DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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www.leharfestival.at

FRAU LUNA

Besuchte Aufführung am 11.08.22 (Premiere am 16.07.22)

Projekt Piefge

Dazu muß man wissen, daß "Piefges" der abschätzige Name für unangenehme deutsche Touristen in Österreich ist, angenehme Touristen sind halt einfach nur freundliche Reisende. Gut, das war jetzt einfach nur ein Wortwitz. Es geht letztendlich um die Ischler Erstaufführung von Paul Linckes "Frau Luna", das in Deutschland oft und gern gespielte Stück findet sich in Österreich recht selten auf den Spielplänen, obwohl die Musik dann doch jeder kennt. Die Aufführung ist also eine "exotische" Bereicherung des bislang vorwiegend austrophonen Spielplans. Zumal es eine Revueoperette in besonders Berlinerischer Ausprägung ist. Inszenierung und Choreographie sind von Ramesh Nair, den man in Ischl bisher nur als Darsteller kannte, er spielt auch noch den Prinzen Sternschnuppe. Das Ausstattungsteam ist das gleiche wie für "Wiener Blut"; Toto und Sven Bindseil zaubern mit den wenigen technischen Mitteln des Ischler Kongresshauses eine echte Revue auf die Bretter: links und rechts verorten Graffiti auf Brandmauern den Handlungsort Berlin, nach dem passend kleinbürgerlichen ersten Akt mit einfach gelöster Ballonfahrt, finden wir uns in der glitzernden Revuewelt des Mondes wieder; Federn, Pailletten, Straß, da muß alles herhalten , was flimmert und funkelt, samt fahrbarer Revuetreppe und sehr schön anzusehender abstrakter Leuchtelemente; so richtig was für`s Auge !
 
Christoph Huber übernimmt nicht nur den omnipotenten Chor, sondern die musikalische Gesamtleitung mit dem rechten Schmiss und den nötigen Sentimentalitäten in einer leicht aufgebürsteten Bearbeitung. Lediglich an zwei Stellen merkt man einen stilistischen Bruch ins "Modernere", sonst fällt die Lincke-Bearbeitung nicht wirklich auf. Das Ischler Orchester findet den rechten Ton für die oft schlagerhaften Melodien und reißt bei der Berliner Luft das Publikum natürlich zum Klatschen mit. Großes Bedenken hatte ich bei der doch aus Österreich stammenden Besetzung, wie es mit dem Berliner Dialekt wird: vielleicht wird ein Berliner dabei schmunzeln, doch es wird nie irgendwie peinlich. Ramesh Nair inszeniert richtig Revueoperette nach Buch, Berlin, wie man es sich vorstellt, dann der grandiose Show-Teil auf dem Mond, denn auch mit nur sechs tollen Tänzern und dem beweglichen Chor stellt er eine opulente Revue auf die Bühne des Ischler Kurhauses. Besonders schön, auch vom Kostüm, haben mir die Glühwürmchen gefallen. Na, und dann sind da auch noch die Steptanzszenen mit Prinz Sternschnuppe und Tanzensemble, und das Duett zwischen dem Sternschnupperich und Frau Luna herself.
 
Eine gute Aufführung gelingt natürlich auch nur mit guten Darstellern: die Berliner sind sehr typengerecht besetzt, Susanne Hirschler als schnippische Pusebach, ihr zunächst schüchterner Pannecke von Niklas-Sven Kerck, der sehr "schneiderhafte" Lämmermeier von Nicolas Huart. Der drollige Fritz von Kaj-Louis Lucke und seine Mieze mit silbrigem Sopran von Lena Poppe, letzte sogar noch in der Doppelrolle als Mondgroom, da dürfte manchem gar nicht aufgefallen sein, das es sich um die gleiche Darstellerin handelt. Die Berliner also schön auf den Punkt serviert. Ramesh Nair singt und tanzt sich mit sehr eigener Note als Prinz Sternschnuppe in die Herzen des Publikums. Michael Zabanoffs amouröser Theophil steht in bester Juhnke oder Pfitzmann Nachfolge. Aus Lunas Zofe Stella hätte man sicher noch mehr machen können, doch Anna Overbeck erfüllt ihre Aufgaben sicher. Ja, und dann kommt sie, erst im zweiten Teil und natürlich über die Revuetreppe: Frau Luna. Patricia Nessy ist wirklich ein richtiger Profi um und um, natürlich hat sie auch die Operettendiva drauf, doch so ist die Rolle hier nicht angelegt. Luna ist richtig scharf auf Fritz Steppke und geht auch "ran wie Blücher", nicht dezent, sondern mit dem vollen Beschuss ihrer weiblichen Reize. Ich mußte unwillkürlich an Desiree Nick denken. Stimmlich schaltet sie mit einem Fingerschnippsen von Chansonton auf Koloraturgesang um, nicht viele können das so.
 
Die Publikumsreaktion zeigt deutlich: "Projekt Piefge" hat bestens "jeklappt".Die Zuschauer fühlten sich bestens unterhalten und spendeten schon recht frenetischen Applaus.
 
Martin Freitag, 18.6.22
 

WIENER FRAUEN

Besuchte Premiere am 12.08.22

Lehàrs Erste

Wer sich dieses Jahr fragte, wo sich der Namensgeber des Lehàr-Festival findet: in der semi-szenischen Aufführung ! Es gibt zum ersten Mal in Bad Ischl Lehàrs Operetten-Erstling "Wiener Frauen, den der Meister gleich für einen der großen Stars seiner Zeit komponieren durfte: für Alexander Girardi. Was für einen jungen, unbekannten Komponisten in Wien schon eine große Ehre bedeutete. Heute ist das Werk unbekannt, doch halt, da gibt es doch bereits einen ersten Schlager, den man gar nicht mit dem Stücktitel verbindet: der Nechledil-Marsch. Eigentlich für die gleichnamige Figur geschrieben, sicherte sich der Star Girardi, der den Willibald Brandl spielte, gleich die Erfolgsnummer ; seine Nase trog ihn nicht.
 
Die Handlung nahmen Hans Bergler und Emil Norini vom Pariser Boulevard und schufen daraus ein wien-idiomatisches Pendant: Claire und Philipp lieben sich und wollen heiraten, doch da gibt es noch einen Schwur, den Claire ihrem ehemaligen Klavierstimmer in jungmädchenhafter Schwärmerei gab, bevor jener, Willibald Brandl, nach Amerika verschwand. Claires Mutter, Frau Schwott, behauptet jedenfall, um das Glück ihrer Tochter zu festigen, Brandl sei schon auf der Überfahrt umgekommen. Ja, klar, mitten in der Hochzeitsnacht, muß da noch jemand ein Klavier stimmen; raten sie mal wer? Richtig ! Für die gebildeten Zeitgenossen deutlich als satirische Paraphrase auf die Brautgemachszene im "Lohengrin" erkennbar. Claire flieht noch vor dem Vollzug der ehelichen Freuden. A propos "eheliche Freuden",Frau Schwott , wohl verwitwet, hat da noch einen Freund an der Hand, den böhmischen Musiklehrer Johann Nepomuk Nechledil, wohl auch verwitwert, mit gleich drei Töchtern: Fini,Lini und Tini. Letztere sollen dem Brandl untergeschoben werden, um Claire für ihre eigentliche Liebe (, wir erinnern uns an Philip Rosner?,) frei zu machen. Doch Brandl hatte schon vor seiner Amerika-Tour eine Liebe zu dem Stubenmädchen Jeanette, die sich wiederbeliebt. Jedes findet sein richtiges Fach, Lini studiert Frauenrechte, Fini die Männer und Tini wird auch irgendetwas machen. Große K.& K.  Apotheose mit dem Nechledil-Marsch als Rausschmeißer. Meine  flapsige Inhaltsbeschreibung dieser Wiener Farce klingt vielleicht etwas abwertend, doch wer Freude am Jux und guter Musik hat, dem wird es gefallen; mit gefällt es.
 
Was auch an der bereits erstaunlichen Musik von Franz Lehàr liegt. Schon in der Ouverture des Erstlings liegt der ganze spätere Lehàr: die reizende slawische Note, das für die Operette der Zeit Experimentelle mit einem eingeschlossenen Klaviersolo, ein schmachtender Walzer. Und man hört auch sofort, das Lehàr bei Marius Burkert und dem Franz-Lehàr-Orchester in den allerbesten Händen liegt. Es folgen tolle Musiknummern, erstaunliche Chorpartien, gut gebaute Ensembles. Lehàr zeigt deutlich sein Können. Das Stück bewährt sich auch heute noch auf der Bühne. Angela Schweiger gelingt es mit ein paar Requisiten und werkaffinen schönen Kostümen (Simone Weißenbacher), Evamaria Schweiger steuert noch einmal ihre tollen Choreographiekünste bei, vergessen zu lassen, das es sich "nur" um eine semi-szenische Aufführung handelt.
 
Die bewährten Sänger kennen wir alle schon aus den beiden anderen Produktionen: Sieglinde Schweighöfer gefällt mir mit ihrem samtigen Sopran bei Lehàr fast noch besser ais bei Strauß und bildet mit Thomas Blondelle als Philip ein harmonisch glaubhaftes Liebespaar. Gerd Vogel hat die schwierige Aufgabe die Girardi-Partie des Brandl zu übernehmen, erstens ist es gar nicht leicht den "Frauenhelden" für uns heute nicht unsympathisch herüber kommen zu lassen, was ihm mit Humor und Charakter gelingt, zweitens war Girardi Tenor und Vogel ist Bariton, doch auch hier schafft es der Sänger die hochliegende Partie eindrucksvoll "abzuliefern. Einziges Quäntchen der Kritik: er ist halt ned weanerisch. Das wiederum hat Josef Forstner als Nechledil im Übermass, und er räumt richtig ab mit dem Marsch.  Mari-Luise Schottleitner, Elisabeth Zeiler und Klàra Vincze verkörpern als Fini,Lini und Tini die Schwestern als schön unterschiedliche Frauentypen und gefallen szenisch, wie vokal. Magdalena Hallste als Stubenmädchen Jeanette ist eine Herzige, doch die Intonation sitzt nicht ganz sicher. Susanna Hirschler ist eine ordentlich weanerische Frau Schwott und Matthias Schuppli als Advokat in Eheversprechen gefällt mit trockenem Humor. Über den wunderbaren Chor unter Christoph Huber  mag man schon gar nicht mehr schreiben: die sind einfach klasse !
 
Fazit des Lehàr-Festival 2022: es sind gleich drei gut gelungene Produktionen zu bewundern; mir gefällt "Wiener Blut" besonders gut, weil die moderne, innovative Art der Inszenierung in ihrer manchmal etwas skurrilen Weise der Operette Akzente für die Zukunft gibt. "Frau Luna" kommt da genregemäß sicherlich konventioneller daher, dürfte dieses Jahr doch sicherlich der Publikumsliebling sein. Zu "Wiener Frauen" muß ich eigentlich nichts mehr schreiben; doch: ich finde es weitaus ehrenhafter für das Lehàr-Festival, statt immer wieder die fünf großen Lehàr-Operetten durchzunudeln, den unbekannten Lehàr mit Niveau zu präsentieren. Zur großen Freude aller "Fans": CPO hat auch dieses Jahr die "Wiener Frauen" aufgenommen, so daß es zu einer ersten  Gesamtaufnahme des Werkes kommen wird. Nächstes Jahr ist als Klassiker Carl Zellers "Der Vogelhändler" angekündigt, dazu Leo Falls "Madame Pompadour" in einer Zwanziger-Jahre Revue-Fassung, die semi-szenische Aufführung gilt dann wieder Franz Lehàr, nämlich dessen selten gespielte Berg-Operette "Schön ist die Welt"
 
Martin Freitag, 18.6.22

 

WIENER BLUT

Besuchte Aufführung am 10.08.22 (Premiere am 09.07.22)

Freud`mit Strauß

Unter Intendant Enzingers Leitung sieht das Programm des Lehar-Festivals in Bad Ischl folgendermaßen aus: einer der großen "Hits" des Operettenrepertoires, dann ein unbekanteres oder in Bad Ischl noch nicht gespieltes Werk, drittens eine Mega-Rarität als semi-szenische Produktion, wobei letztere oft so gut gemacht sind, daß man sie als vollwertig betrachten kann. Der bekannte Hit ist Johann Strauß´Sohn posthumer Erfolg "Wiener Blut", eine Operette die der begabte Komponist Adolf Müller jun. aus der Tanzmusik des Meisters herstellte, und zwar so gekonnt, das sie zu den vier großen Strauß-Operetten gezählt wird. Besonders gelungen daran ist, das sich Musik und Libretto (Victor Lèon und Leo Stein) so geschickt verzahnen, daß sich die Handlung in den Musikstücken weiterentwickelt; sonst sind Musiknummern in Operetten eher "showstopper". Die Handlung zwischen den sieben Akteuren ist ein witziges, brilliantes und kompliziertes Kammerspiel mit ein bißchen Chor. Sie haben sicher schon gemerkt, das ich das Werk sehr schätze.
 
Enzinger macht die Regie zur Intendantensache und erfindet noch eine Art Rahmen dazu: das Denkmal von Johann Strauß, ganz gülden, findet sich beim Wiener Psychoanalitiker Sigmund Freund auf der Couch ein; Nabeel Fareed und Matthias Schuppli sind szenisch und tänzerisch das ganze Spiel anwesend und geben dem alten Spiel um Liebe und Triebe aus der Kongresszeit gekonnt einen neuen "Gout"; der Hofball des zweiten Aktes wird so folgerichtig zum Ball der Psychoanalytiker. Bühnenbildner Toto setzt dazu phantasievoll ein assoziatives Bühnenbild mit Hirnwolken und Vogel Straußen auf die sonst sparsame, doch völlig ausreichend dekorierte Bühne des Kongresshauses. Sven Bindseils Kostüme sind natürlich auch keine Kongresszeit, doch dienen bestens der Verortung des Personen in ihrem Stand. Das Wichtige an der Aufführung sind jedoch die durchgängige Choreographie von Evamaria Meyer, die alle Mitwirkenden, einschließlich des in jeder Hinsicht hervoragenden Chores (Leitung Stefan Huber) und der sechs Tänzer/innen. Wirklich großartig wie sich die Bewegungschoreographie und der Tanz stets passend der Musik anschmiegen, der Langsamkeit des Heurigenbildes etwas Marthalerhaftes hinzufügen, nie langweilig, stets werkdienlich.
 
Für das Funktionieren sorgt das handverlesene Ensemble: Gabriele Feldhofer ist die diesjährige Ischler Operettendiva, ihre Gräfin Gabriele ist resch und frisch, vokal mit strömendem Sopran auf Linie. Thomas Blondelle ist da in der Höhe etwas schwergängiger, weiß aber genau, wie Operette gesungen werden muß, wann man (und wie !) geschmackvoll in die Kopfstimme geht und ist ein begabter Komödiant. Das Duett "Wiener Blut" zwischen Graf und Gräfin wird musikalisch zu einem kleinen Juwel. Gerd Vogel gehört zu den Sängern, die seit Jahren auf hohem Niveau "abliefern, egal ob Wagner, Mozart und das ganze Repertoire rauf und runter, ob Operette oder Musical, er kann es! Sein Fürst Ypsheim gerät zu einer hinreißenden komödiantischen Studie auf hohem Gesang. Martina Fechner als Tänzerin Cagliari bringt nicht nur Figur, feine Sopranfiligranität ein, sondern auch die pikante Ottakringer Vinaigrette, a bisserl herzig, a bisserl maliziös. Dazu der Weanerische Vater Kagler perfekt von Josef Forstner serviert. Doch der Clou der Besetzung ist das Domestikenpaar: Reinwald Kranners Diener Josef ist zwar kein Belcanto-Tenor, doch genau so geht Operette: Text, Gesang und Darstellung sind eins, und zwar eins A ! Marie-Luise Schottleitner als Pepi Pleininger, Probiermamsell, ist genau das, was man früher einen "Sprühteufel" nannte, eine Soubrette durch und durch, mitreißend, hinreißend. Die Streitszene mit Josef beim Heurigen wird ganz großes (Boulevard-)theater. Überhaupt läßt der Regisseur Enzinger den Dialogen richtig die Leinen los, richtig gutes Outrier-Theater.
 
Laszlo Gyüker am Pult des Franz-Lehar-Orchesters liefert einfach ab, damit meine ich, richtig gut. Ein Dirigent, der genau das Gespür für Wiener Musik, für Johann Strauß hat, der weiß wann`s für den Schmäh ein bisserl stocken muß, dabei stets am Puls der Sänger, nicht zu laut, nicht zu leise. Einfach prima, danke ! Insgesamt ein der besten Operettenaufführungen der letzten Jahre, dabei mit dezent modernem Ansatz, ohne den Traditionalisten den Spaß zu verderben. Vor allem mit einem perfekten "Timing" bei allen Beteiligten, das man so nur sehr selten erlebt. Ich bin wirklich begeistert.
 
Martin Freitag, 16.8.22
 
 

 

 

Clo-Clo

Vorstellung: 11. 8. 2019

Lehár-Festival in Bad Ischl mit Operetten-Ausgrabung

Das heurige Lehár-Festival in Bad Ischl wartete mit einer sensationellen Wiederentdeckung einer Operette auf: „Clo-Clo“ von Franz Lehár. Die Uraufführung des Werks fand im Jahr 1924 in Wien statt, die Deutsche Erstaufführung noch im selben Jahr in Berlin, die englische Fassung bereits 1925 in London. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand „Clo-Clo“ aus dem Operetten-Repertoire. Die bisher letzte Aufführung im deutschsprachigen Raum fand 1971 an der Staatsoperette Dresden statt.

Die Handlung der Operette, deren humorvolles Libretto der ungarische Autor Béla Jenbach schrieb, kurzgefasst: Clo-Clo Mustache ist eine berühmte Pariser Varieté-Sängerin, die allen Männern den Kopf verdreht. Unter ihren vielen Verehrern ist auch der Bürgermeister von Perpignan, zu dem sie liebevoll Papá sagt. Eines Tages bittet Clo-Clo ihn schriftlich um finanzielle Hilfe. Der Brief mit der Anschrift Mon cher Papáerreicht jedoch seine Gattin, was den Bürgermeister und seine vermeintliche Tochter in reichliche Turbulenzen verwickelt.

Die Aufführung von „Clo-Clo“ fand im Kongress- & Theaterhaus Bad Ischl am 10. und 11. August 2019  in halbszenischer Form (Inszenierung: Markus Kupferblum, Bühnenbild und Kostüme: Toto) statt, wobei als Moderator der deutsche Schauspieler Frank Voß agierte. Alle – Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner sowie Moderator – hatten an der Wiederentdeckung der komödiantischen Operette großen Anteil.
Mit einer geradezu sensationellen Leistung wartete die österreichische Sopranistin Sieglinde Feldhofer in der Titelrolle als Tänzerin und Varieté-Sängerin „Clo-Clo“ auf. In jeder Szene begeisterte sie sowohl stimmlich durch ihren hellen Sopran wie darstellerisch durch ihre erotisch wirkende Gestik und Mimik das Publikum. Eine Idealbesetzung! Am Schluss der Vorstellung gab sie – quasi als „Zugabe“ – noch eine erst kürzlich durch Zufall entdeckte Arie aus der Operette zum Besten, die man als „Pamphlet auf die Polizei“ bezeichnen könnte.

Ihr fast ebenbürtig war der deutsche Bariton Gerd Vogel als Bürgermeister von Perpignan. Mit seiner starken und ausdrucksvollen Stimme und seinem humorvollen Spiel reizte er des Öfteren das Publikum zu Sonderapplaus. Die Rolle seiner Ehegattin spielte die österreichische Sopranistin Susanna Hirschlergleichfalls sehr komödiantisch. Auf humorvolle Weise nimmt sie ihre „überraschende Mutterrolle“ an und kämpft um die Liebe ihres Mannes.

Sympathisch agierte der deutsche Tenor Daniel Jenz als Maxim de la Vallé, der schließlich mit Erfolg um die Hand von Clo-Clo wirbt. In einer kleineren Rolle als Klavierlehrer Chablis stellte der deutsche Schauspieler und Tenorbuffo Ricardo Frenzel Baudisch seine komödiantische Ader unter Beweis. Als Polizist Petipouf  konnte der junge österreichische Bariton Matthias Störmer die Lachmuskeln des Publikums immer wieder strapazieren, auch wenn er ein wenig zu stark outrierte.

Stimmkräftig und auch komödiantisch agierte der Chor des Lehár-Festivals Bad Ischl (Einstudierung: Gerald Krammer). Das Franz Lehár-Orchester, das von Marius Burkert sehr temperamentvoll geleitet wurde, brachte die reizvolle Partitur der Operette klangvoll zum Erblühen, womit es einen großen Anteil an der Wiederentdeckung dieses Meisterwerks hat.

Das von der Lehár-Operette restlos begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall und vielen Bravorufen. Besonders gefeiert wurde verdientermaßen die „Clo-Clo“-Darstellerin Sieglinde Feldhofer!

 

Udo Pacolt, 13.8.2019

Besonderen Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

Bilder (c) Foto Hofer

 

PS: Im nächsten Jahr stehen die beiden Operetten „Die Csárdásfürstin“ von Emmerich Kálmán und „Frau Luna“ von Paul Lincke auf dem Programm. Dazu wird der 150. Geburtstag von Franz Lehár mit der Uraufführung von „Dein war mein ganzes Herz“ von Jenny W. Gregor gefeiert. Man darf gespannt sein!      

 

 

 

DIE LUSTIGE WITWE

Besuchte Aufführung am 11.08.17 (Premiere am 15.07.17)

Operette in ihrer besten Form

Der "Knallertitel" des Lehàr-Festivals ist dieses Jahr die unverwüstliche "lustige Witwe", da denkt man als Kritiker, na, das nehmen wir halt mit, wenn wir schon da sind, um die Raritäten von Kalman und Raymond anzusehen. Doch auch diese Saison denkt man hinterher, wie gut, das ich es mir angesehen habe. Erstens ist das Stück nicht ohne Grund ein Meisterwerk des Genres, zweitens war die Aufführung einfach bezwingend. Vielleicht sind die sehr konservativen Erwartungen etwas geknickt, denn Regisseur Leonard Prinsloo lässt die die Handlungen in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts spielen, sonst wird die Operette absolut werkgetreu auf die Bretter gestellt. Vielleicht irritiert die sehr originelle Choreographie (ebenfalls Prinsloo), die ein wenig an die futuristischen Tänze der Fernsehserie "Raumpatrouille Orion" erinnern. Aber die Dialoge, die Regie und Beleuchtung (alles Prinsloo), mit der sehr geschmackvollen Ausstattung von Monika Biegler sind sehr gelungen und verraten in ihrer Eleganz sicheren Geschmack, denn die Ischler Devise "Aus wenig, mach viel" ist hier in ihrer besten Form zu erleben, schließlich ist der Etat nicht allzu groß und die Kurhausbühne hat doch eine recht bescheidene Bühnentechnik.

