DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
Dies ist das OPERNFREUND-Archiv
Alle neuen Kritiken erscheinen ab sofort auf unserer neuen Website
Startseite
Unser Team
Impressum/Copyright
---
Alle Premieren 22/23
Kontrapunkt
Die OF-Schnuppe :-(
Der OF-Stern * :-)
OF Filmseite
Silberscheiben
CDs DVDs
OF-Bücherecke
Oper DVDs Vergleich
Musical
Genderschwachsinn
Oper im TV
Nachruf R.i.P.
Et Cetera
-----
Aachen
Aarhus
Abu Dhabi
Bad Aibling
Altenburg Thüringen
Altenburg Österreich
Amsterdam DNO
Amsterdam Th. Carré
Amst. Concertgebouw
Andechs
Annaberg Buchholz
Ansbach
Antwerpen
Arnheim
Aschaffenburg
Athen
Athen Onassis Cultur
Augsburg
Avignon
Bad Hersfeld
Bad Ischl
Bad Kissingen
Bad Lauchstädt
Bad Reichenhall
Bad Staffelstein
Baden bei Wien
Baden-Baden
Badenweiler
Baku
Bamberg
Barcelona
Basel Musiktheater
Basel Sprechtheater
Basel Ballett
Bayreuth Festspiele
Bayreuth Markgräfl.
Pionteks Bayreuth
Belogradchik
Bergamo
Berlin Livestreams
Berlin Deutsche Oper
Berlin DO WA
Berlin Staatsoper
Berlin Staatsoper WA
Berlin Kom. Oper
Berlin Kom. Oper WA
Berlin Neuköllner Op
Berlin Konzerte
Berlin Sonstiges
Berlin Ballett
Bern
Bern Sprechtheater
Biel
Bielefeld
Bochum Ruhrtriennale
Bochum Konzerte
Bochum Sonstiges
Bologna
Bonn
Ära Weise 2003-2013
Bonn Sonstiges
Bordeaux
Bozen
Brasilien
Bratislava
Braunschweig
Braunschweig Konzert
Braunschweig openair
Bregenz Festspiele
Bregenz Sonstiges
Bremen
Bremen Musikfest
Bremerhaven
Breslau
Briosco
Britz Sommeroper
Brixen
Brühl
Brünn Janacek Theate
Brünn Mahen -Theater
Brüssel
Brüssel Sonstige
Budapest
Budap. Erkel Theater
Budapest Sonstiges
Buenos Aires
Bukarest
Burgsteinfurt
Bytom Katovice
Caen
Cagliari
Casciana
Chemnitz
Chicago Lyric Opera
Chicago CIBC Theatre
Coburg
Coburg Joh. Strauss
Coesfeld
Colmar
La Coruna
Cottbus
Crevoladossola
Daegu Südkorea
Darmstadt
Dehnberg
Den Haag
Dessau
Dessau Weill Fest
Detmold
Dijon
Döbeln
Dornach
Dortmund Ballett
Dortm. Konzerthaus
Dortmund Sonstiges
Dresden Semperoper
Dresden Operette
Dresden Sonstiges
Dresden Konzert
Duisburg
Duisburg Sonstiges
MusicalhausMarientor
Düsseldorf Oper
Rheinoper Ballett
Düsseldorf Tonhalle
Düsseldorf Sonstiges
Schumann Hochschule
Ebenthal
Eggenfelden
Ehrenbreitstein
Eisenach
Ekaterinburg
Enschede
Erfurt
Erl
Erlangen
Essen Aalto Oper
Essen Aalto Ballett
Essen Aalto WA
Essen Phil 2
Essen Phil 1
Essen Folkwang
Essen Sonstiges
Eutin
Fano
Fermo
Flensburg
Florenz
Frankfurt
Frankfurt WA
Bockenheimer Depot
Frankfurt Sonstiges
Frankfurt Alte Oper
Frankfurt Oder
Freiberg
Freiburg
Füssen
Fürth
Fulda
Sankt Gallen
Gelsenkirchen MiR
Genova
MiR Ballett
Genf
Gent
Gera
Gießen
Glyndebourne
Görlitz
Göteborg
Gohrisch
Gotha Ekhof-Festsp.
Graz
Graz Styriarte
Graz Konzerte NEU
Graz Sonstiges
Gstaad
Gütersloh
Hagen
Halberstadt
Halle
Halle Händelfestsp.
Hamburg StOp
Hamburg StOp Wa
Hamburg Konzert
Hamburg Sonstige
Hamm
Hanau Congress Park
Hannover
Hannover Sonstiges
Heidelberg
Heidenheim Festsp.
Heilbronn
Heldritt
Helgoland
Helsinki
Hildesheim TfN
Hof
Hohenems
Gut Immling
Ingolstadt
Innsbruck Landesth.
Innsbruck Festwochen
Jekaterinburg
Jennersdorf
Kaiserslautern
Karlsruhe
Karlsruhe Händel
Opera Europa Bericht
Kassel
Kawasaki (Japan)
Kiel
Kiew
Klagenfurt
Klosterneuburg
Koblenz
