BERLIN BALLETT
Das Stuttgarter Ballett zu Gast in Berlin
Im Tempodrom präsentierte das Stuttgarter Ballett auf Einladung der Deutschen Oper und des Berliner Staatsballetts seinen neuen Abend Pure Bliss. Er vereint drei Arbeiten des schwedischen Choreografen Johan Inger, die zwischen 2002 und 2022 entstanden. Neueste Kreation ist Aurora’s Nap, die eigens für Stuttgart geschaffen wurde und dort am 5. Februar dieses Jahres zur Uraufführung kam. In Berlin stand sie am Schluss des Programms und war zweifellos auch dessen Höhepunkt. Das Stück ist eine witzige Parodie auf Tschaikowskys The Sleeping Beauty in der Originalchoreografie von Marius Petipa. Einige der von ihm erdachten Figuren finden sich in Ingers Version wieder, so die Variationen der Feen im 1. Akt (hier Violante, Canary und Candide genannt) oder Auroras Rosen-Adagio im 2. Akt. Insgesamt sind alle wichtigen Szenen der Handlung vertreten, so dass diese sich für jeden Zuschauer verständlich darstellt. So wie der Choreograf klassischen Tanz virtuos mit modernen Elementen verbindet, hat er auch als Bühnenbildner gemeinsam mit Salvador Mateu Andujar und Fabiana Piccioli in die Ausstattung eine ironische Komponente eingebracht – eine Schlossfassade mit Toren, Treppenpodesten und zwei raketenartigen Türmen aus aufblasbarem grauem Kunststoffmaterial. Bei Auroras Stich am Rosendorn geraten die beiden Türme gar in Schieflage, richten sich aber beim Kuss des Prinzen glücklicherweise wieder auf. Auch als Kostümbildner spielt Salvador Mateu Andujar gekonnt mit den stilistischen Mitteln der verschiedenen Zeitebenen – höfische Pracht mit reichem Goldschmuck trifft heutige Alltagskleidung.
Die Aufführung beginnt brillant mit dem Auftritt des Haushofmeisters Catalabutte (Alessandro Giaquinto), der virtuos das Orchester der Deutschen Oper Berlin leitet und dabei dem wirklichen Dirigenten Wolfgang Heinz assistiert. Nach dem klassischen Spitzentanz der Feen in bunten Teller-Tutus (Daiana Ruiz, Rocio Aleman, Mori) tritt unter Donner und Blitz die Carabosse im schwarzen Plissee-Röckchen und mit hoch getürmter grauer Perücke auf (Anna Osadcenko). Energisch gibt sich die Fliederfee von Agnes Su. Aurora hat ihren ersten Auftritt beim Walzer. Elisa Badenes, ein Star der Compagnie, findet die ideale Verbindung zwischen Bravour und modernem Gestus. Ersteres beweist sich im anspruchsvollen Rosen-Adagio, bei dem viele Figuren der Originalchoreographie übernommen wurden. Einzelne Episoden aus dem Divertissement (Gestiefelter Kater/Rotkäppchen/Blauer Vogel, alle verkörpert von Vittoria Girelli) werden nur gestreift, ohne dass die Figuren tänzerisch in Aktion kommen. Friedemann Vogel, der Superstar des Ensembles, kommt als Prinz Desiré im schwarzen Anzug auf einem Roller hereingefahren, begleitet von einer Schar ausgelassener junger Leute. Er wirkt zunächst schüchtern und verklemmt, befreit sich aus seiner Befangenheit erst beim schier endlosen Kuss. Das glückliche Ende wird von einer Diskokugel und Papierschlangenfeuerwerk illustriert, aber Inger überrascht danach noch mit einem gänzlich anderen Stilmittel. Zum finalen Pas de deux, eingespielt wie von einer alten Grammophon-Schallplatte, erscheinen Aurora und der Prinz fast nackt in hautfarbenen Trikots und bringen die Nummer als zeitgenössisches Tanzduo.
Ob der Abend wirklich „reine Glückseligkeit“ bescherte, wie es der Titel versprach, mag jeder Zuschauer selbst entscheiden. Ich fand den ersten Teil, Bliss, recht beliebig. Inger hatte sich von Keith Jarretts legendärem Köln Concert inspirieren lassen und für acht Paare eine temporeiche Choreografie geschaffen. Es gibt darin aber auch Momente des Verharrens, bei denen de Spannung abfällt, und profane Bewegungsfloskeln wie beim Reha-Sport. Folklore-Zitate und Posen aus dem klassischen Ballett bringen reizvolle Episoden ein. In temperamentvoller, lebensbejahender Stimmung gibt es gegen Ende eine Steigerung, bis die Tänzer die Bühne verlassen und nur einer in Gedanken versunken zurückbleibt.
Das Mittelstück war Out of Breath betitelt und 2002 für das Nederlands Dance Theater II entstanden. Die dramatische Geburt seines ersten Kindes hatte Inger zu dieser Arbeit inspiriert, welche die schmale Grenze zwischen Leben und Tod aufzeigen soll. Als musikalische Folie dienen kammermusikalische Kompositionen von Jacob Ter Veldhuis und Félix Lajkó, die von sechs Solisten live musiziert wurden, angeführt von Sebastian Klein an der Solo-Violine mit gleichermaßen sphärischem wie expressivem Duktus. Drei Tänzerpaare (darunter der Erste Solist Jason Reilly) rennen verzweifelt gegen eine schräge weiße Wand an (eine Skulptur von Mylla Ek, die auch die Kostüme entwarf), versuchen, diese zu erklimmen. Es sind Zustände der Angst und Ohnmacht von beklemmender Wirkung. Aber auch hier gibt es choreografischen Leerlauf, wenn die Tänzer endlose Runden drehen müssen. Das Stuttgarter Ballett zählt zu den renommierten Compagnien in Europa, aber das Gastspiel hat auch gezeigt, dass das Staatsballett Berlin in dieser Riege souverän mitspielen kann.
Bernd Hoppe
Saisoneröffnung beim Staatsballett Berlin
GISELLE
Mit einer Serie von Giselle-Aufführungen in wechselnden Besetzungen startete das Staatsballett die Saison 2022/23. Von besonderem Interesse war die Nachmittagsvorstellung am 18.9. 2022, denn der neue Erste Solotänzer David Soares gab als Albrecht sein Rollendebüt in dieser Produktion, die seit 2000 das Repertoire der Compagnie ziert. Als Prinz Desirée in Dornröschen hatte er seinen Einstand in Berlin gegeben und konnte nun auch in dieser Rolle mit smarter Jugendlichkeit und romantischer Aura überzeugen. Technisch gelang ihm nicht jede Figur perfekt, aber in den beiden großen Pas de deux des 2. Aktes war er nicht nur in seinen Variationen ein brillanter Interpret, sondern auch seiner Giselle ein zuverlässiger Partner mit sicheren Hebungen. Ksenia Ovsyanick vereinte in ihrer Darbietung Anmut, Schlichtheit, Verletzlichkeit und Bravour, war ergreifend in der Wahnsinnsszene am Ende des 1. Aktes und überwältigend als ätherisches, schwebendes Wesen in den empfindsamen Pas de deux. In einem weiteren Rollendebüt konnte man Vera Segova als hoheitsvolle Myrtha erleben. Minimale nervöse Wackler beeinträchtigten ihren Auftritt kaum, denn ihre Attitüde war bestechend. Einen sympathischen Hilarion mit kraftvollen Sprüngen in seiner Sterbeszene gab Alexei Orlenco; Yuria Isaka und Dominic Whitbrook überzeugten in den Variationen des Bauern-Pas-de-deux mehr als in den gemeinsamen Aktionen. Exzellent in Synchronität und Haltung waren die Wilis im 2. Akt. Paul Connelly am Pult der Staatskapelle Berlin konnte seine reichen Erfahrungen als Ballett-Dirigent einbringen, ohne einige Bläserpatzer verhindern zu können.
