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Besuchtes Konzert in Wiesbaden, Friedrich-von-Thiersch-Saal, Kurhaus Wiesbaden,

am 02. September 2022

 

Ludwig van Beethoven Violinkonzert D-Dur op. 61
Pjotr Tschaikowski Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64 „Schicksals-Sinfonie“

Anne-Sophie Mutter Violine
Pittsburgh Symphony Orchestra


Manfred Honeck
Leitung

 

Das diesjährige Rheingau Musik Festival verwöhnte sein treues Publikum mit herausragenden Konzerten aller Art. Gestern gab es einen finalen musikalische Superlativ zu erleben, welcher zu den unbestreitbaren Höhepunkten der diesjährigen Saison gehört.

Zu Gast war das traditionsreiche Pittsburgh Symphony Orchestra und dessen langjähriger Chefdirigent Manfred Honeck. Als Solistin konnte die einzigartige Anne-Sophie Mutter gewonnen werden. Was für eine Kombination!

Zu Beginn erklang das 1806 uraufgeführte Violinkonzert von Ludwig van Beethoven. Zu seiner Zeit war dieses Konzert so völlig andersartig. Allein der erste Satz dauert mit knapp 30 Minuten so lange wie manches gesamte Violinkonzert. Klopft hier in den Pauken beständig die Revolution oder gar das Schicksal an?  

Dieses hoch virtuose Konzert gehört zum Kernrepertoire aller Solo-Geiger. Wie oft mag es die große Geigerin Anne-Sophie Mutter gespielt haben? Gerade einmal mit sechzehn Jahren nahm sie dieses Konzert mit Herbert von Karajan auf und seither spielte sie es auf der ganzen Welt.  

In diesem Jahr sind es unglaubliche 45 Jahre, die Anne-Sophie Mutter in ihrer überragenden Weltkarriere zurückgelegt hat. Wie wunderbar war die gestalterische Frische und Beherztheit, mit der sie in Wiesbaden spielte, frei von jeglicher Routine, sondern äußerst energiegeladen! Manfred Honeck begann sehr akzentuiert mit der Einleitung. Spannung und Erwartung lagen in diesem Beginn. Honeck sorgte mit deutlichen Akzenten, vor allem auch in den wiederkehrenden vier Paukenschlägen für die notwendige Spannung. Das „Allegro ma non troppo“ nahm Honeck, wie gefordert, nicht zu eilig. So konnte Anne-Sophie Mutter mit höchster Kantabilität ihre herrlich ausphrasierten Melodiebögen für sich sprechen lassen. Dabei ertönte ihr Spiel schnörkellos, stets natürlich und dabei völlig unaffektiert. In der Solokadenz nahm sich Mutter viel Zeit, die ausgebreiteten Themen weiterzudenken und virtuos zu gestalten. Und bereits hier war spürbar, dass Mutter mit ihrer Violine intensive Zwiesprache hielt. Mit höchster Andacht lauschte das Publikum diesen Zauberklängen. Keinen Muckser gab es! Dabei wirkte die Geigerin zutiefst mit dem hingebungsvoll begleitenden Orchester verbunden. Mit welchem Zartgefühl sodann das großartige Orchester mit feinsten abgetupften, äußerst leisen Pizzikati einstieg, verdient höchste Bewunderung.

Das Larghetto wurde äußerst leise und sehr getragen musiziert. Das Orchester agierte hier kammermusikalisch zurückgenommen, da ein Teil der Bläser und die Pauken in diesem Satz schweigen. Kontemplation und Reinheit fanden hier einen besonderen Raum in bester musikalischer Umsetzung. Hier demonstrierte Anne-Sophie Mutter ihre Sonderklasse. Bis ins kaum hörbare Pianissimo nahm sie den Seelenton ihres kostbaren Instrumentes zurück und verzichtete in weiten Teilen komplett auf das Vibrato. So erlebten die gebannten Zuhörer eine Reinheit und Innigkeit des Vortrages, wie er in dieser Perfektion und Hingabe einzigartig ist.