Das gelingt natürlich auch nur mit den sorgsam ausgewählten Sängern und Darstellern und dem, es ist nicht oft genug zu erwähnen, grandiosen, engagierten Chor, die zusammen mit den fünf Tänzerinnen einfach einsame Klasse auf der Bühne sind. Gesungen wird bei der "Witwe" so gut, wie ich es lange nicht so geschlossen bei einer Operette erlebt habe. Regina Riel hat sich wirklich die Divenrolle in Ischl erobert, es ist eine Freude, welche Selbstsicherheit sie erlangt hat, dazu ein geschmeidiges Soprantimbre mit hoher Textverständlichkeit, letzteres betrifft sowieso alle Interpreten dieser Produktion. Der Auftritt kommt elegant fast im Piano daher und schwebt gut fokussiert über dem Herrenchor, beim Reiterduett darf die Stimme rustikal breiter klingen, Höhepunkt ist das wunderbar interpretierte Vilja-Lied mit dem fein verhallenden hohen Schlusspiano, ein Beispiel von Poesie in der Operette. Ihr gegenüber Reinhard Alessandri als Danilo, so wie man das mit der nötigen Nonchalance spielen muss. Der Auftritt mit dem Maxim-Chanson in maskuliner Baritonfarbe, dann öffnet sich der Tenor jedoch zur strahlenden Höhe. Das Paar passt einfach prima zusammen.

Steven Scheschareg beeindruckt als Baron Mirko Zeta mit potentem Bariton und ist mal kein alter Trottel , sondern ein rechter Siebziger-Jahre-Strizzi. Dazu Verena Barth-Jurca als sehr jugendliche, erotisch-knisternde Valencienne, eine Frau die nicht immer weiß, was sie will, aber weiß, wie man das singt. Silbriger, kühler Sopranklang stets mit feinem Fokus über den Ensembles flirrend. Clemens Kerschbaumer singt mit üppigem Tenor den Camille de Rossillon, er gurrt erotisch um die Umworbene und zerrt sie mit Piano und stupenden Höhen allein schon vokal in den ; hier imaginierten; Pavillion. Cascada und Saint Brioche von Wolfgang Gerold und Roman Martin (letzterer wohl der meistbeschäftigte Darsteller dieser Saison, findet er sich doch in allen drei Produktionen) halten dem hohen Niveau stand. Robert Herzl gibt dazu einen sehr slapstickhaften, wie gekonnten Njegus. Die Nebenrollen sind bestens aus dem Chor besetzt, der, um es einfach noch einmal zu schreiben, ganz fantastisch ist, ohne die Chorsänger wäre dieses Festival nicht das, was es ist.

Doch das alles wäre natürlich nichts ohne das Franz-Lehàr-Orchester, denn gerade bei dieser wohlbekannten und doch anspruchsvollen Partitur, merkt man von welcher Qualität hier musiziert wird. Antanina Kalechyts übernahm an diesem Abend zum ersten Mal die Leitung in dieser Produktion und ließ Lehàrs Musik so recht knistern und funkeln, den Sängern an durchaus mal an langer Hand Möglichkeiten zur Interpretation bietend. So soll Operette musiziert werden, damit ihre ganzen Vorzüge so recht aufleuchten können. Wenn dann im Entracte der Witwenwalzer erklingt, das Publikum leise (!) mitsummt, dann kriege ich einfach eine Gänsehaut. Danke, für diese in einfach jeder Hinsicht gelungene Aufführung.

Martin Freitag 20.8.2017

Fotos: Foto-Hofer, Bad Ischl

 

 

SAISON IN SALZBURG

Unbeschwerte Operettengaudi

Eigentlich merkwürdig, das Fred Raymonds "Saison in Salzburg" erst dieses Jahr seine Erstaufführung in Bad Ischl erlebt, gehört es doch lokal verortet und thematisch, wie Benatzkys "In weißen Rössl" und Falls "Der fidele Bauer", mit seiner Tourismusparodie und in Salzburg spielend, genau hierher. Vielleicht tut man sich auch mit dem Komponisten Fred Raymond schwer, denn die "Saison" wurde in Jahr 1938 (ausgerechnet) in Kiel aufgeführt und fand sofort große Verbreitung auf den Operettenspielplänen des Dritten Reiches, die ja durch das Verbot der "jüdischen " Werke sehr ausgedünnt waren. Raymond war sicherlich ein eher politisch naiver Charakter, wenn er sich kompositorisch auch an den "arisierten" Hentschke-Operetten beteiligte. Übriggeblieben sind außer der mittlerweile selten gespielten "Saison", vor allem die ebenfalls unpolitische "Maske in Blau". Musikalisch darf man bei Raymond keine gediegenen Ensembles erwarten, war er doch eher ein Komponist, der ein absolutes Gespür für gut gemachte Schlager hatte, mit denen er in den Zwanziger Jahren bekannt wurde ("Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren", "Ich steh´mit Ruth gut", "Ich reiß`mir eine Wimper aus", "In einer kleinen Konditorei").

"Saison in Salzburg" knüpft mit seiner Tourismusthematik, wie bereits erwähnt, direkt an "Das weiße Rössl" an, vor allem die fröhlichen Nummern klingen noch im Ohr nach: "Salzburger Nockerl", "Und die Musik spielt dazu", Wenn der Toni mit der Vroni" und der Marsch vom "Blauen Enzian", der ja alle blau macht... Regisseur Gernot Kranner serviert das Stück in bester Operettenmanier mit flotten Dialogen und vielen Tanzeinlagen (Choreographie Rita Sereinig), die von Solisten und dem wie immer unglaublich singenden und tanzenden Chorensemble des Festivals mit enormer Professionalität und erquickender guter Laune dargeboten werden, lediglich fünf Tänzer/innen sind für die schwierigeren Sachen zuständig .Herwig Libowitzkys Bühnenbilder erinnern an sehr naiv gemalte Urlaubspostkarten der Entstehungszeit, wie Alexandra Brandners Kostüme entweder die Zeitmode darstellen oder eben für die Folklore des Werkes zuständig sind. Dazwischen findet das harmlose Unterhaltungsgeplänkel, übrigens 1961 mit Peter Alexander und Waltraud Haas verfilmt, mit ein paar hübsch schrägen Ideen statt. Die Handlung im einzelnen wiederzugeben, na ja da sollten Interessierte halt einen Operettenführer bemühen; es sei lediglich verraten, das es in der Ischler Fassung statt drei glücklichen Paaren im Finale sogar fünf sind.

Eigentlich kann man fast sagen, das das Buffopaar in dieser Operette das erste und wichtige Paar ist: Theresa Grabner und Thomas Zisterer sind "Toni und Vroni" und gesanglich wie tänzerisch ein Garant für gute Laune, viel authentischer und besser kann man das nicht spielen. Das nächste Paar ist der schräge Schweizer Parfumkreateur Max Liebling, August Schram mit schönem Tenor weist eine liebenswert schrullige Persönlichkeit für diese Rolle auf, dazu das verzogene Reifenfabrikantentöchterchen Erika mit herrlich herbem Charme von Adelheid Brandstetter auf die Bretter gestellt, deren gekonnt gespielter Vater Dahlmann von Paul Schmitzberger quasi ein Wiedergänger des "Rössl-Giesecke" ist. Alexander Kaimbacher singt den Autorennfahrer Frank Rex mit tenoralem Aplomb, der die Mehlspeisenköchin Steffi aus der Ehelosigkeit erlöst, Monika Rebholz beginnt mit großem Opernsopran mit "Mein Herz war auf Reisen" ihre Partie. Wenn man einen so grandiosen Buffo wie Roman Martin in einer "Wurz´n" als Mechaniker F.W.Knopp auf der Bühne hat, muß man die Rolle aufwerten mit Raymonds Schlager "Ich hab das Fräul`n Helen baden seh`n", dazu macht "Mein Bruder beim Tonfilm die Geräusche"(Max Liebling), die Helen kriegt also den Mechaniker. Schließlich taucht effektvoll Uschi Plautz als Porzellantante Olga, deren "Großpapa von Großmama war Donkosak am Don"war, was in einer übermütigen Tanznummer endet, und schnappt sich den Reifenfabrikanten. Der Chor, die Tänzer, die Solisten alles wirbelt und tanzt durcheinander, so geht Operette mit wenig äußeren, aber viel inneren Mitteln.

Marius Burkert sorgt mit dem Franz Lehàr-Orchester für den passenden , schwungvollen Klang und hat das Tohuwabohu fest im Griff, alles Künstler, die das Metier der leichten Muse lieben, das von manchem Stadt- und Staatstheater so schmählich vernachlässigt wird. Einen Wermutstropfen gibt es jedoch: die Verwendung von Mikroports, am folgenden Abend bei Lehàr "Lustiger Witwe" zeigt sich, die Unnötigkeit dieses technischen Mittels auf der Ischler Kurhausbühne. Im Gegenteil, es scheint , das die etwas opernhaften Sänger eher Probleme damit haben, außerdem führt es dazu, das die Gesangstexte von Max Wallner und Kurt Feltz nicht gut verständlich sind, schade eigentlich, denn sie sind sehr launig. Letztendlich macht es bei dem fröhlichen Abend keinen allzugroßen Abstrich. Nur für das nächste Mal als Gedanke...

Martin Freitag 18.8.2017

Fotos  (c) Foto-Hofer, Bad Ischl

 

 

 

KAISERIN JOSEPHINE

Besuchte Premiere am 12.08.17

Unbekannter Kalman

Das Finale des diesjährigen Lehàr-Festivals ist auch dieses Jahr eine semiszenische Aufführung einer unbekannten Operette, die für das Musiklabel CPO mitgeschnitten wird, und damit einen der schwarzen Flecken des Operettenuniversums erhellen hilft (Lehàrs vorjährige "Juxheirat" ist gerade pünktlich zum Festspiel herausgekommen und sei den Operettenfreunden wärmstens empfohlen). Dieses Jahr gab es Emmerich Kalmans drittletzte Operette "Kaiserin Josephine", die 1936 schon im Exil am Zürcher Stadttheater uraufgeführt wurde. Den Connaisseurs unter den Operettenfreunden wird allenfalls die große Tenornummer "Liebe singt ihr Zauberlied" geläufig sein.

Ansonsten ist das Werk wohl weitestgehend musikalische "terra incognita". Was ist über das Stück zu sagen? Auch Kalman unternimmt seiner Zeit gemäß einen sehr opernhaften Abstecher, wie es Lehàr mit seinem Spätwerk, vor allem seiner an der Wiener Staatsoper herausgekommenen "Giuditta" vorgemacht hatte, andere Komponisten folgten, so zum Beispiel auch Eduard Künnecke, bei dessen "Die große Sünderin" das nächste Saison an der MuKo Leipzig erfahren werden kann. Doch zurück zu Kalman, der hier eigentlich eine "Tauber-Operette" geschrieben hat, denn die dankbarsten und auch anspruchvollsten Aufgaben gelten dem Tenor in der Partie des Napoleon, was nicht heißt, daß die Titelpartie einfach zu singen ist. Die gute Nachricht: das Hauptpaar Josephine Beauharnais und Napoleon Buonaparte sind einfach fantastisch besetzt, beides bewährte Ischler Lieblinge: Miriam Portmann und Vincent Schirrmacher.

Die Sopranistin hat die etwas undankbare Aufgabe der Titelpartie, denn Josephine ist irgendwie kein netter Charakter, als verarmte Adelswitwe kommt sie an den aufstrebenden General, der sich hemmungslos in sie verliebt, es kommt dann wieder "irgendwie" doch zu einem gegenseitigen "Liebhaben" mit Duetten und Heirat, dann muß Napoleon ins Feld und sich sehnen. Die Titelheldin bleibt in Paris und tändelt herum, es kommt zu einem Zerwürfnis und "irgendwie" zu einer Versöhnung; und dann "Bumms" wird sie im Finale als Kaiserin gekrönt, und das vielleicht alles wegen der Prophezeihung einer Wahrsagerin zu Beginn. Vielleicht liegt es an dem unentschiedenen Charakter der Titelfigur, der nicht so gelungenen Aufstiegs-Dramaturgie des Werkes, das es sich nicht durchsetzen konnte? Die Musik ist unverkennbarer Kalman, etwas ambitionierter vom Anspruch her, doch immer noch ungarisch von den Wurzeln.

Miriam Portmann spielt die Ambivalenz des Charakters gerade heraus, ohne es am nötigen Charme fehlen zu lassen, immer das nötige Augenzwinkern dabei wenn es pathetisch wird, eine echte Operettendiva, wie es nicht mehr viele gibt. Gesanglich von feinen Nuancen bis zur großen Operngeste, alles ohne Fehl und Tadel mit abgerundetem Höhenaplomb. Besonders reizend der Verweis auf ihre kreolische Herkunft mit exotischen Klängen, Giudittas Lippen küssen nicht weit davon, der sich dann doch in einen echten Kalmanschen Csàrdas löst. Vincent Schirrmacher hält mit tenoralem Strahl verwegen als Napoleon, weitgehend ernst, dagegen, doch die Schwächen des Empereurs sind die Frauen, so darf der General auch seine menschlich schwachen Seiten zeigen, Ein echter Tenor ohne Furcht vor vor Höhe, Schmalz und Schmelz, viel besser geht das nicht zu singen. Dazu gibt es natürlich ein Buffopaar: Napoleons Korporal Bernard und Josephines Zofe Juliette, auch hier eine Non-plus-ultra-Besetzung mit Roman Martin und Theresa Grabner, in bestem Sinne routiniert singen und tanzen sie sich durch die Operette, das es einfach nur eine Freude ist. Der große "Rest" der vielen Partien ist aus dem "Solistenfundus" und dem unglaublichen Chor des Lehàr-Festivals genommen, da ist sich keiner für eine kleine Partie zu schade, alles sind wunderbare "Typen", die auch musikalisch keine Wünsche offen lassen.

Die musikalische Leitung liegt in den zuverlässigen, inspirierenden und inspirierten Händen von Marius Burkert, der meines Erachtens gerade für Kalman nochmal ein besonderes Gespür hat und dem groß besetzten Franz Lehàr- Orchester viele feine Valeurs entlockt, die Sänger quasi auf Händen trägt, alles auch hier perfekt, da freut man sich schon heute auf die Aufnahme. Wenn man dazu gehört hat, das es eigentlich nur vier große Proben gegeben hat, kann man nur staunen und sagen: "Was für Profis!" . Egal ob Sänger oder Orchestermusiker, was für ein Gespür für das schwierige Metier Operette, welche Klasse! Ein ganz großes Lob geht dabei natürlich auch an den Mann, der schon viele gute Produktionen in Bad Ischl zu verantworten hat: Leonard Prinsloo, der für Bühnenkonzeption, Sprechtextfassung und Dialogregie zuständig ist. Die Kostüme kennt man teilweise aus den laufenden Produktionen, der Projektor wird für Einblendungen von historischen oder atmosphärischen Bildern sinnvoll genutzt, ganz in der Ischler Devise aus wenig mach viel, und zwar ganz viel. Hier wurde auf sehr kurzweilige Art mit großer Professionalität eine Lücke geschlossen. Das Werk selbst überzeugt vor allem musikalisch, dramaturgisch besitzt es erwähnte Schwächen.

Der neue Intendant, Thomas Enzinger, vergißt in seiner launigen Ansprache nie , die Vorarbeit seines Vorgängers Michael Lackner zu würdigen, der noch für die Planung dieser "Übergangsspielzeit" zuständig war. Neben beiden Intendanten gab es zur Premiere einen besonderen Besuch im Publikum: die Tochter des Komponisten, Yvonne Kalman, ließ es sich nicht nehmen, mit ein paar persönlichen Worten Erlebnisse um diese Operette zu erzählen, die sie selbst in Bad Ischl zum ersten Male aufgeführt erleben durfte. Nächstens Jahr gibt es dann, neben den szenischen Aufführungen von Paul Abrahams "Die Blume von Hawai" und Franz Lehàrs (70,Todestag!) "Das Land des Lächelns", dann einmal keine semikonzertante Operette, sondern eine Multimedia-Show "Sissi in Concert" mit Ausschnitten aus Ernst Marischkas "Sissi-Filmen" mit einer live gespielten Suite von Anton Profes` Filmmusiken. Romy Schneider hätte 2018 ihren 80. Geburtstag gefeiert. Ein doch recht spannender Plan. Man hat den Eindruck, das man mit Thomas Enzinger einen guten Intendanten für das Lehàr-Festival gefunden hat, der eigene Ideen einbringt und durchaus noch (positive) Überraschungen in petto hat

Martin Freitag 17.8.2017

Fotos: Foto-Hofer, Bad Ischl

 

 

Schmissiges Operettenglück in Bad Ischl mit dem endgültigen Abschied des langjährigen Intendanten Prof. Dr. Michael Lakner

Besuchte Vorstellung der Premiere von „Saison in Salzburg“ am 22. Juli 2017 und „Die Lustige Witwe“, besuchte Vorstellung am 23. Juli 2017 – Premiere am 15.07.2017

Spritzige Aufführungen in Bad Ischl und ein „Neuer“ in der Intendanz

Wieder einmal ein besonderes Jahr für Bad Ischl und hier in erster Linie für das Lehár Festival. Seit Mai diesen Jahres ist Michael Lakner Intendant in Baden bei Wien, hat es sich aber nicht nehmen lassen, zur Premiere von „Saison in Salzburg“ nach Bad Ischl zu kommen und auch bei der Premiere der „Lustigen Witwe“ war er anwesend und wurde ausgiebig geehrt. Für seine fast 14 Jahre in Bad Ischl bekommt er das Kulturehrenzeichen der Stadt Bad Ischl, die Kulturmedaille des Landes Oberösterreich und die Ehrenmitgliedschaft des Lehár Festivals. Die diesjährige Saison ist ja auch noch von ihm bis ins letzte Detail durchgeplant worden, alles trägt noch seine Handschrift. Sein Nachfolger Thomas Enzinger wird es sicherlich nicht leicht haben aus den Fußstapfen zu treten, seine Ansprache vor der Premiere lässt aber darauf hoffen, dass es mit der Operettenseligkeit weitergeht, einige Farbtupfer des Musicals aber sicher dazukommen werden. Wünschen wir ihm alles erdenklich Gute für seinen Start und ein ganz großes Dankeschön an Michael Lakner für die zurückliegenden Jahre und ein herzliches Toi Toi Toi für seine neue umfangreiche Aufgabe in Baden bei Wien. Ich habe die Anwesenheit von Michael Lakner dazu genutzt noch ein Abschiedsinterview mit ihm zu führen, welches an anderer Stelle abgedruckt wird. Lakner hat, wie ich schon einmal ausgeführt habe, Bad Ischl geprägt und es zu einem Vorzeigeoperettenzentrum gemacht. Ein recht großes Stückerl seines Herzens wird immer in Bad Ischl bleiben und er wird hier auch seinen Erstwohnsitz behalten. Servus lieber Michael Lakner und Grüß Gott Thomas Enzinger. Möge die Operette – nicht nur in Bad Ischl – weiter blühen und gedeihen, denn sie erwärmt die Besucher und lässt sie für einige Stunden die Alltagssorgen vergessen – und was kann man schöneres von einer der schönsten Musikformen erwarten.

 

„Saison in Salzburg“

Die Showoperette „Saison in Salzburg“ erlebt in Bad Ischl ihre Premiere. Diese Revue-Operette ist in den letzten Jahrzehnten vielfach unterschätzt, kaum auf einem Spielplan gestanden. Und das ist schade, eine lustige annehmbare nachvollziehbare Handlung, ein ganzer Reigen wunderschöner eingängiger Melodien, und wenn es noch gesanglich toll dargeboten wird, steht dem Erfolg nichts im Wege. Und bei der heutigen Premiere trifft all das zu. Der Regisseur Gernot Kranner hat die Operette in einer langjährigen Arbeitstour umgeschrieben, neue Personen hinzugefügt, Dialoge geändert, am Ende mehr Brautpaare auf die Bühne gestellt, als ursprünglich vorgesehen und er hat eines erreicht, eine spritzige, keinen Moment langweilige, schmissige und mitreißende Operette auf die Bretter, die die Welt bedeuten gebracht, für ein mitgehendes, starken, fast euphorischen Applaus spendierenden Publikums.

 

Thomas Zisterer, Theresa Grabner

Zu einer überzeugenden Regiearbeit gehören bunte, frische Kostüme und hier hat Alexandra Brandner eine tolle Leistung abgeliefert. So bunt, abwechslungsreich, farbig und überzeugend ging schon lange keine Operette mehr über die Bühnenbretter. Am Schluss noch ein Auftritt der Goldhaubenfrauen und das Publikum ist nur noch begeistert. Die Choreographie von Rita Sereinig, das einfallsreiche Bühnenbild, mit ganz wenigen Requisiten auf die Bühne gestellt von Herwig Libowitzky und die exzellente Choreinstudierung von Gerald Krammer, sorgen dafür dass alles nicht zusammengestoppselt, sondern wie aus einem Guss wirkt. Man lässt sich unbeschwert mitreißen und erfreut sich an der Leichtigkeit und Schmissigkeit dieser leider viel zu selten gespielten Operette. Auf etwas hätte man jedoch gerne verzichten können, auf die Microports (die in der „Lustigen Witwe“ Gott sei Dank nicht zum Einsatz kommen), die aus meiner Sicht in keinster Weise notwendig gewesen wären und immer etwas störend wirken. Und noch etwas hat störend gewirkt. Vor mir saßen zwei ganze Reihen von Honoratioren, und einige davon haben sich fast ohne Pause während der Aufführung mit ihren Partnerinnen ausgetauscht und unterhalten. Wenn man schon nicht viel von Operette versteht, aber hingehen muss, einmal weil man Ehrenkarten hat und zum anderen weil man gesehen werden will, dann sollte man wenigstens während der Aufführung den Mund halten, das gehört zu den einfachsten Anstandsregeln und ist den zahlenden Operettenliebhabern gegenüber eine Rücksichtslosigkeit. Ich werde so ein Verhalten nie verstehen.

