DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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CUVILLIES THEATER MÜNCHEN

Foto (c) Wilfried Hösl / Münche.de

 

 

DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT

am 5.3.2017

Sehr selten gespieltes Musical von Sondheim

Dreimal lächelt die Sommernacht – einmal über die Jungen, die noch nichts wissen; ein zweites Mal über die Narren, die zu wenig wissen; und ein drittes Mal über die Alten, die zu viel wissen. So sagt es eine alte schwedische Volksweisheit und diese gibt die lebenserfahrene Madame Armfeldt an ihre Enkelin Frederika weiter. Dieses Lächeln der Sommernacht hat Ingmar Bergmann 1955 zu dem erfolgreichen Film inspiriert, der seinen Weltruf als Regisseur begründen sollte. Den Stoff haben dann auch Stephen Sondheim und Hugh Wheeler aufgegriffen und daraus das Erfolgsmusical „A Little Night Music“ gemacht. Wheeler verfasste dafür das Buch und Sondheim, der schon die Texte zu „West Side Story“ geschrieben hatte, war Komponist und Autor in Personalunion. Die von Harold Prince verantwortete Broadwayproduktion war im Jahr der Uraufführung 1973 ein so gewaltiger Erfolg, dass das Musical unter seiner Leitung in einer Starbesetzung auch verfilmt worden ist.

Für eine Neuproduktion am Münchner Gärtnerplatztheater, Premiere war vor gut einem Jahr am 4.Februar 2016 im Cuvilliestheater und jetzt gab es eine Wiederaufnahme mit der letzten Vorstellung am gestrigen 5.März, hat John Owen Edwards die Partitur in eine passende Orchesterfassung gesetzt, die deutsche Übersetzung stammt von Eckart Hachfeld.

Marie-Luise Walek (Kostüme), Rainer Sinell (Bühne) und nicht zuletzt Michael Heidinger (Licht, gemeinsam mit dem Regisseur) haben dem Regie führenden Hausherren Josef E. Köpplinger einen Rahmen geschaffen, der das schwedische Landleben an der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert illustriert und mit den Spezifikas eines Musicals perfekt paart. Einmal mehr beweist Köpplinger sein Können in der Führung von Einzelpersonen und der scharfen, manchmal vielleicht überscharfen, Charakterzeichnung der Figuren. Und es ist zweifellos gewollt, dass beim wissenden Publikum Assoziationen zu Schnitzlers „Reigen“ aufkommen.

Rund um die Schauspielerin Desiree Armfeldt entpuppen sich Turbulenzen der Liebe. Gleich zwei Männer buhlen um deren Gunst. Das Problem dabei – beide Männer sind verheiratet. Rechtsanwalt Fredrik Egerman mit einer viel jüngeren Frau, die zum Schluss mit seinem Sohn aus erster Ehe den Gatten verlässt, und Graf Carl-Magnus Malcolm, der nach Außen einen überholten Ehrbegriff hoch hält und gleichzeitig seine Ehefrau betrügt. Auf dem Landsitz von Desirees Mutter, die im Rollstuhl sitzend an ihre amourösen Erlebnisse denkt und die Fäden fest in der Hand hält, treffen die liebeshungrigen Männer mit ihren Frauen zusammen.

Diese Geschichte hat Köpplinger in überzeugende Bilder gepackt, ein Sternenhimmel zu Beginn und am Ende ist der verbindende Bogen über die Liebeswirren der handelnden Personen. Der verklemmte Sohn des Rechtsanwaltes, der eigentlich Pfarrer werden möchte und seine Fantasien am Cello auslebt, versucht sich mit dem Dienstmädchen, ist aber in seine Stiefmutter verliebt. Das Dienstmädchen sucht nicht nur willige Geliebte, sondern vor allem einen wohlhabenden Mann. Die Ehemänner sind sexsüchtig wie eifersüchtig gleichermaßen und die jeweiligen Gattinnen schwanken zwischen Ergebenheit, Rachsucht und Zickenkrieg gleichzeitig.