Wie groß dann der Kontrast in das beschließende Rondo, das zuweilen an Jagdmusik denken lässt! Voller Überschwang spielte Mutter dann ihre überragende Virtuosität aus, wiederum gekrönt durch eine ungemein schwierige Kadenz, die verblüffend selbstverständlich geriet. Honeck gab seinem Orchester die Sporen und dieser spielerische Überschwang gestaltete das Finale mitreißend in imperialer Klanggeste. Die große Künstlerin Anne-Sophie Mutter demonstrierte in Anmut, Bescheidenheit und höchster Könnerschaft, warum sie immer noch die Königin der Violine ist. Glücklich kann sich jeder schätzen, wer diese besondere Frau und Virtuosin live erleben konnte. Ein unvergessliches Erlebnis!

 

Riesige Begeisterung für die Künstler. Wie ein Mann erhob sich das Publikum zu einer stehenden Ovation. Anne-Sophie Mutter bedankte sich in einer kurzen, persönlichen Ansprache. Sie verlieh ihrer Freude Ausdruck, wieder in Konzertsälen spielen zu können und widmete ihre Zugabe („Sarabande“ aus Partita Nr. 2 d-moll BWV 1004) all jenen Menschen, die diesem besonderen Konzert nicht beiwohnen konnten. Eine berührende Geste.

 

Im Jahr 1888 entstand Tschaikowskis fünfte Sinfonie, die er als persönliches Bekenntnis seiner Seele verstand. In seinen drei letzten Sinfonien verfasste der Komponist programmatische Angaben, die er dann wieder verbannte. Zu viele Einblicke in sein Innerstes wurden von ihm formuliert. Das verbindende Element in diesen Werken ist die Macht des Schicksals. In den Sinfonien vier und fünf führt der Kampf mit dem Schicksal am Ende ins Licht, während in der beschließenden sechsten Sinfonie der Tod das letzte Wort hat.

 

Manfred Honeck nahm sich für den klagenden Beginn mit den wunderbar intonierenden Klarinetten viel Ruhe, das Schicksalsmotiv, das dieses Werk so prägt, intensiv zu beschwören. Wie aus dem Nichts blendeten die tiefen Streicher sich zunächst kaum hörbar ein.

Mit untrüglichem Instinkt und tiefer Verbundenheit zur Musik traf Honeck traumwandlerisch sicher den rechten Puls, um diesem Meisterwerk alles zu geben. Großartig seine ausgewogene Dynamik, das Hineinhören in die Strukturen und das Ausmusizieren der weitläufigen Melodiebögen.

Und dann war es so weit! Der zweite Satz mit einem der schönsten Sologesänge des Horns, hingebungsvoll vorgetragen und mit schlankem Ton phrasiert. Gäbe es einen Oscar für die beste Solo-Darbietung eines Orchestermusikers, dann wäre der famose Solo-Hornist William Caballero eindeutiger Sieger in diesem Jahr! Mit perfektem Ansatz und feinster Agogik bot er sein Solo, das unvergesslich bleibt für jeden, der diesen Edelgesang hören konnte! Eine innige Zwiesprache mit den meisterhaften Kollegen an Klarinette und Oboe verlieh diesem Andante Cantabile eine faszinierende Wirkung. Mit größtem Gespür und perfektem Timing beschenkte Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra sein Publikum mit einer gewaltigen Kulmination größter Sehnsuchtsklänge, ehe das wild aufbrausende Schicksalsmotiv alles auflöste.

Leichtfüßig, mit erneuten Eintrübungen des Schicksalsmotivs und spitzen Dissonanzen in den Hörnern führte Honeck durch den Walzer, bevor er dann im beschließenden Andante Maestoso alle Schleusen öffnete und das hingebungsvolle Pittsburgh Symphony Orchestra völlig entfesselt aufspielen ließ.

Mit welchem Furor und größter Präzision dieser Elite-Klangkörper gerade diesen Satz interpretierte, gehört zu den Sternstunden in diesem Konzert-Jahr! Honeck baute immer wieder neue Klangballungen und Spannungsmomente auf, bevor die umwerfend dargebotene Coda, alle Zeugen dieses so denkwürdigen Konzertabends in ein kraftvolles Licht von Trost und Hoffnung stellte. So spannend und aufwühlend, tief bewegend kann die Musik des russischen Meisterkomponisten klingen, wenn ein hingebungsvoll wissend dienender Dirigent seine Passion auf ein Orchester überträgt, welches mit ihm diesen gemeinsamen Weg beschritt! Die Streicher begeisterten in ihrer sonoren Klangkultur und die Blechbläser spielten um ihr Leben, blitzsauber und perfekt in der Intonation.

