Nationaltheater Mannheim
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DER ROSENKAVALIER
Wiederaufnahme am 11. Januar 2020
Im Zuge der Richard Strauss-Tage zeigte das Nationaltheater Mannheim eine Wiederaufnahme „Der Rosenkavalier“ in der Inszenierung von Oliver Tambosi, deren Premiere 1997 stattfand. Tambosi gelang dabei eine kluge Arbeit, die gekonnt die Geschichte des Werkes erzählt und nicht neu deutet. Die handelnden Personen sind klar geführt und agieren konform zum Bühnengeschehen. Unterstützt wurde seinerzeit Tambosi von den surrealen Bühnenräumen, die Frank Philip Schlößmann schuf und der die Protagonisten in kleidsamen Kostümen präsentiert. Das Gemach der Marschallin ist in maritimes Blau gehalten, der Bühnenboden imaginiert Wasser und die Liebenden finden sich in einem kleinen Nachen wieder....Im zweiten Akt sieht der Zuschauer eine gewaltige Waffenkammer. Die Wände sind rundherum mit Kanonen „dekoriert“. Und das Beisel ist ein Bretterverschlag, in intensivem Rot gestaltet.
Das Nationaltheater Mannheim kann sich glücklich schätzen, alle Partien auf dem langen Besetzungszettel aus dem eigenen Ensemble zu besetzen! In sensitive Hauptpartie zeigte einmal mehr die wandelbare Astrid Kessler eine reife, sehr überzeugende Leistung.
Fern jeder Larmoyanz gestaltete sie eine wissende Marschallin, die genießt und letztlich schweigt. Souverän bediente sie alle musikalischen Anforderungen und überzeugte durch eine kluge Textgestaltung. Fabelhaft zeigte sie den Entwicklungsweg ihrer Figur auf und gewann vor allem im dritten Akt, im Moment des Verzichtes, eine überragende dramatische Größe, die in ihrer Natürlichkeit tief anrührte.
Jelena Kordic war ein ungestümer Octavian. Darstellerisch konnte sie auch gut die Gewissensbisse des jungen Rofrano transportieren oder als derbes Marianderl überzeugen. Meist textverständlich zeigte sie eine weithin stimmsichere Bewältigung, wenngleich die Höhen oft forciert und aufgerissen wirkten. Eine sehr couragierte Sophie verkörperte Nicola Hillebrand, die mit silbrig leichter Höhe sehr für sich einnahm. Ein perfekter Vokalausgleich, ein edles Timbre und eine vorzügliche Textbehandlung gaben ihrer Leistung eine Ausnahmestellung von internationalem Format. Großartig!
Dominierende Gestalt der Aufführung war einmal mehr der spielfreudige Patrick Zielke, der in der Partie des Baron von Ochs eine perfekte Rolle gefunden hat. Es war ein großes Vergnügen, wie souverän, wie wissend er diesen so vielschichtigen Charakter zu gestalten wusste. Stimmlich konnte er aus dem Vollen schöpfen und driftete darstellerisch niemals in die Klamotte ab. Jederzeit war zu erkennen, dass es sich bei seinem Ochs um eine „Standsperson“ handelte. Lediglich in seiner Sprachbehandlung wirkte er unentschieden, ob er seine Rolle mit wienerischem Dialekt singen soll oder nicht. Zu willkürlich wirkten die seltenen Dialektversuche, um vollends zu überzeugen.
In den vielen mittleren und kleineren Rollen gab es ausnehmend überzeugende Leistungen.
Wunderbar gestaltet und hinreißend gesungen präsentierte sich Joachim Goltz als Faninal. An seiner Seite profilierte sich exemplarisch Estelle Kruger als Leitmetzerin mit souveränen Spitzentönen und großer darstellerischer Präsenz.
Jeff Martin als Valzacchi und Marie-Belle Sandis waren ein spielfreudiges Intrigantenpaar. Ein wenig blass in seiner Rolle agierte Dominic Barberi als Notar. Viel Kontur zeigte hingegen Marcel Brunner als Polizeikommissar. Als italienischer Sänger erfreute Andreas Hermann mit mühelosen Höhen in seiner schweren Arie. Nur wäre ihm etwas mehr Selbstsicherheit in seiner Ausstrahlung zu wünschen. Es gibt nicht viele Tenöre, die diese Arie mit der gleichen Leichtigkeit singen können, wie es ihm gelang. Allerdings ist sein Italienisch zu suboptimal in der artikulatorischen Ausführung, was seinem Gesang letztlich dann wieder viel an Wirkung nimmt.