Gisela Ehrensperger, die Grande Dame des Gärtnerplatztheaters, brilliert in der Rolle der Madame Armfeldt. In ihr paart sich Erfahrung, Ausdruckskraft und Bühnenpräsenz zu einer alles überragenden Persönlichkeit. Auch wenn es an dieser Stelle vielleicht nicht wirklich passend ist – der Musiktheaterfreund erinnert sich bei ihr an Sängerpersönlichkeiten wie Astrid Varnay, Martha Mödl, Leonie Rysanek oder (in der jüngsten Vergangenheit) Anja Silja. Ihre Enkelin spielt überzeugend die noch junge Oona Bantel und gibt dabei mehr als nur eine Talentprobe ab. Erwin Windegger ist ein überzeugend schmieriger Fredrik Egerman, Susanne Seimel das sexsüchtige Dienstmädchen Petra, die betrogenen Ehefrauen Anne Egerman und Gräfin Charlotte Malcolm sind bei Beate Korntner und Julia Klotz in besten Händen, Michael Johannes Mayer überzeugt als Butler Frid. Sie alle sind geübte Musicaldarsteller mit Erfahrung. Daniel Prohaska, zuletzt überzeugend als Operettentenor in der Premiere der „Faschingsfee“, spielt Graf Carl-Magnus Malcolm mit Überzeugung, wenngleich er da und dort etwas weniger schauspielerisch übertreiben könnte. Und, was ja nicht ganz unwichtig ist, er ist der Partie auch stimmlich gewachsen. Das trifft auch auf Sigrid Hauser zu, die der Provinzschauspielerin Desiree Armfeldt Profil verleiht. In der kurzen Theaterszene überzeugt sie als Mittelpunkt drittklassiger Häuser, ihr Privatleben ist von „Bekanntschaften“ geprägt. Kein Wunder, dass ihr die Mutter ihr uneheliches Kind zur Erziehung abgenommen hat. Als gleichsam Chor ergänzen Andrea Jörg, Katerina Fridland, Laura Schneiderhan, Stefan Thomas und Thomas Hohenberger das Ensemble perfekt.

Nicht wirklich glücklich konnte ich gestern Abend mit dem Klangbild werden. Lag es am tief gelegten Orchester (die Musiker sitzen im Cuvilliestheater im Regelfall deutlich höher), lag es an der Balance der Tonaussteuerung (man sang in diesem wunderbaren Theater mit Mikros), oder woran auch immer. Andreas Kowalewitz, er wird am Donnerstag dieser Woche die Uraufführung von „Frau Schindler“ von Thomas Morse leiten, stand am Pult des Orchesters des Staatstheaters am Gärtnerplatz.

Bilder (c) Thomas Dashuber

Michael Koling 10.3.2017

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

LE COMTE ORY

Besuchte Aufführung: 19.4.2015 (Premiere: 12.4.2015)

Verführung zum Verführen auf der Bowlingbahn

Bis heute rätselt die Musikwelt darüber, warum Gioachino Rossini, einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit, 1829 mit gerade einmal 37 Jahren das Schreiben von Opern gänzlich aufgab. Am ehesten dürfte die Annahme zutreffen, dass Rossini bereits in seiner Lebensmitte am Ende seiner kompositorischen Möglichkeiten angelangt war. Bei seinem letzten, 1829 uraufgeführten Werk „Guillaume Tell“ schöpfte er zum Abschied noch einmal aus dem Vollen. Indes wurde schon an seiner ein Jahr zuvor aus der Taufe gehobenen, vorletzten Oper „Le Comte Ory“, die jetzt am Münchner Cuvilliéstheater eine beachtliche Neuproduktion erfuhr, offenkundig, dass ihm die musikalischen Ideen allmählich ausgingen. Es drängte sich der Eindruck auf, in einer Aufführung von Rossinis bereits 1825 entstandener Oper „Il viaggio a Reims“ gelandet zu sein. Der Komponist dürfte 1828 unter einem ausgemachten Kreativitätsmangel gelitten haben: Mindestens zwei Drittel der Musik zum „Comte Ory“ sind der „Viaggio a Reims“ entnommen - eine wahrlich nicht gerade originelle Vorgehensweise Rossinis, dessen musikalische Phantasie allmählich verebbte.