Alexander Kaimbacher, Monika Rebholz

Die Geschichte der Operette ist eigentlich schnell erzählt. Das renommierte Hotel Mirabell bekommt Konkurrenz durch die zu versteigernden Gasthöfe „Salzburger Nockerl“ und „Zum Blauen Enzian“. Wer ist die beste Nockerlköchin, dies zieht sich durch das ganze Stück. Da ist die Liebesgeschichte der Mehlspeisköchin Steffi mit ihrem Rennfahrer Frank Rex sowie der Mehlspeisköchin Vroni mit ihrem Toni, dem ersteigerten Besitzer des „Zum Blauen Enzian“. Da ist die Liaison von Erika Dahlmann, deren Vater eine Autoreifenfabrik hat mit Max Liebig einem Parfümfabrikanten aus der Schweiz. Da ist der raffgierige Wirt des Mirabell, Alois Hintermoser, die Suche nach dem Rezept der besten Nockerl, und das Gspusi von Friedrich Wilhelm Knopp, des Chefmechanikers bei Frank Rex mit Helen, der Kellnerin im „Salzburger Nockerl“. Dies alles zieht sich durch die Geschichte, in die Olga Rex, die Inhaberin der Rex-Autofabrik auch noch klärend eingreift. Und bis alle als Paare auf der Bühne stehen, vergehen etliche Missverständnisse und Irrungen und Wirrungen. Also, etwas durcheinander, aber es macht einfach Spaß, dem allen zu folgen.

Schwungvoll, leidenschaftlich, alles im Griff habend, die Feinheiten der Partie erkennend und herausarbeitend, immer auch auf die Sänger Rücksicht nehmend, lässt der Wiener Marius Burkert temperamentvoll das vorzügliche Franz-Lehár-Orchester frisch und klangvoll aufspielen. Man hat den Eindruck, dass dieser Klangkörper von Jahr zu Jahr immer besser wird. Den Chor und die Tänzer habe ich ja schon gewürdigt, klasse, schwungvoll, überzeugend, eine ausgezeichnete Leistung.

P. Schmitzberger, A. Kaimbacher, A. Schram, A. Brandstetter, R. Martin, Thomas Zisterer

Auch die gesanglichen Leistungen sind an diesem Abend wirklich wie aus einem Guss, es gibt keinen Aus- und keinen Abfall. Man merkt, dass sich hier eine kleine Truppe verschworener Künstler zusammengefunden hat, die sich auch untereinander gut verstehe müssen, denn sonst wäre eine solche homogene Leistung nicht zu erreichen. Es ist sehr schwer, irgendjemand nach vorne zu stellen, alle sind auf ihrem Platz über dem Durchschnitt. Deshalb möchte ich kurz auf jeden der Hauptsolisten eingehen. Als erstes sei Alois Walchshofer in der kleinen Rolle des Alois Hintermoser, Direktor des Hotel Mirabell genannt. Bei ihm geht es mir wie bei einer sehr guten Flasche Wein, je länger sie liegt, desto besser wird sie. Was er aus dieser kleinen Rolle herausholt ist schon toll. Der Bariton, der in Linz geboren wurde, hat ein überragendes spielerisches Potential, dazu kommt ein voller, kräftiger, runder und stimmschöner Bariton, den man gerne mit mehr hören möchte. Als Steffi ist die in Murnau in Deutschland geborene Sopranistin Monika Rebholz zu hören. Sie legt die Partie etwas dramatisch, opernhaft an, dies kann aber auch ein Regieeinfall sein. Ihr schöner, durchschlagskräftiger und höhensicherer Sopran überzeugt jedoch in allen Bereichen. Ihr schwärmerischer Anschmachter ist als Autorennfahrer Frank Rex der in Villach geborene Tenor Alexander Kaimbacher. Sein gutsitzender höhensicherer Tenor ist jeder Situation gewachsen, mit robuster, kräftiger, aber auch stimmschöner Höhe weiß er das Publikum und auch Steffi zu überzeugen.

Roman Martin, Uschi Plautz, Alexander Kaimbacher

Die Mehlspeisköchin Vroni Staudinger wird von der jungen Salzburger Sopranistin Theresa Grabner verkörpert. Überzeugend und locker spielend, kann sie auch einen leichten, leuchtenden und warmen Sopran vorweisen, mit dem sie ihren Toni umgarnt. Schwungvoll wird sie gesanglich und darstellerisch mit zum Dreh- und Angelpunkt der Operette. Ihr ebenbürtiger Partner ist der lyrische Bariton, von seiner Stimmlage aber fast schon ein Tenorbuffo, der aus dem Zillertal stammende Thomas Zisterer. Er ist in Bad Ischl kein Unbekannter und ebenso wie Theresa Grabner ein eindeutiger Publikumsliebling. Sein ausdrucksstarker, kräftiger, beweglicher, stimmschöner und hoher Bariton wickelt das Publikum nur so um den Finger, ebenso wie sein frisches, unverkrampftes Spiel. Man hat richtig Spaß daran der Vroni und dem Toni zu lauschen. Die Tochter des Autoreifeninhabers Erika Dahlmann wird von der Linzer Sopranistin Adelheid Brandstetter verkörpert. Sie, die schon länger auf den Theaterbrettern steht, hat im kleinsten Finger eine Musikalität, die seinesgleichen sucht. Ihr voller, stimmschöner Sopran weiß in jedem Moment zu überzeugen, ihr Spiel ist ohne Fehl und Tadel. Ihr, sie bis zur Raserei begehrende Parfümfabrikant aus der Schweiz, ist der in Luzern in der Schweiz geborene Tenor August Schram. Seine Darstellung des liebestollen Schweizers sorgt im Publikum immer wieder für große Heiterkeit und Gelächter, er legt sich so richtig in die Rolle hinein. Mit seinem schönen, vollen und kräftigem Tenor kann er ebenfalls überzeugen, versprüht hierbei eine Menge Glanz und füllt die Rolle bis in die letzte Faser aus. Das letzte Pärchen, Friedrich Wilhelm Knopp, der Chefmechaniker und die Kellnerin Helen sind ebenfalls rollendeckend besetzt. Die junge Irene Peios, die Ihre Wurzeln in Griechenland und in der Schweiz hat, gestaltet die kleine Rolle der Helen mit zartem, schönem leuchtendem Sopran und einem gefälligen Spiel und als Knoop glänzt der Mann für alle Fälle, ein Hansdampf in allen Gassen, der Wiener Tenorbuffo Roman Martin. Er wirbelt nur so auf der Bühne herum, zeigt ein mehr als überzeugendes Spiel und kann auch mit seinem warmen und beweglichen Tenor vollauf überzeugen. Als Olga Rex, die Autofabrikinhaberin kann Uschi Plautz, die in London geborene und in Graz aufgewachsene Schauspielerin und Sängerin das Publikum überzeugen. Sie macht aus ihrem doch kleineren Auftritt eine Paraderolle und kann viel Beifall ernten. Als Christian Dahlmann weiß Paul Schmitzberger zu überzeugen, ebenso wie Giuseppe Preims als Notar Dr. Koller. Insgesamt eine fröhliche, schwungvolle und schmissige Operette, die das Publikum mitreißt und zu langanhaltendem verdientem Beifall führt. Zwei Schlager Raymonds, „Ich hab das Fräulein Helen baden sehn“ und „Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche“ gliedern sich nahtlos in das Geschehen ein und verstärken den positiven Eindruck noch. So macht Operette Spaß.

 

„Die Lustige Witwe“

Am nächsten Tag war ich in der ersten Aufführung nach der Premiere von „Die Lustige Witwe“ und es hat wieder einmal großen Spaß gemacht. Die Geschichte von der schwerreichen Hanna Glawari, die von Graf Danilo Danilowitsch nicht geheiratet werden kann, wegen des Standesdünkels und die durch eine kurze und reiche Heirat jetzt ebenbürtig ist, ist doch zu schön. Baron Mirko Zeta fleht den Grafen an die Witwe zu heiraten, um ihre Millionen für das Vaterland, welches an der Pleite entlangschrammt, zu retten, doch er ist viel zu stolz, um dies zu tun. Er will aber alle Verehrer, die die Millionen erringen könnten beiseiteschaffen. Der größte Rivale ist dabei der heimliche Liebhaber von Valencienne, der Gattin von Baron Mirka, Camille de Rosillon. Der Baron deckt die geglaubte Untreue seiner Gattin auf, will sich scheiden lassen und die Witwe heiraten. Sie erklärt, dass dann die Millionen futsch sind und dies ist der Moment, wo ihr Danilo endlich seine Liebe gesteht. Nun ja, das Vermögen erbt laut Testament der neue Ehemann und Baron Mirko liest auf dem Fächer seiner Frau, dass sie eine anständige Frau ist. Alles löst sich in Wohlgefallen auf und alle sind zufrieden.

Reinhard Alessandri, Regina Riel

Die Regie, Choreographie und das Light Design liegen in den Händen von Leonard Prinsloo, einer Ikone von Bad Ischl und er macht seine Sache gewohnt gut, klar und schnörkellos. Mit vielen Tanzelementen versehen erzählt er die wohlbekannte Geschichte mit Geschmack und verständlich. So macht die Operette einfach wieder Spaß. Warum um alles in der Welt aber die Handlung völlig unnötig in die 70er Jahre verlegt ist, hat sich mir nicht ganz erschlossen. Viele Anspielungen, die in das beginnende 20. Jahrhundert gehören, verlieren dadurch ein bisschen ihre Wirkung. Und noch etwas missfällt mir persönlich. Er lässt vor allem den Baron Mirko Zeta wie ein Puppenkasperl herumalbern und sich ständig verrenken, ebenso wie den armen Njegus und hier hat er dem Gaul für mich ein bisschen zu viel Zucker gegeben. Die beiden haben genug schauspielerisches Potential und Talent um auf solche Albernheiten nicht angewiesen zu sein. Dem Publikum jedoch gefällt es, welches sich manchmal fast vor Lachen auf die Schenkel klopft. Dieser Einwand ist aber, zugegebenermaßen, ein etwas beckmesserischer Einwand und es fällt auch nicht so sehr ins Gewicht. Auch das stimmige Bühnenbild und die Kostüme von Monika Biegler wissen zu überzeugen. Die Bühne ist sparsam mit Kulissen belegt, manchmal reichen herabhängende Glitzerstreifen oder ein nur angedeuteter Pavillon aus, um die notwendige Stimmung auf die Bühne zu zaubern. Die Kostüme sind ein Fest für das Auge, sind bunt, freundlich, farbenreich und vielfältig. Man kann sich richtig daran ergötzen.

Das ausgezeichnet aufgelegte Franz-Lehár-Orchester, welches schon am Vortag eine exzellente Leistung bot, ist erneut spritzig, feurig, einfühlsam. Dies liegt zu einem großen Teil natürlich auch an László Gyükér. Er formt und fordert seine Musiker, er lässt die herrliche Musik von Franz Lehár aufblühen und strömen, er umschmeichelt zurückhaltend seine Sänger, die dadurch noch mehr zur Geltung kommen und er ist für mich einer der kompetentesten Operettendirigenten, die wir momentan haben und er kann wieder einmal einen großen Abend bzw. Nachmittag mit seinen Musikern verbuchen. Dem schließt sich auch der ebenfalls äußerst gut eingestellte Chor des Lehár Festivals Bad Ischl an, immer präsent, immer auf dem Punkt da, präzise einstudiert von Gerald Krammer.

Verena Barth-Jurca

Nun aber zu den Sängern der Aufführung und da gibt es ebenfalls nur Gutes zu berichten. Kein Ausfall, bis in die kleinsten Wurzenrollen rollendeckend besetzt, es macht einfach Spaß dem gut gelaunten Ensemble zu lauschen. Und auch heute steht eine Mannschaft auf der Bühne, bei welcher man den Eindruck hat, dass jeder für jeden da ist und die Spiel- und Sangesfreude vermittelt sich unmittelbar dem begeistert mitgehenden Publikum. Als Hanna Glawari trumpft die unumstrittene Operettendiva von Bad Ischl, Regina Riel mächtig auf. Nun ist sie bereits zum vierten Mal in Folge in Bad Ischl und sie ist einfach die Primadonna Assoluta. Die niederösterreichische Ausnahmesopranistin wartet mit zarten Spitzentönen, feurigen Ausbrüchen auf und ihr warmer, voller, ausdrucksstarker Sopran weiß einfach nur in jedem Moment zu überzeugen. Einer von vielen Höhepunkten ist ihr Vilja-Lied, welches sie mit Bravour bewältigt. Sie baut es richtig auf, lässt die Töne in den schönsten Farben erblühen, bis sie mit einem fulminanten Schlusston das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hinreißt. Auch darstellerisch ist sie mit jedem Jahr besser geworden, ihr lebendiges überzeugendes Spiel erfreut das anwesende Publikum. Und natürlich ihren kongenialen Partner als Graf Danilo Danilowitsch, den in Bad Ischl wohlbekannten österreichischen Tenor Reinhard Alessandri. Durchschlagskräftig, mit leuchtender, bombenfester und strahlender Höhe versehen, zeichnet er das Bild des charmanten Schwerenöters, der in den Grisetten seinen Lebensinhalt hat bis, ja bis die Liebe zu Hanna wieder erwacht. Stimmlich und optisch ist er eine Idealbesetzung des leidenschaftlichen Lebemanns, dem der Champagner besser schmeckt wie die Arbeit. Als Valencienne, die treue-untreue Frau des Baron Zeta ist Verena Barth-Jurca, eine junge in Sibin in Rumänien geborene, aber in Nürnberg aufgewachsene Idealbesetzung. Stimmlich mit zartem, dennoch durchschlagskräftigem, schönem und silbrigem Sopran versehen, bringt sie mit frivolem und aufreizendem Spiel den Puls vieler im Publikum sitzender Herren zum schnelleren Schlagen. So mancher möchte da an Stelle des Camille de Rosillon sein, der von dem in Wien geborenen Tenor Clemens Kerschbaumer verkörpert wird. Und er holt aus der relativ schweren Partie das äußerste heraus. Sein strahlender, jede Höhe mühelos meisternder mit metallischem Timbre versehener Tenor bringt nicht nur Valencienne zum Schmelzen. Ein klangvoller, stimmschöner, nie ermüdender, leicht ansprechender und mit mühelosen Höhen versehener Tenor, wie ich ihn schon lange nicht gehört habe. Zwei Paare auf der Bühne, die sich in nichts nachstehen, ein Glücksfall für Bad Ischl und ein Glücksfall für das begeisterte Publikum.

Robert Herzl, Reinhard Alessandri, Steven Scheschareg

Als Baron Mirko Zeta weiß der in Brooklyn/New York geborene Sohn österreichischer Eltern, Steven Scheschareg zu überzeugen. Sein warmer und voller Bariton meistert alle Passagen mühelos und darstellerisch weiß er mehr als zu überzeugen. Eine über dem Durchschnitt liegende Leistung. Als Militärattaché Njegus hat Robert Herzl die Lacher des Publikums und auch deren Zuneigung auf seiner Seite. Und so kalauert er sich mit Bravour durch seine Rolle. Der hervorragende Tenorbuffo Roman Martin als Roul de St. Brioche macht das Beste aus seiner kleinen Rolle. Er, der schon am Vortag auf der Bühne gestanden war, ist als geborener Wiener hier in seinem Element, darstellerisch macht er aus der kleinen Rolle das Optimale. Ebenso wie der Wiener Tenor und Schauspieler Wolfgang Gerold als Vicomte Cascade. Die hervorragende Darsteller- und Sängerriege ergänzen ohne Fehl und Tadel Giuseppe Preims als Gesandtschaftsrat Kromov und Dorli Buchinger als seine Frau Olga, ebenso wie Valentin Trandafir als Oberst in Pension Pristschitsch.

Verena Barth-Jurca, Regina Riel, Reinhard Alessandri, Robert Herzl

Auch diese beiden Aufführungen haben wieder einmal gezeigt, dass das eigentliche Mekka der Operette in Bad Ischl liegt und wenn sie so vollendet dargeboten wird, wird auch das Publikum weiterhin in die Vorstellungen strömen. Der Aufenthalt in Bad Ischl hat einfach Spaß gemacht. Michael Lakner alles erdenklich Gute in Baden und möge er dies auch zu neuen Höhen bringen und ein ganz herzliches Toi Toi Toi dem Regisseur, Autor und Schauspieler Thomas Einzinger, dem neuen Intendanten von Bad Ischl, der im nächsten Jahr hoffentlich für Überraschungen sorgt.

Manfred Drescher 27.07.17  

Bilder www.fotohofer.at, Bad Ischl

 

DIE JUXHEIRAT

Besuchte Premiere am 13.08.16

Unerwartete Überraschung

Wie jedes Jahr gab es in Bad Ischl eine absolute Rarität als semikonzertante Aufführung, nach Strauß Sohn und Fall wurde dem Namenspatron des Festivals gehuldigt, um es vorwegzunehmen, besser hätte man ihm nicht huldigen können. Kennen Sie die Lehàr-Operette "Die Juxheirat" ? Ich bislang auch nicht, doch das sollte sich ändern, auch für Sie als Operettenfreund, denn das wunderbare Label CPO hat einen Mitschnitt gemacht, der dann sicherlich nächstes Jahr erscheinen wird, also "Vormerken!".

Das Werk selbst wurde in Wien 1904 uraufgeführt; Lehàr selbst hatte gerade einmal seinen ersten Operettenerfolg mit "Der Rastelbinder" gehabt, seine nächste Operette "Der Göttergatte" auf den Amphytrion-Stoff war ohne Nachhall geblieben und "Die lustige Witwe" sollte im Jahr darauf folgen. Julius Bauer hatte ihm ein durchaus witziges Libretto auf einen aktuellen Stoff zurechtgezimmert: Im modernen Amerika hat die Milliardärstochter Selma nach einer enttäuschenden Eheerfahrung mit Freundinnen den Verein L.V.M. ("Los vom Mann") gegründet, das Thema der Frauenemanzipation lag in der Luft. Ihr Daddy hat allerdings andere Pläne und hat als Ehekandidaten den Aristokraten Harold von Reckenburg erwählt, einen etwas ungewöhnlich weichen Tenorliebhaber, der fast ein Antiheld ist. Jevgenij Taruntsov spielt diese ungewöhnliche Tenorpartie mit viel doppelbödigem Humor und strahlendem Gesang, ebenso wie Maya Boog die widerspenstige Enttäuschte mit sopranigem Silberstift zeichnet, richtiges fein gespieltes Komödientheater auf hohem Gesangsniveau. Gerhard Ernst poltert effektvoll den Bühnenpapa. Natürlich endet nach den handelsüblichen Verwirrungen alles in Butter.

Doch die Verwirrungen haben es in sich ,denn das Stück hat viele tolle Ensemblerollen. Zunächst findet ein Geschwisterpaar der Hauptprotagonisten zueinander Alexander Kaimbacher singt den Milliardärssohn Arthur schon als Vorwegnahme für den Rosillion (Witwe!) mit effektvoll hohen Tenoraufgaben, wie Anna-Sophie Kostal eine aristokratische Gegenspielerin zur Milliardärstochter mit charmantem Sopran gibt, quasi ein zweites Traumpaar. Ganz wichtig ist die Rolle des Automobilchaffeurs Philly Kapps, die damals extra für Alexander Girardi konzipert wurde. Christoph Filler sorgt in der umtriebigen Buffopartie mit Aplomb, poinitierter Textverständlichkeit und schönem Tenor für den nötigen Wirbel, verwirrt dabei vor allem zwei der Clubmitglieder mit doppeltem Eheversprechen, Sieglinde Feldhofer ebenso überzeugend und bezaubernd als Miss Phoebe wie als Rose von Stambul schnappt sich Hand und Herz des umtriebigen Strizzi, während Rita Peterl als Miss Euphrasia trotz des formidablen Mezzomaterials das Nachsehen hat und die "komische Junge" spielt. Auch die Kleinpartien sind wieder trefflich mit Solisten und Choristen besetzt, der Chor ist in Ischl eh eine Klasse für sich.

Semikonzertant nennt sich die Aufführung, aber ehrlich gesagt, hat man den Eindruck einer kompletten gediegenen Aufführung, denn die Beteiligten singen und spielen schier mit Herzblut. Leonard Prinsloo ist für Sprechtextfassung und Dialogregie zuständig, doch er hat eine vollwertige Inszenierung abgeliefert, ständig wechselnde Einblendungen nehmen Bezug auf Handlung, Werk und Aufführungsort, das hat ganz großen Charme und macht einfach Spaß anzusehen. Kostümbildner ist keiner genannt, dennoch haben alle Darsteller wunderschöne passende Kostüme an, sei es aus dem privaten oder dem Theaterfundus. Ohne die beiden, sehr guten Aufführungen zu schmälern, ist diese, in ihrer gut gelaunten Improvisation, vielleicht sogar die lustigste und beste, was sicher auch an der überraschenden Qualität des Werkes liegt. Denn kommen wir mit zum Wichtigsten der Musik. Auch hier jagt eine Überraschung die nächste, schon die Uraufführungskritik sprach von den Qualitäten der Komposition. Lehàr selbst probiert sich in vielen Bereichen aus, doch trotzdem ist jede einzelne Nummer absolut gelungen, da erklingen ganz fein gebaute Ensembles, es gibt durchaus Anklänge an den späteren Stil, doch da schimmert ein Walzer von der Eleganz Joseph Strauß`auf, plötzlich ein nahezu romantisches Gesangsquartett, die Buffonerien sind stets inpiriert und bersten vor guter Laune, dann ein großes Ensemble mit geistreichen Zitaten aus dem Wagnerschen Klangkosmos. Die Musik scheint als wahres Kaleidoskop. Warum dem werk kein Erfolg beschieden war, lässt sich nur vermuten: vielleicht war die Faktur dem allgemeinem Operettenpublikum seiner Zeit einfach zu fein gewoben ?