Das Publikum war nun völlig euphorisch in seiner Begeisterung und jubelte aus vielen Kehlen. Manfred Honeck und das Pittsburgh Symphony Orchestra bedankten sich mit einem Ausschnitt „Panorama“ aus Tschaikowskis Ballett „Dornröschen“ und einem umwerfend virtuos vorgetragenen Galopp aus Aram Khachaturians „Maskerade“.

Dieser denkwürdige Konzertabend war ein Fest und großes Geschenk zugleich für das dankbare Publikum im ausverkauften Friedrich-von-Thiersch-Saal. Sternstunden sind selten, am 02. September 2022 war sie in Wiesbaden zu erleben!

 

Dirk Schauß, 03. September 2022

 

 

Kurhaus Wiesbaden

Konzert am 25. August 2022, Friedrich-von-Thiersch Saal,

 

Gioachino Rossini Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“
Pjotr Tschaikowski Violinkonzert D-Dur op. 35
Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“

María Dueñas Violine
Tonhalle Orchester Zürich
Paavo Järvi
Leitung

Weltklasse aus Zürich

Ein spektakuläres Konzertprogramm verwöhnte das Wiesbadener Publikum im Rahmen des diesjährigen Rheingau Musikfestivals. Drei der beliebtesten Konzertstücke der Musikliteratur, vorgetragen vom Tonhalle Orchester Zürich und deren Chef-Dirigent Paavo Järvi. Als Solistin konnte, die gerade einmal 19jährige spanische Geigerin María Dueñas gewonnen werden.

1829 erlebte die letzte Oper von Gioachino Rossini „Guillaume Tell“ (Wilhelm Tell) ihre Uraufführung. Es war das letzte Werk des Meisters aus Pesaro. Seine grandiose Ouvertüre gehört seither zu den bekanntesten und beliebtesten Werken Rossinis. Die Gliederung in vier Teile bietet einem Orchester reiche Gelegenheit für solistische Effekte und spielerische Brillanz. Im einleitenden Andante zeigte die formidable Celli-Gruppe des Tonhalle Orchesters Zürich seine überragende Klangkultur. Der Sturm war ein Fest für die Blechbläser und das Schlagzeug. Mit feiner lyrischer Note zelebrierten die Holzbläser den anschließenden Hirtengesang. Bei dem furiosen Finale motivierte Paavo Järvi sein Orchester zu prachtvollem Spiel bei fein ausdifferenzierter Dynamik. Große Begeisterung!

 

 

Mit dem Violinkonzert von Pjotr I. Tschaikowsky, entstanden 1878, erlebte das Publikum das bekannteste Violinkonzert in der russischen Musik. Erkennbar ist der wieder gewonnene Optimismus des Komponisten, der sich in jener Zeit in einer tiefen Phase der Depression steckte und im Rahmen eines erfolgreichen Kuraufenthaltes am Genfer See wieder zu neuer Schaffenskraft fand.

Die Anforderungen für den Solisten sind herausragend. Leise Melancholie und warme Kantabilität stehen großen Orchesterausbrüchen gegenüber, gesteigert in einem mitreißend virtuos komponierten Schlusssatz. Und doch ist es vor allem der tief berührende zweite Satz, die poesievolle Canzonetta, die dieses Werk so unwiderstehlich macht. Hier treffen Sehnsucht und Melancholie aufeinander

María Dueñas kann bereits auf eine atemberaubende Karriere blicken. Zahlreiche Preise und ihr gewidmete Kompositionen von Jordi Cervelló bestätigen den besonderen Rang dieser jungen Künstlerin.

María Dueñas hatte keinerlei technische Schwierigkeiten und spielte dieses so schwere Werk, als wäre es eine Kleinigkeit. Mit staunenswerter Selbstverständlichkeit begegnete sie diesem Violinkonzert, nichts war zu schwer für sie. Ihre Virtuosität ist beeindruckend, geriet aber zuweilen etwas zu sehr als spieltechnische Leistungsschau. Zwar gelang es ihr, den zweiten Satz ruhiger und emotional gefasster zu spielen, doch auch hier war die Virtuosin deutlicher im Vordergrund als die kantable Künstlerin. Atemberaubend schnell dann das rasante Tempo im beschließenden Allegro vivacissimo. Virtuoser Überschwang und jugendlicher Elan erzeugten eine energiestarke Wirkung, die vom hellwachen Orchester begeisternd aufgenommen wurde. Wenn dieser Konzertabend etwas verdeutlichte, dann die unmissverständliche Tatsache, dass María Dueñas die Zukunft gehört und sie bereits jetzt eine beachtliche Virtuosin ihrer Zunft ist. Es ist ihr sehr zu wünschen, dass sie die notwendige Ruhe zur künstlerischen Reifung findet. Der Zuhörer erfreut sich an spieltechnischem Feuerwerk, aber noch mehr an emotionaler Tiefe. Letztere war an diesem Abend zu deutlich im Hintergrund geblieben.

