazzola als Don Carlo di Vargas, einer der in jeder Hinsicht schwierigsten Rollen des Bariton-Repertoires, zu beurteilen. Der mit einer sehr schönen Stimme gesegnete Sänger tendierte in dieser anspruchsvollen Partie leider zu einer nicht immer interessanten Phrasierung und plagte sich vor allem mit der Cabaletta seiner großen Arie. Angesichts des fehlenden Nachwuchses in diesem Repertoire ist er natürlich immer noch ein großes Versprechen. Sehr überzeugend fiel di Interpretation des Padre Guardiano durch Stephen Milling aus, dessen Bass zwar durch seine vielen Wagner-Interpretationen härter geworden ist, dem es aber dennoch gelang, seinen langen Phrasen nicht nur Gewicht, sondern auch Schönheit zu verleihen. Fra Melitone war doppelt besetzt: an diesem Abend war Valeriano Lanchas zu hören, der mit nicht zu angenehm anzuhörendem Bassbariton eine szenisch jederzeit überzeugende Darstellung des streitbaren Mönchs auf die Bühne stellte. Den Marchese von Calatrava sang In-Sung Sim mit überzeugend dunklen Tönen. Mario Cerdà (Trabucco mit ein paar gekürzten Phrasen), Aldo Heo (mit interessant klingendem Bariton als Chirurg) und Ventseslav Anastasow (Alcalde) gaben ihren kleinen Rollen das entsprechende Gewicht. Von der Curra der im Centro de Perfeccionamento Plácido Domingo studierenden Cristina Alunno hätte man sich schönere Töne erwartet. Tadellos singend und überaus spielfreudig, wie man es von ihm gewohnt ist, der von Francesc Perales einstudierte Cor de la Generalitat Valenciana. Die musikalische Leitung durch Zubin Mehta verdient sich nicht nur durch ihr souveränes und das Orquestra de la Comunitat Valenciana anfeuernde Dirigat das ihr zustehende Lob, sondern auch durch Publikumsreaktionen, die über jede – auch besonders lebhafte – Form hinausgingen.

Als Regisseur hat Davide Livermore hier schon oft gezeigt, mit wie wenig Aufwand er überzeugende Produktionen auf die Bühne zu stellen vermag. Auch diesmal überbot er sich als sein eigener Bühnenbildner selbst. Während dahin gestellt bleiben muß, ob die Ouverture mit Projektionen der Protagonisten in Stummfilmmanier illustriert werden muß, womit das berühmte Stück samt dem Orchester zur Begleitfunktion degradiert wird, waren alle anderen Projektionen sehr überzeugend, wie etwa im 1. Bild die auf Telegraphendrähten sitzenden Raben, die am Schluss der Tragödie wiederkehren (und wie eine Hommage an Hitchcock wirken) oder sich der Christus am Kreuz bei Leonoras Einkleidung in ihren Augen in den Vater bzw. Bruder oder auch Alvaro verwandelt. (Diese Szene ist überhaupt sehr überzeugend gelungen, mit den Mönchen, die bei „Maledizione!“ drohend auf Leonora zeigen). Wird Preziosilla in der Schenkenszene als Kriegshetzerin mit Standmikrophon gezeigt, sind gleichzeitig verstörende Bilder aus dem 2. Weltkrieg zu sehen, worauf ein Soldat aus der kleinen Combo in Erinnerung an das Grauen das Bewusstsein verliert.

Beim Rataplan fährt Preziosilla mit dem Auto, weißer Fahne und Megaphon vor, dazu zeigt Livermore, um das Ballett zu umgehen, Bilder von der Befreiung Roms durch die Amerikaner, wozu einige Paare aus dem Chor tanzen und weiße Fähnchen geschwungen werden. Unter den Rotzkreuzschwestern und dem als Kriegskrüppeln auftretendem Pilgerchor befindet sich auch Don Carlo, der ein recht rauher Geselle ist und wenig Adeliges an sich hat (es ist ja eine der Achillesfersen von in moderne Zeiten verlegten Produktionen, dass Voraussetzungen wie bestimmte noble Haltungen oder ein exzessiver Ehrbegriff heute fast nicht mehr gegeben sind). Eine weitere Illustration, die ich als störend empfand, war die um einen verletzten Soldaten und seine Beförderung mit der Bahre kreisende Szene während des Vorspiels zu Alvaros großer Arie, die doch auf dessen Gemütsverfassung einstimmen sollte. Die oft hinter der Szene spielenden Gefechte wurden gezeigt, und es wurde auch während der Musik geschossen – auch das erschien mir nicht richtig. Die Kostüme von Mariana Fracasso waren im Stil der Fünfzigerjahre gehalten, die Uniformen keinem Land zuzuordnen. Es war eine auf jeden Fall interessante Regiearbeit mit vielen gelungenen Einfällen - einen Bogen über das große Verdifresko spannte sie nicht.                                                                          