Das Stück gehört dabei wirklich auf die Bühne und sei hiermit allen Programmplanern der Theater ausdrücklich ans Herz gelegt, denn die Musik, wie das Libretto sind wirklich gut. Wirklich gut natürlich auch, wenn man einen so tollen musikalischen Leiter wie Marius Burkert hat, ein Orchester wie das des Lehàr-Festivals, da ist alles stimmig. Burkert scheint gerade für die etwas feiner gestrickten Sachen in der Musik nochmal ein besonderes Händchen zu besitzen. Liebe Theaterleute, lasst euch überzeugen und überraschen, spätestens wenn die Aufnahme herauskommt. Dieses war ein großer , beglückender Abend für die Operette und für Lehàr. Danke an alle Beteiligten, nicht zuletzt an die Leitung des Lehàr-Festvals, die den Mut hat solches Wagnis nicht nur einzugehen, sondern auch so toll zu besetzen. Das ist große Kunst ! Danke !

Auch nächstes Jahr sind übrigens die Aussichten in Bad Ischl hervorragend: Mit Lehàrs "Die lustige Witwe" steht einer der großen Kassenknüller auf dem Programm, gefolgt von Fred Raymonds selten gespielter "Saison in Salzburg" als zweiter szenischer Aufführung, ein Werk das natürlich auch durch die Handlungsnähe auf die dortige Bühne gehört. Mit besonderer Spannung warte ich persönlich auf die "halbszenische" Wiedergabe (mit Aufnahme) von Emmerich Kalmans unbekannter "Kaiserin Josephine". Also drei gute Gründe für Bad Ischl, außer denjenigen, das es da oben überhaupt sehr schön und erholsam ist.

Martin Freitag 6.9.16

Fotos: Foto-Hofer, Bad Ischl

 

 

 

Zum Zweiten

DIE ROSE VON STAMBUL

Besuchte Aufführung am 11.08.16

(Premiere am 23.07.16)

Erfüllte Erwartungen

Es gibt Werke im Leben eines Opern-oder Operettenfreundes, auf die er lange warten muß, um sie endlich einmal erleben zu dürfen, so in meinem Falle Leo Falls "Die Rose von Stambul". Ein Titel, der eigentlich immer noch bekannt ist, doch in Deutschland ist der Titel szenisch jahrzehntelang nicht aufgetaucht, doch auch im Operettenland Österreich kaum zu finden, und wenn hatte es nie terminlich gepasst, um so erfreulicher das Stück endlich in Bad Ischl erleben zu dürfen. Leo Fall ist überhaupt ein besonderer, ja eben , "Fall". Als jüdischer Komponist im Nationalsozialismus verboten, gab es nach dem zweiten Weltkrieg eine kleine Renaissance , freilich mit den damals üblichen Bearbeitungen, respektive Veunstaltungen, die gerade das ganze Operettenrepertoire betrafen. Als Komponist war er vielleicht nie so "modern" wie seine Schicksalsgenossen Kalman oder Abraham, die wesentlich mehr mit der aktuellen Tanzmusik und jazzigen Anklängen arbeiteten, sondern hielt sich mehr an die Tänze der "guten, alten Zeit", denen er allerdings durch harmonische Rückungen und musikalische Inspiration mehr abgewinnen konnte, als viele seiner Kollegen. Zumal kann man ihn als Meister einer subtilen Erotik bezeichnen, die stets auf recht feine Art, doch nie ordinär daherkommt. Das alles findet sich eben auch in der "Rose von Stambul" wieder, die mit feinen orientalischen Melismen arbeitet, im ersten Akt teilweise auch auf sehr opernhafte Art daherkommt; vor allem mit einem Ohrwurm nach dem anderen aufwartet, die mich wirklich lange verfolgt haben, selbst wenn ich jetzt anfange zu summen, werde ich sie schwer wieder los.

Die Handlung mutet gerade in heutigen politischen Diskussionen überraschend aktuell an, ohne dabei das Wesen des Unterhaltungstheaters zu verlassen: Kondja Gül wurde als einziges Kind des türkischen Politikers Kamek Pascha in Istanbul relativ frei erzogen, doch soll sie jetzt nach altem Brauch verschleiert und ohne ihren Bräutigam gesehen zu haben, verheiratet werden. Allerdings hat sie sich platonischerweise in den Dichter Andrè Lery verliebt und bereits mit ihm geschrieben. Hinter diesem dichterischem Pseudonym steht freilich kein anderer, als der unbekannte Bräutigam Achmed Bey, der wiederum, weil er um seiner selbst willen geliebt werden will, eine Enthüllung ausspart. Nach der Hochzeit verläßt Kondja ihn, um dem Ruf ihres Herzens zu folgen. Als Nebenhandlung gibt es noch ein glückliches Buffopaar; ihre Freundin Midili Hanum und den Hamburger Industriellensohn Fridolin Müller, hier wird (en Travestie "Ich bin die Lillli vom Ballett") aus den Frauengemächern entführt und geheiratet. Alles trifft sich in der Schweiz im Hotel "Zu den drei Flitterwochen" wieder, wo sich alle Konflikte in Wohlgefallen auflösen. Die Frage des Schleiers und der Verheiratung, könnte man sicherlich etwas zuspitzen, doch Regisseur Leonard Prinsloo entschließt sich, einfach ohne Aktualisierungen die Operette spielen zu lassen, was ich persönlich auch für den richtigen Weg halte, denn die durch die westliche Brille gesehenen Kritiken an der orientalischen Lebensweise sind ja so oder so enthalten. Mit wenig wird hier ganz viel erreicht, denn Su Pitzek benötigt für ihr Bühnenbild lediglich ein paar verschiebbare Elemente und Treppen und ein paar weiße Vorhänge, die durch Variation und die geschmackvolle Verwendung von Prospektionen absolut ausreichen. Die Handlung wurde in die Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts verlegt, was prima funktioniert, Barbara Häusl hat dazu ganz reizende Kostüme entworfen. Lediglich eine Straffung des Textes in dritten Akt und die Vorstellung wäre wirklich perfekt gewesen.

Kommen wir zum Musikalischen: Eine Aufführung steht und fällt mit dem Tenor, denn der Achmed Bey ist gesanglich eine der schwierigsten Operettenpartien für Tenor, viel Gesang, teilweise sehr hoch gelegen, eine diffizile Gestaltung zwischen sensibel und Macho, jede Menge toller Nummern vom titelgebenden "O, Rose von Stambul", über die stilistisch reizenden "Euch ihr Frauen gilt meine Serenade" bis zum chansonhaften "Zwei Augen, die gehen mir nicht aus dem Sinn", opernhafte Aufschwünge in den grandiosen Finali des ersten und zweiten Aktes. Dazu gibt es zwei große Querschnitte mit dem legendären Fritz Wunderlich, der das sensationell perfekt singt, wer das gehört hat, vergisst es nicht. Also eine eigentlich unüberwindbare Hürde für jeden Nachfolger in dieser Partie. In Ischl konnte man für den Achmed Bey den gestandenen Tenor Alexandru Badea gewinnen, der , um es vorweg zu nehmen, nicht schaffte dieses Vorbild zu überwinden. Doch sich mit großem Respekt seine Meriten verdiente, denn es gelang ihm sowohl den charakterlichen Zwiespalt der Figur sympathisch auf die Bühne zu bringen, ebenso wie seine schier unausschöpfliche Höhenstamina beeindruckt, eine wirklich überzeugende Leistung. Ihm zur Seite die entzückend jugendliche Kondja Gül von Sieglinde Feldhofer, absolut glaubhaft in ihren Nöten mit strahlendem Sopranklang als emanzipierte Türkin, ganz herrlich das Duett "Ein Walzer muß es sein" ebenso ihr chorumrahmtes Auftrittslied und die folgenden Auseinandersetzungen mit dem ungewollt Geliebten. Süperb auch das spritzige Buffopaar von Ilia Vierlinger , ebenfalls eine Prachtsoubrette, wie des in Ischl bewährten Thomas Zisterer, besser kann man das nicht machen. Tomaz Kovacic als Kamek Pascha und Gerhard Balluch als Müller Senior wußten ebenfalls den Affen Zucker zu geben. Dazu wieder einmal der prächtige Chor in vielen toll besetzten Solorollen, besonders die beiden Damen in der gesanglichen Einleitung des ersten Aktes wußten vokal zu beeindrucken. So geht Operette! Natürlich mit dem ebenso differentiert aufspielenden Franz Lehàr-Orchester unter der fachkundigen Leitung von Marius Burkert, der heute schon als einer der führenden Dirigenten für das Genre Operette gezählt werden muß, doch an seinem Grazer Stammhaus auch mit anderen Aufgaben punkten kann. Um es noch einmal zu wiederholen: So, geht Operette !!! Für die Theatermacher: geht endlich ran an den "Fall", es lohnt sich !

Martin Freitag 3.9.16

Fotos: Siehe unten bei der Erstbesprechung

 

DIE FLEDERMAUS

Besuchte Vorstellung am 12.08.16
Premiere am 16.07.16

Der Reiz der Wiederholung

Es ist ein besonderes Jahr des Lehàr-Festivals in Bad Ischl, denn Michael Lackner der langjährige Intendant wechselt in selbiger Position nach Baden bei Wien, hat nunmehr seine letzte alleinige Spielzeit zu beenden, zwar ist die Planung für die nächste Saison noch und schon ganz von ihm abgeschlossen, doch steht der neue, designierte Intendant schon in Startposition und beide werden für den Sommer 2017 eine reibungslose Übergabe machen, so wie man sich einen sinnvollen Wechsel an vielen Theatern auch wünschen würde. Dieses Jahr kommt es auch zur ersten Titelwiederholung unter der Lacknerschen Intendanz, was für den kreativen Abwechslungreichtum spricht: es ist, man möchte fast sagen "natürlich" Johann Strauß` " ,Die Fledermaus"  dadurchbedingt das Werk, für das der Operettenfreund ein Reise machen würde, doch das weitere Programm mit Leo Falls viel zu selten gespielter "Die Rose von Stambul" und gar der ersten Wiederaufführung von Franz Lehàrs "Die Juxheirat" nach ihrer Uraufführung lohnen, also nimmt man das vielgesehene mit denn: die Aufführungen in Bad Ischl machen eigentlich immer Spaß, ob Allbekanntes oder Rarität, so wird man auch diesmal nicht enttäuscht.
 
Michaela Ronzoni und Volker Wahl haben schon mehrmals erfolgreich Operetten gemeinsam inszeniert , in Ischl hat man ihnen zum ersten Mal Regie und Textfassung anvertraut. Man möchte natürlich auch nicht immer die gleiche Chose sehen, so hat man sich eine Verschiebung der Handlung in die Depressionsjahre um 1925 entschlossen, was bei der Beziehung des Werkes zum "Schwarzen Freitag" durchaus nicht verkehrt ist. Nach einer inszenierten Vorgeschichte zur Ouvertüre, was ich bei der Qualität der Musik fast störend empfinde, doch bei einem Teil des Publikums gut ankommt und anscheinend sogar erhellend wirkt, werden im Hause Eisenstein gleich ein paar Möbel gepfändet und "Kuckucke" geklebt, die Fallhöhe der gutsutuierten Bourgeausie fehlt dadurch, aber das Stück funktioniert . Außerdem hindern die schlichten Bühnenbilder nicht am Spaß, Stefanie Stuhldreiers Ausstattung ist mehr als zweckmäßig und wird dem Ischler Prinzip nicht die durch das liebe Geld gezwungene Haushaltung zu überschreiten , mehr als gerecht. Dies Prinzip besagt, das die Gelungenheit der Aufführung durch die Lebendigkeit der Darstellung und die Qualität des Musikalischen bewahrt wird. Und so trifft es auch diesen Fall. Weiter geht es zu dem reichen, zwielichtigen Schieber Orlofsky, der noch von seinen Auslanddevisen profitiert, hier wird gespielt und gekokst und Hand an das andere, wie das eigene Geschlecht gelegt, die Wilden Zwanziger mitsamt der Skandaltänzerin Anita Berber sind los. Der Knast ist dann der Knast, das hat sich in den Jahren nicht geändert, einer der großen Coups der Inszenierung ist die Besetzung des Frosch mit Oliver Baier, der aus dem österreichischem Fernsehen bekannt ist, sein Gefängnisdiener Frosch ist formidabel, die selbstentworfenen Zusatztexte nehmen mit Biss Bezug auf die österreichischen Befindlichkeiten, ohne jemandem direkt auf die Füße zu treten, das ist klug, so bleibt eine schwebende Mehrdeutigkeit erhalten, aus der jeder etwas für sich ziehen kann.
 
Die Aufführung hat Schmiss und Feuer, macht einfach Freude. ist anders, ohne das Werk zu zerstören, was natürlich auch an der, wie stets, ausgesuchten Besetzung liegt. Regina Riel kann durchaus als die neue Ischler Operettendiva bezeichnet werden, ihre Rosalinde besitzt saftigen Wiener Schmäh, die Stimme gefällt besonders in der fruchtigen Mittellage, vor allem weiß sie Pointen zu setzen, zwischen naiv und maliziös zu gurren und sich sexy in Positur zu bringen. Matjaz Stopinsek ist als Eisenstein an ihrer Seite ein wundervoll von seinen Lüsten getriebener Strizzi, musikalisch läßt er keinen Wunsch offen. Tobias Greenhalgh mit virilem Bariton zieht als Dr. Falke die Fäden der Intrige und lässt "die Puppen tanzen". Grandios die Adele von Alice Waginger mit echtem Ottakringer Schmäh zwischen trutschig und lebensklug entsteht ein ganz eigenes Rollenportait, eine Prachtsoubrette, genauso wie Beate Kortner als ihre Schwester Ida, die berechtigterweise auch eine Strophe des Champagner-Couplets bekommt. Rok Krajnc, der sonst im Chor engagiert ist, nutzt seine Chance für Jevgenij Taruntsov und gibt einen liebenswert tapsigen Tenor Alfred, der mit sportlicher Figur Rosalinde sehr nahe kommt. Rita Peterl als Orlofsky fühlt sich in den tieferen Lagen der Partie wohler als in der Höhe, spielt sehr souverän und gar nicht fürstlich den halbseidenen Jüngling. Was Josef Forstners Gefängnisdirektor Frank stimmlich nicht ganz bringt, gleicht er durch Präsenz und Sympathie vollends wieder aus. Florian Resetarits Dr. Blind wirkt an diesem Abend vokal etwas angeschlagen. Der hervorragende Chor übernimmt Kleinpartien, wie Statistenaufgaben zu dem üblichen Chorhandwerk mit einer Spielfreude, das es einfach nur eine Pracht ist.
 
Ebenso das Franz-Lehàr-Orchester unter der Leitung von Antonina Kalechyts, die an diesem Abend das Dirigat für Laszlo Gyüker übernommen hatte, eine Leistung die man in ihrem reibungslosen Ablauf und ihrer musikalischen Beschwingtheit unbedingt würdigen muß, denn gerade bei Operette ist das "Timing" für Dirigenten eine äußerst heikle Geschichte, da muß man mit den Sängern die szenischen und musikalischen Pointen setzen, darf nicht zu früh und nicht zu spät in den Dialog preschen. Eine blendende Visitenkarte am Pult. Insgesamt eine sehr kurzweilige "Fledermaus" auf ganz hohem Niveau.
 
Martin Freitag 3.9.16
 
 

 

Operettenseligkeit in Bad Ischl diesmal mit einem weinenden und einem lachenden Auge

DIE FLEDERMAUS

Besuchte Vorstellung am 27. Juli 2016

DIE ROSE VON STAMBUL

besuchte Vorstellung am 28. Juli 2016

Tolle Aufführungen und ein bevorstehender Abschied, der doch schmerzt

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für Bad Ischl und vor allem für das Lehár Festival Bad Ischl. Seit 13 Jahren hat hier der Intendant, Prof. Dr. Michael Lakner das Heft fest in der Hand und eine tolle Spielzeit nach der anderen. Michael Lakner lebt die Operette mit seinem Herzblut, er steckt alles hinein, was er kann und dies ist nicht wenig. Er hat es geschafft in diesen 13 Jahren Bad Ischl zu einem, wenn man es vorsichtig ausdrückt, zweitem Mekka der Operette zu machen. Ich möchte es aber noch anders ausdrücken, für mich ist Bad Ischl das wahre Mekka der Operette, denn in Mörbisch übernehmen die Show, die Lichteffekte und der pompöse Aufwand die Regie – und da ist mir mein anheimelndes Bad Ischl um einiges lieber. Lakner hat Bad Ischl geprägt und es zu einem Vorzeigeoperettenzentrum gemacht. Er zieht nun im Mai nächsten Jahres nach Baden bei Wien und übernimmt die dortige Bühne. Für Baden ein Glücksfall, für Bad Ischl sicherlich ein Rückschritt, den jeder Nachfolger wird es unendlich schwer haben, in die übergroßen Fußstapfen von Michael Lakner zu treten. Interessant ist sicher auch, dass sich Lakner in Baden gegen ganze 61 Mitbewerber, davon 44 nationale und 17 internationale Bewerber durchsetzen konnte. Auch dies spricht sicherlich für die Stellung und den ausgezeichneten Ruf, die er in der Musiklandschaft der Operette und des Musicals besitzt. Ich konnte mit ihm ein paar Worte wechseln, bei denen er mir zu verstehen gab, dass ein kleines Stückerl seines Herzens immer in Bad Ischl sein wird. Er wird auch hier einen Wohnsitz behalten, die komplette Saison 2017 vollständig vorbereiten und natürlich bei den Premieren 2017 als Ehrengast in Bad Ischl weilen. Es bleibt mir nur übrig, ihm für seine Arbeit in Bad Ischl ein ganz herzliches Dankeschön zu sagen und ihm für seine neue Tätigkeit als Intendant in Baden bei Wien alles erdenklich Gute zu wünschen. Dem Stellenwert der Operette in Österreich wird es mit Sicherheit gut tun und Bad Ischl ist von Herzen zu wünschen, einen Nachfolger zu finden, der das weiterführt, was in vielen Jahren durch Prof. Dr. Michael Lakner aufgebaut worden ist. Wie sang Peter Alexander in dem Lied von Peter Kreuder so schön „Sag beim Abschied leise Servus“ – Servus lieber Michael Lakner und auf ein Wiedersehen, ob in Baden, in Bad Ischl oder sonst wo auf der Welt, im Dienste der leichten Muse, die so schwer zu bearbeiten ist.

Die einzige Operette, die Michael Lakner in seiner langen Amtszeit in Bad Ischl zum zweiten Mal aufführt, ist „Die Fledermaus“. Das erste Mal brachte sie Lakner 2007 in Bad Ischl heraus und nun die Neuauflage. Den Inhalt der Fledermaus erzählen zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen, denn die berühmteste Operette kennt wohl jeder Musikliebhaber. Ein bisschen verändert haben das ausgezeichnete Regieteam Michaela Ronzoni und Volker Wahl das Stück. Man verlegt die Handlung in die Zeit vor der Währungsreform, etwa in die 20er Jahre, Eisenstein ist verarmt, gerade wird fast alles was ihm wert und teuer ist gepfändet. Gleichwohl feiert Prinz Orlowsky, der als Drogendealer seinen Reichtum erwirbt, ein rauschendes Fest. Das Stuhlspiel „Reise nach Jerusalem“ ersetzt das Ballett und einiges mehr. Nicht alles ist unbedingt nachvollziehbar, aber man hat die Dialoge entschlackt, das ganze unterhaltsam und für das Publikum nachvollziehbar auf die Bühne gebracht. Und es ist dem Team gelungen, eine spritzige ausgelassene und immer unterhaltsame Operette auf die Beine zu stellen. Das Publikum hat seinen Spaß und die Akteure sind vom Feinsten. Während der Ouvertüre, die von László Gyükér leidenschaftlich und spritzig mit dem Franz-Lehár-Orchester dargeboten wird, zieht die Geschichte der Fledermaus auf der Bühne am Publikum vorbei. Eine ganz tolle Idee, auch wenn sie ein bisschen zu Lasten der spitzig gespielten Ouvertüre geht, da die Ablenkung doch schon sehr groß ist.

Ansonsten hat der Dirigent sein gut aufgelegtes Orchester stets „im Griff“, die wunderbaren Melodien von Johann Strauss Sohn kommen richtig zur Geltung, stimmschonend nimmt er das Orchester bei den Gesangspassagen zurück und sorgt insgesamt für einen runden vollen, ja fast könnte man schon sagen leidenschaftlichen Orchesterklang, sensibel und einfühlsam lässt er seine Musiker in der Musik baden. Dem schließt sich auch der von Gerald Krammer ausgezeichnet eingestellte Chor an, der zum Gelingen der Aufführung wesentlich mit beiträgt. Nina Kemptner, die als laszive Tänzerin Anita Berber aus den 20er Jahren, das Stück begleitet, ist auch für die Choreographie verantwortlich und die liegt bei ihr in den besten Händen. Stefanie Stuhldreier ist für das Bühnenbild und die Kostüme zuständig und sie hat große Arbeit geleistet, auch immer unter dem Vorbehalt der doch recht beschränkten Möglichkeiten der kleinen Bühne in Bad Ischl. Die Meisteroperette wird frisch, aufgeweckt, schmissig, teilweise mitreißend dargeboten, so macht Operette Spaß und man merkt wieder einmal, welche wunderschöne Musik der Schani geschrieben hat.

Und nun zu einer Sparte, die man in dieser Aufführung nicht hoch genug loben kann, den Sängern. Selten habe ich ein so homogenes Ensemble erlebt wie bei dieser „Fledermaus“. Es gibt eine Reihe von Glanzleistungen und es gibt – und das ist nicht immer so – keinen einzigen Ausfall. Doch der Reihe nach. Eine Paradeleistung bringt der slowenische Tenor Matjaz Stopinsek als Gabriel von Eisenstein. Mit strahlender und bombenfester Höhe versehen, nötigt er der Partie Facetten ab, die man so noch gar nicht kannte. Dazu kommt eine Spiellaune, die einfach nur Freude macht, man merkt richtig, wieviel Spaß er an dieser Partie hat, er kostet sie auch weidlich aus und stürmischer Applaus des beeindruckten Publikums sind sein wohlverdienter Lohn. Ihm zur Seite die Operettendiva von Bad Ischl, Regina Riel. In ihrem dritten Jahr in Bad Ischl wird sie immer sicherer, ihr voller weicher und warmer Sopran erblüht immer mehr, vom zarten Piano bis zum feurigen alles übertönendem hat sie die gesamte Palette der Diva drauf. Einer der vielen Höhepunkte ist ihr leidenschaftlich gesungener Csárdás auf dem Fest des Prinz Orlowsky, stimmkräftig, aber dennoch zurückhaltend, jubilierend und zugleich berauschend. Auch vom darstellerischen gibt es keinerlei Einschränkungen, auch harmoniert sie auf das vortrefflichste mit Matjaz Stopsinek, was besonders beim „Uhrenduett“ zum Tragen kommt. Als Gefängnisdirektor Frank brilliert Josef Forstner und immer noch kann er stimmlich voll überzeugen und von darstellerischen hat er mehr Feuer im kleinen Finger wie mancher in der ganzen Hand.