 

 

Paavo Järvi und sein fabelhaftes Orchester zeigten ein tiefes Gespür für Tschaikowski. Hier waren keine musikalischen Begleiter am Werk, sondern gestaltende Partner auf Augenhöhe, die immer versuchten, den aktiven Dialog zur Solistin herzustellen. Die solistischen Beiträge in den Holzbläsern waren hervorragend und auch in den Tutti – Teilen, wie z.B. dem berühmten Polonaisen Thema des ersten Satzes, zeigte das Tonhalle Orchester Zürich seine große Meisterschaft. Viel Applaus für Orchester, Dirigent und Solistin. María Dueñas bedankte sich dann auch mit einer Zugabe, die leider nicht angesagt wurde.

Nach der Pause dann ertönte eine der beliebtesten Symphonien der gesamten Konzertliteratur. Drei Jahre Aufenthalt in Amerika, in der „Neuen Welt“, inspirierten Antonin Dvorak zu seinem symphonischen Gipfelwerk, zu seiner 9. Symphonie, die im Jahr 1893 uraufgeführt wurde. Intensiv erforschte er die Gesänge der Indianer Völker und verarbeitete manche Tonfolge bekannter Spirituals. Und doch sind natürlich die Klänge seiner böhmischen Heimat unverkennbar.

Eine Steilvorlage also für jedes Orchester, das eigene Können unter Beweis zu stellen. Und Paavo Järvi animierte sein Orchester unablässig mit starker Energie und motivierte es zu Höchstleistungen.

Bereits im ersten Satz intonierten die Hörner makellos, ebenso wie die Holzbläser. Bereits der erste Horneinsatz wurde mit großer Attacke und vollem Risiko perfekt intoniert. Herrlich markig dann die akzentuiert agierende Pauke. Mit größtem Schwung und feurigem Brio fegten die Streicher durch das Allegro molto. Starke Akzente warf Järvi immer wieder in das Orchester hinein. Fortwährend betonte er das Tänzerische der Symphonie, ebenso galt sein Augenmerk auch der Betonung der Nebenstimmen.

Im anschließenden berühmten Largo hatte dann das Englischhorn seinen großen Moment. Der Solist des Orchesters schuf einen Moment der tiefsten Ruhe. Dvorak nannte das Largo auch „Legende“, ein Trauergesang des Indianers Hiawatha, der den Tod seiner Angebeteten beklagte. Die Zeit stand hier still, die Musik erklang in einer Bildhaftigkeit, die tief berührte. Ein unvergesslicher Moment im emotionalen Breitwandsound.

 

 

Wunderbar locker und tänzerisch leicht geriet dann das Scherzo. Auch hier verarbeitete Dvorak Motive aus dem Hiawatha Epos in Form eines Hochzeittanzes. Besondere Akzente durfte hier die Pauke in prägnanten Betonungen setzen.

Kaum ein symphonischer Satz in Dvoraks Werk dürfte derart dynamisch sein, wie der finale Satz. Hinzu kommt seine verblüffende Meisterschaft in der Verarbeitung der Motive, so dass in diesem vierten Satz nochmals alle Hauptmotive erklingen. Järvi konnte im beschließenden Allegro con fuoco nochmals Energie freisetzen, die begeisterten und mitrissen. Das Orchester spielte um sein Leben, voller Leidenschaft und Emphase. Selten ist ein Orchester derart risikobereit zu erleben.