Matthew Grills (Le Comte Ory), Extrachor

Zumindest demjenigen, der die „Viaggio a Reims“ nicht kennt und damit von dem selbstplagiatorischen Charakter des Werkes keine Ahnung hat, wird der „Comte Ory“ indes durchaus Freude bereiten. Noch dazu, weil sich die junge Oksana Lyniv, ihres Zeichens Assistentin von GMD Kirill Petrenko, der Musik mit viel Liebe annahm. Sie dirigierte das Stück mit rhythmischer Prägnanz und Ausgewogenheit sowie mit klug gesetzten Akzentuierungen, wobei ihr das lustvoll aufspielende Bayerische Staatsorchester ein zuverlässiger Partner war. Präzision und Detailgenauigkeit waren an diesem Abend angesagt. Es war schon ein sehr energiegeladener, feuriger Duktus, den die ukrainische Dirigentin und die Musiker an den Tag legten und dabei eine Tiefgründigkeit erreichten, die über die altgewohnte Rossini-Spritzigkeit hinausging. Dass Frau Lyniv bei ihrer Interpretation von herkömmlichen Deutungsmustern abwich, war indes kein Fehler, sondern vielmehr eine treffliche Weiterentwicklung Rossini’scher Klangwelten, die durchaus zu beeindrucken wusste. Und dass sie ihren Weg als eigenständige Dirigentin machen wird, daran kann kein Zweifel bestehen. Das Potential dazu hat sie in hohem Maße.

Als Regisseur konnte Marcus H. Rosenmüller gewonnen werden, der einem Großteil des Publikums durch seine Arbeiten für den Film und das Singspiel auf dem Nockherberg ein Begriff sein dürfte und sich mit dem „Comte Ory“ zum ersten Mal in die Gefilde der Oper vorwagte. Und das auf durchaus beachtliche Art und Weise. Er setzte das Stück mittels einer logischen, flüssigen Führung sämtlicher Personen einschließlich des Chores quicklebendig, heiter und temporeich in Szene, wobei er mehr der jeweiligen Situationskomik als der übergeordneten Linie huldigte. Der Augenblick war ihm wichtig, nicht der große Zusammenhang. Da war es dann auch kein Wunder, dass die einzelnen Szenen sehr sequenzartig wirkten und im Gesamtgefüge der Handlung oft etwas isoliert dastanden. Das mag daran gelegen haben, dass sich Rosenmüller rein vom Technischen her auch bei der Oper zu stark seiner ursprünglichen Welt verhaftet zeigte. Das häufige Einsetzen von filmartigen Schnitten hatte eine lose Aneinanderreihung einzelner Szenen zur Folge, denen indes der rote Faden fehlte - ein Phänomen, dass man auch schon bei anderen Filmregisseuren, die sich mehr oder weniger erfolgreich an der Oper versuchten, beobachten konnte.

Immerhin hat er das Stück gekonnt modernisiert und die Handlung zusammen mit seiner Bühnenbildnerin Doerthe Komnick und der für die gelungenen zeitgenössischen Kostüme verantwortlichen Sophia Dreyer in eine Bowlingbahn mit Neonlichtern und Leuchtreklamen verlegt. Von dem ursprünglichen Handlungsort eines Schlosses zeugt nur noch der Schriftzug „Chateau“. In diesem Ambiente erweist sich der im lila Anzug auftretende Comte Ory, der sich auch einmal unter der Dusche präsentieren darf, als Verführer der etwas anderen Art. Von Rossini und seinen beiden Librettisten Eugène Scribe und Charles-Gaspard Delestre-Poirson ursprünglich einem traditionellen Don Giovanni nachempfunden, erteilt Rosenmüller der herkömmlichen negativen Sichtweise der Titelfigur, die ihm sehr sympathisch zu sein scheint, eine klare Absage und deutet sie auf der ganzen Linie positiv.

Elsa Benoit (La Contessa), Matthew Grills (Le Comte Ory), Rachael Wilson (Ragonde),

Dem unserer Zeit angeglichenen äußeren Rahmen entspricht es, wenn Ory hier kein Graf ist, sondern Angehöriger einer Rockband, deren weitere Mitglieder ihn noch vor Einsetzen der Ouvertüre, die Bühne durch den Zuschauerraum betretend - mit Brecht kann der Regisseur umgehen -, verzweifelt suchen. Der Protagonist gehört indes nicht nur ihnen, sondern dem ganzen Volk. Er ist der Held, auf den sie alle ihre Wünsche und Sehnsüchte projizieren - Feuerbach lässt grüßen - und ihm alle möglichen Fähigkeiten zuschreiben, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, wie beispielsweise wunderheilen. Aber Idole können eben alles.