Köln OperStaatenhaus
Wa Oper Köln
Köln Konzerte
Köln Musical Dome
Köln Sonstiges
Konstanz Kammeroper
Kopenhagen
Kosice
Krummau a.d. Moldau
Krefeld
Krefelder Star Wars
Kriebstein
Landshut
Langenlois
Bad Lauchstädt
Lech
Leipzig Oper
Leipzig Mus. Komödie
Leipzig Ballett
Leipzig Konzert
Leipzig Sonstiges
Lemberg (Ukraine)
Leoben
Leverkusen
Lille
Linz/Donau
Linz Sonstiges
Ljubljana/Laibach
Loeben
London ENO
London ROH
London Holland Park
Lucca
Ludwigshafen
Luisenburg
Lübeck
Lübeck Konzerte
Lübecker Sommer
Lüneburg
Lüttich/Liège
Liege Philharmonie
Luxemburg
Luzern
Luzern Sprechtheater
Luzern Sonstiges
Lyon
Maastricht
Macerata
Madrid
Magdeburg
Mahon (Menorca)
Mailand
Mainz
Malmö
Malta
Mannheim
Mannheim WA
Mannheim Konzert
Maribor/Marburg
Marseille
Martina Franca
Massa Marittima
Meiningen
Melbourne
Meran
Metz
Minden
Mikulov
Minsk
Miskolc
Modena
Mönchengladbach
Mörbisch
Monte Carlo
Montevideo
Montpellier
Montréal
Moritzburg
Moskau Bolschoi N St
Moskau Sonstige
München NT
München Cuvilliés
MünchenPrinzregenten
München Gärtnerplatz
München Ballett
München Sonstige
Münster
Münster Konzerte
Muscat (Oman)
Nancy
Nantes
Neapel
Neapel Sonstiges
Neuburger Kammeroper
Neuburg/Donau
Neustrelitz
Neuss RLT
New York MET
Nizhny Novgorod
Nordhausen
Novara
Nürnberg
Nürnberg Konzerte
Oberammergau
Oberhausen
Odense Dänemark
Oesede
Oldenburg
Ölbronn
Oesede (Kloster)
OperKlosterNeuburg
Oslo
Osnabrück
Ostrau
Palermo
Palma de Mallorca
Paraguay
Paris Bastille
Paris Comique
Paris Garnier
P. Champs-Elysées
Théâtre du Châtelet
Paris Ballett
Paris Philharmonie
Paris Versailles
Paris Sonstiges
Paris Streaming
Parma
Passau
Pesaro
Pfäffikon
Piacenza
Pisa
Pforzheim
Plauen
Posen
Potsdam
Prag Staatsoper
Prag Nationaltheater
Prag Ständetheater
Radebeul
Raiding
Rathen Felsenbühne
Recklinghausen
Regensburg
Reggio Emila
Reichenau
Remscheid
Rendsburg
Rheinsberg
Rheinberg
Riga
Riehen
Rosenheim
Rouen
Rudolstadt
Ruhrtriennale
Saarbrücken
Saint Etienne
Salzburg Festspiele
Salzburg LT
Salzburg Osterfestsp
Salzburg Sonstiges
San Francisco
San Marino
Sankt Margarethen
Sankt Petersburg
Sarzana
Sassari
Savonlinna
Oper Schenkenberg
Schloss Greinberg
Schwarzenberg
Schweinfurt
Schwerin
Schwetzingen
Sevilla
Singapur
Sofia
Solingen
Spielberg
Spoleto
Staatz
Stockholm
Stralsund
Straßburg
Stuttgart
Stuttgart Ballett
Sydney
Szeged (Ungarn)
Tampere (Finnland)
Tecklenburg
Tel Aviv
Teneriffa
Toggenburg
Tokyo
Toulon
Toulouse
Tours
Trapani
Trier
Triest
Tulln
Turin
Ulm
Utting
Valencia
Valle d´Itria
Venedig Malibran
Venedig La Fenice
Verona Arena
teatro filarmonico
Versailles
Waidhofen
Weimar
Wels
Wernigeröder Festsp.
Wexford
Wien Staatsoper
Wien TadW
Wien Volksoper
Wien Kammeroper
Wien Konzerte
Wien Ballett
Wien Sonstiges
Wiesbaden
Wiesbaden Wa
Wiesbaden Konzert
Bad Wildbad
Winterthur
Wolfenbüttel
Wolfsburg
Wunsiedel
Wuppertal
Würzburg
Zürich
Zürich WA
Zürich Ballett
Zürich Konzert
Zwickau
---
INTERVIEWS A - F
INTERVIEWS G - K
INTERVIEWS L - P
INTERVIEWS Q - Y
---
DIVERSITA:
YOUTUBE Schatzkiste
HUMOR & Musikerwitze
Opernschlaf
Facebook
Havergal Brian
Korngold
Verbrannte Noten
Walter Felsenstein
Unbekannte Oper
Nationalhymnen
Unsere Nationalhymne
Essays diverse
P. Bilsing Diverse
Bil´s Memoiren
Bilsing in Gefahr