Järvi zeigte sich in dieser Symphonie als Meister in der dynamischen Gestaltung, der die gesamte Bandbreite vom körperhaften Piano bis ins gewaltige Fortissimo traumwandlerisch sicher ausspielte. Spannend und ungewohnt anders waren die wiederkehrenden ruppigen Momente im Orchesterspiel. Dazu passte auch, dass Järvi auf alte Hörtraditionen verzichtete. So gab es keinerlei effektvolle Ritardandi, im Gegenteil Järvi stürmte stets nach vorne, ohne dabei in Hast zu verfallen.

Das Tonhalle Orchester Zürich zeigte eine eindrucksreiche Umsetzung dieser vielschichtigen Partitur. Fantastisch die Perfektion und das aufmerksame Hören untereinander. Dieser Eliteklangkörper begeisterte in allen Gruppen. Zudem verfügt das Orchester über ausgezeichnete Solisten, die ihre Soli zu sehr persönlichen Beiträgen formulierten. Es war ein besonderes Erlebnis, diese herrliche Symphonie auf diesem Niveau zu hören. Weltklasse aus Zürich, die vom jubelnden Publikum mit stehenden Ovationen belohnt wurde.

Und so durfte sich das Auditorium über einen schwungvollen ungarischen Tanz No. 1 von Johannes Brahms als Zugabe freuen. Ein schöner Abend!

 

Dirk Schauß, 27. Augst 2022

(c) Rheingau Musik Festival

 

 

 

Kurhaus Wiesbaden

Konzert am 20. August 2022, Friedrich-von-Thiersch Saal

Antonín Dvořák Konzertouvertüre op. 92 „Karneval“
Joaquín Rodrigo Concierto de Aranjuez
Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88

Sean Shibe Gitarre
Orchester des Schleswig-Holstein Musikfestivals
Christoph Eschenbach Leitung

Concerto poplare

Seit langer Zeit ist Dirigent Christoph Eschenbach dem Schleswig-Holstein Musikfestival verbunden. Alljährlich bilden die besten Nachwuchsmusiker aus dem In- und Ausland das Orchester des Festivals, um innerhalb einer Projektphase ein anspruchsvolles Programm einzustudieren.

»Natur (In der Natur), Leben (Karneval) und Liebe (Otello)« – diese Ouvertüren-Trilogie schrieb Antonin Dvořák Ende des 19. Jahrhunderts. Ausgelassen, voller Vitalität mit prasselnden Beckenschlägen beginnt die Karneval Konzertouvertüre und wird im Mittelteil von einem elegischen Motiv in der Klarinette kontrastiert.

Christoph Eschenbach dirigiert diese Ouvertüre oft und gerne. Seine besondere Verbundenheit mit diesem effektvollen Werk war ihm jederzeit anzumerken und so konnte das Orchester des Schleswig- Holstein Musikfestivals sich zu Beginn äußerst vital und feurig präsentieren. Der spielerische Elan und die Klangfülle des Orchesters waren begeisternd, so dass es bereits für diesen ersten Beitrag stürmische Begeisterung gab. Ein schöner Beginn!

Was die Oper „Carmen“ in der Oper ist, dass ist das bekannteste Gitarrenkonzert der Musikliteratur: das „Concierto de Aranjuez“ von Joaquin Rodrigo. Beide Werke sind d i e musikalischen Sinnbilder für Spanien.

Rodrigo schrieb sein Meisterwerk in dunkler Zeit, im Jahr 1939. Es ist autobiographisch und programmmusikalisch zu betrachten. Der spanische Komponist liebte die königlichen Gärten des Palastes von Aranjuez. Viele unbeschwerte Stunden des Glückes verbrachte er darin mit seiner Frau Vicky (Victoria). Er nannte sie sein „Augenlicht“, da Rodrigo durch eine Diphterie Erkrankung erblindet war. Größte Popularität bis hin zur Schlagerschmonzette erreichte sein Adagio des Konzertes. In Wahrheit ein Trauergesang und eine Anklage des Komponisten, der mit diesen Klängen die Totgeburt seines Sohnes verarbeitete.

Solist des Abends war der junge Schotte Sean Shibe, der in diesem Jahr den Leonard Bernstein Award vom Schleswig-Holstein Festival erhielt. Shibe ist enorm vielseitig. Er arrangiert und ist ebenso an der E-Gitarre überaus aktiv. Große Popularität erlangte er durch eine eigene Radio Sendung bei der BBC.