Bernd Hoppe, 24.9.22
Dornröschen zum Dritten
Es spricht für den hohen Rang des Berliner Staatsballetts, dass es für Marcia Haydées anspruchsvolle Produktion von Tschaikowskys Dornröschen mehrere gleichrangige Besetzungen offerieren kann. Mit gespanntem Interesse schaute der Ballettomane der achten Aufführung am 24. 6. 2022 entgegen, brachte sie doch das Rollendebüt des neuen Ersten Solotänzers der Compagnie, David Soares, als smarter, feingliedriger Prinz Desiré. Mit ihm hat das Ensemble einen bedeutenden Zuwachs bekommen – einen echten Danseur noble, der schon beim ersten Auftritt starke Präsenz und aristokratische Aura ausstrahlte. Über jede Kritik erhaben ist seine technische Souveränität – seine Gewandtheit, Geschmeidigkeit, die rasanten Drehungen und spektakulären Sprünge. Der Tänzer vereint in seltener Kombination Latino-Sinnlichkeit und romantische Empfindsamkeit. Seine Aurora war Ksenia Ovsyanick – entzückend im Auftritt, anmutig, grazil, gewandt, nur die Balancen im Rosen-Adagio fielen allzu knapp aus. Doch die nachfolgende Variation absolvierte sie souverän und Auroras schwindende Sinne nach dem Stich gestaltete sie besonders eindrucksvoll. Zu den Nummern, welche Haydée in ihrer Fassung nicht angetastet hat, gehört natürlich auch der Pas de deux des 3. Aktes und hier sorgten Ovsyanick und Soares für den Höhepunkt ihrer Darbietung mit majestätischer Attitüde und grandiosen Variationen.
Dinu Tamazlacaru wiederholte seine schon in der Premiere bejubelte Carabosse und sorgte auch an diesem Abend für Beifallsstürme. Effektvoll sogleich der Auftritt und erneut imponierend sein höhnischer, verächtlicher Ausdruck und der Triumph bei Auroras Zusammenbruch. Wieder war Elisa Carrillo Cabrera seine Gegenspielerin als hoheitsvolle Fliederfee. Im Divertissement des letzten Aktes gab es mit Jun Ishii eine Neubesetzung des Ali Baba, der hinsichtlich der Bravour und Effekte seinem Vorgänger in nichts nach stand. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin leitete diesmal Robert Reimer. Auch er konnte Bläsermisstöne nicht verhindern, sorgte aber insgesamt für einen reibungslosen Ablauf. Die feierliche Apothéose am Ende der Musik war der gebührend festliche Schlussakkord dieses glanzvollen Abends.
Bernd Hoppe
Dornröschen zum 2.) in alternativer Besetzung
Tschaikowskys Klassiker Dornröschen ist das neue Highlight beim Staatsballett. Die opulente Produktion von Marcia Haydée sollte sich kein Ballettfreund entgehen lassen. Und man kann sogar zwischen mehreren Besetzungen wählen! In der Aufführung am 28. 5. 2022 - der 4. seit der Premiere - waren führende Mitglieder der Compagnie zu erleben, so dass man keinesfalls von einer „2. Besetzung“ sprechen kann. Das Ereignis des Abends war der Prinz Desiré von Daniil Simkin, der wahre Wunder an Sprungreihen vollbrachte und mit bestechender Noblesse aufwartete. Jede einzelne Figur zelebrierte dieser Ausnahmetänzer mit absoluter Perfektion und scheinbar müheloser Leichtigkeit. An seiner Seite war Iana Salenko eine zauberhafte Prinzessin Aurora – grazil, leicht, flink und mit jugendlicher Anmutung. Die schwierigen Balancen im Rosen-Adagio bewältigte sie konzentriert, die nachfolgende Variation in souveräner Manier. In majestätischer Vollendung gelang dem Paar der Pas de deux am Schluss mit exquisit zelebrierten Soli.
Neu besetzt war auch die Carabosse mit Arshak Ghalumyan, der zwar nicht die tänzerische Rasanz seines Vorgängers erreichte, doch mit bedrohlicher Ausstrahlung und herrscherlicher Attitüde ein stimmungsvolles Gesamtporträt zeichnete. Sein spannender Kampf mit dem Prinzen geriet zum Höhepunkt seiner Interpretation. Die neue Fliederfee, Aurora Dickie, besaß nicht die hoheitsvolle Allüre wie ihre Vorgängerin, dafür mehr Anmut und Liebreiz.
Auch in den bekannten Nummern des Divertissements sah man neue Gesichter, so im Duo der Prinzessin Florine mit dem Blauen Vogel Iana Balova und Alexander Bird, die ihre Vorgänger an Biegsamkeit und Eleganz übertrafen. Murilo de Oliveira wiederholte als Ali Baba seine Bravournummer – glanzvoll assistiert von den Edelsteinen Danielle Muir als Amethyst, Luciana Voltolini as Saphir, Aya Okumura als Rubin und Clotilde Tran als Smaragd. Wieder bestaunte man die zauberhafte Ausstattung von Jordi Roig und konnte sich auch am Spiel des Orchesters der Deutschen Oper Berlin (Leitung: Ido Arad) erfreuen, wenn man sich manche Passage auch noch delikater wünschen würde. Der Beifall am Ende dieser Familienvorstellung stand dem der Premiere nicht nach – und auch die kleinsten Zuschauer waren der Aufführung bis zum Schluss begeistert gefolgt.
Bernd Hoppe, 29.5.22
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Kontraste im neuen Abend des Staatsballetts
Choreografien von einer Tänzerin und drei Tänzern des Staatsballetts Berlin präsentiert das neue vierteilige Programm der Compagnie mit dem Titel LAB_WORKS 2022 in der Komischen Oper. Es wurde entwickelt als Weiterbildungsprogramm für die Absolventen der Staatlichen Ballettschule Berlin – Fellows des „Enhance Mentorship Programme“. Die Initiative soll eine Brücke sein zwischen Schule und beruflichem Engagement mit täglichem Training, Master Classes von Ersten Solotänzern der Compagnie und mentalem Coaching.
Den Abend eröffnet Children of the Night auf eingespielte Musik von Antonio Vivaldi/Max Richter in der Choreografie von Alexander Abdukarimov. In ihrem absolut neoklassischen Stil und dem Tanz auf Spitze nahm sie sich in einem solchen Programm wie ein Fremdkörper aus. Immerhin war mit Aya Okumura und Dinu Tamazlacaru ein hochkarätiges Solopaar aufgeboten, das mit einem Duo tänzerische Höhepunkte einbrachte. Der Choreograf zeichnete auch für Bühne und Licht verantwortlich. Die Optik wurde vor allem von Videos auf der Rückwand der Bühne dominiert – kosmischer Spiralnebel, aber auch bizarre surrealistische Gebilde aus Menschenspinnen und maskierten Köpfen.