STAATSOPER BERLIN - WIEDERAUFNAHMEN

www.staatsoper-berlin.de/

 

ELEKTRA

10. Aufführung am 6.6.2022 (Premiere am 23.10.2016)

Repertoire-Kleinod

Bereits über drei weitere Bühnen nach der Premiere in Aix- en- Provence im Jahre 2013 war Patrice Chereaus Inszenierung von Strauss‘ Elektra gezogen, ehe sie 2016, und da war der Regisseur bereits verstorben, im Berliner Schillertheater zum wohl größten Erfolg der Ära Flimm an der Staatsoper wurde, ohne jeden Widerspruch vom Publikum frenetisch bejubelt und vom Feuilleton unwidersprochen zum Meisterwerk erklärt. Betreut worden war die Inszenierung von den beiden Regieassistenten des großen Regisseurs, das Bühnenbild stammt von Richard Peduzzi, der auch das für den Jahrhundert-Ring in Bayreuth schuf, die Besetzung war sensationell bis in die kleinste Rolle hinein, so mit einem McIntyre als Altem Diener oder der Mozart-Sängerin Roberta Alexander als Fünfte Magd. Die inzwischen nun zehnte Aufführung der Produktion wurde wiederum von Vincent Huguet verantwortet, anstelle von Daniel Barenboim stand nun Thomas Guggeis am Dirigentenpult, und das nicht unwidersprochen, wie einige Buhrufe bei seinem Solovorhang vermuten lassen. Von monumentaler oder besser archaischer  Größe ist die Bühne, was den Königspalast betrifft, an dessen Seite sich zwei bescheidenere Gebäude anlehnen.

