DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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MADAME BUTTERFLY

Bregenz 2022

ZDF Übertragung vom 25.7.22

Das Gute zuerst: Dankenswerterweise kein dusseliges lobhudelndes Gequatsche einer Moderatorin vorweg, sondern ein gut gemachtes Intro über die Bregenzer Bühne. Dann geht es sofort in medias res. Danke ZDF!

Nun habe ich das Problem, alle Premieren des letzten Vierteljahrhunderts live gesehen zu haben, und ich nehme es gleich vorweg: Das war die schwächste Produktion aller Zeiten! Unabhängig davon, daß ich weiterhin meine, daß man die tolle Atmosphäre dieser einmalig gelegenen Wasserbühne im Guckkastenfernseher nicht nachvollziehen kann. Aber darüber hatte ich letztes Jahr ja schon ausgiebig geschrieben. Bitte nachlesen auf unserer Bregenz-Seite.

Die falsche Oper am falschen Ort und der völlig falsche Regisseur.

"Madama Butterfly" heißt die Oper übrigens und nicht „Madame Butterfly“. Aber das ist sekundär. Das Werk ist eine Kammeroper vom Prinzip her – selten singen mehr als zwei Leute, und das Personal ist begrenzt, auch wenn man heuer noch die Hexen aus Macbeth sinnloserweise hinzuerfand.

Denn was macht den Erfolg von Bregenz aus? Ganz einfach:

The greatest Show on Earth!

Ich schrieb vor einigen Jahren zu Carmen:

Wer in … Oper Tiefen-Psychologie, Seriosität, Stimmporno und esoterische Reflektion sucht oder gar hohe Cs zählt, ist in Bregenz so fehl am Platz, wie der Partitur-Mitleser, der Schellackplatten-Sammler und Venylkenner mit seinen 384 Aufnahmen. Die Bregenzer Festspieloper auf der Seebühne ist einfach nur wunderbare Unterhaltung für alle auf durchaus akzeptablem internationalem Opernniveau. Und die Geschichte wird weder verfremdet noch unwerktreu gespielt. Publikumsflucht, wie ich sie in letzter Zeit immer öfter erlebe, findet a.) wegen fehlender Pause und b.), weil alles wirklich liebevoll mit vielen Ideen inszeniert wird, nicht statt. Alle fühlen sich wohl und man geht fröhlich summend nach Hause.

Oper in Bregenz ist stets ein Spektakel – ein musikalisch, zirzensisches Gesamtkunstwerk mit Feuerwerk, viel Wasser, Feuer und atemberaubenden Stunts. Eine zauberhafte Erlebniswelt mit Opern-Musik. Ein einmaliger Abend. Da tut sich ein Zauberkasten vor den staunenden Augen der Zuschauer auf. Daß dies am Ende manchmal wenig mit echter Werktreue und Opernpurismus zu tun hat, ist völlig egal.

Hauptsache die Geschichte stimmt. Da darf dann Carmen auch mal im Wasser ertränkt werden,Tosca springt von hohem Felsen ins Wasser. Darum geht es ja auch gar nicht, denn auf der Giganto-Bühne ist z.B. Carmen ein kleiner roter Punkt und Don José ein kleiner gelber im wilden Wirrwarr einer Hundertschaft höchst mobiler Statisten, Künstler und Protagonisten. Hier will man das Publikum auf höchstem technisch realisierbarem Niveau, mit phänomenaler Tontechnik und unglaublichen dreidimensionalen Bühnenbildern einfach nur unterhalten und begeistern. Oper soll Spaß machen. Die Zuschauer müssen nicht leiden...

Der wohl überwiegende Teil des Bregenzer Publikums war noch nie in der Oper und sagt hinterher: Wow, wenn das Oper ist, gehe ich da öfter hin.

Nach dem völlig verkorksten Regiekonzept Andreas Homokis und dem langweiligsten und einfallslosesten Bühnenbild aller Zeiten werden die Erst-Besucher dieses Jahr sagen: Danke, nie wieder Oper! Gähn, gähn, gähn… Ich wußte es doch vorher.

Nichts gegen Homoki auf traditioneller Opernhausbühne, aber wenn man feinsinnige Oper mit intellektuellen Bildern machen will, ist man in Bregenz fehl am Platz. Darüber hinaus fiel ihm ja nun wirklich gar nichts ein. Eine schnelle, billige Routinearbeit. Hier braucht es quasi immer Action-Regisseure. Wer in Bregenz inszeniert, muß Magier sein mit Phantasie und bildgewaltigen Visionen. Bühnenbildner müssen die Elemente bewegen wie in einer riesigen Geisterbahn. Stuntmen und Tänzer überbrücken allzu langweilig wirkende Stellen. Eine Bregenz-Produktion muß den Rausch einer atemberaubenden Achterbahnfahrt haben.

Allein das lieblose Bühnenbild, welches ein leichtes Blatt Papier darstellen sollte (so die Vision der Bühnenbildner), welches über den Bodensee schwebt und sich sanft auf die Bühne legt, ist erbärmlich einfallslos, denn am Ende sieht es eher aus wie ein Gletscher, oder als wären wir in einem großen Kiessandbruch wie in Wülfrath bei Düsseldorf. So wirkt der Anfang dann schon fast unfreiwillig komisch, wenn die Hochzeitsgäste wie weiland die 7 Zwerge bei Otto aufmarschieren und von oben in Reihe und Glied herunterstolzieren. Man muß halt die Wege nutzen, den riesigen Raum, der da ist – wenigstens einmal.

Daß man sich am Schluß eher in Wagners Walküre mit dem Feuerzauber wähnt, ist so effektvoll billig wie ärgerlich und unpassend.

Ich spare mir weitere Details – Sie verehrte Leser können den Kappes ja noch einmal nachschauen in der ZDF Mediathek.

Mit solchen Produktionen wird man den bis dato einmaligen Bregenzer Festspielen keinen Gefallen tun. So ruiniert man das Alleinstellungsmerkmal, nämlich die Show und das Spektakel auf dieser Bühne, und es wird nur noch eine weitere überflüssige Opern-Open-Air-Veranstaltung, wie wir hunderte kennen. Warum soll man dann noch nach Bregenz fahren, liegt die nächst Burgruinen-Oper ja doch so nahe.

Schade, schade, schade – ein verkorkster Abend. Eine vertane Chance. Gute Nacht Bregenzer Festspiele! Ich hoffe, Ihr rappelt Euch wieder hoch.

Peter Bilsing 25.7.22

 

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