Überzeugend einmal mehr der Mannheims Opernchor in der Einstudierung von Dani Juris.
GMD Alexander Soddy präsentierte am Pult des Orchesters des Nationaltheaters Mannheim einen forschen „Rosenkavalier“ voller Saft und Kraft. Mit viel Klangsinn und gutem gestalterischem Timing gab er diesem Abend eine ausgezeichnete Basis. Das Sänger-Ensemble begleitete er immer aufmerksam und wahrte eine vorzügliche Balance. Das Orchester des Nationaltheaters Mannheim zeigte hörbar seine Erfahrung und große Kompetenz in der Darbietung der Werke von Richard Strauss. Leider ertönten die Hörner an diesem Abend zu häufig unsauber und strahlten daher wenig festlich. Dafür verwöhnten die Streicher mit warmer Farbgebung. Sehr gute Soli-Beiträge realisierten die Holzbläser, kultiviert intonierten die übrigen Blechbläser und die fabelhaften Schlagzeuger erfreuten durch pointierte, rhythmisch auf den Punkt gebrachte Einsätze.
Am Ende große Begeisterung für diese gelungene Wiederaufnahme.
Dirk Schauß, 12. Januar 2020
Bilder (c) Nationaltheater
credits
Feldmarschallin Fürstin Werdenberg: Astrid Kessler
Baron Ochs auf Lerchenau: Patrick Zielke
Octavian: Jelena Kordić
Herr von Faninal: Joachim Goltz
Sophie: Nikola Hillebrand
Jungfer Marianne Leitmetzerin: Estelle Kruger
Valzacchi: Jeff Martin (Gast)
Annina: Marie-Belle Sandis
Polizeikommissar: Marcel Brunner
Notar: Dominic Barberi
Sänger: Andreas Hermann
Haushofmeister / Feldmarschallin: Jung-Woo Hong
Haushofmeister / Faninal: Markus Graßmann
Wirt: Koral Güvener
Richard Strauss
DIE FRAU OHNE SCHATTEN
Premiere 2007
besuchte Vorstellung am 17. November 2019
Szenische Bauchlandung
In der aktuellen Wiederaufname der „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss demonstriert einmal mehr das Nationaltheater Mannheim seine Leistungsfähigkeit als großes Ensemble-Theater in der Opernwelt.
Die Inszenierung von Gregor Horres stammt aus dem Jahr 2007 und ist wieder einmal ein betrübliches Beispiel für eine weitgehend sinnbefreite szenische Arbeit. Dazu entschied sich Horres für Bilder und Bühnenwirkungen, die die beiden Handlungswelten vom Kaiser- und Färber-Paar viel zu wenig von einander absetzten. Bühnenraum und -effekte hatten so gar nichts mit den von Strauss geforderten Bildwelten zu tun hatten. Da fährt die Drehbühne reichlich Karussel, Bühnenhubpodien fahren hoch und runter oder stellen sich schräg. Ja, ja, auf die Technik des Mannheimer Nationaltheaters ist Verlass! Nur, mit der „Frau ohne Schatten“ hat das Gesehene sehr wenig zu tun. Ebenso wenig Erhellung bringt es, wenn handelnde Personen durch Statisten multipliziert werden. So dürfen am Ende des 1. Aktes gleich zahlreiche Doubles den „Buchhalter“ Barak ergänzen. Oder durch die Bühnendecke, ein gewaltiges, innen offenes Rechteck, kommen gelegentlich eine Hand oder auch ein riesiger Füller. Warum?