Die beste Regie scheint diejenige zu sein, die man nicht als solche konstatiert, wenn man annimmt, so müsse es laufen und nicht anders, und so lief es sowohl bei der Premiere als auch bei der Wiederaufnahme. Dabei war sowohl die Interaktion zwischen den Mägden wie die zwischen den Solisten von allerhöchster natürlicher Raffinesse wie raffinierter Natürlichkeit und zutiefst berührend das Wiedersehen zwischen Elektra und Orest. Da einige kleinere Striche aufgemacht worden waren, dauerte die Vorstellung etwas länger als die sonstigen 100 Minuten, abweichend von sonstigen Aufführungen wird Aegisth auf offener Bühne gemeuchelt, der Leichnam Klytämnestras auf dieselbe gefahren, was alles weder zu überraschenden neuen Einsichten führt, noch dass es stört.

Ungewöhnlich, vergleicht man sie mit den Heroinen der Vergangenheit wie Astrid Varnay, Martha Mödl oder Christa Ludwig, ist die optisch schlichte wie vokal zurückhaltende Klytämnestra der Waltraud Meier in farblich gedämpftem Gewand ohne den von Rollenvorgängerinnen gewohnten Aufwand an kostbarem Schmuck und auch einmal in Sprechgesang verfallend, ansonsten eher der Gesangskultur als besonderer Expressivität verpflichtet. Weder übertriebener Luxus noch Zeichen des körperlichen oder seelischen Verfalls sind zu bemerken, da steht eher eine schlicht-moderne, ihrer selbst sichere Frau auf der Bühne als das sonst auf ihr anzutreffende körperliche und seelische Wrack. Den Eindruck des auch vokal Zurückhaltenden hatte die Sängerin bereits vor Jahren auch in der Philharmonie unter Christian Thielemann in der Partie gemacht. Durch und durch bewundernswert ist die Leistung von Ricarda Merbeth in der Titelpartie, die ihrer Vorgängerin Evelyn Herlitzius an dramatischer Intensität in nichts nachsteht, die über eine urgesunde, kraftvolle Sopranstimme wie von dunklem Gold verfügt, nie schrill wird und die außergewöhnlich agogikreich die schwierige Partie durchmisst. Nie hat man den Eindruck, dass sie  an der Grenze ihrer stimmlichen Möglichkeiten angelangt ist, trotz allen Fanatismus‘, den sie überzeugend verkörpert, verliert sie nie die Sympathie des Zuschauenden, und ihre „Orest“s müssen einfach zu Herzen gehen.

Einen frischen, strapazierfähigen und höhensicheren Sopran setzt Vida Mikneviciute für die Chrysothemis ein, silbrig und damit in schönem Kontrast zur älteren Schwester klingend, auch an und ab im  verzweifelten Kampf um ein „Weiberschicksal“ schrille Töne nicht scheuend. Bei René Pape fasziniert immer wieder die absolute Textverständlichkeit, die in allen Registern einheitliche Farbe der Ausnahmestimme. Gerhard Siegel ist mit durchdringendem, luxuriösem Charaktertenor ein vorzüglicher Aegisth. Große Namen tauchen in kleinen Rollen auf, so der von Renate Behle als Vertraute und Aufseherin, von Olaf Bär als Alter Diener, Roberta Alexander als ungewohnt reife, aber überzeugende Fünfte Magd. Ansonsten das Erste Fach singen Katharina Kammerloher, hier die Dritte Magd, und Anna Samuil nun als Vierte Magd.  

Für mich nicht nachvollziehbar waren die Buhrufe für den Dirigenten, der  rücksichtsvoll gegenüber den Sängern war, ohne die archaisch wirkende Gewalt der expressiven Musik  unangemessen zu bändigen und damit ihre Wirkung zu beeinträchtigen. Es gibt noch vier weitere Vorstellungen. Unbedingt hingehen!     