Der zweite Teil, Johnny McMillans Oh Captain auf eine Lärmcollage von Cosmin Nicolae, markierte den Höhepunkt der Premiere am 26. 5. 2022. Aus dem Orchestergraben fährt zu einem monotonen und sich später Ohren betäubend steigernden Geräusch eine Gruppe von Tänzern herauf, die sich in wellenartigen Bewegungen ergeht und deutlich homoerotische Züge aufweist. Zwei Männer finden sich in einem leidenschaftlichen, scheinbar unendlichen Kuss. Beider sich windende Körper können ekstatische Lust aber auch heftige Abwehr bedeuten. Auf der Bühne versammelt sich die furiose Tänzergruppe unter einem in der Höhe schwebenden, wannenartigen Behälter. Ein Tänzer steht lange regungslos, wie erstarrt und in Stein gemeißelt. Es ist der Choreograf selbst, der auch die Ausstattung und das Lichtdesign entwarf. McMillan vollbringt einen Solo-Auftritt, der physisch und mental an Wunder grenzt, zeichnet das Porträt eines Menschen im Ausnahmezustand. Die Szene wirkt bedrohlich und beklemmend. Sein Körper zuckt unter Krämpfen, scheint immer wieder am Ende seiner Kräfte und zusammenzubrechen. Es ist eine tour de force, wie sie derzeit auf der Berliner Ballettbühne nicht zu sehen ist.
Nach der Pause wird vor Beginn des zweiten Teils ein Film mit dem Titel Fellows eingespielt, der interessante Einblicke in die Probenarbeit gibt und Interviews mit den Künstlern bringt. Danach markiert der Beitrag This too shall pass in der Choreografie von Vivian Assal Koohnavard auf banale Unterhaltungsmusik den Tiefpunkt des Abends. Anfangs sind acht Tänzerinnen als Scherenschnitte vor einer weißen Rückwand zu sehen. Die modischen Trikots mit poppigen Dekors entwarfen Don Aretino und Muyao Zhang. Die Choreografie mit neckischen Bewegungen wie für Video-Werbe-Clips ist von läppischer Bedeutungslosigkeit. Später fährt aus dem Orchestergraben eine maskierte Tänzerin im violetten Trikot hervor. Eingespielt wird eine weibliche Stimme, die sich in Englisch über die Schönheit der weiblichen Anatomie ergeht (Voiceover: Vivian Assal Koohnavard).
Danach hatte es Arshak Ghalumyan, dem auch die künstlerische Leitung des Abends oblag, nicht schwer, mit seinem Stück Die Nacht noch einen interessanten Schlusspunkt zu setzen. Nikolai Korypaev hatte am Plafond mehrere Spiegel installiert, in denen sich das Licht und die Tänzer reflektierten. Mit ihren akrobatischen Breakdance-Elementen war die Choreografie ungemein wirkungsvoll – umso bedauerlicher, dass die Körper der Tänzer in Korypaevs Lichtgestaltung zu oft in diffuses Halbdunkel getaucht waren. Seltsam nahmen sich auch Lichtspiele aus, indem die Tänzer mit Lämpchen agierten, die im Dunkel wie Glühwürmchen schwebten. Auch der affenartige Bewegungsduktus im letzten Teil wirkte befremdlich, aber insgesamt war diese Arbeit ein diskussionswürdiges Angebot, das vom Premierenpublikum – wie die anderen Beiträge auch – enthusiastisch akklamiert wurde.
Bernd Hoppe, 26.5.22
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Rokoko-Zauber beim Berliner Staatsballett
Endlich kann das Publikum das Berliner Staatsballett wieder in seinem vollen Glanz erleben. Mit Tschaikowskys Dornröschen wurde eines der schönsten Ballette des klassisch-romantischen Repertoires einstudiert, dessen Schwierigkeitsgrad das Niveau einer Compagnie gnadenlos offenbart. Nach der unvergleichlichen Choreografie von Rudolf Nurejew (noch mit dem Ballett der Berliner Staatsoper) war beim Staatsballett eine dürftige Version von Vladimir Malakhov und danach eine gleichfalls glücklose von Nacho Duato zu sehen. Nun gab es die gute Entscheidung, für eine Neuproduktion die Choreografie der Stuttgarter Tanzlegende Marcia Haydée zu übernehmen. Im März des vergangenen Jahres hatte sie ihre Arbeit (unter Corona-Bedingungen) bereits mit dem Czech National Ballet einstudiert, wovon man sich mittels der Streaming-Übertragung einen Eindruck verschaffen konnte. Die berühmten Nummern der Petipa-Choreografie, wie das Rosen-Adagio oder die Variation Auroras im 1. Akt sowie den Pas de deux am Schluss, hat die Choreografin nicht angetastet. Mit Polina Semionova stand für die Titelrolle eine Interpretin mit jugendlicher (aber nicht kindlicher) Ausstrahlung auf der Bühne der Deutschen Oper, die im Auftritt noch verhalten und im Tempo gebremst wirkte, die Schwierigkeiten der Choreografie zwar meisterte, doch nicht mit der Frische und Spontaneität, die man von ihr kennt. Erst im Verlauf der Premiere am 13. 5. 2022 gewann sie an Souveränität und Ausstrahlung, um am Ende im großen Pas de deux zu ihrer Klasse zu finden. Überraschend wurde der Prinz Désire mit dem Démi-Solisten Alexandre Cagnat besetzt, was ungewöhnlich ist bei dieser anspruchsvollen Rolle. Doch schon der Auftritt mit der Jagdgesellschaft offenbarte sein romantisches Naturell, die sehnsuchtsvolle Aura und die noble Eleganz im Ausdruck. Seine Variationen absolvierte er bravourös und der Semionova war er ein sicherer Partner.
Anspruchsvolle tänzerische Aufgaben hat Haydée den Begleitern der Feen im Prolog (Taras Bilenko, Alexander Bird, Timothy Dutson, Suren Grigorian, Oleg Ligai, Dominic Whitbrook) und den vier Prinzen im 1. Akt (Konstantin Lorenz, Cameron Hunter, Marco Arena, Alexei Orlenco) zugeordnet, was deren Auftritte wirkungsvoller macht. Damit weicht sie – und durchaus mit Gewinn – vom Original ab. Am deutlichsten aber ist die Figur der Carabosse aufgewertet, womit die Haydée schon 1987 in Stuttgart bei ihrer Choreografie für den Startänzer Richard Cragun eine fulminante Rolle geschaffen hatte, die ihm gleichermaßen Bravour wie Charakterzeichnung abverlangte. In Berlin wurde diese Dinu Tamazlacaru anvertraut, der sie zum Mittelpunkt der Aufführung machte. Effektvoll der Auftritt unter Donner und Blitz im Prolog, wirbelnde Sprünge und furiose Drehungen zeugen von seinem tänzerischen Ausnahme-Status. Haydée gewährt der Carabosse sogar noch einen Auftritt bei der Apothéose – der letzte Versuch, die Ereignisse zu ihren Gunsten zu verändern, was von der Fliederfee vereitelt wird. Elisa Carrillo Cabrera gibt sie tänzerisch zuverlässig und mit aristokratischer Eleganz.