Ensemble und Extrachor der Bayerischen Staatsoper

In konsequenter Fortführung dieses Ansatzpunktes ist Ory hier auch kein böswilliger Verführer, der die Frauen manipulieren muss, um sie ins Bett zu kriegen. Vielmehr ist es das weibliche Geschlecht selbst, allen voran die Fitnessstudio-Reinigerin Adèle - auch sie wurde von der Regie ihrer adeligen Herkunft entbunden -, das die Initiative ergreift, um in seine amourösen Fänge zu geraten. Insbesondere im zweiten Akt setzt die Comtesse mit einem Höchstmaß an Aktivität alles daran, von dem liebenswerten Schwerenöter abgeschleppt zu werden, hat dabei die Rechnung aber ohne Isolier, einen Prototyp des romantischen Liebhabers, gemacht, der mit ebensolcher Intensität seine ganze Kraft aufwendet, um die geliebte Adèle vor Orys Klauen zu bewahren. Es trägt viel zum Unterhaltungswert der Inszenierung bei, dass der Regisseur in den Liebesdingen nicht allein die Initiative des Titelhelden in den Vordergrund stellt, sondern von Anfang an alle Hauptpersonen gleichermaßen intensiven erotischen Bestrebungen nachgehen lässt, die logischerweise irgendwann aufeinanderprallen müssen. Und dann erreicht die Turbulenz ihre Spitze. Das Terzett zwischen Ory, Adèle und Isolier im zweiten Akt, in dem die Titelfigur im ausladenden Nonnenkostüm erscheint - herrlich! -, gerät unter dieser Voraussetzung zu einem absolut köstlichen Höhepunkt. Insgesamt war die seitens der Damen an den Tag gelegte, zum allgemein gepflegten Sport - insoweit war das Ambiente der Bowlingbahn hervorragend gewählt - ausgeartete Verführung zum Verführen ausgesprochen vergnüglich. Obwohl es Rosenmüllers Inszenierung letztlich etwas an geistig-innovativem Tiefgang mangelt, gelungen ist sie allemal.

Ensemble und Extrachor der Bayerischen Staatsoper

Gesanglich wurde der Abend von den Mitgliedern des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper bestritten. Da gab es so manche Entdeckung zu machen. Einige der aufgebotenen Nachwuchssänger hätten sich bereits jetzt ein reelles Festengagement an einem guten Opernhaus redlich verdient. In erster Linie zu begeistern wusste Elsa Benoit, die der Comtesse Adèle mit in jeder Lage bestens fokussiertem, fein und elegant geführtem und sowohl in gefühlvoll-lyrischen als auch in dramatischen Passagen gleichermaßen gut ansprechendem Sopran ein treffliches Profil verlieh. Auch darstellerisch vermochte sie durch herrlich aufgewecktes, intensives Spiel für sich einzunehmen. Enorme Spiellust und eine treffliche schauspielerische Leistung kann man auch Matthew Grills’ Comte Ory bedenkenlos bescheinigen. Stimmlich blieben indes Wünsche offen. Zwar bewältigte er auf seine Art die extremen Höhenflüge der Partie gut und zeigte sich auch vokal wendig und flexibel, indes mangelt es seinem durchaus schönes Material aufweisenden, aber entwicklungsfähigen Tenor im Augenblick noch an einer soliden tiefen Verankerung im Körper und einem schönen appoggiare la voce. In dieser Beziehung war ihm Marzia Marzo in der Hosenrolle des Isolier weit überlegen. Bei dieser über einen famos gestützten, tiefgründigen Mezzosopran mit beachtlichem dramatischem Potential verfügenden Mezzosopranistin dürfte es bis zu einer Rosina und einer Cenerentola wohl nicht mehr allzu lange dauern. Eine ebenso hohe Stimmkultur wies die Ragonde ihrer Fachkollegin Rachael Wilson auf. Erlesenes Stimmmaterial brachte Maria Pitsch für die Alice mit. Als Raimbaud und Gouverneur wetteiferten John Carpenter und Leonard Bernad um hohe sonore Basskultur und imposante tiefe Töne. Solide rundeten Andreas Smettan und Evgenij Kachurovski als die beiden Coryphées das homogene Ensemble ab. Auf hohem Niveau bewegte sich der von Sören Eckhoff einstudierte Extrachor der Bayerischen Staatsoper.


Fazit: Eine sehr lebendige Aufführung mit hohem Unterhaltungswert, die dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper alle Ehre macht und deren Besuch sich sicherlich lohnt.