Ingrid Wanja / 6.6.2022

Fotos: Monika Rittershaus

 

 

Carmen

in neuer Besetzung

10. 3. 2020

Als letzte Aufführung vor der vorläufigen Schließung der Opernhäuser präsentierte die Staatsoper am 10. 3. Martin Kusejs bekannte Inszenierung von Bizets Carmen aus dem Jahre 2004, die mit der Exekution von Don José beginnt und das Stück quasi als Rückblende erzählt. Wie bei der Premiere stand Daniel Barenboim am Pult der Staatskapelle Berlin, setzte schon mit der stürmischen Attacke des Prélude ein Signal für eine spannungsreiche und Tempo betonte Lesart. Aber es gab auch Passagen von subtiler Lyrik, wie die von einem Streicherteppich behutsam grundierte Air des Cartes Carmens. Markant waren die verschiedenen Motive herausgearbeitet und der rasant gepeitschte Entr’acte vor dem letzten Bild war ein Moment von hinreißender Wirkung.

Seit ihrem Scala-Debüt ist Anita Rachvelishvili eine international gebuchte Interpretin der Titelrolle. Schon mit der raffiniert ausgekosteten, gurrenden Havanaise zog sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Faszinierend das Spektrum im Chanson mit dem „Tra la la la“ von zärtlich lallend bis sinnlich verrucht. Ähnlich differenziert gestaltet war die Séguedille, die sie wie beiläufig begann und zur gerissenen Verführungsszene steigerte. Die Georgierin besitzt eine Stimme von Ausnahmeformat – von ungewöhnlichem Volumen, satter Fülle in der Tiefe, enormer Durchschlagskraft in der Höhe und reichem Ausdrucksspektrum. Ihr Mezzo kann locken, flüstern, streicheln und fluchen. „Les tringles des sistres tintaient“ zu Beginn des 2. Aktes sang sie tatsächlich wie ein Chanson – begann es delikat, steigerte es dann mit mächtigem Nachdruck und setzte schließlich auch bewusst ordinäre Töne ein. Bei der Air des Cartes überraschte dagegen der ganz zurückgenommene, geheimnisvoll-dunkle Klang.  Die Schlussszene war erfüllt von der fatalistischen Haltung dieser Frau, deren Konsequenz bis zum Tod geht.

Neben ihr behauptete sich Christiane Karg mit einer superben und sehr persönlichen Gestaltung der Micaëla. Die Sängerin mit ihrem feinen lyrischen Sopran hatte schon auf der CD Parfum ihre Affinität zum französischen Repertoire bewiesen, bot eine delikate Phrasierung, aufblühenden Klang in der Höhe und immer wieder zu Herzen gehende Töne. Michael Fabiano war der neue Don José mit männlich-sinnlich timbriertem Tenor und emphatischem stimmlichem Einsatz. Eigenwillig war die Dynamik seines Vortrages mit zuweilen bis zur Unhörbarkeit zurückgenommener Stimme. Geschickt umschiffte er die Klippen in der Air de la Fleur, konnte freilich forcierte und gefährdete Spitzentöne nicht ganz vermeiden. Für das Duo Final sammelte er noch einmal alle Reserven und vermochte vor allem mit seinem Ausdruck von existentieller Verzweiflung zu berühren. Lucio Gallo war ein Escamillo von stattlicher Erscheinung. Die Stimme klang in der Mittellage verquollen und in der Tiefe matt, trumpfte aber mit markanten Spitzentönen auf. Glänzend besetzt waren Mercédès mit Serena Sáenz und Frasquita mit Alyona Abramova; präsent der Zuniga von Jan Martiník. Nach dem Jubel des Publikums wandte sich Daniel Barenboim angesichts der neuen Virus-Situation an die Zuschauer und bekundete das Bemühen der Intendanz um neue Aufführungsmöglichkeiten.