Wie zu erwarten war, hat Marcia Haydée auch die bekannten Nummern des Divertissements im letzten Bild von Petipa übernommen. Jeder Ballettfreund will das Duo der Prinzessin Florine mit dem Blauen Vogel im Original sehen. Hier zeigten es Evelina Godunova und Olaf Kollmannsperger mit solidem tänzerischem Vermögen, freilich nicht mit der Biegsamkeit, welche man von legendären Interpretationen kennt. Als Gestiefelter Kater und sein Kätzchen sah man Alexander Abdukarimov und Minori Nakashima gebührend kapriziös und putzig. Gelegentlich ist in Aufführungen auch die Episode mit Rotkäppchen und dem Wolf zu sehen (Alizée Sicre und Oleksandr Shpak), aber fast nie die von Schneewittchen und den sieben Wichteln (Filipa Cavaco und Schülerinnen der Staatlichen Ballettschule Berlin) und erst recht nicht jene von Ali Baba mit den Edelsteinen. Murilo de Oliveira sorgte mit dieser bravourösen Nummer fast für einen Corsaire im Miniformat – glanzvoll assistiert von Danielle Muir als Amethyst, Luciana Voltolini as Saphir, Aya Okumura als Rubin und Iana Balova als Smaragd.
Die Produktion bezieht ihren Reiz auch aus der zauberhaften Ausstattung von Jordi Roig, der eine an Watteau erinnernde Parklandschaft mit Treppenaufgängen und einer Empore erdachte, die von Jacopo Pantani in mediterranes Sonnenlicht getaucht wurde. Bezaubernde, reich verzierte Kostüme mit vielen Details und aus prachtvollen Stoffen ergänzten die zauberhafte Optik.
Einzig das Spiel des Orchesters der Deutschen Oper Berlin unter Leitung von Ido Arad enttäuschte mit vielen Bläsermisstönen und fügte sich nicht in den Glanz dieser Neuproduktion, die am Ende vom Publikum euphorisch bejubelt wurde.
Bernd Hoppe 15.4.22
Für Tanz, Licht und Orchester
13. März 2022
SYM – PHONIE MMXX heißt der neue Abend von Sasha Waltz beim Staatsballett Berlin, für den Georg Friedrich Haas als Auftragsarbeit die Musik geliefert hat. Die Jahreszahl 2020 im Titel verweist auf die ursprünglich geplante Uraufführung vor zwei Jahren, die durch die Pandemie verschoben werden musste. Diese fand nun am 13. März 2022 statt und empfing enthusiastische Aufnahme beim Premierenpublikum.
Auf der schwarz ausgeschlagenen Bühne von Pia Maier Schriever gibt es lediglich eine rostrot/kupferfarbene Wand, die zu Beginn im Hintergrund steht und sich am Ende als Plafond bedrohlich auf die Tänzer senkt. Von David Finn wird sie beleuchtet, aber auch oft ins absolute Dunkel getaucht. Die Kostüme von Bernd Skodzig wechseln von hautfarbenen Trikots über schwarze Anzüge und Kleider bis zu extravaganten schwarzen Roben mit Fledermausärmeln und eleganten Seidenkleidern in Pastelltönen. Die Musik von Haas, live geboten von der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Ilan Volkov, ist ein Konglomerat aus geheimnisvoll rauschenden, brummenden, raunenden Geräuschen, die zuweilen anschwellen und sich bis zum schmerzenden Aufschrei steigern. Fast durchgängig ist sie von nervöser Unruhe, oft aggressiv geschärft und noch öfter stumm. In solchen Momenten ist auch die Bühne in schwarzes Dunkel getaucht – man sieht und hört nichts.
Die Choreografie von Sasha Waltz ist von monotoner, ermüdender Gleichförmigkeit, oft in Bewegungslosigkeit verharrend oder im endlosen Wiederholungsmodus verbleibend. Manche Szenen sind geradezu enervierend ausgebreitet und scheinbar ohne jede Aussage. So gibt es eine Gruppe von Tänzern, die sich wie in Zeitlupe nach vorn bewegen, dann zu Boden sinken und sich mit gegenseitiger Hilfe wieder aufrichten. Jedes Gefühl für Timing ist hier ausgeblendet.
Anfangs sieht man Körperskulpturen, aus denen sich eine Tänzerin löst, Männer-Duos mit komplizierten Hebungen, Frauengruppen gleich aggressiv-bizarren Amazonen, stampfende Männerformationen. Die Choreografie assoziiert Situationen von Angst, Schutzsuche, Beklemmung, Ohnmacht und Zuneigung, verdeutlicht mit flatternden Händen, wackelnden Köpfen, wiegenden Körpern, animalischen Sprüngen und Umarmungen. Es gibt Pietà-Figuren und zu Boden stürzende Menschengruppen, die sich am Ende verzweifelt gegen eine drohende Gefahr zu wehren versuchen und dieser nur knapp entkommen. Die Erfindungskraft der Choreografin scheint erschöpft und hat in dieser Arbeit einen Tiefpunkt erreicht.
Bernd Hoppe, 14.3.22
Gala der Staatlichen Ballettschule
Erst vor wenigen Tagen begeisterte das Bundesjugendballett in der Philharmonie – nun gab es am 21. 1. 2022 in der Staatsoper einen nicht weniger akklamierten Abend. Die Staatliche Ballettschule Berlin feierte ihr 70jähriges Bestehen mit einer Gala, die eine filmische Retrospektive von Tobias Busch eröffnete. Erster Live-Beitrag war eine der drei Uraufführungen des Programms – Giorgio Madias Dance, Dance, Dance! auf den Song „Sing, Sing, Sing“ von Benny Goodman. Ein munterer Auftakt mit originell-witzigen Kostümen, in dem Schülerinnen und Schüler des 2. bis 5. Ausbildungsjahres zum Einsatz kamen. In der nächsten Nummer präsentierte sich mit Victor Caixeta ein prominenter Absolvent des Berliner Institutes, der inzwischen Solist am Mariinsky-Theater St. Petersburg ist. Mit Elisabeth Tonev vom Het Nationale Ballet Amsterdam zeigte er die Balkonszene aus Prokofjews Romeo und Julia in der Choreografie von Leonid Lawrowski – eine gediegene Interpretation von poetischer Anmut und tänzerischer Exzellenz. Das folgende Divertissement aus Paquita – in der Choreografie von Marius Petipa ein Prüfstein für die tänzerische Bravour einer Compagnie und daher ein Dauerbrenner im Repertoire der Ballettschule – war ein Höhepunkt des Abends. Diana Laura Montes Mota und Filippo Pagani brillierten als Solopaar, Leena Coulie und Yusei Kobayashi boten in den beiden Variationen graziöse und virtuose Auftritte.
Zu Beginn des zweiten Teiles war Gelegenheit, eine weitere renommierte Absolventin der Ballettschule zu erleben. Katja Wünsche machte 1999 ihren Abschluss in Berlin und ist seit 2012 Erste Solistin beim Zürich Ballett. Nun beehrte sie die Gala als Ehrengast und bot mit Cohen Aitchison-Dugas (ebenfalls vom Zürich Ballett) eine Choreografie von Christian Spuck, designierter Intendant des Staatsballetts Berlin. Nocturne auf Chopins Musik ist ein expressiver Pas de deux, gezeigt in tänzerischer Noblesse und mit berührend menschlicher Aura.