Alice Waginger ist das temperamentvolle, manchmal sogar ein bisschen freche Stubenmädchen Adele, und wie diese kleine zarte Person tiriliert, brilliert, sich in die höchsten Töne schraubt, dabei noch einen Spagat macht, das ist aller Ehren wert. Mit leichtem zartem, aber dennoch durchschlagskräftigem Sopran entzückt die Wiener Koloratursoubrette nicht nur die Gäste auf dem Ball des Prinzen Orlowsky, der von Rita Peterl dargeboten wird. Die Linzer Mezzosopranistin füllt die Hosenrolle rollendeckend aus, agiert manchmal vielleicht noch ein bisschen steif und zurückhaltend, dies wird sich mit Sicherheit aber im Lauf der Zeit ändern. Der liebestolle Alfred wird von Jevgenij Taruntsov, der in Bad Ischl kein Unbekannter ist, mit vollem, kräftigem, für die Rolle vielleicht schon etwas zu schwerem Tenor dargeboten. Mit seiner durchschlagskräftigen Stimme kann er jedoch nicht nur Rosalinde, sondern auch das Publikum beeindrucken. Dr. Falke, der die ganze Rache der Fledermaus eingefädelt hat, wird von dem jungen amerikanischen Bariton Tobias Greenhalgh dargestellt. Er besitzt einen schönen, vollmundigen, warmen und kräftigen Bariton, den er auch im spielerischen selbstbewusst einsetzt.

Oliver Baier gibt erstmals den Frosch. Der österreichische Entertainer und Radio- und Fernsehmoderator legt den Frosch ganz anders an, als man ihn langläufig gewohnt ist. Nicht slibowitzselig, einen Kalauer nach dem anderen, die nicht unbedingt gut sein müssen, abliefernd sondern zurückhaltend, fast intellektuell, geht er als Frosch auf regionale Besonderheiten, wie zum Beispiel die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten ein. Nichtösterreicher tun sich schwer, weil sie die aktuell bezogenen Spitzen nicht oder nur schwer verstehen. Dieser Frosch ist Geschmackssache, dem Publikum jedenfalls hat er exzellent gefallen. Insgesamt eine schmissige, schwungvolle, zu keinem Zeitpunkt langweilige „Fledermaus“ mit außergewöhnlichen Stimmen. Der regionale Fernsehsender von Bad Ischl hat die Premiere aufgezeichnet und ausgestrahlt – hoffen wir, dass es bald eine DVD davon gibt.

Die Fledermaus hat mich schon sehr beeindruckt, ich muss aber sagen, dass ich mich fast noch mehr auf „Die Rose von Stambul“ gefreut habe. Gefreut, weil sie so viele wunderschöne Melodien besitzt, gefreut, weil sie stiefmütterlich behandelt wird und sträflich fast nirgends auf dem Spielplan steht außer jetzt in Bad Ischl und gefreut, weil auch hier eine ganze Reihe von tollen Sängern angekündigt worden waren. Die Geschichte der Operette ist recht einfach und schnell erzählt. Nach türkischer Tradition will Exzellenz Kamek Pascha seine Tochter Kondja Gül mit dem reichen Achmed Bey, dem Sohn eines Ministers verheiraten. Dieser Achmed Bey schreibt aber unter dem Pseudonym André Lery wunderschöne westliche Liebesgeschichten. In diesen André Lery hat sich Kondja unsterblich verliebt und lehnt Achmed Bey als Ehemann ab, nicht wissend, dass er der angeblich westliche Schriftsteller ist. Wie es Brauch ist, muss sie jedoch dem Vater gehorchen und heiratet Achmed Bey, gleichzeitig verweigert sie ihm alle ehelichen Rechte. Achmed Bay gibt sich in der Schweiz, wohin ihm Kondja gefolgt ist, zu erkennen und beide fallen sich liebend in den Arm. Na ja, ein bisschen weit hergeholt, wobei ich ja das Buffopaar noch weggelassen habe, aber alles mit wunderschönen Melodien versehen.

Die Regie und Choreographie liegt in den bewährten Händen von Leonard Prinsloo und er macht seine Sache, bis auf eine einzige Ausnahme, sehr gut. Eine kleine zeitliche Verschiebung, die aber nicht ins Gewicht fällt und eine – Gott sei Dank – konventionelle Behandlung des Stoffes, lassen das orientalische Märchen zu einem Vergnügen für das aufnahmebereite Publikum werden. Gott sei Dank umgeht der Regisseur auch die mögliche, aber vollkommen operettenuntaugliche Möglichkeit, aktuelle Bezüge in das Geschehen einfließen zu lassen. Auch das stimmige Bühnenbild von Su Pitzek, welches den Orient vor den Augen der Besucher entstehen lässt und die bunten, dem Auge schmeichelnden Kostüme von Barbara Häusl wissen zu gefallen. Leidenschaftlich, schwungvoll, alle Feinheiten der Partitur klangvoll herausarbeitend lässt Marius Burkert das Franz-Lehár-Orchester frisch und klangvoll aufspielen. Schwungvoll, sängerdienlich und gerade die unterschiedlichen musikalischen Ströme voll ausschöpfend kann er einen großen Abend mit seinen Musikern verbuchen. Dem schließt sich auch der gut eingestellte Chor des Lehár Festivals Bad Ischl an, sauber und präzise einstudiert von Gerald Krammer.

Kondja Gül wird an diesem Abend erstmalig von der jungen steirischen Sopranistin Sieglinde Feldhofer dargeboten. Mit riesigem Anfangsapplaus versehen, kann sie diesen voll rechtfertigen. Mit silbrig reiner, klarer und alle Feinheiten und Nuancen der Partie auskostender klangvoller Sopranstimme, ist sie auch eine reizend anzuschauende Türkentochter. Ihr Achmed Bey ist Alexandru Badea, der einen hohen, durchschlagskräftigen Tenor besitzt. Im ersten Akt war ich etwas enttäuscht, zu zurückhaltend, nicht auftrumpfend, ja, fast könnte man sagen mit gebremstem Schaum agierte er. Auch waren die Dialoge kaum verständlich. Und welche Wandlung nach der Pause. Man konnte fast annehmen, dass er in diesen paar Minuten in einen Jungbrunnen gefallen wäre. Schmetternd, die höchsten Töne erklimmend, strahlend, leuchtend und feurig gestaltete er den weiteren Abend. Sowohl in seinen Soli, als auch in den Duetten mit Sieglinde Feldhofer wurde Operette auf höchstem Niveau geboten. Und diesem höchsten Niveau schloss sich auch das Buffopaar an. Ilia Vierlinger, die junge Linzer Sopranistin als Midili Hanum, der Freundin Kondja Güls, gelang eine ganz tolle Leistung. Sie kann sowohl mit ihrem klaren, vielseitigen und beweglichem Sopran, als auch mit ihrem ausgezeichneten spielerischen Talent, wobei natürlich auch der über die Bühne gefegter Tanz dazugehört, aufwarten und überzeugen. Ihr kongenialer Partner ist der in Bad Ischl schon öfter aufgetretene Bariton (von der Stimmlage sogar fast schon ein Tenorbuffo) Thomas Zisterer. Er schoss den Vogel als Fridolin ab, indem er seine Auftritte zu kleinen Höhepunkten gestaltete. Sein klangvoller, stimmschöner, ausdrucksstarker, kräftiger, hoher und beweglicher Bariton weiß ebenso zu überzeugen wie sein hervorragendes Spiel. Es war eine Freude, den beiden zuzuhören und auch zuzuschauen.

Der Abend wäre für mich ohne Einschränkungen perfekt gewesen, wäre hier nicht das eigentlich wunderschöne Terzett mit Ilia Vierlinger, Thomas Zisterer und Gerhard Balluch als Müller senior gewesen. Von dem eigentlich reizenden Terzett „Ach, dann will ich einverstanden sein“, verstand man kaum etwas, weil das Publikum vor Lachen tobte, man hatte nämlich ein Zwillingspärchen, er halbnackt, sie mit Schnuller auf die Bühne geschickt. Diese tanzten mit, recht affektiert und hochgradig daneben und das Ganze war mich nicht lustig, sondern im höchsten Maße albern. Dies war aber auch der einzige Wermutstropfen für mich (denn dem sich vor Lachen auf die Schenkel schlagenden Publikum scheint es gefallen zu haben) an diesem ganzen Abend. Eine Operette, die völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und die an diesem heutigen Abend in Bad Ischl eine ganz tolle Wiederentdeckung war mit einer weit überdurchschnittlichen Leistung des ganzen Ensembles. Die Reise nach Bad Ischl hat sich für meine Frau und mich wieder mehr als gelohnt. Und im nächsten Jahr wird „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár und „Saison in Salzburg“ von Fred Raymond sowie „Kaiserin Josefine“ von Emmerich Kálmán auf dem Programm stehen. Alles noch von Michael Lakner vorbereitet und von seinem Nachfolger dem Schauspieler, Autor und Regisseur Thomas Einzinger präsentiert. Lassen wir uns überraschen.

Manfred Drescher 03.08.16  

Bilder www.fotohofer.at

 

 

Die Ungarische Hochzeit

My Fair Lady

Besuchte Vorstellung der „Ungarische Hochzeit“ war die Premiere am 18.07.2015

und „My Fair Lady“ Besuchte Vorstellung am 19.07.2015 – Premiere am 11.07.2015

Landesgartenschau, Kaiserwetter und schmissige Melodien

Wie jedes Jahr zog mich auch diesmal wieder Bad Ischl in seinen Bann. Besonders auch deswegen, weil mit die „Ungarische Hochzeit“ ein mit wunderschönen Melodien versehenes Stück von Nico Dostal auf dem Spielplan stand, welches leider nur sehr selten aufgeführt wird. Die tolle ZDF Aufführung von 1968 im Rahmen des Musikkanals mit Peter Minich, Maria Tiboldi, Ferry Gruber, Monika Dahlberg und Maria Schell ist leider nirgends mehr aufzutreiben und es bleibt nur die Erinnerung. Der umtriebige Intendant Prof. Dr. Michael Lakner, besitzt ein untrügliches Händchen bei der Auswahl seiner Stücke, ein Gespür für den Geschmack des Publikums, welches seines gleichen sucht. Er, der die Seele der Franz Lehár Festspiele ist, hat wieder einmal eine tolle Leistung abgeliefert (auch wenn er vor der Premiere sichtlich nervös war – und dies vollkommen unnötig). Die Landesgartenschau, die zur gleichen Zeit in Bad Ischl stattfindet, bindet die beiden Stücke mit ein und wenn man liest, dass im nächsten Jahr neben der „Fledermaus“ von Johann Strauss Sohn auch die wunderbare, fast nie aufgeführte Operette „Die Rose von Stambul“ von Leo Fall auf dem Programm steht, ist es mir um den Fortgang der Festspiele nicht bange, auch wenn der Intendant zu recht drastischen Mitteln griff, um die Finanzmisere der Festspiele offenkundig zu machen. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, was er alles für „seine“ Festspiele getan hat, aber es hat geholfen und das Spendenaufkommen für dieses Jahr war beachtlich.

 „Die Ungarische Hochzeit“ von Nico Dostal war 1961 und letztmalig 1971 in Bad Ischl zu erleben. 44 Jahre hat es also gedauert, bis diese wunderschöne Operette wieder auf die Bretter in Bad Ischl zurückkam. Und, das kann man gleich vorwegnehmen, sie kam fulminant zurück. Unmittelbar vor der Premiere mussten noch einige Streichungen vorgenommen werden, aber auch so dauerte die Aufführung gut 3 ½ Stunden, die jedoch rasch vergingen – und das trotz der tropischen Hitze, die durch die Klimaanlage im Haus Gott sei Dank sehr gedämpft wurde.

Die etwas verworrene Geschichte ist rasch erzählt. Der lebenslustige Graf Stefan Bárdossy wird von einem Kurier der Kaiserin Maria Theresia darauf aufmerksam gemacht, dass 300 Kolonisten im Dorf Popláka junge Bräute versprochen, aber, so die Beschwerde der Kolonisten, nur alte Hexen angeboten wurden. Graf Stefan soll das klären. Dieser schickt seinen Diener Árpád als Graf mit seinem Onkel nach Popláka, während er inkognito dort hinfährt. Der Stuhlrichter von Popláka, der vom Besuch erfahren hat, will den vermeintlichen Grafen täuschen und führt ihm junge hübsche Mädchen aus der Umgebung und seine Tochter Janka vor. Das Bauernmädchen Etelka verliebt sich in den vermeintlichen Grafen und dieser auch in sie, während Graf Stefan als Sprecher der Kolonisten sich unsterblich in Janka verliebt. Als Janka erfährt, dass der vermeintliche Kolonist in Wahrheit der Schürzenjäger Graf Stefan ist, schiebt sie ihm zur großen Hochzeitszeremonie die Magd Anna unter. Nach der Trauung große Enttäuschung bei Etelka, die dachte zu etwas Höherem geboren zu sein und bei Graf Stefan, der seine geliebte Janka nicht bekommen hatte. Kaiserin Maria Theresia persönlich lässt alle auf ihr Schloss kommen, löst die unter falschen Voraussetzungen zustande gekommenen Ehen, außer der von Árpád und Etelka, die merken, dass sie zusammengehören, auf. Auch die Ehe von Graf Stefan wird aufgelöst – wenn sich eine Frau findet, die ihn zum Mann nimmt. Janka und Stefan fallen sich in die Arme und die Kaiserin gibt ihren Segen.

Der Regisseur und Choreograph Leonard Prinsloo hat viel Spaß an diesem ganzen Ränkespiel und setzt alles recht stimmig in Szene. Showteile wechseln mit traditioneller Operettenseligkeit ab und bieten insgesamt gesehen gute Unterhaltung – und das ist doch heutzutage schon viel. Das Bühnenbild von Su Pitzek ist zweckgebunden, nicht zu aufwendig, gerade in der richtigen Mischung und auch die Kostüme von Barbara Häusl sprechen an. Bunt, manchmal bewusst etwas überzogen, aber schön anzusehen ist das alles allemal. Dem Publikum gefällt es und es spart nicht mit Applaus.

Marius Burkert leitet das Franz Lehár-Orchester und dies mit Feuer und Leidenschaft. Es ist bewundernswert, wie er dieses Orchester, welches gerade einmal 10 Tage für die Proben hatte, zu einem Spitzenorchester führt. Glutvoll und durchschlagskräftig, aber zum Wohle der Sänger auch wieder zurücknehmend und klangsicher begleitend. Eine ganz tolle Leistung von Dirigent und Orchester ebenso zu loben wie der tolle Chor, der von Lázló Gyükér entsprechend einstudiert worden ist.

Die Gesangskrone gebührt einwandfrei den Damen. Und hier an erster Stelle der zauberhaften Regina Riel als Janka. Die niederösterreichische Sopranistin hat mit Sicherheit eine große Karriere als Operettenprimadonna vor sich. Spitzentöne, zart gesetzt, leise ausflirrend, lassen die Zuhörer die Luft anhalten. Ein strahlend leuchtender Sopran, der alle Nuancen der Rolle bis ins Kleinste erfüllen kann, verbunden mit einem lebendigen und überzeugenden Spiel, setzt hier die Krone der heutigen Vorstellung auf. Selbst das etwas eigenartige Kleidchen, was man ihr verpasst hatte, konnte auch nur einen Hauch daran ändern. Bad Ischl hat nach der bereits exzellenten Darstellung der Angele Didier im „Graf von Luxemburg“ im letzten Jahr, wo sie bereits ihr großes Potential mehr als andeuten konnte, wieder einen strahlenden Operettenstern. Graf Stefan ist Jevgenij Taruntsov und hier bin ich etwas im Widerstreit mit mir. Der in Bad Ischl wohlbekannte und beliebte Tenor hat eine strahlende metallische Höhe, jedoch war an diesem Abend einiges etwas blass, nicht durchschlagskräftig genug, mitunter sehr zurückhaltend, mit gebremstem Schaum. Erst zum dritten Akt hin gelangte er wieder zu seiner alten Leichtigkeit und die Stimme strahlte wie gewohnt mit einem wunderschönen „Märchentraum der Liebe“. Vielleicht eine leichte Indisposition und der Versuch, die Stimme ein kleines bisschen zu schonen. Ich hoffe, dass er auf der CD-Aufnahme, die dankenswerterweise wieder ansteht, zur alten gewohnten Frische und Strahlkraft zurückfindet. Als Árpàd, dem Diener des Grafen kann Thomas Zisterer erneut voll überzeugen. Als seine Partnerin steht in diesem Jahr erstmals Anna-Sophie Kostal auf der Bad Ischler Bühne und sie ist eine große Bereicherung. Beide können beim Publikum sowohl von der gesanglichen als auch der tänzerischen Seite punkten, dazu gesellt sich ein ausgezeichnetes schauspielerisches Potential. Thomas Zisterer setzt seinen eleganten, durchschlagenden und kräftigen Tenorbariton ein (von Hause aus Bariton, ist er hier auch mit tenoralen Tönen dabei) und Anna-Sophie Kostal kann als Etelka einen klangschönen quirligen leuchtenden Sopran beisteuern. Ich bin mir sicher, dass dieser Auftritt in Bad Ischl nicht ihr letzter gewesen sein dürfte.

Tomaz Kovacic überzeugt als verschlagener Stuhlrichter voll, eine schöne warme Stimme und eine komödiantische Ausstrahlung bei ihm. Als seine Frau Rusina begeistert Rita Peterl mit ausgewogenem feinem Spiel die Zuschauer, die in der Premierenfeier ganz überrascht sind, wie jung diese Darstellerin noch ist. Die ältere keifende Ehefrau hat sie jedenfalls gekonnt hingelegt. Gerhard Balluch in seiner vornehmen zurückhaltenden Art kann als Edler von Pötök, dem Onkel Graf Stefans überzeugen und einen weiteren Mosaikstein in seine Bad Ischler Auftritte setzen. Wolfgang Gerold als Freund des Grafen und Matthias Schuppli als Kurier der Kaiserin sowie Dorli Buchinger als Schenkwirtin, Giuseppe Preims als Grossknecht, Christoph Ungerböck als Magd und Daniel Alejandro Cobos Ortiz als Hirt vervollständigen ohne Fehl und Tadel das Ensemble. Ja und als Kaiserin Maria Theresia hat Dolores Schmidinger ihren großen Auftritt. Ja – und auch hier bin ich wieder etwas geteilter Meinung. Einerseits spielt der Ischler Theaterliebling in schrillem Kostüm und Maske etwas sehr überzogen, eine Parodie der Parodie  und dann kommt für mich dazu, dass ich von ihrem wienerischen Nuscheln auch rein gar nichts verstehe. Rein akustisch erschließt sich mir die Rolle also überhaupt nicht. Aber da stehe ich sicher alleine da, großer tosender Applaus auch für sie. Am Ende ein zufriedenes, wenn auch etwas geschafftes und ermüdetes Publikum, denn 3 ½ Stunden ist schon eine Grenze, die man in der Operette nicht so oft überschreiten sollte. Insgesamt gesehen eine gelungene Premiere mit viel Beifall und viel Zustimmung. Und das ist es doch, was die Operette ausmacht, sein Publikum für Stunden zu verzaubern. In Bad Ischl ist dies glänzend gelungen.

,Am nächsten Tag mit „My Fair Lady“  

die zweite Aufführung, die ich mir in Bad Ischl anschaue und auch hier habe ich wieder mit meinen Vorurteilen zu kämpfen. Die Leser wissen inzwischen längst, dass ich kein großer Musicalfreund bin, aber auch hier hat mich Bad Ischl wieder mehr als überzeugt. „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh´n“ singt Eliza Doolittle und vor dem Kongress & TheaterHaus Bad Ischl blühen die Blumen der Landesgartenschau in allen möglichen Farben. Dies ist doch schon einmal ein recht glücklicher Einstieg und auch sonst hat Intendant Michale Lakner erneut viel Glück. Glück mit dem Ensemble, mit dem Orchester, dem Dirigenten usw. Doch alles der Reihe nach.

Der Inhalt von „My Fair Lady“ im Schnellverfahren: Ein arroganter, selbstverliebter Professor, natürlich Junggeselle, wettet mit Oberst Pickering, dass es ihm als Sprachwissenschaftler gelingt, ein Mädchen aus der Gosse, mit praktisch keinem Benehmen und einer vulgären Kauderwelschsprache, so auszubilden, dass sie auf einer Einladung in höchste Kreise als „Prinzessin“ bestehen kann. Und tatsächlich, das einfache Blumenmädchen Eliza wird von ihm so gedrillt, dass sie alles schafft. Statt sie danach in höchsten Tönen zu loben, lobt er nur sich und seine tolle Leistung, zusammen mit Oberst Pickering. Eliza will von ihm fort, zutiefst gekränkt, aber er hat sich „so gewöhnt an ihr Gesicht“ - und Eliza kehrt zu ihm zurück. Ob sie ein Liebespaar werden, ob sie ihn wieder verlässt, dass lässt das Musical und auch die heutige Inszenierung offen. Um diese Hauptfiguren gibt es mit dem Vater von Eliza, einem philosophischen Müllkutscher und dem unglücklich in sie verliebten Freddy sowie der Haushälterin Mrs. Pearce und Mrs. Higgens weitere Figuren, die zum Erfolg beitragen.

Die Regie von Isabella Gregor, das Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf sowie die teilweise schönen Kostüme von Alexia Redl sind eigentlich herrlich konventionell, auch wenn die Handlung in das Salzkammergut verlegt wird. Der Bordsteinpflanze Eliza hat man leider ein recht unvorteilhaftes Gewand beschert mit Topfhut. Der Migrationshintergrund der Eliza kommt kaum zum Tragen, der Bezug zur EU ist nur ganz leicht angedeutet. Die Choreographie von Mandy Garbrecht kommt dem allen entgegen. Die Aufführung jedenfalls liegt ganz nahe beim Stück – und das ist auch gut so.