 

Bernd Hoppe, 12.3.2020

 

 

FALSTAFF

12. Vorstellung am 14.2.2020                     

Premiere am 25.3.2018

Alternativbesetzung für Falstaff

Hoch erfreut über die schöne Optik hatte sich Maestro Zubin Mehta auf der Pressekonferenz kurz vor der Premiere von „Der Rosenkavalier“ in der Regie von André Heller gezeigt, wo doch ansonsten auf deutschen Opernbühnen Schlimmes zu sehen sei. Ob er damit die Inszenierung des „Falstaff“ durch Mario Martone gemeint hatte, die er parallel zur Strauss-Oper dirigierte? Das ist nicht unwahrscheinlich, ist doch der letzte Akt anstelle im Park von Windsor rund um einen baufälligen Turm, der den Mittelpunkt einer Sado-Maso-Szene bildet, angesiedelt. Ansonsten gibt es durchaus Angenehmes zu sehen mit Bikinischönheiten am Swimmingpool mit echtem Wasser (!), des Faulenzens pflegenden Jünglingen im weißen Bademantel, mit leicht und lässig bekleideten Kreuzberger Kiezmädchen und für den, dem es gefällt, die Andeutung eines Quickie mit Mrs. Quickly.

Der italienische Regisseur , der in Italien, unter anderem an der Scala mit einem Andrea Chénier, durchaus Werkgetreues auf die Bühne gebracht hatte, meinte wohl, in Deutschland müsse man, dem German Trash verpflichtet, ein Stück in Jetztzeit und Hierort ansiedeln und damit den Grundkonflikt zwischen verarmtem, aber adelsstolzem Möchtegern-Verführer Falstaff und wohlsituiertem, aber noch seine gesellschaftliche Position suchendem Bürgertum im elisabethanischem England nach Kreuzberg und Schlachtensee verlegen. Und für den letzten Akt wäre der Görlitzer Park durchaus eine Alternative gewesen. Da ist man hin- und hergerissen zwischen dem Ärger ob der Entschärfung des tatsächlich bereits im Libretto vorhandenen gesellschaftlichen Konflikts zugunsten einer unwahrscheinlichen Konfrontation Penner-Wohlstandsbürger und der Bewunderung einer perfekten Umsetzung zumindest in Bühnenbild (Margherita Palli) und Kostümen (Ursula Patzak).

Die erste Serie hatte von der Spielfreudigkeit von Michael Völle profitiert und unter seiner eher am deutschen Fach geschulten vokalen Darbietung gelitten. Nun war mit Lucio Gallo ein italienischer Sänger verpflichtet worden, aber doch eher ein Ford als ein Falstaff und eher ein Paolo als ein Simone. Gallos Bariton fehlt das Süffige, das Sinnliche einer Falstaffstimme à la Giuseppe Taddei, die seine klingt eher, und das ist wohl zum Teil auch der Länge der bisherigen Karriere geschuldet, dumpf und hohl, weiß nicht die feinsinnigen kompositorischen Einfälle Verdis in „L’Onore“ oder in der Schlussfuge umzusetzen, und so ist es kein Wunder, dass der herzhafteste Lacher aus dem Publikum kommt, wenn Fenton in voller Montur in den Swimmingpool fällt. Gewachsen in der Partie des Ford ist Alfredo Daza, dessen Bariton farbig und beweglich ist und in der Höhe aufblühen kann, der auch an darstellerischer Präsenz ständig zunimmt. Recht spröde klang an diesem Abend der Tenor von Francesco Demuro (Fenton), wandlungsfähig wie stets zeigte sich Stephan Rügamer als Bardolfo, an Basssubstanz gewann im Verlauf des Abends Jan Martinik als Pistola, Jürgen Sacher nutzte seinen langen Auftritt zu Beginn zur Profilierung des Dr. Cajus.