Better, Faster, Stronger war der Titel der zweiten Uraufführung, wieder von Giorgio Madia: ein Tanz von geballter Energie mit jungen Tänzern in Jeans und weißen T-Shirts – so witzig wie bravourös und durchweg überwältigend. Mit Polina Semionova, Honorarprofessorin an der Ballettschule, gab es einen weiteren Ehrengast des Abends. Sie zeigte das Solo Cinque von Mauro Bigonzetti auf zwei sakrale Kompositionen Vivaldis – ein ausdrucksstarkes Stück mit schmerzlichem Ausdruck und von der Berliner Kammertänzerin bewegend interpretiert. Der finale Beitrag – die Uraufführung About Us von Kelvin O. Hardy auf eine lärmende Klangcollage mit eingestreuten Sprachfetzen – bot trotz imponierender Momente keine weitere Steigerung. Der Choreograf und Pädagoge kam 1989 aus New York nach Berlin und unterrichtet seit 30 Jahren an der Ballettschule Contemporary und Modern Dance. Sein neues Stück bietet viel Bodenarbeit, ist stilistisch zu divers und im Timing überdehnt, wurde aber dennoch vom Publikum enthusiastisch bejubelt – wie am Ende der Beifall für alle Mitwirkenden nicht enden wollte. Würdiger konnte das Jubiläum der Staatlichen Ballettschule nicht begangen werden.
Bernd Hoppe 21.1.22
Gipfeltreffen in der Berliner Philharmonie
Ballett mit Orchester
An den Vertrag von Maastricht, mit dem 1992 die Grundlage der Europäischen Union geschaffen wurde, erinnerte der Abend in der Berliner Philharmonie am 17. 1. 2022. Zu Gast waren das Bundesjugendballett und das Bundesjugendorchester, die zum dritten Mal in einer Produktion zusammenwirkten. Wegen des besonderen Anlasses waren auch Mitglieder des Orchestre Français des Jeunes eingeladen – wahrhaft ein europäisches „Gipfeltreffen“ also. Dies auch das Motto des Abends, der im Wechsel Musik und Tanz in Live-Darbietungen vereinte. Werke der Zeitgenossen Maurice Ravel und Richard Strauss standen auf dem Programm, beginnend mit dem Poème chorèographique pour Orchestre „La Valse“. Die Orchestervereinigung musizierte unter Leitung des britischen Dirigenten Alexander Shelley, führte das Stück vom flirrenden Beginn bis zum orgiastischen Finale. Später gab es noch Strauss’ „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ op. 28 zu hören – ein burlesker Spaß, hurtig und ausgelassen, mit witzigen Episoden bis zum fatalen Ende mit dem Todesurteil für den Gaukler. Das Orchester formte die Schelmenweise mit ihren vielen abrupten Stimmungswechseln und der raffinierten Klangsprache in virtuoser Manier, die zu Recht mit enthusiastischem Beifall des Publikums honoriert wurde.
Musikalisch von ganz anderem Charakter war das zweite Werk von Strauss – die Orchestersuite „Der Bürger als Edelmann“ op. 60, Nr. 3a. In dieser kammermusikalischen Komposition mit ihren Ariadne auf Naxos-Zitaten konnte der Klangkörper Delikatesse und filigrane Gespinste demonstrieren. John Neumeier, der Gründungsintendant des Bundesjugendballetts, hatte eigens für das Gipfeltreffen zu Strauss’ Orchestersuite ein neues Ballett geschaffen. Vier Paare in farbigen Trikots setzten die vitale, an Hebungen, Sprüngen und Drehungen reiche Choreografie in ausgelassener Stimmung um. Die jungen Tänzerinnen und Tänzer stellten sich zum Schluss des offiziellen Programms noch mit einer eigenen Choreografie vor. Die musikalische Folie bildete Ravels viersätziges Klaviertrio a-Moll, das Yan Pascal Tortelier für großes Orchester bearbeitet hatte. Das einleitende Modéré in schillerndem Klangduktus bot kraftvollen, bewegten Tanz, das folgende Pantoum: Assez vif originelle Figuren mit reicher Armarbeit. Der dritte Satz in schwelgerischem Rausch, Passacaille: Très large, zeigte einen expressiven Pas de deux, das lebhafte Final: Animé Tanz von dramatischem Zuschnitt. Die Stimmung im Saal erreichten den Siedepunkt, als das Ensemble noch einen Ausschnitt aus Neumeiers Bernstein Dances als Zugabe bot und mit dieser vitalen, witzigen Darbietung den Höhepunkt des Abends setzte.
Bernd Hopper, 20.1.22
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Don Q ist zurück
Victor Ullates Fassung von Don Quixote (nach Marius Petipa und Alexander Gorski) hatte am 16. 2. 2018 beim Staatsballett Berlin ihre Premiere. Nun ist dieses Fest des Tanzes in der Deutschen Oper Berlin wieder zu erleben. Dankenswerterweise hat Ullate sich in seiner Version weitestgehend an die klassischen Choreografien gerhalten. Seine eigenen Zutaten wirken weniger überzeugend. Sie bestimmen vor allem die erste Szene des 2. Aktes auf dem nächtlichen Feld mit den Windmühlen, wo der Einsatz der verstärkten Gitarre (gespielt von Detlev Bork) in Kompositionen von José Maria Gallardo del Rey als Fremdkörper im musikalischen Gefüge empfunden wird. Diese Musik untermalt die Auftritte der Königin und des Königs der „Gitanos“, denen das wilde Temperament der Zigeuner in Gorskis Version fehlt, was nicht Iana Balova und Olaf Kollmannsperger anzulasten ist, sondern dem Choreografen. Auch die „Gitano“-Tänzerinnen sind in ihrem Gestus eher von orientalischer denn spanischer Anmutung. Eine Flamenco-Einlage zum rhythmischen Klatschen der Tänzer lässt danach die Spannung stark abfallen. Und Don Quixote kämpft hier nicht gegen Windmühlenflügel, sondern gegen einen kosmischen Spiralnebel, der auf dem Hintergrundprospekt erscheint. Befremdlich ist die Einspielung lärmender elektronischer Geräusche, die Quixotes Traum illustrieren, in welchem ihm bizarre Fabelwesen in roter und violetter Beleuchtung (Marco Filibeck) erscheinen. Glücklicherweise führt der zweite Teil seines Traumes gemäß der originalen Vorlage in den Zaubergarten, was Petipas klassisch-akademische Figuren zurückbringt, welche den Tänzern ein Höchstmaß an Akkuratesse und Eleganz abverlangen. Ullate hat die Figur des Cupido statt einer Tänzerin einem Tänzer übertragen, womit Dominic Whitbrook im goldenen Trikot mit einem flinken Wirbel brillieren kann. Der dritte Akt spielt hier in Lorenzos Weinkeller, die Hochzeitszeremonie im Garten von Camachos Schloss, der sich als die Alhambra von Granada darstellt.