Eva Pleus 16.6.14

Credit Photos: Tato Baeza

 

 

 

 

DIE WALKÜRE / LA TRAVIATA

Besuchte Aufführungen: 9. und 10.11. (WA 3.11. bzw. 19.10.2013)

Viel Applaus im Palau de les Arts Reina Sofia

Das von der Finanzkrise stark gebeutelte Opernhaus der spanischen Metropole setzte zur Eröffnung der diesjährigen Saison, um dem Gedenkjahr für Verdi und Wagner gerecht zu werden, für den deutschen Komponisten das populärste Werk der von 2007 bis 2009 erarbeiteten Tetralogie und für den Italiener die die populäre „Trilogie“ beschließende Oper an, letztere als Übernahme aus Amsterdam, basierend auf der Originalproduktion der Salzburger Festspiele.

Die Produktion der Wagneroper in der Auslegung der Fura dels Baus unter Leitung von Carlus Padrissa  wurde von Allex Aguilera sorgfältig betreut und machte in ihren Bildern von Hundings roher Behausung über die auf Kränen auf- und niederschwebenden Götter und Walküren bis zu einem poetisch gelösten Feuerzauber, bei dem Fackeln von Hand zu Hand gehen, wieder großen Eindruck.

Am allermeisten beeindruckte aber das Orquestra de la Comunitat Valenciana, das in seinem nicht einmal zehnjährigen Bestehen zu einem Klangkörper allerersten Ranges geworden ist, der es verdient hat, von Zubin Mehta nach der Vorstellung auf die Bühne geholt zu werden. Man merkt es dem siebenundsiebzigjährigen Maestro an, welche Liebe er für dieses Orchester hegt, und gemeinsam zauberten sie eine Musikwelt, wie man sie sich schöner kaum vorstellen kann. Es standen allerdings auch die geeigneten Sänger zur Verfügung, um dem Werk den großen Atem einzuhauchen: Nikolai Schukoff hat nicht die Stimmfülle eines Melchior, aber genügend Material für beeindruckende Wälserufe und vor allem auch hohe Intelligenz als Interpret. Sein Siegmund war ganz der sich von seinem Dasein als „Wehwalt“ befreiende, in der Liebe zu Sieglinde über sich hinauswachsende Jüngling.

Mit Heidi Melton hatte er eine wiederum recht füllige junge Amerikanerin zur Seite, deren Jubelstimme ideal für die Rolle war und für die Zukunft noch einiges verspricht. Einen furchterregender Hunding sang mit schwarzem Bass Stephen Milling. In Thomas Johannes Mayer fand sich ein interessanter, leicht aufbrausender Wotan, der weniger göttlich war als viele seiner Vorgänger, aber gerade deshalb berührte. Als authentischer Bariton tat er sich ein wenig schwer mit den Tiefen der Rolle, doch war seine Leistung insgesamt exzellent. Seine Fricka wurde von Elisabeth Kulmann mit nicht ausladendem, aber gut tragendem Mezzo und einer schönen Dosis Ironie gesungen. Jennifer Wilson wiederholte ihre gesanglich untadelige Brünnhilde, der man etwas mehr Beweglichkeit gewünscht hätte (darin fand sie durch die scheußlichen Kostüme von Chu Uroz allerdings keine Unterstützung). Die Walküren Eugenia Bethencourt, Bernadette Flaitz, Julia Borchert, Pilar Vázquez, Julia Rutigliano, Patrizia Scivoletto, Nadine Weissmann und Gemma Coma-Alabert seien für ihr vokales und szenisches Engagement bedankt. Großer Jubel für alle und ein Triumph für Mehta und das Orchester.

Der unermüdliche Maestro stand auch tags darauf am Pult der bekannten Produktion von Willy Decker, die hier von der Assistentin des Regisseurs, Meisje Barbara Hummel, betreut wurde. Die Salzburger Produktion, salopp als „die mit der Uhr“ bezeichnet, darf als bekannt vorausgesetzt werden, war sie doch nicht nur im Fernsehen mit der Netrebko, sondern auch in einer Übertragung aus der Met mit Natalie Dessay im Kino zu sehen. Für mich ist sie eine der überzeugendsten der letzten Jahre.