Barbara Frittolis Sopran strahlte in der Rolle der Alice wie bereits bei der Premiere, hat in der Mittellage sogar noch an Substanz gewonnen. Daniela Barcellona hat für „Reverenza“ und „povera donna“ noch nicht das profunde Orgeln einer Feodora Barbieri, Cristina Damian ist mit jugendlich klingendem Mezzo als Neubesetzung der Meg ein Gewinn für die Produktion. Nadine Sierra wächst allmählich aus dem Fach einer Sophie, die sie auch singt, und dem der Nanetta heraus und entwickelt sich vom soprano leggero zum soprano lirico. Ihr Feenlied war neben dem Monolog des Ford der musikalische Höhepunkt des Abends.

Der Chor (Martin Wright) schlug sich wacker trotz der irritierenden Szene im letzten Akt, Altmeister Zubin Mehta betonte die lyrische Durchsichtigkeit, die kammermusikalischen Qualitäten der altersweisen Komposition Verdis.

Wenn man relativ versöhnt mit der Produktion aus dem Haus ging, lag das auch daran, dass man inzwischen weiß, dass es schlimmer („Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai) kommen kann und tatsächlich kam.

 

Fotos (c) Matthias Baus

Ingrid Wanja, 15.2.2020

 

 

LA TRAVIATA

25. Vorstellung am 16.1.2020

Premiere am 19.12.2015

Und er singt doch

Nur das lächerliche Gendersternchen gemeinsam haben die Verlautbarungen der Intendanz der Berliner Staatsoper und der selbsternannten Sittlichkeitsaktivisten von Pro Quote, denen es eigentlich, so hieß es 2012 recht zweideutig in der taz, „um Hosen runter von den Chefsesseln-Röcke rauf“, d.h. die Hälfte aller Führungspositionen im kulturellen Leben für Frauen, ging, die aber nun gegen das Engagement Plácido Domingos in zwei Traviata-Vorstellungen polemisierten und die Intendanz zum Vertragsbruch aufforderten. Nach, wie es in einer Pressemitteilung hieß, gründlicher Beratung mit den entsprechenden Gremien des Hauses wies Intendant Matthias Schulz dieses Ansinnen zurück, bot aber Gespräche mit den kämpferischen Damen an, die offensichtlich über weit weniger Humor verfügen als die direkt betroffene Brigitte Fassbaender unlängst in ihren Memoiren. In Deutschland scheinen immer   häufiger nicht durch demokratische Wahlen legitimierte Gruppen, Aktivisten und Verbände den Gerichten oder den beiden anderen Gewalten vorgreifen und vor juristischen Klärungen Urteile vollstrecken zu wollen.

Am Abend standen dann vor der Staatsoper drei verloren wirkende, weil unbeachtet bleibende Gestalten mit Transparenten- und das Publikum strömte unbeeindruckt und frohen Mutes in die ausverkaufte Staatsoper, die Berliner lassen sich halt nicht gern vorschreiben, wer sie in ihren Opernhäusern singen darf.