In der Aufführung am 6. 12. 2021 gab es eine Reihe von Rollendebüts. Bemerkenswert war das von Evelina Godunova als Kitri. Die Tänzerin, noch nicht einmal im Rang einer Ersten Solistin, überraschte mit stupender technischer Bravour, die sich sogleich bei ihrem ersten Auftritt mit federnden grand jétés offenbarte. Auch die Variation im Pas de deux des 1. Aktes mit Basil imponierte in ihrem Tempo und der Brillanz. Nicht jede Balance im Hochzeits-Pas-de- deux war ganz sicher, aber dessen Schluss mit mehrfach auf dem Punkt gedrehten fouettés spektakulär.
Auch Daniil Simkin als Basil gab in dieser Fassung sein Rollendebüt. Rassig und temperamentvoll, dabei stets elegant, konnte er in jedem Moment überzeugen. Exzellent seine Variation im letzten Pas de deux und die spektakulären grand jétés à la manège.
Gegen dieses Paar fallen die beiden Rollendebütanten Sarah Brodbeck als Straßentänzerin Mercedes und Alexandre Cagnat als Torero Espada stückgemäß etwas ab, aber immerhin bieten beide die rassige Allüre und er in seiner Variation des 3. Aktes eine bestechende Haltung gemäß der Escuela Bolera.
Zu nennen sind noch Federico Spallitta, der den eitlen, heiratswilligen Gecken Camacho skurril zeichnet, ohne ich ganz zur Karikatur zu verzerren. Yevgeniy Khissamudinov sichert dem Titelhelden die Sympathien des Publikums durch würdevolle Darstellung, während der Sancho Pansa in Ullates Choreografie aufgewertet wird, was Alexander Shpak mit effektvollen Einlagen zu nutzen weiß. Robert Reimer bringt die rhythmische Verve der Musik mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin zu mitreißender Wirkung..
Roberta Guidi di Bagno ist eine renommierte italienische Ausstatterin, aber man hat von ihr schon weit stimmigere Arbeiten gesehen. Diese hier ist etwas kunstgewerblich mit Hintergrundprospekten und Soffitten aus kunststoffartigem Material. Die Kostüme sind allzu Gold-, Silber- und Glitzer-verliebt. Vor allem das silbern funkelnde Kleid von Mercedes und Espadas silberner Torero-Anzug scheinen wie aus einem anderen Stück ausgeborgt. Sogar Camacho und der Don müssen am Schluss goldene Kostüme tragen. Immerhin hat die Ausstatterin folkloristische Buntheit vermieden, die Kleider von Kitri und ihren Freundinnen mit Volants und Blumendekor wirken duftig und leicht. Der anhaltende Beifall am Ende war verdienter Lohn für eine hochkarätige Aufführung.
Bernd Hoppe 8.12.2021
Onegin zum 95. Male
Seit der Premiere am 9. November 2003 gehört das Ballett Onegin in der Choreografie von John Cranko zu den beliebtesten Aufführungen der Berliner Compagnie. Am 27. 11. 2021 bejubelte das Publikum in der voll besetzten Staatsoper die 95. Aufführung. Sie bekam ihren Glanz durch den Auftritt von Polina Semionova als Tatjana, die sich nach der durch die Geburt ihres zweiten Kindes bedingten Pause wieder in souveräner Form präsentierte. Bewundernswert gelang ihr die Darstellung des jungen Mädchens in seiner Anmut und Gefühlsverwirrung. Im Traum-Pas-de-deux sieht man schon die erwachende junge Frau, deren Sehnsucht nach Liebe sich zu leidenschaftlicher Hingabe steigert. Die Tänzerin vereint hier starken Ausdruck und tänzerische Perfektion, wie auch in ihrem Solo bei der Geburtstagsfeier. Überwältigend schließlich Tatjanas verzweifelter innerer Kampf im Widerstreit der Gefühle, als Onegin ihr seine Liebe gesteht und sie sich dennoch für Gremin entscheidet. Alejandro Virelles hatte in diesem letzten Pas de deux seine beste Szene, aber insgesamt kam sein Rollendebüt als Titelheld trotz solider technischer Bewältigung zu früh. Für die Formung des Charakters fehlt es ihm einfach noch an Reife und Ausdrucksfacetten. Noch problematischer geriet das zweite Rollendebüt des Abends. Suren Grigorian als Lenski ließ es - vor allem im Auftritt - an technischer Sicherheit fehlen. Auch vermisst man bei ihm die federnde Leichtigkeit der Sprünge, die Eleganz in der Ausformung der Figuren. Immerhin sah man in seinem Solo vor dem Duell erste Ansätze für eine hoffentlich positive Entwicklung. Gebührend leicht und kokett war die Olga von Alzée Sicre, Gremin hat man in seiner fürstlichen Autorität schon stärker gesehen als von Konstantin Lorenz. Während Martina Böckmann für die Amme zu jung und zu unprofiliert ist, bedeutet Barbara Schroeder für die Larina in ihrem damenhaften Charme und der mütterlichen Fürsorge noch immer einen Besetzungsglücksfall. Am Pult der Staatskapelle Berlin sorgte Ido Arad für musikalischen Glanz, konnte freilich Bläsermisstöne im letzten Bild nicht verhindern.
Bernd Hoppe, 28.11.21
Der Dawson-Abend beim Berliner Staatsballett
Große Worte – kleine Taten
Eine Berliner Erstaufführung und eine Weltpremiere vereint der neue Abend beim Staatsballett in der Deutschen Oper. Sein Titel Dawson verweist auf den Schöpfer der beiden Arbeiten – den englischen Choreografen David Dawson, den man in Deutschland vor allem durch seine Tätigkeit beim Ballett Frankfurt und dem Semperoper Ballett Dresden kennt.
Das erste Stück (für einen Tänzer), Citizen Nowhere, wurde 2017 beim Het Nationale Ballet Amsterdam uraufgeführt. Die vom Tonträger eingespielte Musik stammt von dem Polen Szymon Brzoska, der regelmäßig mit Choreografen zusammenarbeitet. Ihre sphärischen Melismen gleichen dem Weltraum-Sound aus einem sciene fiction-Film, biedern sich in ihrer Gefälligkeit dem Ohr des Hörers an, sind aber vom Kitsch nicht weit entfernt. Das Ballett imaginiert in 13 Porträts Saint-Exupérys Erzählung vom Kleinen Prinzen, was freilich eher eine Behauptung darstellt, als das sich die Handlung des Buches durch den Tanz erschließen würde. Gelegentlich werden in Eno Henzes Bühnengestaltung im Hintergrund, auf dem anfangs Buchstaben in wildem Taumel rasen, Schriftzeilen sichtbar, welche Sätze aus der Geschichte zitieren.
Das tänzerische Vokabular ist rein neoklassisch, der Bewegungsfluss sehr dynamisch und fließend mit vielen schnellen Drehungen und Balancen auf Halbspitze. Die abgewinkelten Hände sind eine Eigenart des Choreografen, dessen Erfindungsreichtum sich sonst in Grenzen hält. Auch erfüllt diese Arbeit nicht den im Programmheft formulierten Anspruch, die Kunstform des Tanzes zu erneuern. Dabei ist Olaf Kollmannsperger ein glänzender Interpret, der das fordernde Solo von fast dreißig Minuten mit bewundernswerter Kondition absolviert, mit viriler Eleganz ein Muster an ästhetischem Anblick bietet.