Die Titelrolle wurde von der Bulgarin Sonya Yoncheva verkörpert, die 2010 Plácido Domingos Operalia-Bewerb gewonnen und sehr bald eine internationale Karriere gestartet hatte (vor diesen Vorstellungen war sie „Lucia“ an der Opéra Bastille). Die Stimme wird technisch sicher und sauber geführt und hat für Violetta sowohl die Koloratur, als auch das nötige Gewicht für die lyrischen Stellen; das Timbre könnte eine Spur persönlicher sein. In der Darstellung ließ sie Netrebko nicht vermissen, denn sie brachte sowohl die lebenshungrige Halbweltdame, als auch die kindlich Verliebte wie die Todgeweihte schauspielerisch überzeugend zum Ausdruck. Ihr Alfredo Ivan Magrì überzeugte mit sicherem Höhenstrahl, aber man hätte sich eine raffiniertere Phrasierung mit mehr Pianosingen und eine spontanere Darstellung gewünscht. Als Besitzer einer wahrhaft bedeutenden Baritonstimme erwies sich der junge Simone Piazzola, der sich auch als technisch versiert und mit großer Präzision singend zeigte. Allerdings muss er noch lernen, dass man heute bei Applaus nach einer Arie sich nicht flugs beim Publikum bedankt, und auch beim Schlussvorhang sollte er sich mehr Kontrolle auferlegen. Cristina Alunno ergänzte als mitleidige Annina; Maria Kosenkova (Flora), Javier Franco (Douphol) und Maurizio Lo Piccolo (D’Obigny) hatten bei dieser auf die Personen als anonyme Masse setzenden Regie keine große Chance, sich zu profilieren. Die hatte und nützte Luigi Roni als Dr. Grenvil/Tod; unangenehm fiel hingegen der Tenor von Mario Cerdá (Gaston) auf.

Auch hier leistete das Orquestra de la Comunitat Valenciana unter Zubin Mehta wieder Großes, unterstützt vom wie immer ausgezeichneten Cor de la Generalitat Valenciana unter Francesc Perales. Gelobt sei auch das Ballet de la Generalitat, das die intelligente, fast furchterregende Choreographie von Athol John Farmer bestens umsetzte.

Viel Jubel und Applaus auch an diesem Abend.                                              

Eva Pleus 19.11.13                          Bilder: Palau de les Arts Reina Sofia

 

 

 

 

OTELLO

Palau de les Arts 11.6.13

Dies war ein in vieler Hinsicht besonderer Abend, weshalb ich mit dem Hinweis auf die stimmliche Entwicklung des Titelhelden Gregory Kunde beginnen will. Der 1954 geborene US-Amerikaner (Kankakee, Illinois) hat rund dreißig Jahre lang das extreme Belcantofach gesungen und brillierte etwa in Bellinis „Puritani“, Donizettis „Fille du Régiment“, Rossinis „Italiana in Algeri“ ebenso wie in rein lyrischen Partien wie dem Nadir in Bizets „Pêcheurs de perles“. Die Belcantorollen vermochte er alle in der originalen Tessitura für einen Rubini oder Donzelli zu singen. Obwohl er mit den Enée in Berlioz’ „Troyens“ offenbar bereits einen Fachwechsel angestrebt hatte, wunderte ich mich, als er in Turin für die Produktion zur 150 Jahr-Feier Italiens von Verdis „Vêpres siciliennes“ 2012 die Rolle des Henri übernahm. Ich habe die Produktion dann im Fernsehen gesehen und war total beeindruckt davon, wie Kunde diese mörderische und heldische Rolle meisterte.

Im heurigen Jänner folgte Verdis „Otello“ in Venedig und erntete hervorragende Besprechungen. Und nun Valencia, wohin Kunde nach der Absage von Aleksandrs Antonenko eingeladen wurde. Jetzt einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Kunde mit größter Wahrscheinlichkeit der einzige Tenor der Welt ist, der jemals die Titelrolle sowohl in Rossinis, als auch in Verdis Oper gesungen hat, war der Eindruck einfach hinreißend. Zu hören war eine explosive Stimme, die über die relativ tiefe Tessitura verfügte, dabei aber immer wie ein Tenor klang, ohne baritonale Verfärbungen. Mühelosest kamen alle Spitzentöne, und es wurde phrasiert, dass es eine Freude war. Jedes piano, jedes Mezzavoce stand dem Tenor zur Verfügung. Dazu spielte er überzeugend keinen plumpen Haudrauf, sondern einen gestandenen, aber verletzlichen Krieger. Eine Meisterleistung!