Zusätzliche Sympathiepunkte konnte Plácido Domingo dann noch verbuchen, als der Intendant dem Publikum verkündete, der Sänger habe sich trotz einer Erkältung dazu bereit erklärt, den Giorgio Germont zu singen, bitte aber um Nachsicht. Diese hatte er eigentlich nicht nötig, denn zur allgemeinen Überraschung klang die Stimme farbenreicher als in den letzten Jahren, war die Kurzatmigkeit, die den Nun-Bariton an einer großzügigen Phrasierung gehindert hatte, weniger ausgeprägt, war das sich von einer Sitzgelegenheit zur nächsten Hangeln durchaus noch als rollengerecht einzustufen, und „Di provenza il mar“ erinnerte zwar nicht an eines von Bruson oder Cappuccilli, konnte aber noch als besonders von innerer Ergriffenheit bestimmtes durchgehen. Die Cabaletta danach konnte man allerdings an diesem ansonsten auch für Domingo triumphalen Abend nicht hören. Die besondere Attraktion sollte an diesem Abend eigentlich der französische Tenor Benjamin Bernheim als Alfredo sein, dessen erstes Recital vor kurzem erschienen ist und dessen Stimme durch ein besonders apartes Timbre Aufmerksamkeit erregt hatte. Dieses konnte er auch live zur Schau stellen, daneben aber auch eine an den jüngeren Jonas Kaufmann erinnernde Schwäche, eine reiche Agogik mit einem farbloser Werden der Stimme in der mezza voce und im Piano zu erkaufen. Sein Tenor scheint dem Alfredo bereits entwachsen zu sein, ist nicht die leichte, helle, geschmeidige Stimme, die man in dieser Partie gewohnt ist-wohl aber die interessantere und mit einer unangefochten strahlenden Höhe begabte. Die Cabaletta wird nach unten gesungen, „Parigi, o cara“ intonationssicher und in feinem Piano beginnend.

Eine neue Violetta stellte sich mit Zuzana Marková vor, eine große, schlanke Gestalt mit hüftlangem Haar, die auch noch in der Eintönigkeit von schwarzem Unterrock, silbernem Abendkleid und Morgenmantel attraktiv wirkte, hingebungsvoll und offensichtlich auch im Unterschied zu ihren beiden Partnern von der Regie gut beraten agierte und mit einem wunderbar leicht ansprechenden Sopran, im Pianissimo so farbenreich bleibend wie im Forte, nur in der Extremhöhe von „Sempe libera“ spitzig werdend, viele großartige Momente hatte, so im überaus zärtlich anschwellenden „lui“, im Crescendo des „Dite alla giovane“, wunderbaren Schmerzenslauten am Schluss des zweiten Akts oder einem feinfühlig aus dem Piano entwickelten „Addio del passato“. Lediglich im „Amami, Alfredo“ wollte der Sopran nicht ganz den Intentionen seiner Besitzerin folgen. Von den vielen kleinen Rollen ist besonders der Grenvil von Jan Martinik mit balsamischem Bass erwähnenswert.

Bei ihm setzt allerdings auch die Kritik an der Optik der Produktion (Bühne Joanna Piestrzynska) ein, in der Regisseur Dieter Dorn den mitleidsvollen Arzt zu einem übel gekleideten Deppen macht, dem man sogar sein Arztköfferchen entwenden darf. Schlimmer noch ist die Einarbeitung symbolischer und surrealer Effekte in das Stück, so ein Sandsack, aus dem unaufhaltsam der Inhalt tröpfelt, ein aus in weiße Ganzkörperkondome eingeschweißte Tänzer gebildeten Totenkopf in einem Spiegelrahmen, wenn der Spiegel nicht hochsymbolisch zerbrochen ist. Und wenn Padre Germont angesichts einer schäbigen Matratze und zweier ebensolcher Stühle von „tanto lusso“ faselt, dann ist das ebenso ärgerlich wie der Mischmasch von Kostümen (Moidele Bickel), deren Träger sich auf einer ovalen Plattform gegenseitig auf die Füße treten und mit denen die Regie absolut nichts anzustellen weiß. Wenigstens ist das Stück in seiner Kernaussage nicht entstellt und wird in die Musik nicht eingegriffen (wie unlängst an der Komischen Oper), so dass alles noch tolerierbar, weil schlimmer vorstellbar, ist. Auch aus dem Orchestergraben, wo Thomas Guggeis durchaus Italianità, allerdings nicht zu verwechseln mit plötzlichem, unerwartetem Beschleunigen des Tempos , vernehmen ließ, drang so Angenehmes, dass der Abend mit triumphalem Applaus für die Mitwirkenden und ohne jeden Missklang sein Ende fand.

 

Fotos Bernd Uhlig

17.1.2020   Ingrid Wanja

 

 

 

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de