Und es ist schon reichlich entlarvend, wenn der Text etwas aussagt, was die Bühnengestaltung total verweigert. Bühnen- und Kostümbildnerin Sandra Meurer hat Horres dazu bunte, knallige Farben geliefert. Barak und die Färberin sind hier keine Handwerksleute, sondern Bürgerliche, sie in einem Pseudo-Abendkleid, während Barak ein Bürokrat, ein Schreibtischtäter ist. All das Ärmliche und Schmutzige, was zuvor die Amme bildreich in ihren Worten in der Welt der Menschen beschreibt, bleibt visuell ausgespart. Noch schlimmer als dieses Sammelsurium unkluger Ideen ist die Beziehungslosigkeit der Rollencharaktere, die mehr oder weniger für sich alleine spielen müssen. Wem also die komplizierte Handlung noch zu wenig Rätsel aufgibt, der wird mit dieser überflüssigen Inszenierung reichlich neue Denkaufgaben erhalten.
Mannheim kann mit einer gediegenen Besetzung aufwarten.
So ist als Kaiserin die vielseitige Miriam Clark mit einer souveränen Gesangsleistung zu erleben. Bereits die schweren Interverallsprünge bei ihrem ersten Auftritt gerieten mustergültig. Sehr gut vermochte sie ihre Stimme mädchenhaft einzufärben, um dann in den großen Ausbrüchen zu beeindrucken. Ihr Rollencharakter wirkte empfunden und erlebt. Die Stimme vereinte Schmelz und Wohlklang. Auch ihre Textverständlichkeit war tadellos.
An ihrer Seite gab Andreas Hermann einen ungestümen Kaiser, der mit der vetrackten Tessitura seiner schweren Partie als eher lyrischer Tenor keinerlei Probleme hatte. Auf dieser Basis konnte er mit leichten Höhen punkten. Allerdings fehlte ihm in Stimme und Darstellung die notwendige Autorität, um dieser Partie einen maßgeblichen Charakter zu verleihen.
Als mephistophelische Amme überzeugte Julia Faylenbogen durch die sängerische Souveränität. In ihrem auffälligen schwarz-gelben Kleid war sie eine bühnenbeherrschende Gestalt. Auf der Strecke blieb hingegen ihre zu undeutliche Textverständlichkeit und die kaum vorhandene Textgestaltung.
Als dramatische Färberin gefiel Catherine Foster. Mit Wohlklang und Leichtigkeit gestaltete sie diese horrend schwere Partie. Sie schonte sich in keinem Moment und gab auch ihrer Partie, wo nötig, die notwendige stimmliche Schärfe.
Gutmütig und wohltönend gestaltete an ihrer Seite Thomas Jesatko den Barak. Vorbildlich seine herausragende Textgestaltung und -durchdringung. Jede Silbe erhielt so eine besondere Aussage. Dazu konnte er mit seinem warmen Stimmtimbre für sich einnehmen.
Die beste Gesangsleistung des Abends erbrachte der überragende Joachim Goltz, der seinem Geisterboten höchste stimmliche Autorität verlieh. Ausdruck und Stimmbeherrschung waren wieder einmal vorbildlich zu erleben.
Wenig markant hingegen die drei Brüder in der Gestaltung von Ilya Lapich (Einäugiger), Marcel Brunner (Einarmiger) und Raphael Wittmer (Buckliger).
Mit schönem Tenor überzeugte als Jüngling Juray Holly.
Dani Juris hatte seinen Chor wieder gut auf seine Aufgabe vorbereitet, so dass dieser durch seinen kultivierten Gesang überzeugte.
Große Begeisterung gab es zurecht für GMD Alexander Soddy, der es sich nehmen ließ, für diese Wiederaufnahme zahlreiche Striche zu öffnen, so dass es gut mehr als 20 Minuten zusätzliche Musik gab. Das großartige Orchester des Nationaltheaters Mannheim und Soddy sind eine hervorragende Kombination. Begeisternd in den Soli-Passagen, etwa in Violine oder dem elegischen Cello-Solo und dann auch gewaltig in den explosiven Tutti-Wirkungen. Hier mobilisierte Soddy alle Reserven und ließ das Orchester in einem unendlichen Farbreichtum ausmusizieren. Und das Orchester nutzte diese Gelegenheit, um seine hervorragende Spielkultur beeindruckend zu demonstrieren. Ein Dirigat und eine Orchesterleistung, die alles realisierten, was sich die begeisterten Zuhörer nur wünschen konnten.
Entsprechend groß war die Begeisterung für ihn und sein Orchester im gut besuchten Mannheimer Nationaltheater.
Dirk Schauß, 18. November 2019
Foto (c) Michel