Auch das zweite Stück, Voices, obwohl eine Neuschöpfung, erfüllt die Vorgabe nicht, Neues zu wagen. Sieben Paare in farbigen Trikots (Kostüme: Yumiko Takeshima) absolvieren auf der leeren Bühne, die von Bert Dalhuysen in unterschiedlichen Pastellfarben ausgeleuchtet wird, eine Dauerschleife von Drehungen und Hebungen zu Max Richters monotoner Musik – einem Streicherteppich, über dem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 in mehreren Sprachen rezitiert wird, und darüber hinaus in Form einer Collage Klavierakkorde, Vogelstimmen und raunende Stimmen ertönen. Aus der exzellenten Tänzergruppe ragt Aya Okumura heraus, die in ihrem Solo mit agiler Energie gefallen kann. Vor allem aber imponieren Polina Semionova mit fraulicher Eleganz und ihr zuverlässiger Partner Alejandro Virelles. Sie bestreiten den letzten Pas de deux, der einige starke Momente bereithält, das Stück in seiner ermüdenden Einförmigkeit und dem altmodischen Zuschnitt aber nicht retten kann. Das Premierenpublikum am 26. 9. 2021 sah das anders und jubelte euphorisch.
Bernd Hoppe, 29.9.2021
Das Staatsballett Berlin ist zurück
From Berlin With Love Vol. IV
Endlich darf das Staatsballett wieder auftreten und feierte seine Rückkehr auf die Bühne der Deutschen Oper Berlin am 5. 6. 2021 mit der 4. Folge der Gala-Serie From Berlin With Love. Erneut bot der Abend eine Mischung aus klassischem Repertoire und zeitgenössische Arbeiten. Das Programm begann mit einem Pas de deux aus dem Ballett Blumenfest von Genzano, der die spezifische Handschrift des dänischen Choreografen August Bournonville sehr anschaulich zeigt. Viele kleine Schritte und leichtfüßige battements sind hier gefordert, Yuria Isaka und Murilo de Oliveira zeigten sich diesen Anforderungen souverän gewachsen und gefielen darüber hinaus auch mit ihrem sympathischen Charme. Die zweite Nummer, eine neoklassizistische Traumszene für drei Paare aus Heinz Spoerlis Ein Sommernachtstraum, war bereits in Folge III zu sehen. Wieder sorgten Sarah-Jane Brodbeck/Konstantin Lorenz, Evelina Godunova/Yevgeniy Khissamutdinov, Alizée Sicre/Alexei Orlenco in ihren hautengen glitzernden Trikots für magische Momente zur sphärischen Musik von Philipp Glass.
Mit Spannung erwartet wird bei jeder Gala ein großes Bravourstück und diesmal war es mit dem Grand Pas classique auf Musik von Auber eines mit besonders spektakulären Effekten. Denn die Choreografie von Victor Gsovsky ist gespickt mit einem tänzerischen Vokabular von höchster Schwierigkeit. Daniil Simkin erwies sich hier als exzellenter Virtuose, meisterte die geforderten Sprünge und Drehungen makellos. Seine Partnerin Aya Okumura erreichte dieses Ausnahmeniveau nicht ganz, bewies aber ihr großes Talent. Auch Arshak Ghalumyans eigenwillige Choreographie Mare Crisium auf Musik von Karl Jenkins mit Iana Balova, Sarah Hees-Hochster, Krasina Pavlova, Eloise Sacilotto und Pauline Voisard wurde beim letzten Gala-Abend schon gezeigt. Immer noch hat man Schwierigkeiten, sich mit den zuckenden und kreisenden Körpern, die sich später zu einem rasanten Wirbel steigern, anzufreunden, Stimmiger erschien die zweite Arbeit des Tänzers auf Klaviermusik von Debussy (live gespielt von Alina Pronina) – das Duett Promenade. Alizée Sicre und Alexei Orlenco gefielen mit ihrem gefühlsbetonten Vortrag. Die Pianistin begleitete auch Mauro Bigonzettis Duetto inoffensiv auf Klavierstücke von Rossini, das ein Frauenpaar (Elisa Carrillo Cabrera und Yolanda Correa) in inniger Zuwendung, doch steter Konfrontation mit dem Abgrund zeigt. Artistisch und spektakulär endete der erste Teil mit dem „Gopak“ aus dem Ballett Taras Bulba in der Choreografie von Fedor Lopuchow. Es ist ein Glanzstück von Dinu Tamazlacaru, der hier für seine Sprünge von enormer Höhe und Energie von seinen zahlreichen Anhängern stürmisch gefeiert wurde.
Den zweiten Teil der Programmfolge füllte das Tanzstück Half Life von Sharon Eyal und Gai Behar aus, welches im September 2018 in der Komischen Oper Premiere beim Staatsballett hatte. Die sich stupide wiederholenden Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer, die Verrenkungen und Verschiebungen ihrer Körper befremdeten auch an diesem Abend – samt der enervierenden Lärmcollage von Ori Lichtik.
Bernd Hoppe 6.5.2021
GISELLE
Masken beim Staatsballett Berlin
Nach einigen Gala-Abenden zeigte das Staatsballett am 28. 10. 2020 erstmals seit den Corona-Einschränkungen ein abendfüllendes Handlungsballett – Adolphe Adams Giselle in der Choreografie von Patrice Bart (nach Coralli und Perrot). Freilich war auch diese Aufführung den Infektionsschutzmaßnahmen angepasst, was beispielsweise eine Reduzierung der Wilis auf 12 Tänzerinnen bedeutete. Aber sie – wie auch die Bauernpaare im 1. Akt - wirkten auf der nicht allzu großen Bühne der Staatsoper keineswegs verloren: Der optische Eindruck war durchaus stimmig. Im 1. Akt trug die Jagdgesellschaft Masken - heute Alltagsnormalität, doch auf der Bühne ein irritierender Anblick. Dennoch war der Abend beglückend, nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Tänzer, die sich mit sichtbarem Engagement einbrachten – aus Freude, endlich wieder eine Handlung tanzen zu dürfen.
Auch die hochrangige Besetzung trug zum Erfolg des Abends bei, angeführt von Daniil Simkin, dessen Albrecht zwar keine aristokratische Aura atmete, eher eine sympathisch schwärmerische Burschenhaftigkeit, der aber mit Aufsehen erregenden technischen Finessen aufwartete. Schon in seiner ersten Variation bestach er mit raffinierten Details, und sein Auftritt im 2. Akt war vollendet im Ausdruck und tänzerischen Finish – mirakulös seine hohen Sprünge und die traumverlorenen Hebungen. Simkin ist die Inkarnation des romantischen Jünglings. An seiner Seite war Iana Salenko eine im 1. Akt mädchenhaft schüchterne Giselle. Bravourös ihre Variation mit der Diagonale auf Spitze und effektvollen Pirouetten. Später im Waldbild sah man sie als ätherisch-fragiles Geschöpf von überirdischer Schwerelosigkeit mit fliehenden Arabesken.
