BAD LAUCHSTÄDT
Großer Spaß in einzigartigem Ambiente
SALON PITZELBERGER
im Goethe-Theater Bad Lauchstädt
Premiere am 17.09.2011 / besuchte Vorführung am 01.05.2016
Lieber Opernfreund-Freund,
schon als 1771 pietistische Kreise im nahen Halle das Schauspiel verboten, zogen die Studenten scharenweise ins rund 25 Kilometer entfernte Bad Lauchstädt, um dort ins Theater zu gehen. Spätestens mit Wirken von Johann Wolfgang von Goethe, der das Bad Lauchstädter Theater ab 1791 mit dem Weimarer Hoftheater bespielte, wollte der Besucherstrom gar nicht mehr abreißen. 1802 ließ der große Dichter dann das dortige Sommertheater errichten, das heute das einzig erhaltene Theater ist, in dem Goethe mit dem Weimarer Ensemble gewirkt hat. Und auch heute hat dieses kleine Theaterchen nichts von seiner Anziehungskraft und seinem einzigartigen Charme verloren. Durch die unmittelbare Nähe zur Bühne entsteht eine besondere Form der Intimität, die Akustik ist wunderbar geeignet für kleine Ensembles, so dass hier in jedem Sommer (derzeit trotz laufender Renovierungsarbeiten am Bau selbst, die während der Sommermonate weitestgehend ruhen) zahlreiche Sprech- und Musiktheaterwerke, letztere in diesem Sommer von Händel über von Weber bis hin zu Mozart, zur Aufführung kommen.
Am gestrigen Sonntag hatte bei strahlendem Sonnenschein die köstliche musikalische Farce „Salon Pitzelberger“ von Jacques Offenbach ihre Wiederaufnahme. Die kurze opéra bouffe wurde 1861 unter dem Titel „Monsieur Chouflouri restera chez lui le…“ uraufgeführt und erzählt die Geschichte eines neureichen Industriellen, der einen Kunstsalon etablieren und sich so Zugang zur feiner Gesellschaft verschaffen will. Doch die eingeladenen Honoratioren der Stadt sagen ebenso ab wie die vollmundig angekündigten hochkarätigen Opernsänger, so dass Pitzelberger zusammen mit seiner Tochter Ernestine die Situation retten muss, um vor den wenigen erschienen Gästen nicht gänzlich das Gesicht zu verlieren. Das gewiefte Töchterchen ringt ihrem Herrn Papa bei der Gelegenheit noch die Erlaubnis zur Vermählung mit dem eigentlich nicht mehr als standesgemäß angesehenen Sänger Casimir ab und es gibt ein Happy End für alle.
Die Produktion, die aus dem Jahr 2011 stammt und eine Koproduktion mit der Oper Halle ist, zeichnet sich durch ungeheuren Wortwitz aus. Die schöne, prunküberladene Bühne von Alexander Weig bietet die passende Kulisse für die Inszenierung von Axel Köhler, der das Stück behutsam in die Gegenwart holt. Da gibt es Tragetaschen von Yves Saint Laurent, Kassettenrekorder und angesungene Beatles-Songs, Pitzelberger ist Feinrippunterwäschehersteller, der nun ins Dessousgeschäft eingestiegen ist, der Angebetete der Tochter kommt wie eine Art Hippie daher. Das alles wirkt aber keinesfalls platt und gewollt, sondern erscheint als stimmiges Gesamtbild, ist doch das Phänomen kunstunsinniger Zeitgenossen, die über das nötige Kleingeld verfügen und gerne den großen Kunstsachverständigen herauskehren möchten, durchaus auch heute noch vertraut.
Und auch musikalisch unterhält das kurze Stück mit wunderbaren Melodien und musikalischem Witz. Offenbachs Partitur ist bei Peter Schedding, der die kaum 20 Musiker starke Abordnung der Staatskapelle Halle leitet, in guten Händen. Mit Schwung und Leidenschaft facht er die Musiker und Sänger an und hält doch die Fäden fest in der Hand. Olaf Schöder als Herr von Pitzelberger spielt den selbstverliebten Schnösel, singt nuanciert und voller Leidenschaft. Olivia Delauré als seine Tochter ist schlichtweg atemberaubend, glänzt mit überzeugendem Spiel und farbenreichem, feinen Sopran und zeigt wunderbare Piani und sichere Höhe. Eher ratlos bin ich dagegen bei Christopher O’Connor, der ihren Angebeten Casimir gibt. Der junge Sänger singt über weite Teile völlig ohne Atemstütze und dadurch sehr unpräzise, kämpft permanent mit der Höhe und scheint von seiner Rolle gesanglich einfach überfordert. Das ist schade, verfügt er doch durchaus über schauspielerisches wie komödiantisches Talent. Bei aller Persiflage muss man dann doch ein sauberes Aussingen von Offenbachs Komposition erwarten dürfen. Auch Reinhard Straube ist nicht der größte Sänger, muss das als Faktotum Brösel aber auch nicht sein. Er zeigt gesanglich eine durchaus solide Leistung und ist obendrein darstellerisch schlichtweg zum Schießen. Bravo! Mária Petrašovská, Gabriele Bernsdorf, Andreas Guhlmann und Stanislaw Brankatschk komplettieren das spielfreudige Ensemble vortrefflich.
Nach ungefähr einer Stunde ist das köstliche Intermezzo schon vorüber. Trotz des tenoralen Wermutstropfens kann ich das Stück, die Inszenierung und natürlich das unvergleichliche Theater jedem Theaterfreund nur ans Herz legen.
Ihr Jochen Rüth – 02.05.2016
Die Fotos stammen von Gert Kiermeyer (Produktion) und Uwe Köhn (Theater)