Ludwig Steinbach, 22.4.2015

Die Bilder stammen von Wilfried Hösl

 

 

 

 

Ziemlich belanglos, aber heiter

MIRANDOLINA

Premiere: 30. 4. 2014 im Cuvilliés-Theater

Ein Rasseweib in exotischen Gefilden

Es ist gerade mal zwölf Jahre her, seit im irländischen Wexford ein durchaus bemerkenswertes Werk reaktiviert wurde: „Mirandolina“ aus der Feder von Bohuslav Martinu. Der Komponist hatte seine Oper in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben und auch das italienische Libretto selbst verfasst. Letzteres stellt indes nicht gerade einen Geniestreich dar. Bereits emigriert, konnte Martinu die Uraufführung des Werkes 1959 in Prag nicht miterleben, da es ihm zu dieser Zeit verboten war, seine Heimat zu besuchen. Jetzt hat sich das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper der „Mirandolina“ angenommen und sie im Cuvilliés-Theater in einer Neuproduktion herausgebracht. 

Andrea Borghini (Cavaliere), Leonard Bernad (Marchese), Mária Celeng (Mirandolina)

Der Oper zugrunde liegt Carlo Goldonis im Jahre 1753 aus der Taufe gehobene Komödie „La locandiera“, zu Deutsch „Die Wirtin“. Schon früh haben Tonsetzer die hohe Eignung des Stoffes für eine Vertonung erkannt. Im Laufe der Zeit sind insgesamt sechs Opern entstanden, die auf Goldonis Stück beruhten. Die jüngste und vom rein Musikalischen her wohl bedeutendste ist die von Martinu. Wenn man die Musik der „Mirandolina“ hört, kommt man eigentlich gar nicht auf den Gedanken, dass es sich hier um ein relativ modernes Erzeugnis des Musiktheaters handelt. Das vom Komponisten geschaffene Gemisch verschiedener Stile reicht weit in die Vergangenheit zurück. Hier haben wir es ursprünglich mit einer echten italienischen Oper zu tun, bei der der Einfluss so mancher anderer Komponisten unüberhörbar ist. So schimmert beispielsweise Mozart durch, die groß angelegten Ensembles gemahnen an Rossini und sogar Smetana wird bemüht. Eine rudimentär vorhandene Leitmotivtechnik weist schließlich auf Wagner hin. Neben solchen klassischen Klängen wartet Martinu aber auch mit Jazz-Tönen auf, die der Entstehungszeit des Werkes verpflichtet sind. Diese verschiedenen musikalischen Elemente werden größtenteils ohne große Übergänge und ziemlich abrupt aneinandergereiht. 

Mária Celeng (Mirandolina), Leonard Bernad (Marchese), Yulla Sokolik (Ortensia), Rachael Wilson (Deianira)

Gespielt wurde in München eine von Anthony Fiumara und Bart Visman erstellte Fassung für Kammerorchester, die den beiden Bearbeitern gut gelungen ist. Bei dem erst 21-jährigen Alexander Prior war die Partitur in guten Händen. Dieser noch sehr junge Dirigent, der bereits mit 11 Jahren das erste Mal am Pult stand und schon im jugendlichen Alter große Klangkörper dirigierte, präsentierte Martinus Musik mit delikatem kammermusikalischem Feinschliff und mit einer großen Farbpalette. Ein starkes Augenmerk legte er dabei auf das Herausstellen der bereits erwähnten Vorbilder. Das Bayerische Staatsorchester setzte seine Intentionen konzentriert und klangschön um. 

Matthew Grills (Fabrizio), Mária Celeng (Mirandolina)

Leider ging Christian Stückl bei seiner vom Premierenpublikum recht herzlich aufgenommen Inszenierung etwas zu sehr auf Nummer sicher. Ein Stück kritisch zu hinterfragen oder dessen Subtext herauszuarbeiten, scheint seine Sache nicht zu sein. Der Focus liegt bei ihm nicht auf einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Inhalt, sondern auf reiner Unterhaltung. Der dem Stoff immanente psychologische Gehalt wird gänzlich ausgeklammert. Der Regisseur hat die Handlung zwar behutsamen modernisiert, bewegt sich aber dennoch in reichlich traditionellen Pfaden. Einem Reiseführer für exotische Gefilde scheint seine Deutung, für die Stefan Hageneier die üppige Ausstattung beisteuerte, entsprungen zu sein. Eine Vielzahl von auf den Hintergrund projizierten Palmen lässt auf eine Südseeinsel als Ort des Geschehens schließen, auf der Mirandolina eine Hotelanlage mit Swimmingpool betreibt und zu keiner Zeit auch nur den geringsten Zweifel daran aufkommen lässt, dass sie es ist, die hier die Hosen anhat. Und das in jeder Beziehung. Hier haben wir es mit einem ausgemachten, stets in rote Kostüme gekleideten Rasseweib zu tun, das wahrlich nicht auf den Kopf gefallen ist und die anderen Beteiligten ganz schön am Gängelband zu führen versteht. Neben der Farbe Rot kommt auch der fast stets dominanten gelben Ausleuchtung des Bühnenraumes zentrale Relevanz zu. Dieser in verschiedenen Ausprägungen auftretende Farbton mag vielleicht die wechselnde Kraft der Sonneneinstrahlung auf der Insel symbolisieren. Das wäre aber zu einfach. Vielmehr wird es so sein, dass dadurch die in verschiedenen Intensitäten auftretenden Emotionen der Handlungsträger symbolisiert werden. Und die sind eigentlich zeitlos. 