Das Franz-Lehár-Orchester wird an diesem Tag von Lázló Gyükér geleitet, der auch den ausgezeichneten Chor, der viel zum Gelingen des Abends beitrug, einstudiert hat und er macht seine Sache ausgezeichnet. Das Orchester selbst brilliert und das ist für eine so kurze Probenzeit schon sehr außergewöhnlich. Hier ist ein richtiges homogenes Ensemble zusammengewachsen, welches leicht und locker, aber auch feurig und gewaltig auftrumpfen kann. Schmissig und einfühlsam gehen die Melodien in das Ohr und auch die Füße der äußerst angetanen Zuhörer.

Als Eliza Doolittle erntet Theresa Grabner großen und verdienten Beifall. Darstellerisch hat sie keinerlei Probleme, gesanglich kann sie ihren schönen leuchtenden und hohen Sopran nicht so ganz in die Rolle einbringen und das ist etwas schade. Zu sehr ist sie etwas in der Sprachbarriere gefangen. Sie singt sich den Abend über jedoch frei und gibt eine überdurchschnittlich gute Darstellung der Eliza Doolittle. Als ihr Vater brilliert Gerhard Ernst als Müllkutscher. Wenn er auftritt vereinnahmt er die Bühne mit Haut und Haar. Schauspielerisch kraftvoll und beweglich, gesanglich den Part bis ins Letzte ausfüllend, gibt er eine Paradepartie ab und erntet dafür zu recht großen und verdienten Beifall. Martin Berger ist ein exzellenter Prof. Henry Higgins, der vor allem die leisen Töne seiner Rolle gut zum Vorschein bringen kann. Auch stimmlich weiß er vollstens zu überzeugen, tänzerisch ist er leidenschaftlich und insgesamt auf jeden Fall ein Aktivposten, ebenso wie Matthias Schuppli als Oberst Pickering. Er lockt wesentlich mehr aus seiner Rolle heraus, als dies normalerweise üblich ist, er ist ein exzellenter Gegenpart zu Prof. Higgins und nicht nur sein Abklatsch. Florian Resetarits kann in seiner Rolle als verliebter Freddy baritonal voll überzeugen, auch bringt er gekonnt diesen etwas schüchtern-zurückhaltenden Typ, der sich dadurch viel verscherzt, auf die Bühne. Als Hausdame Mrs. Pearce ist Uschi Plautz eine resolute, aber gleichzeitig auch mütterliche Figur. Einen kleinen Höhepunkt gibt es beim Auftritt von Mrs. Higgens, der Mutter des Professors. Diese Rolle, die man sonst teilweise gar nicht so richtig wahrnimmt, wird durch die Gestaltung von Kammersängerin Renate Holm geradezu geadelt. Da ist es auch gerechtfertigt, dass sie mit der Liedeinlage „Du hast getanzt heut Nacht“ eine weltweite Premiere hinlegt. Ihre, fast möchte man sagen, ewig junge Stimme, ihr Charme, der aus jeder ihrer Bewegungen ersichtlich wird, bringen ihr tosenden Beifall. Sie macht der „My Fair Lady“ und sie macht Bad Ischl alle Ehre. Bravo Renate Holm. Im weiteren umfangreichen Ensemble des Musicals gibt es keinerlei Ausfälle, alle machen ihre Sache ausgezeichnet. In einem anderen Zusammenhang habe ich einmal geschrieben: „So ist das Musical eine (fast) ebenbürtige Freundin der Mutter Operette.“ Und dem habe ich heute nichts hinzuzufügen.

Bad Ischl und sein Lehár Festival war auch in diesem Jahr wieder eine Reise wert – und mehr als das. Ich freue mich auf nächstes Jahr – und hier vor allem auf „Die Fledermaus“ von Johann Strauss (dessen Nachfahre Dr. Eduard Strauss mit seiner Gattin auch in den beiden von mir rezensierten Aufführungen saß) und dann natürlich auf die herrliche Operette „Die Rose von Stambul“. Auf Wiedersehen Bad Ischl.

Manfred Drescher 22.07.15  

Bilder www.fotohofer.at

 

 

 

 

Bad Ischl tanzt in der Kaiserwoche Walzer am Eifelturm

DER GRAF VON LUXEMBURG

DIE KAISERIN  –  GIGI

Besuchte Vorstellungen 14.08.2014, 16.08.2014 und 17.08.2014

Premieren 12.07.2014, 15.08.2014 und 19.07.2014

Kaiserwochen, Pariser Flair und Intendantenpremiere – alles wird geboten 

In diesem Jahr fuhr ich mit besonderen Erwartungen nach Bad Ischl. Einmal zum „Graf von Luxemburg“, aber den hatte ich ja schon sehr oft gesehen, dann natürlich zur szenischen Vorstellung von „Die Kaiserin“, wo ich von einer uralten Schallplatte das Lied „Du mein Schönbrunn“ kannte – und das war es dann auch schon und zum dritten natürlich zu „Gigi“, die mich als Musical zwar nicht sonderlich reizte, aber dadurch, dass der vielbeschäftigte Intendant Prof. Dr. Michael Lakner, der die Seele der Franz Lehár Festspiele ist, die Regie übernommen hatte, einen ganz besonderen Stellenwert besaß. Und das alles in der Kaiserwoche, wo fast ganz Bad Ischl auf den Beinen zu sein schien.

„DER GRAF VON LUXEMBURG“, schon einige Male in Bad Ischl zur Aufführung gekommen, begeistert auch diesmal wieder sein Publikum. Und das vor allem deswegen, weil an der doch recht einfach gestrickten Geschichte nicht zu viel heruminzeniert worden ist. Dem Regisseur Wolfgang Dorsch merkt man den Spaß an, dieses Verwirrspiel in Szene zu setzen. Gradlinig und voller Elan geht er zu Werke. Der Eifelturm strahlt über Paris, alles blinkt und glitzert, bunt, mitunter sogar leicht übertrieben, kommt das ganze Spektakel auf die Bühne, auf jeden Fall äußerst unterhaltsam. Für das bunte abwechslungsreiche Bühnenbild und die zuweilen schrillen, aber immer stimmigen Kostüme zeichnet Bernhard Niechotz verantwortlich – und das ganze macht dem Publikum Freude und unterhält es auf der ganzen Linie. 

Die Geschichte ist schnell erzählt. Der alternde Fürst Basil Basilowitsch will die schöne und junge Sängerin Angéle Didier heiraten – doch diese ist nicht standesgemäß. Also inszeniert er eine Hochzeit mit dem lebenslustigen verschwenderischen René Graf von Luxemburg. Beide sehen sich nicht, die Hochzeit wird hinter einem Paravent vollzogen. Nach der Scheidung, die nach wenigen Wochen erfolgen soll, kann dann der Fürst seine nunmehr geschiedene Gräfin zur Frau nehmen. Soweit die Theorie. In der Praxis kommt natürlich alles ganz anders, René verliebt sich in Angele, ohne zu wissen, dass diese schon seine Frau ist, alles kommt zum guten Ende und der ausgeschmierte Fürst Basil muss mit der Gräfin Kokozowa zufrieden sein, die ihn schon lange in Liebe verfolgt. Daneben tritt noch das unvermeidliche Buffopaar auf, der Freund Renés, der Maler Brissard mit seiner Freundin Juliette. Dies alles kann nur beim Publikum gewinnen, wenn auch die entsprechenden Sänger und Singschauspieler zur Verfügung stehen. Und hier ist auch bei der Auswahl der Protagonisten ein gutes Händchen zu verspüren.

Reinhard Alessandri singt den lebenslustigen Grafen von Luxemburg und er tut dies mit umwerfendem strahlendem Tenor. Immer präsent, mit vollem rundem Ton, der alles überstrahlt. Ich hatte Herrn Alessandri von seinem letzten Auftritt in Bad Ischl in „Eva“ in nicht so guter Erinnerung. In den letzten Jahren hat er sich – meiner Meinung nach – stimmlich enorm verbessert und gibt einen überaus überzeugenden Lebemann. Ihm zur Seite nicht – wie gedacht – die Hausdiva von Bad Ischl sondern mit Regina Riel eine neue junge Operettensängerin, die mit Feuer und stimmlicher Durchschlagskraft aufwarten kann. Darstellerisch noch etwas zurückhaltend, gelingt ihr dennoch ein vielumjubelter Bad Ischl Debüteinstieg. Miriam Portmann brilliert als Gräfin Stasa Kokozowa. Sie füllt diese doch mehr komische Rolle mit Feuer und Leidenschaft aus und zeigt, dass sie auch heute immer noch ohne die geringsten Probleme eine ausgezeichnete Angelé Didier gewesen wäre. Leider wird ihre furiose Leistung durch das Drumherum bei ihrem Auftritt etwas geschmälert. Was hier um sie herum passierte (heulende und kreischende Hotelboys usw) war kein Humor, sondern für mich reiner Klamauk. Sehr schade, hat man dadurch doch ihren überaus starken Auftritt reichlich verwässert. Nun denn, dem Publikum gefiel es, dass man dem Pferd hier etwas zu viel Zucker gegeben hat und vielleicht habe ich auch eine etwas andere Art des Humors. Jedenfalls ein ganz starker Auftritt der Hausdiva von Bad Ischl, Miriam Portmann. Eine ganz tolle Leistung bot auch Josef Forstner als Basil Basilowitsch. Von kleiner, fast unscheinbarer Gestalt konnte er der Partie des liebestollen Fürsten entsprechendes Leben einhauchen und bot auch stimmlich eine exzellente Leistung. Sein schöner, mitunter etwas rauer Bariton weiß auf jeden Fall zu gefallen und er macht auch die Tragik, die in der ganzen Figur des liebestollen Fürsten steckt sichtbar. 

Als Armand Brissard, dem Freund Renés, steht Thomas Zisterer auf der Bühne und als seine Freundin Juliette Vermont ist Christine Holzwarth zu sehen und zu hören. Beide machen ihre Sache sehr gut, sowohl vom gesanglichen, als auch vom tänzerischen und darstellerischen. Thomas Zisterer überzeugt mit seinem kräftigen, durchschlagenden und auch verständlichem Tenorbariton, wobei Christine Holzwarth noch ein kleines bisschen zu zurückhaltend singt, anders ausgedrückt, manchmal ist sie nur etwas schwer zu verstehen. Die übrigen Beteiligten, deren Rollen entweder aufgewertet bzw. auch neu hinzugefügt wurden, machten ihre Sache ohne Fehl und Tadel, erwähnenswert Tomaz Kovacic als Doppelagent Pawel von Pawlowiztsch und Wolfgang Gerold als Agent Marchand. Entsprechenden Anteil hat auch die Choreographie von Mandy Garbrechts. Chor und Ballett, einstudiert von Georg Smola überzeugen ebenfalls, wie fast immer in Bad Ischl. Das exzellent spielende Franz Lehár-Orchester wird von Marius Burkert mit zielstrebiger und sicherer Hand über alle Klippen geleitet und trägt erheblich zum vielumjubelten Erfolg des Abends bei.

„DIE KAISERIN“ ist die diesjährige halbzenische Aufführung in Bad Ischl – und man hat hier ebenfalls wieder ein äußerst gutes Händchen bewiesen. Komponiert vom völlig zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Musiker Leo Fall, der so wunderschöne Werke wie „Der Fidele Bauer“ (2010 in Bad Ischl in einer hervorragenden Aufführung dargeboten und eindrucksvoll auf CD gebannt), „Die Dollarprinzessin“, „Der liebe Augustin“ oder vor allem auch „Die Rose von Stanbul“ und „Madame Pompadour“ geschrieben hat. Gerade die beiden letzten Operetten würde ich sehr gerne einmal in Bad Ischl sehen und hören und man könnte damit auch die Tradition fortführen, auch den dritten Komponisten, der in Bad Ischl residierte, neben Franz Lehár und Oscar Straus, entsprechend zu würdigen. Im Berliner Metropoltheater erblickte „Die Kaiserin“ 1915 das Licht der Musikwelt und obwohl mit tollen Musikeinfällen bedacht, fand in den letzten 60 Jahren keine mir bekannte Aufführung dieser Operette im deutschsprachigen Raum mehr statt. Umso mehr ist - wieder einmal - der Mut zu bewundern, dieses Stück in Bad Ischl auf den Spielplan zu setzen und der überschwängliche Beifall am Ende der leider nur zwei Aufführungen geben dieser Entscheidung im Nachhinein eindeutig recht. Die Firma CPO, die sich für die Operette schon einige Orden verdient hat, vor allem auch für die hervorragende Darstellungen der Bad Ischler Operette, hat diese Aufführung mitgeschnitten und so wird man bald die klingende Erinnerung an einen einmaligen und eindrucksvollen Abend und Nachmittag in Händen halten können. 

Die Operette dreht sich um die Kaiserin, nicht um die allgegenwärtige Sissy, sondern um Maria Theresia und deren Heirat, die eindeutig eine Liebesheirat war, mit Franz Stephan von Lothringen im Jahr 1736. Diese Liebe, das Hineinwachsen der Maria Theresia in die Schuhe der Landesmutter, der Kaiserin, die sie voll ausfüllt, steht im Vordergrund der Handlung. Ebenso die ganz normalen Eifersüchteleien, wie in jeder normalen Ehe vorkommen und das wieder zueinanderfinden, ist grob ausgedrückt der Inhalt dieser zauberhaften Operette. Leo Fall selbst bezeichnete seine kaiserliche Musiktat als lustiges und heiteres Spiel aus dem Rokoko. Und so wird es auch auf der Bühne in Bad Ischl dargeboten.

Mit der Bühnenkonzeption, der Sprechtexterfassung und der Dialogregie ist Leonard Prinsloo betraut und er macht mit wenig Aufwand Optimales. Eine Perücke hier, ein Rokoko-Gewand dort reicht aus, um den Eindruck der damaligen Zeit mit geringem Aufwand auf die Bühne zu stellen. Die drei Stunden der Aufführung gehen wie im Flug vorbei und man hat nicht den Eindruck einer „nur“ halbszenischen Aufführung beizuwohnen. Man merkt auch eindrucksvoll, dass das Franz Lehár-Orchester, welches eigentlich immer am Limit spielt, bei dieser Aufführung noch eine Schippe drauflegt und man merkt den Musikern, die auf der Bühne auch einmal sichtbar aufgestellt sind, die Lust und die Freude an dieser Aufführung an und Marius Burkert bringt seinen Anteil als Dirigent eindrucksvoll ein. Fast mühelos umschifft er alle Unwegsamkeiten und führt das Orchester über alle Hürden hinweg. Von beiden, Orchester und Dirigent, eine eindrucksvolle Leistung. Das der ausgezeichnete Chor wieder exzellent von Georg Smola einstudiert wurde, braucht man wohl kaum zu erwähnen. Ja und diese Leistung wird auch von den Sängern nahtlos umgesetzt und macht die Aufführung zu einem Höhepunkt der diesjährigen Aufführungsserie und lässt die Hoffnung auf eine baldige Veröffentlichung auf CD sehr groß werden. 

Gesungen – wie bereits erwähnt – wird prächtig. Und hier ist an erster Stelle wieder die Bad Ischler Diva Miriam Portmann zu nennen. Sie zelebriert die Kaiserin in all ihren Facetten und macht den Wandel des jungen Mädchens bis hin zur gefeierten Landesmutter glaubhaft, sowohl von ihrem Spiel als auch besonders von ihrem gesanglichen Können. Ihr Sopran ist weich, leuchtend und warm, vermag sich in hohe Gefilde aufzuschwingen und auch – wenn es erforderlich ist - leise zu gurren. Ihre Paradearie von „Du mein Schönbrunn“ muss sie nach tosendem Beifall wiederholen und auch hier wandelt sie wieder ab und gestaltet fast eine wiederum vollkommen „neue Arie“. Sie ist Dreh- und Angelpunkt der Aufführung und wird zu Recht frenetisch gefeiert. Als ihr Gemahl steht ihr Jevgenij Taruntsov mit leuchtendem strahlendem Tenor zur Seite, ihre gemeinsamen Duette werden mit zum Höhepunkt der Aufführung. Er stellt auch optisch einen blendenden Franz dar und hat nur gelegentlich ganz kleine Probleme beim stimmlichen Wechsel. Prinzessin Adelgunde, genannt Bichette wird von der diesjährigen Gigi Verena Barth-Jurca verkörpert und auch sie macht ihre Sache blendend. Ihr weicher zarter Sopran, der beweglich anspringt und auch genügend Koketterie versprüht, ist zwar nicht so durchschlagskräftig, wie der von Miriam Portmann, kann aber in allen Bereichen voll überzeugen. Überzeugen vor allem auch in den gemeinsamen Auftritten mit Clemens Kerschbaumer als Graf Pepi Cobenzl. Er besitzt einen vollen, weichen, aber auch mit genügend Strahlkraft versehenen Tenor, ihn möchte man gerne in größeren Rollen sehen, stimmlich ist er dem Buffofach längst enteilt. Beide zusammen sind ein ideales Paar, sowohl vom spielerischen und tänzerischen, als auch natürlich vom stimmlichen Vermögen her, hier sind sie fast schon „überbesetzt“. Schauspielerisch ebenfalls eine tolle Besetzung sind Gabriele Kridl als intrigierende Gräfin Fuchs und Gerhard Balluch als alle Fäden in der Hand haltende Graf Kaunitz. Die drei „Heiratskandidaten“ des Hofes werden von Christoph Ungerböck als Gesandter in Gelb, Severin Prassl als Gesandter in Rot und Claudiu Sola als Gesandter in Grün rollendeckend verkörpert. Besondere Erwähnung sollen auch noch die zwei Kinder der Kaiserin erhalten, Fiona Zopf als Erzherzogin Anne Maria und Hannah Tischler als Erzherzogin Maria Christina, die ihr Ständchen an die Mama mit reinen klaren und zarten Stimmchen ohne jegliches Lampenfieber über die Rampe bringen. In weiteren Rollen sind auch noch zu erleben Tomaz Kovacic als Graf Khevenhüller, Florian Resetarits als Fritz von der Heide, Wolfgang Herold als Dr. van Swieten, Guiseppe Preims als Hofrat Crusius und Karl Herbst als Kammerheizer Kleespitz. Sie fügen sich nahtlos in das Geschehen ein und vervollständigen das insgesamt ausgezeichnete Ensemble. Langanhaltender Applaus zeigt, dass die diesjährige Wahl wieder einmal eine richtige war und man wartet nun auf die Aufnahme der CPO um dieses Ereignis daheim immer wieder einmal zurückzuholen. 

„GIGI“ war die letzte Aufführung, die ich mir in Bad Ischl anschaute und sie war auch die, bei der ich mit den meisten Vorurteilen zu kämpfen hatte. Dass ich kein sehr großer Musicalfreund bin, habe ich ja schon mehrfach kundgetan, aber diesmal kam etwas dazu.

 Der umtriebige, vielseitige und äußerst erfolgreiche Intendant der Franz Lehár-Festspiele, Michael Lakner, hatte zum ersten Mal im Regiestuhl Platz genommen und da ist natürlich größte Aufmerksamkeit vorprogrammiert. Er selbst führt im Programmheft aus, dass ihn bei der Inszenierung die Direktheit, die Unverstelltheit und die ohne Scheu zur Schau getragene Naivität, kurzum die herzerfrischende Natürlichkeit der Gigi besonders gereizt habe. Und diese Inszenierung ist ihm, fast ist man versucht zu sagen, wie eigentlich alles was er anpackt, rundherum gelungen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass dies nicht die letzte Regiearbeit des Erfolgsintendanten sein dürfte. Er lässt „Gigi“ als ein prächtiges, farbiges Bild ablaufen, schwelgt in träumerischer Nostalgie und alles ist – im positiven Sinne – konventionell. Das Bühnenbild von Katharina Sautner und die Kostüme von Michaela Mayer-Michnay passen sich nahtlos ein, ein Fest für die Sinne, das Publikum bekommt immer etwas zu sehen und zu staunen, man fühlt sich in das Paris des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts hineinversetzt. Dass der Chor von Georg Smola eindrucksvoll einstudiert ist und sein Bestes gibt, kann man erneut feststellen, ebenso wie die Choreographie von Leonard Prinsloo voll aufgeht. Lázló Gyükér dirigiert das Franz Lehár-Orchester, er führt es sicher, leidenschaftlich und er nimmt es dort, wo die Sänger oder auch Singschauspieler in Gefahr geraten übertönt zu werden, behutsam zurück. 

Zum Inhalt braucht es nicht vieler Worte. Die junge naive aber nicht dumme Gigi, die sich ihre Natürlichkeit bewahrt hat, welches ihr größter Pluspunkt ist, wird von ihrer Großtante und ihrer Großmutter behütet aufgezogen und man versucht, sie für die „große Welt“ bereit zu machen. In dieser tummeln sich zwei Lebemänner, der alternde Honoré (in der deutschen Premiere eine Paraderolle von Juppi Heesters) und der junge Heißsporn und in den Tag hinein lebender Gaston, sein Neffe. Gaston, der Gigi ursprünglich als kleines unschuldiges Mädchen betrachtet, bei der er von seinen amourösen Ausflügen verschnaufen und sich erholen kann, muss erkennen, dass Gigi langsam zur Frau gereift ist, er verliebt sich in sie und am Ende, nach einigen Verwicklungen heiraten die beiden.