Damit war der Freuden aber noch kein Ende, denn Carlos Álvarez präsentierte sich in einer Traumform, von der man ihm und dem Publikum nur wünschen kann, dass sie ihm lange erhalten bleibt. In schwarzem Wams und geschminkt wie ein Leidensmann (er erinnerte mich an die „Holländer“-Maske von George London), waren das Böse, der Rachegedanke in ihm so stark, dass er so handeln musste, wie er es tat, aber ohne je schleimig zu werden oder gar zu outrieren. Die ganze Rolle des Jago wurde in homogenem Ton, aber in tausend Nuancierungen vorgetragen. Noch eine Meisterleistung! Um dieses großartige Paar zum Trio zu machen, gesellte sich Maria Agresta hinzu, deren Desdemona nichts von leidender Madonnenhaftigkeit hatte, sondern eine Frau aus Fleisch und Blut mit erotischer Ausstrahlung war. Ihr reiner, virtuos geführter Sopran überstrahlte auch mit Leichtigkeit die großen Ensembles des 3. Aktes, und ihre Leistung gipfelte in einem in seiner einsamen Verzweiflung zu Tränen rührenden „Lied von der Weide“ und „Ave Maria“.

Damit die Bäume nicht in den Himmel wachsen, waren die kleineren Rollen diesmal, anders als sonst in Valencia, nicht optimal besetzt. Dies gilt sowohl für den anämisch krähenden Cassio des Marcelo Puente, wie für den grobschlächtigen Roderigo von Mario Cerdá und den kleinstimmigen, tiefenlosen Lodovico con Mischa Schelomianski. Nur Seung Pil Choi (Montano) ließ positiv aufhorchen. Auch Cristina Faus (Emilia) produzierte keine besonders schönen Töne, doch profitierte sie von der Regie, die sie äußerlich ihrem Gatten ähneln ließ und damit transportierte, dass sie keine wirkliche Vertraute ihrer Herrin war.

Über den großartigen Cor de la Generalitat Valenciana unter Francesc Perales kann man sich nur immer wieder freuen, so klangschön und homogen präsentierte er sich auch diesmal wieder. Sehr gut sangen auch die Kinder der Escolania de la Mare de Déu dels Desemparats unter Luis Garrido. Zubin Mehta war von den Leistungen merklich inspiriert, leitete das famose Orquestra de la Comunitat Valenciana mit aller ihm zur Verfügung stehenden Intensität und bekam eine entsprechend brillante Leistung aus dem Orchester zurück.

 Was man zu hören bekam wäre also schon genug der Freuden gewesen, aber es gab auch eine in jeder Phase überzeugende Regie: Davide Livermore ist ein vielseitig begabter Künstler, der sowohl für Regie und Beleuchtung zeichnet, als auch, zusammen mit Giò Forma Production Design für das Bühnenbild und mit Mariana Fracasso für die (historisch inspirierten, dennoch zeitlosen) Kostüme. Die Videoprojektionen stammten von Video D-WOK und verschmolzen einmal wirklich gelungen mit den Gegebenheiten der Bühne. So die stürmischen Wellen und das mit ihnen kämpfende Schiff im 1. Akt, die blühenden Bäume in der Szene Desdemonas mit den (stilisierte Renaissance-Kopfbedeckungen tragenden) Kindern; diese Bäume werden dann beim Aufkeimen von Otellos Verdacht dürr und blattlos unter dräuenden Wolken stehen. Im 3. Akt wieder das Meer und das sich nähernde venezianische Schiff. Das eigentliche Bühnenbild bestand aus einer schrägen Scheibe à la Wieland, zu der Stufen führten, deren Einfassung während des Credos rot erstrahlten. Bei seinem ersten Auftritt wurde Otello von oben herabgelassen, und der Mittelteil der Scheibe fuhr ihn und Desdemona, in blaues Licht getaucht, nach dem sehr sinnlichen, liegend gesungenen Liebesduett nach oben. Auf diesem Mittelteil liegend wird Otello nach der Tötung Desdemonas vergeblich nach ihr die Hand ausstrecken und „un altro bacio“ ersehnen. Dass die Sänger ausgezeichnet spielten (selten hat man die Trinkszene und Cassios Verführung zum Rausch so überzeugend gesehen), wurde schon gesagt. Erwähnt seien noch ein paar die Regie charakterisierende Einzelheiten: Im ersten Teil des Racheduetts hält Jago seine Hand auf Otellos Kopf gepresst; „Dio, mi potevi scagliar“ wird im Hintergrund von Jago durch Lippenbewegungen „synchronisiert“; wenn Otello seine Gemahlin als „vil cortiggiana“ beschimpft, wirft er sich auf sie, wie um sie zu vergewaltigen.

Das Publikum tobte und war schon nach dem Ende des Racheduetts nicht mehr zu halten. Am Schluss eine Viertelstunde Ovationen sowie Standing Ovations für Maestro Mehta.

Eva Pleus                                                Bilder: Tato Baeza

 

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