Ensemble

Die Zeit, in der das Regieteam das Geschehen ansiedelt, kann demgemäß sowohl die Mitte des letzten Jahrhunderts, als das Werk entstand, aber auch unsere Gegenwart sein. Der äußere Rahmen ist letztlich belanglos. Die durchaus hübsch anzusehende Ferienidylle dient nur als Staffage für die heiter-vergnügliche, ironische und augenzwinkernde, leider aber in keiner Weise geistig-innovative Umsetzung des Stoffes durch Stückl, der das junge Ensemble indes logisch und temporeich zu führen versteht. Da beherrscht er sein Handwerk. Die Art und Weise wie er das muntere Geschehen vor den Augen der Zuschauer ausbreitet und dabei den Snobismus einer Mirandolina verfallenen Adelsclique auf die Schippe nimmt, ist durchaus köstlich. Daraus hätte ein versierter Regisseur aber noch mehr machen können. Der Kontext birgt einiges an sozialem Zündstoff, dem seitens der Regie keine Beachtung geschenkt wurde. Wie gesagt, der Spaßfaktor stand im Vordergrund und keine Gesellschaftskritik. Wenigstens hat Stückl zum Schluss das nur äußerliche Happy End hinterfragt. Ob die Ehe zwischen Mirandolina und Fabrizio gut gehen wird, ist zumindest fraglich. 

Ensemble

Die jungen Sänger/innen des Opernstudios liefen unter Stückls technisch versierter Ägide rein darstellerisch allesamt zu großer Form auf. Gesanglich hinterließ die Aufführung einen gemischten Eindruck. Angeführt wurde das Ensemble von der jungen Mária Celeng, die für die Mirandolina einen tiefgründigen, perfekt sitzenden und großes Ausdruckspotential aufweisenden Sopran bester italienischer Schulung mitbrachte. Dies und ihr ausgelassenes, fetziges Spiel fügten sich zu einem glaubhaften Rollenportrait zusammen. Übertroffen wurde sie von Andrea Borghini, dem wohl die ganz große Karriere bevorsteht. Dieser famose junge Sänger, der über einen ganz phantastischen, ebenfalls hervorragend italienisch fundierten, frischen und sonoren Edelbariton verfügt, stellte eine Idealbesetzung für den Cavaliere dar, den er auch überzeugend spielte. Der Bass von Leonard Bernads Marchese klang in der Mittellage voll und rund. In der Höhe ging er aber oft vom Körper weg, woraus in diesem Bereich eine recht halsige Tongebung resultierte. Solide der Conte von Joshua Stewart, neben dem die beiden anderen Vertreter der Tenorliga abfielen. Matthew Grills war ein äußerlich sympathischer Fabrizio, der auch eindrucksvoll zu spielen verstand, mit seinem nur dünnen Tenormaterial aber vokal nicht im gleichen Maße überzeugend abschnitt. Nur einen Hauch von Stimme nannte der moderne Anzugträger Petr Nekoranee als Servitore (Diener) sein Eigen. Von den beiden falschen adeligen Damen hatte Rachael Wilson (Deianira) stimmlich etwas mehr zu bieten als Yulia Sokolik (Ortensia). Einen trefflichen Eindruck machten das Opernballett der Bayerischen Staatsoper und die thailändischen Tänzer Oliver Exner und Yasuko Kayamori.

Ludwig Steinbach, 1. 5. 2014               Die Bilder stammen von Wilfried Hösl.

 

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