 Ja – und nun zu den Sängern, von denen einige sicherlich überraschten. Da ist zum einen die Hauptperson, die quirlige Gigi, die von Verena Barth-Jurca rollendeckend auf die Bretter gebracht wird. Ihr schöner silbriger Sopran, der klein aber fein ihr Publikum findet und vor allem ihr ungekünsteltes frisches und quicklebendiges Spiel lässt sie beim Publikum viele Pluspunkte sammeln. Diese Gigi lässt ahnen, warum sich der Lebemann Gaston in sie verliebt. Dieser Gaston wird von Benjamin Plautz dargestellt. Und er ist für mich eindeutig eine Überraschung, weil er nicht nur gut spielt sondern auch (für einen Musicaldarsteller) relativ gut singt. Er gibt seine Rolle sehr temperamentvoll und wirft sich voller Energie in seine Rolle. Die Maurice Chevalier und Juppi Heesters-Rolle des alternden Playboys Honoré Lachailles wird von Kurt Schreibmayer mit all seiner langjährigen Operettenerfahrung dargeboten. Und er tut dies ausgezeichnet. Er bringt seine Ohrwürmer („Dem Himmel sei Dank dafür“ und „Ich bin Gott sei Dank nicht mehr jung“) mit der ganzen Altersweisheit eines erfahrenen Theatergauls auf die Bühne (und dies ist ausschließlich positiv gemeint). Marianne Nentwich überzeugt eindrucksvoll und mit großer spielerischer Freude als Tante Alice und Helga Papouschek, die geliebte Soubrette meiner Jugend, überzeugt voll als Großmutter Inez Alvarez, genannt Mamita. Ihr Duett mit Kurt Schreibmayer (der im wirklichen Leben ja seit über 30 Jahren ihr Ehemann ist) „Ich erinnere mich gut“ wird zu einem kleinen Paradestück der beiden Vollblutsänger und -komödianten. Wenn auch der Sprechgesang vielfach vorherrscht, gibt es in „Gigi“ Momente, die auch gesanglich positiv vermerkt werden müssen. Was sagt meine Frau, als wir die Aufführung verlassen: „Da ist aber viel von „My Fair Lady“ drin.“ Und so ist es. Freuen wir uns auf nächstes Jahr in Bad Ischl, wenn neben der wunderschönen und selten gespielten Dostaloperette „Die ungarische Hochzeit“ auch „My Fair Lady“ auf dem Spielplan steht. Ich bin in Bad Ischl zwar nicht zum Musicalliebhaber geworden, aber ich kann ihm inzwischen viel mehr abgewinnen, als vor Bad Ischl. Bad Ischl war in den zurückliegenden Tagen wieder eindeutig ein Gewinn. Für mich, aber auch für das Publikum, welches hoffentlich bald noch zahlreicher den Weg in die Operettenmetropole finden wird. Belohnt wird das Kommen allemal. 

Manfred Drescher 26.08.14                                  Bilder www.fotohofer.at

          

 

 

DIE KAISERIN

Besuchte Premiere am 15.08.14

Triumph für  "Die Kaiserin"

Wenn man Bilder aus den goldenen Zeiten Bad Ischls betrachtet, so sieht man oft die drei wichtigsten Operettenkomponisten-Sommerfrischler nebeneinander: Natürlich Franz Lehár, dann Oscar Straus und einen dritten etwas rundlichen Herrn mit Zwicker, es ist Leo Fall, der vergessene. Zwar finden sich nach dem Dritten Reich seine damals verbotenen Werke wieder auf den Spielplänen, mal eine "Madame Pompadour", seltener eine "Dollarprinzessin", doch sie bleiben eher exotische Ausnahmen des sowieso schon spärlichen Operettenrepertoires. Dabei ist Falls Musik ungemein graziös und beschwingt, sprudelt förmlich über vor melodiöser Schätze. Wo andere sich um die Modetänze der Zeit bemühen, reichen Fall die alten Formen von Polka, Marsch und vor allem Walzer, Walzer und Walzer, in deren Erfindung er wahrlich begnadet scheint, dazu noch ein guter Schuss Kabarett für die Nähe zu Offenbach.


"Die Kaiserin" wurde im Jahre 1915 am Metropoltheater in Berlin uraufgeführt, die Titelpartie für DIE Diva ihrer Zeit kreiert: Fritzi Massary. Nicht wirklich schön, nicht wirklich gesanglich toll, doch eine Darstellerin vor dem Herrn, in jeder Fingerspitze mehr Theaterblut als jedes Opernhaus, eigentlich Soubrette doch übernahm sie alle Fächer auf einmal, ein Idol ihrer Zeit. Für sie also eine Operette um Maria Theresia, im ersten Teil der Kampf um die Liebe des Franz von Lothringen, im zweiten der Kampf gegen den Machtanspruch ihrer Stellung gegen ihre eigene Eifersucht, um ihr privates Glück mit ebendem "Franzl". Das Werk streift alle oben genannten Kriterien einer Fall-Operette, begibt sich in die Nähe von Oper und Kitsch, und doch findet sich jede Nummer gelungen, bringt zum Lachen oder rührt an, ist inspiriert. Da klimpert der kleine Wolfgang Amadeè zum Geburtstag aus dem Nebenzimmer Cembalo, die kindlichen Prinzessinnen singen einen volksliedhaften Walzer als Ständchen, Fiana Zopf und Hannah Tischler machen das allerliebst nit ihren klaren Stimmen, der von Frau Mama wiederholt eine schöne dramaturgische Bedeutung erhält. Das Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald ist sehr gekonnt gearbeitet, die Sprechpointen wissen immer noch zu zünden. Ganz entzückend und überraschend der feine, intime Schluss des Ganzen.


In Bad Ischl nun zweimal halbszenisch aufgeführt mit sämtlichen Dialogen, um für die Firma CPO mitgeschnitten und auf Tonträger herausgegeben zu werden. Leonard Prinsloo hat die Bühnenkonzeption und Dialogregie effektvoll gestaltet, mit wenig Kostümen ist eine vollwertige Aufführung entstanden, die nichts vermissen läßt. Marius Burkert hat mit den Musikern des Franz-Lehár-Orchesters sorgfältig gearbeitet und läßt musikalisch alles wunderbar erklingen. Ebenso wie Georg Smola jeden Abend des gesamten Festivals den Chor musikalisch eingeschworen hat. Die Chorsolisten werden immer wieder typengerecht in den kleinen Partien eingesetzt, gerade dieses Jahr hat man das Gefühl, daß jeder einmal zum Zug kommt.


Miriam Portmann hatte am Abend zuvor noch in der ollen Porzellantantenrolle die Bühne zum Beben gebracht, jetzt brilliert sie in der Titelpartie. Im ersten Akt noch die junge Prinzessin, die als "resche Resi" im Wiener Wäschermädelkostüme bei der Redoute die Gesandten für die ungewollten Freier verprellt, dann die Kaiserin, die zwischen imperialer Gebärde und komisch gespielter Eifersucht alle Facetten sprengt. Die Dialoge geraten natürlich und witzig, musikalisch bleibt kein Wunsch offen, die Stimme sitzt in jeder Lage, die Übergänge sind perfekt, die Höhe klingt fruchtig und voll. Zum Triumph wird die liedhaft, ariose Ode an das Schloss Schönbrunn, darauf langer, verdienter Applaus und ein Da Capo in noch besserem Piano als es vorher schon war. Jedes Jahr entdeckt man an dieser Ausnahmesängerin eine Steigerung und neue Facetten, für mich ein Höhepunkt der gesamten Saison. Ihr zur Seite als Franzl absolut adäquat Jevgenij Taruntsov blendend aussehend mit strahlendem Tenor, beide zusammen bringen eine sehr glaubhafte Emotionalität auf die Bühne, die man so nur ganz selten erlebt. Einziges (noch) kleines Manko des Tenors ist der Registerwechsel in die Kopflage, da sollte unbedingt gearbeitet werden. Dazu ein Buffopaar, das mit jugendlichem Schwung und erotischer Ausstrahlung nur zu knistert: Verena Barth-Jurca die als französische Gesandte Adelgunde die Wiener Edelknaben verwirrt, als solcher Graf Pepi, der "noch so kleine", der zum Liebhaber erglüht und wächst: Clemens Kerschbaumers Tenor klingt einfach satt und himmlisch, eigentlich ist er über das Buffofach hinaus, da kann man mehr in lyrischen Fach schon einiges erwarten, halt ein Tenor-Luxus in dieser Partie. Gabriele Kridl und Gerhard Balluch werfen sich als Gräfin Fuchs und Graf Kaunitz die intriganten Spitzen nur so zu. Alles ist einfach prima ,und nur so macht Operette wirklich Spaß. Jeder, der es nicht erlebt hat, kann sich auf die Erscheinung der Aufnahme freuen und so mein Schwärmen hoffentlich nachvollziehen. Den Bühnen sei ein wirklich inspirertes, spielbares Werk zur Auffrischung des Repertoires ans Herz gelegt.

Martin Freitag 22.8.14                                              Bilder: Lehar Festival

 

 

GIGI

17.8.14

Ehrenrettung eines Musicals

Einen Herzenswunsch bedeutet es für den Intendanten Michael Lakner, innerhalb der Musicaltrias Lerner/Loewes fast nicht mehr aufgeführte "Gigi" selbst zu inszenieren. Lakner steht damit auch zum ersten Male selbst am Regiepult und: es ist der Aufführung absolut nicht anzumerken, das ein Regienovize die Spielleitung hat, so professionell und liebevoll gerät das Endergebnis. Das Stück selbst ist nach Colettes erfolgreicher Novelle zunächst als Kinofilm mit der bezaubernden Leslie Caron in der Titelrolle herausgekommen, bevor das Werk für die Bühnen der Welt adaptiert wurde. Fünf Bombenrollen für die Darsteller, eine wundervolle Komödie um zwei Pariser Lebemänner, einen alten und einen jungen, die mitbekommen , wie sich  Gigi unter der Obhut von Oma und Großtante vom tolpatschig liebenswerten Teenager zur wahrhaftigen Frau entwickelt, die sich unverstellt aus der Halbwelt ihrer beiden weiblichen Vorbilder zu einer sebstbewußten, jungen Frau entwickelt. Es kommt, anders als bei Colette, zur Eheschließung, als zur Maitressenschaft, so konnte das puritanische Amerika das Happy End goutieren. Loewes Musik ist schwungvoll und schmissig, ohne ganz die Qualität des ersten Erfolges "My fair Lady" (nächstes Jahr in Ischl ! ) zu erreichen.

Katharina Sautner hat für die Produktion ein schlichtes, wie effektvolles Bühnenbild geschaffen, das mit Bildeinblendungen jeweils atmosphärisch passend die schnellen Szenenwechsel ermöglicht, die an einer relativ technikfreien Bühne wie dem Kongress & Theaterhaus Bad Ischl eine enorme Herausforderung darstellen. Wenige Requisiten reichen dabei völlig aus, denn das Hauptmerk liegt auf schlichter, unverstellter Bühnenkunst.

Michael Lakner hat, wie eigentlich immer, ein hervorragendes Ensemble aufgestellt, das seine werkkongruente Arbeit mit vielen feinen Einzelheiten auf den Punkt bringt: Verena Barth-Jurca ist in der Titelrolle völlig glaubwürdig, die kindlichen Anteile geraten vielleicht etwas zu Pippi-Langstrumpf-mäßig zappelig, doch das Reifen zur jungen Dame mit feinem Sopranklang macht pure Freude. Hervorragend auch Benjamin Plautz als junger Gaston Lachailles, der Schauspieler taugt mit angenehmer Singstimme bestens für das Musical, der Spagat aus gesellschaftlicher Langeweile und aufrichtiger Anteilnahme an Gigi und ihrer Mamita gelingt glaubwürdig. Grandios bestellt sind die "Alten"; Kurt Schreibmayer in der Partie des alternden Charmeurs Honorè, im Film eine Paraderolle für Maurice Chevalier, bringt den sympathischen Egozentriker und fein raunzigem Sangeston auf den Punkt. Gigis Mamita wird von Helga Papouschek mit vielen Untertönen und zartbitteren Anklängen (Erinnerungsduett beider) beispielhaft aus den möglichen Klischees geadelt. Dazu als aufgetakelte Demimonde-Dame älteren Zuschnitts die Tante Alicia von Marianne Nentwich, nach einem etwas outrierendem Beginn sich zu einer "Guten-Laune-Granate" steigend. Dazu noch Mandy Garbrecht als exaltierte Liane d`Exelmans mit eleganter Attitüde. Wenn man das Stück bringt, muß man es mit solchen Darstellern ! Die vielen Kleinpartien werden vom Mitgliedern des Chores paradiert, der auch als Kollektiv jedes Jahr mit Spielfreude und gutem Klang für gelungene Vorstellungen sorgt. Alle diese Darsteller wurden von Michaela Mayer-Michnay wunderschön gekleidet, stilistisch findet man einen bunten Mix von der Belle Epoche bis ins Zwanzigste Jahrhundert ohne irgendwie geschmacklos zu werden. Die Figuren werden dabei bestens getroffen, dazu noch Leonard Prinsloos hübsche Choreographie, der Abend erhält schönstes Unterhaltungsformat.  


László Gyükér sorgt mit dem Franz-Lehár-Orchester für den rechten Musicalklang, manchmal zwar sehr klangvoll im Raum stehend, doch stets mit den szenischen Anschlüssen verbunden; vielleicht könnte die eine oder andere Stelle noch etwas mehr "swingen" oder die Solonummern von Honoré noch etwas mehr an den französischen Chansonton anknüpfen, doch wer ist schon perfekt? Insgesamt eine schwungvolle Wiedergabe eines recht vergessenen Musicals, das gerade für kleinere Bühnen von Interesse sein könnte. Schön, es einmal kennenzulernen.

Martin Freitag 20.8.14                                               Fotos: Lehar Festival

 

 

 

DER GRAF VON LUXEMBURG

Besuchte Vorstellung am 14.08.14                            (Premiere am 12.07.14)

Aufgefrischter Repertoireklassiker

"Der Graf von Luxemburg" gehört zu den fünf Lehár-Klassikern, die sich noch im Operettenrepertoire befinden, für das Lehár-Festival in Bad Ischl hat sich Regisseur Wolfgang Dosch des Werkes angenommen und behutsam umgearbeitet, doch keine Angst, behutsam im Sinne von werkgetreu, nicht in der heute regiewütigen "Steinbruch-Methode".

Eine Opernsängerin war im Jahr der Uraufführung noch kein bürgerlicher Beruf, heute unverständlich, deshalb läßt Dosch die Diva Angele Didier zum von Fürst Basil protegierten Brettl-Star werden; der gesellschaftliche Willen zum Aufstieg wird so besser motiviert, Bernhard Niechotz darf in seinem pariserischen Bühnenbild das "Chat Noir" zitieren, die Soubrette Juliette als Chansonette erhält mehr soziales Profil, wie der erfolglose Maler Armand mit der "Boheme". Die beiden nicht unwichtigen Figuren des Marchand und Pawlowitsch, die den Fürsten Basil szenisch und gesanglich umgeben, werden ebenfalls aufgewertet, vor allem letzterer erhält als Doppelagent der Stasa Kokozowa enormes spielerisches Potential, was von Tomas Kovacic mit trockener, russischer Attitude trefflich genutzt wird, ebenso wie Wolfgang Gerolds französischer Marchand. Ansonsten bleibt alles beim Alten, das Publikum darf viel lachen, denn Doschs Arbeit will einfach unterhalten. Mit Mandy Garbrechts abwechslungsreichen, schön verspielten Choreographie zieht der fast dreistündige Abend flott vorüber. 

Mit Reinhard Alessandri ist die Titelpartie des René musikalisch mit strahlendem Tenor bestens besetzt, szenisch wirkt manches Details des passend gut aussehenden Künstlers doch ein wenig routiniert. Mit Regina Riel kann man in Ischl heuer die Operettendiva neu besetzen, ihre Angéle betört durch fraulich aparten, in allen Lagen bestens durchgeformten Sopran eigenen Charakters. Vor allem der enorme Aplomb in den hohen Spitzen gefällt, szenisch wirkt die junge Sängerin noch steigerungsfähig, etwas unsicher, da hätte manchmal auch ein schmeichelnderes Kostüm helfen können. Der jedoch durchweg sympathischen Nachwuchskünstlerin wurde von der Hausdiva Platz überlassen, denn Miriam Portmann schmeißt sich auf die Partie der Gräfin Kokozowa mit einer hinreißenden Verve, outriert in der komischen Rolle so enorm, daß es wieder lustig ist und zeigt wie tief ihre wundervolle Stimme kommen kann, um im Finale mit aufreißenden Höhen zu zeigen, daß sie ebenso die Diva könnte. Ihr zur Seite als Basil steht Josef Forstner, der stimmlich ebenfalls eine enorme Bandbreite aufweist, passend komisch, gelingt es ihm dem verschmähten Alten doch auch anrührende Züge (Zweites Finale !) zu geben.

Die ganz Jungen, das Buffopaar ist mit  Christine Holzwarth und Thomas Zisterer ansprechend frisch besetzt. Die Juliette von Christine Holzwarth hat mit ihrem kleinen Soubrettenton gesanglich durch ihre Exaktheit, für meine Begriffe, die Nase vorn. Zisterers Armand ist im Notentext nicht der genaueste, doch beide wissen durch Charme und Spielfreude zu überzeugen. Die kleinen Partien werden von Solisten aus Chor und Ballett hervorragend gestaltet, über beide Kollektive kann man eigentlich nur das Positive und Gleiche schreiben, wie in den letzten Jahren, denn sie sind dem Festival eine wichtige und unabdingbare Stütze. Marius Burkert und das Franz-Lehár-Orchester wissen natürlich, wie der namengebende Meister zu spielen ist, loben heißt eigentlich, hier Eulen nach Athen zu tragen. Die Produktion ist ein absolut gelungener, runder Beitrag des Operettenfestivals. Wolfgang Doschs aufgefrischte Fassung empfinde ich als absolut nachspielenswert, denn sie stellt dieses Meisterwerk Lehárs angenehm entstaubt auf die Bretter.

Martin Freitag 20.8.14                                        Bilder: Lehar Festival

 

 

 

Lehár Festival Bad Ischl 2013

Operette und das Wagnis mit dem Musical

Prof. Dr. Lakner wagt sich mit Erfolg an „HALLO, DOLLY“ und an die Räubermär von „GASPARONE“

(besuchte Aufführung „Gasparone“ am 27.07.2013

besuchte Aufführung „Hallo, Dolly“ am 28.07.2013)

Ich gebe zu, dass ich mir diesmal lange überlegt habe nach Bad Ischl zu fahren. Nachdem das Mekka der Operette in Mörbisch bereits zum Musical schwenkt, auch die Sommeroperette Coburg langsam Musicalfestival heißen müsste, hat nun auch Prof. Dr. Michael Lakner die operettenhafte Jungfräulichkeit von Bad Ischl verloren. Erstmals steht ein Musical auf dem Programm der Lehár-Festivals und nicht genug damit, will man nächstes Jahr mit „Gigi“ und im übernächsten Jahr mit „My Fair Lady“ zwei weitere Musicals anbieten. Ich gebe gerne zu, dass ich die Operette liebe, dass ich in den Klängen schwelge und die herrlichen Melodien im Ohr nach einer Vorstellung mit nach Haus nehme. Nun denn, „Hallo, Dolly“, wie sie in Bad Ischl genannt wird, ist ein klassisches Musical – immerhin etwas. Dennoch fuhr ich mit gemischten Gefühlen, denn meine letzte Bastion der Operettenseligkeit begann zu bröckeln. Gut, ich weiß, dass sowohl die deutschen als auch die österreichischen Fernsehsender praktisch keine Operetten mehr zeigen (wie soll da unter den jüngeren die Liebe für diese Musikform aufflammen – und wo bleibt der Aufschrei und die Welle der Anrufe bei den Sendern wo die Operette bleibt und warum sie so vernachlässigt wird), ich weiß ebenso, dass dadurch die Beziehung zu einer der schönsten Musikgattungen immer mehr nachlässt, weil man sie einfach nicht mehr kennt. Aber gerade deshalb habe ich ja Bad Ischl, Mörbisch usw. geschätzt, weil sie die traditionelle Operette hoch und in Ehren gehalten haben. Nun gut, ich muss auch einsehen, dass man nur dann weiter spielen kann, wenn auch die Besucherzahlen und damit die Einnahmen einigermaßen stimmen. Nun gut, lassen wir uns also auf das Wagnis“ ein. Doch vor dem Musical erst eine wunderschöne, leider viel zu selten gespielte Operette, den „Gasparone“ von Carl Millöcker.

Es ist verwunderlich, warum eine Operette mit so vielen Ohrwürmern auf den Spielplänen so stiefmütterlich behandelt wurde. Umso erfreulicher, dass Regisseurin Dolores Schmidinger die Räubermär zu neuem Leben erweckt. Gut, ein bisschen modernisiert hat sie schon. Aus den sizilianischen Banditen von 1820 wurde eine Bande Mafiosi aus der Prohibitionszeit um 1930 herum. Mir hat es, obwohl ich immer ein Verfechter des Originalen bin, trotzdem gut gefallen. Auch etliche zusätzliche Witze und Schenkelklopfer hat Frau Schmidinger eingebaut, aber sie hat für mich nicht überzogen. Man unterhält sich köstlich und das soll es doch sein, was Operette bietet und bieten soll. Manches ist vielleicht etwas überzogen – aber immer unterhaltend. Man amüsiert sich in den zwei Stunden köstlich und was will man eigentlich mehr. Die Kostüme von Katrin Rölle und die Ausstattung von Katharina Sautner gefallen und tragen zur allgemeinen positiven Stimmung bei. Das Franz Lehár Orchester wurde von Marius Burkert straff geleitet. Er verstand es die nicht immer einfache Musik von Millöcker aufblühen zu lassen und die Feinheiten herauszuarbeiten. Dabei war er stets ein kongenialer Begleiter seiner Sänger, er führte sie behutsam und nahm das Orchester zurück, wenn es notwendig war. Er umschmeichelte die Sänger und überdeckte sie nicht. Der Chor war von Georg Smola vorzüglich eingestellt und agierte perfekt. Dies alles ließ den Solisten den notwendigen Platz zur Entfaltung. Und beginnen wir mit einem „Urgestein“ von Bad Ischl, bei der man den Eindruck hat, sie wird von Jahr zu Jahr besser. Miriam Portmann brillierte im wahrsten Sinne des Wortes als Gräfin Charlotta und überzeugte, wie auch schon die Jahre zuvor, sowohl von der stimmlichen Präsenz als auch von der darstellerischen Seite. Eine ausgezeichnete Leistung, bei sich Thomas Zisterer als Graf Erminio Saluzzo ein klein bisschen schwer tat. Sein weicher, warmer Bariton passt gut in die Rolle (fast hätte man sich die „Dunkelroten Rosen“ gewünscht, die in dieser Inszenierung jedoch verständlich nicht erklingen), ist einschmeichelnd, verlässt aber einige Male die gesangliche Linie. Insgesamt gesehen joch eine vorzügliche Leistung. Und hier muss man nun einfach Gerhard Ernst als Bürgermeister Nasoni nennen, der aus dieser Partie ein Paradestück macht. Schauspielerisch exzellent, alle Feinheiten der Rolle auskostend, kann er auch gesanglich voll überzeugen Mit dieser Darstellung wird er neben Miriam Portmann zum Liebling der Zuschauer und erntet stürmischen Beifall. Roman Martin gab seinen schüchternen Sohn Sindulfo mit viel Einsatz. Klasse auch das Pärchen Thomas Malik als feiner Buffo-Tenor und Melanie Schneider mit zartem aber sehr gefälligem Sopran als Wirt Benozzo und dessen Frau Sora. Zu erwähnen ist auch noch, die mit einer voluminösen, samtenen Altstimme die Zenobia gibt. Den Zuschauern hat es gefallen, langanhaltender Beifall für eine Operette, die zu Unrecht so selten auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gekommen ist.