Aurora Dickie gab eine hoheitsvolle Myrtha mit majestätischer Allüre, gediegen die beiden Solo-Wilis Yuka Matsumoto und Cécile Kaltenbach, viril und persönlichkeitsstark der Hilarion Vahe Martirosyan. Im 1. Akt fielen Aya Okumura und Alexander Bird als talentiertes Paar im Bauern-Pas-de-deux auf. Ido Arad am Pult der Staatskapelle Berlin überzeugte mit einer ungemein sensiblen musikalischen Deutung.
Bernd Hoppe, 30.10.2018
From Berlin With Love Vol. III
19.10.2020
Das Staatsballett ist in seiner Gala-Serie nun bei der 3. Ausgabe angekommen, welche diesmal in der Deutschen Oper stattfand (18. 11. 2020), wiederum unter Corona-Auflagen, was auch der Situation angepasste Choreografien zur Folge hatte. Das Programm bot eine Mischung aus klassischem Repertoire und zeitgenössische Arbeiten, war also eine Kombination aus Vol. I und II.
Auftakt war das Duett Mesh auf Musik von Dobrinka Tobakova in der Choreografie von George Williamson mit zwei Ersten Solisten des Ensembles, Ksenia Ovsyanick und Alejandro Virelles. In dieser träumerischen Szene voller Innigkeit und Zuneigung waren die persönlichkeitsstarke Tänzerin und ihr Partner mit seiner Latino-Sinnlichkeit ein ideales Paar. Als zweiten Beitrag des Programms wiederholten Iana Salenko und Daniil Simkin ihre Bravour-Nummer aus Vol. II, den Grand Pas de deux aus Riccardo Drigos Le Corsaire in der Choreografie von Marius Petipa. Auch an diesem Abend markierte er in seiner spektakulären Brillanz einen Höhepunkt. Dann gab es eine weitere Traumsequenz mit einem Ausschnitt aus Heinz Spoerlis Ein Sommernachtstraum auf Musik von Philipp Glass. In glitzernden hautengen Trikots von Jeanine Pieterse präsentierten sich drei Paare – Sarah-Jane Brodbeck/Vahe Martirosyan, Evelina Godunova/Yevgeniy Khidssamutdinov, Alizée Sicre/Alexei Orlenco – mit einem jeweils individuell geformten Pas de deux von neoklassischer Gewandtheit.
Das folgende bizarre Solostück The Zero von Ross Martinson auf eingespielte oder original gesprochene Texte und flackernde Lichter war dazu ein herber Kontrast – auch wenn der Schöpfer dieser Nummer selbst auftrat und sich total einbrachte. Eigenwillig ist auch Arshak Ghalumyans Choreographie Mare Crisium auf Musik von Karl Jenkins mit Iana Balova, Sarah-Jane Brodbeck, Weronika Frodyama, Eloise Sacilotto und Clotilde Tran mit zunächst zuckenden und kreisenden Körpern, doch später rasanter Steigerung in Tempo und Dynamik.
Den Pas de deux aus George Balanchines Diamonds zelebrierten Iana Salenko und Marian Walter in neoklassizistischer Eleganz und mit einer Suite Dritter Akt aus Tschaikowskys Schwanensee (Choreografie: Patrice Bart nach Petipa) gab es dann noch einen beliebten Klassiker. Neben zwei Nationaltänzen und dem Auftritt der vier Prinzessinnen sorgten Yolanda Correa und Dinu Tamazlacaru im Pas de deux Schwarzer Schwan für Ausdrucksfinessen und Bravour.
Danach war Johnny McMillans Parliament auf eigene Musik von enervierender Monotonie mit aus dem Dunkel heraus geleuchteten nackten Oberkörpern von 18 Tänzern ein enttäuschender Absturz. Die Choreographie bewegt sich zwischen Trance und Aggression, endet mit irrem Lachen der Tänzer und ließ das Publikum in Ratlosigkeit zurück.
(c) Yan Revazov
Bernd Hoppe 20.10.2020
Das Berliner Staatsballett tanzt wieder
From Berlin With Love Vol. II nannte das Staatsballett seine Gala, die am 19. 9. 2020 in der Staatsoper unter Corona-Auflagen Ausschnitte aus dem klassisch-romantischen Repertoire präsentierte, nachdem Vol. I Ende August zeitgenössische Arbeiten von Tänzern des Ensembles gezeigt hatte. Der Abend begann mit einer Fotogalerie und einem eingespielten Film über das Staatsballett (Clementine Pohl/Vladislav Marinov).
Der tänzerische Auftakt mit Cesare Pugnis Pas de quatre in der Choreografie von Anton Dolin (nach Petipa) zeigte das fiktive Zusammentreffen von vier legendären Ballerinen. Als Lucile Grahn, Carlotta Grisi, Fanny Cerrito und Marie Taglioni sorgten Evelina Godunova, Aya Okumura, Sarah Hees-Hochster und Yolanda Correa für anmutige und graziöse Momente, brillierten auch gebührend in den individuellen Soli. Nur die bescheidene Qualität der Toneinspielung trübte den Gesamteindruck.
Gleich der zweite Beitrag des Programms, der Grand Pas de deux aus Riccardo Drigos Le Corsaire in der Choreografie von Marius Petipa, markierte dessen Höhepunkt. Denn mit Iana Salenko und Daniil Simkin war ein Paar angetreten, das mit sicher bewältigten Schwierigkeiten und hoheitsvoller Attitüde einen sensationellen Auftritt hatte. Der Erste Solist der Compagnie bot später noch Siegfrieds Variation aus dem 1. Akt von Tschaikowskys Schwanensee (Choreografie: Patrice Bart nach Petipa), die von Alina Pronina/Klavier, Lothar Strauß/ Violine und Andreas Greger/Cello sehr einfühlsam begleitet wurde. Auch Simkin berührte – trotz minimaler Unsicherheiten – mit seiner sensiblen Interpretation, welche den Prinzen in seiner romantischen Sehnsucht anschaulich zeichnete. Es war dies die erste von insgesamt drei Szenen aus Tschaikowskys Klassiker. In der Mazurka hatten neun Herren des Ensembles, angeführt von Olaf Kollmannsperger, ihren temperamentvollen Auftritt. Salenko und Marian Walter boten mit dem Pas de deux aus dem 2. Akt, den sie technisch vollendet und mit innigem Ausdruck zelebrierten, ein weiteres Glanzlicht. Hatten zwölf Tänzerinnen als Schwäne hier für den stimmungsvollen Rahmen gesorgt, waren sie zuvor auch als Willis im 2. Akt aus Adolphe Adams Giselle zu sehen. Aurora Dickie gab die Myrtha technisch souverän und mit strenger Aura.
Willkommen war die Bekanntschaft mit einer unbekannten Nummer (Variations for Four) in der Choreografie von Anton Dolin auf Musik von Marguerite Keogh. In diesem Bravourstück glänzten Dominic Whitbrook, Nikolay Korypaev, Murilo de Oliveira und Kollmannsperger. Zum Schluss sorgten Ksenia Ovsyanick und Dinu Tamazlacaru für Temperament, spanisches Flair und Brillanz im Grand pas de deux aus Ludwig Minkus’ Don Quixote (Choreografie: Victor Ullate). Der Jubel der Zuschauer danach kündete auch von ihrer Sehnsucht, in den Opernhäusern bald wieder komplette Ballettaufführungen genießen zu können.
Bernd Hoppe, 23.9.2020
(c) Yan Revazov