Am Sonntagmittag – vor der Aufführung von „Hallo, Dolly“ - gab mir Prof. Dr. Michael Lakner ein interessantes Interview, welches ich an anderer Stelle abdrucke, und in welchem er sein Verhältnis zum Musical beleuchtet.

Doch nun zum ersten Musical in Bad Ischl, „Hallo, Dolly“. Und ich möchte es gleich vorwegnehmen. Es war ein rauschender Erfolg. Die Zuschauer gingen mit wie selten, die gesamte Aufführung war wie aus einem Guss und die einschmeichelnden Lieder und Arien, zum Teil von exzellenten Sängern dargeboten, taten ein Übriges zum Erfolg. Doch nun erst einmal der Reihe nach.

Dr. Lakner ist mit „Hallo, Dolly“ ein großes Wagnis eingegangen. Er wollte zum einen ein jüngeres Publikum an Bad Ischl binden, welches dann – so seine Überzeugung – auch an der „guten, alten“ Operette Spaß finden könnte und er wollte dadurch die hohen Besucherzahlen bei den Publikumsrennern der letzten Jahre halten. Und dann wollte er Musicalklassiker auf die Bühnen stellen, also solche, in denen brillante Musik als Wurmfortsatz der Operette angesehen werden kann.

Das Wagnis, welches er einging, ist voll aufgegangen. Selten sah man solch abwechslungsreiche, bunte Bilder auf einer Bühne, die plötzlich viel größer wirkte, als sie in Wirklichkeit ist. Eine bunte, mitunter auch etwas schrille, aber immer eindrucksvolle und abwechslungsreiche Revue wurde uns hier geboten, die nach der Pause noch einmal ordentlich Fahrt aufnahm. Die eigentlich einfache Geschichte der Heiratsvermittlerin Dolly, die sich schließlich ihren Ehegesponst selbst angelt, wird mit tollen Kräften auf die Bühne gebracht. Und dies ist einer der Pluspunkte dieser Aufführung. Es agieren exzellente Sänger, Schauspieler und Tänzer, die alle zusammen einen bunten Bilderbogen von Fröhlichkeit überspringen lassen. Leonard Prinsloo bringt das Stück als Regisseur und Choreograph auf die Bühne, überwältigend, präzise, vielen humorvollen Anspielungen und alles bis in Detail ausgeplant. Die Choreographie Prinsloos kommt in den Balletszenen zum Ausdruck, die man selten so brillant, ja fast broadwaymäßig erlebt hat. Dazu passen die farbenfrohen Kostüme von Monika Biegler und der präzis einstudierte Chor des Lehár Festivals durch Georg Smola. Hier greift ein Rädchen in das andere und vereint alles zu einem großen Ganzen, zu einem Feuerwerk aus Musik, Tanz und Freunde. Die Darsteller fügen sich nahtlos in dieses Konzept ein. Mit Ann Mandrella in der Titelpartie der Dolly hat man zwar eine sehr jugendliche, aber bis in die Fingerspitzen glühende Dolly gefunden. Gesanglich lässt sie keine Wünsche offen, darstellerisch beeindruckend und dazu hinreißend schön. Von ihr wird man – vor allem in der Musicalszene – mit Sicherheit noch viel hören. Ihr zur Seite Kammersänger Kurt Schreibmayer als Heiratskandidat Horace Vandergelder. Er, der bereits eine lange erfolgreiche Karriere hinter sich hat, überzeugt durch blendendes Auftreten, darstellerische bis in die letzten Feinheiten ausgeklügeltes Siel und auch noch mit einem exzellenten Tenor. Ein Sängerdarsteller par excellence, der auch gesangliche Meriten setzt. Boris Pfeifer und Benjamin Plautz als Vandergelders Angestellte Cornelius Hackl und Barnaby Tucker sind ein ideales Gespann, ein Tandem, bei dem beide gleich schnell in die Pedale treten. Nicht nur im Duett mit ihren beiden Damen, ausgezeichnet auch hier Caroline Vasicek als Irene Molloy und Iva Mihanovic als ihre Angestellte, brillieren sie, nein auch in den leisen Tönen. Jan C.J. Liefhold als Ambrose Kemper und Mandy Garbrecht als Erestina Money vervollständigen das ausgezeichnete Ensemble. Michael Zehetner dirigiert das Franz Lehár Orchester und er macht dies ausgezeichnet. Sicher, präzise und auf den Punkt ist das Orchester ein kongenialer Begleiter der Sängerdarsteller. Das Publikum zeigt am Schluss mit den Füssen, was sie von dem Experiment Musical hält. Tosender, nicht endend wollender Applaus beschließt einen rundum gelungenen Abend. Man kann die Aufführung als einen Glücksfall für Bad Ischl bezeichnen, muss sich aber darüber im Klaren sein, das dies nur klappt, wenn man ausgezeichnete Kräfte zur Verfügung hat und wenn das Potential des Musicals sich dazu eignet. Ich bin heute schon gespannt auf die „Gigi“ im nächsten Jahr, wenn diese neben dem unverwüstlichen „Der Graf von Luxemburg“ gezeigt wird. Hoffen wir, dass das gute Händchen des Intendanten auch dann einen rauschenden Erfolg beschert. Zu wünschen wäre es Bad Ischl und auch in diesem Jahr kann ich wieder konsternieren, dass sich der Besuch wieder gelohnt hat.

Manfred Drescher                                    Fotos von : www.fotohofer.at

 

Operettenseligkeit in Bad Ischl

geht mit Professor Dr. Michael Lakner weiter

Lehár Festival in Bad Ischl mit Franz Lehár und Carl Zeller

Im letzten Jahr war das 50jährige Bestehen der Festspiele und man war gespannt, wie es weitergeht. Einen großen Schritt zur Kontinuität ging Intendant Dr. Michael Lakner selbst. Anfang Mai gab er bei einer Pressekonferenz bekannt, dass er sich entschlossen habe, seinen Vertrag bis 2019 zu verlängern. Dieser Schritt ist sicher ein Zeichen hin zur weiteren Konsolidierung der Festspiele, die in den letzten Jahren einen riesengroßen Schritt nach vorne gemacht haben. Zu einem nicht unerheblichen Teil war dies der Verdienst des seit 2004 in Bad Ischl agierenden Intendanten. Wer ihn einmal „in Action“ erlebt hat weiß, wie viel Herzblut, Einsatzbereitschaft, weit über die Schmerzgrenze hinaus und vor allem Gespür für das Publikum, aber auch für die Akteure auf der Bühne sich in seiner Person vereinen. Ohne Dr. Lakner wären das Lehár Festival Bad Ischl mit Sicherheit „nur die Hälfte wert“.

Zwei Neuentdeckungen des Intendanten gaben im „Vogelhändler“ ihr Bad Ischl Debüt. Einmal die junge Österreicherin Eva-Maria Kumpfmüller als Kurfürstin Marie und zum Anderen der aus China stammende Keja Xiong als Stanislaus. Frau Kumpfmüller hatte 2010 in Dr. Lakners Klasse beim Wiener Musik Seminar studiert und beim Dichler-Wettbewerb danach den ersten Preis gewonnen und Herr Xiong hatte in Passau, der Festspielstadt den von Dr.- Lakner gestifteten Sonderpreis des Lehár Festival Bad Ischl gewonnen. Eine besondere Auszeichnung wurde auch Dr. Michael Lakner selbst zuteil, er bekam den Professorentitel von Landeshauptmann Dr. Pühringer verliehen, „Professor Dr. Michael Lakner hat als Spiritus Rector, als Generalverantwortlicher und Manager das Lehár Festival Bad Ischl nachhaltig geprägt und zu einem Aushängeschild des Musiklandes Oberösterreich gemacht“, so Pühringer. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer auch von uns einen ganz herzlichen Glückwunsch.

„Zigeunerliebe“ war, nach Paganini im letzten Jahr, erneut ein Prunkstück der Operettenaufführungen in Bad Ischl. Das Publikum war restlos begeistert, der leider etwas unbekannte – und dies völlig zu Unrecht – Lehár ging unter die Haut. Der große Lebenstraum des Komponisten, eine „große Oper“ zu schreiben, war mit „Zigeunerliebe“ schon sehr nahe an der Verwirklichung. Man hat es mit dieser Operette schon etwas schwer, man braucht zwei Spitzentenöre, zwei sehr gute Soprane und dazu noch ein tolles Buffo-Paar und daneben noch ein paar weitere ausgezeichnete Mitwirkende. Dies zu besetzen ist schon schwer genug – vielleicht steht die „Zigeunerliebe“ deshalb so selten auf dem Spielplan. Ja, und dann ist noch die Inszenierung, die zwischen Realität und Traumerzählung hin und her springen muss. Keine leichte Aufgabe, der sich hier Leonard Prinsloo gestellt hat. Er geht davon aus, dass Zorika, die Tochter des Gutsbesitzers Peter Dragotin durch dieses Traumspiel und dem Hin und Her gerissen sein zwischen Realität und Fiktion und dem sich letztendlich nicht entscheiden können zwischen Jozsi, dem Spielmann und Jonel Bolescu, dem Gutsbesitzer den Verstand verliert und in der Irrenanstalt landet. So beginnt in einer kurzen Sequenz die Operette in dieser Nervenheilanstalt und endet, ebenfalls in einer kurzen Sequenz, in derselben. Ich persönlich war nicht so sehr von dieser Deutung überzeugt, vor allem, da es aus meiner Sicht nicht konsequent durchgehalten werden konnte, dem Publikum aber gefiel es und Gott sei Dank waren diese Szenen auch nicht so lange, dass sie zu störend gewirkt hätten.

Daneben wurde aber prächtig musiziert und vor allem hervorragend gesungen. Diese „Zigeunerliebe“ ging unter die Haut und dies lag auch am ausgezeichnet aufgelegten Franz-Lehár Orchester unter Marius Burkert. Das opernhaft aufspielende Orchester war ein Ohrenschmaus und nahm sich bei den Sängern Gott sei Dank etwas zurück, obwohl dies bei der Mehrzahl der Solisten gar nicht notwendig gewesen wäre. Hier sei an erster Stelle einmal Miriam Portmann als Zorika genannt. Sie, eine Ikone der Bad Ischler Operette, hatte einen ganz tollen Tag. Sie stand im Mittelpunkt des Geschehens, überstrahlte mühelos das Orchester, klar, eindrucksvoll geführt, beherrschte sie ihren leuchtenden und eindrucksvollen Sopran auf das Beste, sie wurde zu recht mit Beifall überschüttet. Ihre beiden „Liebhaber“ agierten ebenfalls prächtig. Jevgenij Taruntsov versprühte als Józsi der Spielmann tenorale Laune. Höhensicher, kraftvoll, aber auch zu feiner Phrasierung fähig, stellte er einen ganz hervorragenden Zigeuner auf die Bühne, der auch schauspielerisch überzeugen konnte. Seinen Gegenpart stellte Matjaz Stopinsek als Jonel dar. Er besitzt einen sehr schönen weichen und wandlungsfähigen lyrischen Tenor, den er entsprechend eindrucksvoll zum Leuchten brachte. Zwischen diesen beiden Paradetenören entscheiden zu müssen, könnte allein schon zum Wahnsinn führen. Thomas Malik, als Sohn des Bürgermeisters der Dritte im Terzett der Tenöre konnte als der Buffo vom Dienst (nachdem es nach Willy Hoffmann ja keinen Bundesbuffo mehr zu geben scheint) voll überzeugen und seinen Gegenpart spielte und sang ganz reizend mit hübscher, zarter aber dennoch durchschlagskräftigem Sopran Verena Barth-Jurca als Jolan, Dragotins Nichte, deren Kinderschar etwas überzogen wirkte. Christa Ratzenböck ergänzte als Ilona mit ihrem schönen Mezzo die Riege der Gesangsdarsteller. Als Dragotin Dragotin konnte Thomaz Kovacic seinem Gaul etwas Zucker geben, überzog aber nicht und ließ das Publikum auch zum erlösenden Lachen kommen. Gerhard Balluch war als Irrenarzt bzw. als Zorikas Amme jederzeit präsent, wenn auch nicht immer ganz textverständlich. Die Dialoge hätte man insgesamt ein kleines bisschen beschneiden können, insgesamt jedoch blieb eine musikalisch in jedem Bereich überzeugende Operette, die eine Renaissance auf den Operettenbühnen verdient hätte. Nicht unerwähnt lassen sollte man auch den ausgezeichneten Geiger Marco Radonic, der mit der Violine die entsprechenden Parts von Józsi, dem Spielmann glänzend übernahm. Ein Abend der Laune machte und auch wieder einmal ein Aushängeschild für die leider immer weiter vernachlässigte Operette darstellte. Vielleicht gibt es von dieser Aufführung auch bald eine CD-Einspielung, dies wäre sehr zu empfehlen.

„Der Vogelhändler“ ist Aufführung einer bekannten und vielgespielten Operette, die ich am nächsten Tag sehen und hören konnte. Und wieder ist es erstaunlich, wie viel man aus so einem alten „Thetergaul“ herausholen kann. Die Melodien und die Operette selbst hat man schon so oft gehört, aber in Bad Ischl gelingt es wieder einmal, dass sie frisch, unverbraucht, einfach schön erklingt. Ein eindeutiger Pluspunkt der Aufführung war die spritzige, pfiffige und präzise orchestrale Leitung durch Oliver Ostermann, der aus dem Franz Lehár Orchester erstaunliches herausholen konnte. Bei Ostermann spürte man einfach, dass er für und mit der Musik lebt und dies auch seinen Musikern entsprechend vermitteln kann. Flott, rasend, ja drängend und gleichzeitig fein und filigran bei der Unterstützung der Sänger. Eine orchestrale Leistung vom Feinsten. Ja und dann kam dazu, dass man in Bad Ischl (siehe hier das eingangs angesprochene Händchen des Intendanten) immer wieder hervorragende Singschauspieler verpflichten kann. Theresa Grabner war als komödiantisch ausgezeichnete, blitzsauber spielende und singende Briefchristel eine wahre Entdeckung des Abends. Glockenrein, perlend und dazu liebreizend anzusehen stellte sie eine fast ideale Briefchristel auf die Bretter der Bad Ischler Operettenbühne. Ihr beinahe ebenbürtig der Adam von Sebastian Reinthaller, der eine solide Leistung brachte. Sein durchschlagskräftiger Tenor konnte zwar überzeugen, wenn mir auch ein bisschen die Strahlkraft und die frühere Höhensicherheit fehlte. Rupert Bergmann stellte einen kongenialen Baron Weps auf die Bretter, er konnte sowohl stimmlich, als auch darstellerisch in allen Bereichen voll überzeugen. Eine ganz tollte Leistung. Ja – und dann kam der Knackpunkt – dacht man jedenfalls. Die beiden Intendantenneuentdeckungen, Eva-Maria Kumpfmüller als Kurfürstin Marie und Keija Xiong als Neffe Stanislaus, waren beide als indisponiert angekündigt worden. Bei der überzeugenden Eva-Maria Kumpfmüller, war davon überhaupt nichts zu spüren, sie gab eine ganz bezaubernde Kurfürstin, von der Stimme her mit schönem weichen, durchschlagskräftigen leuchtenden Sopran, aber auch von ihrer Erscheinung und ihrem sehr guten Bühnenspiel. Von ihr wird man mit Sicherheit in der Zukunft noch einiges hören und erwarten können. Dem jungen Tenor Kejia Xiong war leider seine Heiserkeit anzuhören. Zu (verständlicherweise) vorsichtig und zurückhaltend, praktisch mit gebremstem Schaum, stand er seine Partie jedoch dennoch überzeugend durch. Schade, ich hätte ihn gerne im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte erlebt, ich glaube, dass auch er in der Zukunft noch aufhorchen lassen wird. Gabriele Schuchter war eine vorzügliche Adelaide, vor allem spielerisch gestaltete sie eine ganz vorzügliche Baronin und auch gesanglich konnte man nichts an ihr aussetzen. Über das bekannte „Professoren-Duo“ möchte ich nicht viel Worte verlieren, einfach, weil es mir überhaupt nicht gefiel. Man kann das bekannte Prodekan-Lied gerne um eine aktualisierte Strophe, meinetwegen auch zwei verlängern, aber das gesamte Duo zu einer Art „Rating Agentur Parodie“ zu machen, war für mich persönlich völlig fehl am Platz. Dieses störte meinen sonst fast einhellig positiven Eindruck des Abends ein kleines bisschen. Aber scheinbar war ich da einer der wenigen, denn die überwältigende Mehrheit des Publikums klatschte begeistert, am liebsten natürlich im Takt mit, leider eine weitere Unsitte. Die sonstigen sogenannten Modernisierungen des Stückes passten recht gut und fügten sich in den Rahmen der Operette nahtlos ein. Insgesamt eine überzeugende Leistung, die den Ruf Bad Ischls als weiteres Mekka der Operette (neben Mörbisch, welches nach dem Weggang von Harald Serafin sicher einige Probleme bekommen wird) noch weiter voran bringen wird. Jedenfalls freue ich mich bereits heute auf die leider nur selten aufgeführte Operette „Gasparone“ von Carl Millöcker im nächsten Jahr und werde mir auch, wenn auch etwas schwereren Herzens „Helle Dolly“ ansehen und anhören. Der Besuch von Bad Ischl jedenfalls hat sich auch in diesem Jahr wieder gelohnt.

Da die Kritik des verehrten Martin Freitag (der vermutlich am gleichen Tag wie ich in der Aufführung war – denn 2 Absagen wegen Indisposition der gleichen Sänger dürfte unüblich sein) sehr umfassend war, hier als Alternative – statt des obigen Textes – einen etwas gekürzten Text (etwa 10 Zeilen gekürzt), der geringere Doppelmeinungen wiedergibt – weil wir uns in vielem einige sind)

„Der Vogelhändler“ wurde am nächsten Tag besucht. Einen umfassenden Bericht hierzu hat mein verehrter Kollege Martin Freitag geschrieben, so dass mir nur einige zusätzliche persönliche Anmerkungen gestattet sind. Eindeutiger Pluspunkt der Aufführung war die spritzige, pfiffige und präzise orchestrale Leitung durch Oliver Ostermann, der aus dem Franz Lehár Orchester erstaunliches herausholen konnte. Dann kam dazu, dass man in Bad Ischl (siehe hier das eingangs angesprochene Händchen des Intendanten) immer wieder hervorragende Singschauspieler verpflichten kann. Theresa Grabner war eine komödiantisch blitzsauber spielende und singende Briefchristel, eine wahre Entdeckung des Abends. Beinahe ebenbürtig der Adam von Sebastian Reinthaller, der eine solide Leistung brachte. Sein durchschlagskräftiger Tenor konnte überzeugen, wenn mir auch ein bisschen die Strahlkraft und die frühere Höhensicherheit fehlte. Rupert Bergmann stellte einen kongenialen Baron Weps auf die Bretter. Dann kam der Knackpunkt – dachte man jedenfalls. Die beiden Intendantenneuentdeckungen, Eva-Maria Kumpfmüller als Kurfürstin Marie und Keija Xiong als Neffe Stanislaus, waren beide als indisponiert angekündigt worden. Bei der überzeugenden Eva-Maria Kumpfmüller, war davon überhaupt nichts zu spüren, sie gab eine ganz bezaubernde Kurfürstin, von der Stimme her mit schönem weichen, durchschlagskräftigen leuchtenden Sopran, aber auch von ihrer Erscheinung und ihrem sehr guten Bühnenspiel. Dem jungen Tenor Kejia Xiong war leider seine Heiserkeit anzuhören. Zu (verständlicherweise) vorsichtig und zurückhaltend, praktisch mit gebremstem Schaum, stand er seine Partie jedoch dennoch überzeugend durch. Schade, ich hätte ihn gerne im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte erlebt, ich glaube, dass er in Zukunft noch aufhorchen lassen wird. Gabriele Schuchter gestaltete darstellerisch eine vorzügliche Baronin, die auch gesanglich überzeugen konnte. Über das bekannte „Professoren-Duo“ möchte ich nicht viele Worte verlieren, einfach, weil es mir überhaupt nicht gefiel. Man kann das bekannte Prodekan-Lied gerne um eine aktualisierte Strophe, meinetwegen auch zwei verlängern, aber das gesamte Duo zu einer Art „Rating Agentur Parodie“ zu machen, war für mich persönlich fehl am Platz. Dieses störte meinen sonst fast einhellig positiven Eindruck des Abends ein kleines bisschen. Aber scheinbar war ich da einer der wenigen, denn die überwältigende Mehrheit des Publikums klatschte begeistert, am liebsten natürlich im Takt mit, leider eine weitere Unsitte. Die sonstigen sogenannten Modernisierungen des Stückes passten recht gut und fügten sich in den Rahmen der Operette nahtlos ein. Insgesamt eine überzeugende Leistung, die den Ruf Bad Ischls als weiteres Mekka der Operette (neben Mörbisch, welches nach dem Weggang von Harald Serafin sicher einige Probleme bekommen wird) noch weiter voran bringen wird. Jedenfalls freue ich mich bereits heute auf die leider nur selten aufgeführte Operette „Gasparone“ von Carl Millöcker im nächsten Jahr und werde mir auch, wenn auch etwas schwereren Herzens „Helle Dolly“ ansehen und anhören. Der Besuch Bad Ischls jedenfalls hat sich auch in diesem Jahr wieder gelohnt.

Manfred Drescher

(besuchte Aufführung „Zigeunerliebe“ am 28.07.2012

besuchte Aufführung „Der Vogelhändler“ am 29.07.2012)

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