Shibe war ein intensiver Gestalter des Konzertes. Mit großem technischem Können entwickelte er eindringlich jede Phrase. Höhepunkt war das außerordentlich gefühlvoll vorgetragene Adagio. Solist und Dirigent nahmen sich sehr viel Zeit. Besonders in den langsamen kantablen Momenten befragte Shibe intensiv die Komposition, bohrte sich tief in sie hinein und verschmolz dabei komplett mit seinem Instrument. Es war schon eine besondere Hörerfahrung, wie weit Shibe die Dynamik zurücknahm. Und auch Eschenbach mit seinem engagierten Orchester tat es ihm gleich. Somit entstand ein einzigartiger Gesang zwischen Gitarre und Orchester, geradeso als sängen zwei Troubadoure von diesem Leid.

Ein heiterer, auflösender Kontrast war das beschließende Allegro gentile, dass mit einem subtilen Augenzwinkern vorgetragen wurde.

Eschenbach war ein vorbildlicher Begleiter, der jede Nuance aufnahm und zum vorbildlich ausgeführten Dialog nutzte. Das Orchester des Schleswig-Holstein Musikfestivals agierte sehr aufmerksam und mit fein ausgewogener Klangsinnlichkeit. Anrührend gelang das Solo des Englischhorns im zweiten Satz.

Im zweiten Teil wurde das Publikum mit einer mitreißenden Darbietung von Antonín Dvořáks 8. Sinfonie beschenkt. Der Komponist leitete selbst die Uraufführung seines Werkes 1890 in Prag. Unendlich sind seine genialischen melodischen Einfälle und der pulsierende Rhythmus der musikalischen Themen.

Christoph Eschenbach bewies auch hier einmal mehr seine große Affinität zu diesem genialischen Komponisten. Mit großem Elan und ausgeprägter Kantabilität zeigte er einmal mehr seine Ausnahmestellung als einer der größten Dirigenten der Gegenwart. Seine Interpretation war derart voller Lebensfreude und Musizierfreude angereichert, dass die zahlreichen Zuhörer über diese herausragende Darbietung in grenzenlose Euphorie gerieten. Dieser Dvořák erklang offensiv und zuweilen auch etwas derb in den Blechbläsern, was genau richtig und passend erscheint. Das war keine parfümiert tönende Weltschmerz Symphonie. Nein, Eschenbach und das so engagiert mitgehende Orchester formulierten einen orchestralen Hochgesang auf das Leben! Dazu gelangen dem Orchester vortreffliche Soli: zauberhafte Holzbläser, strahlende Hörner, leuchtende Trompeten, im Verein mit den auftrumpfenden übrigen Blechbläsern und eine rhythmisch präzis auftrumpfende Pauke! Getragen wurden sie von der blendend aufgelegten Streichergruppe, die mit beachtlicher Klangfülle aufzutrumpfen wusste.

Nach dem Presto Teil des Finales gab es im Wiesbadener Kurhaus kein Halten mehr. Lange, intensive, stehende Ovationen feierten Orchester und den großartigen Christoph Eschenbach.

 

Dirk Schauß, 21. August 2022

 

 

Mit Elan und Kantabilität intonierte die homogene Cellogruppe das choralartige Eingangsthema, gefolgt von subtilen Blechbläserfarben im Dialog mit den Vogelstimmen der Holzbläser. Freude und rauschender Lebensenthusiasmus wurden vom Dirigenten und seinem Orchester ausgezeichnet zur Geltung gebracht.

Im Adagio kam die Musik völlig zur Ruhe. Sehnsucht, Impressionen einer weiten Landschaft mit einem feinen Chor aus Naturlauten in einer nie endenden Melodie formulierte Dvořák in einem hinreißenden Satz musikalischer Vollendung. Eschenbach ließ die Melodie blühen und atmen. Immer wieder begeisterte sein überragendes Timing, die Überlegenheit in der dynamischen Gestaltung.

Das sensible Orchesterspiel geriet berührend und transparent zugleich. Auch in den Forte Aufschwüngen blieb die Klangkultur jederzeit gewahrt.

Ein heiteres Intermezzo dann im Walzer des dritten Satzes, den Eschenbach mit feiner Agogik gestaltete.

Mit energischen Fanfaren stürmte Eschenbach in den Freudentaumel des letzten Satzes. Die Hörner waren mit ihren prominenten Trillern strahlend präsent. Völlig souverän dann das herrlich virtuose Solo der Flöte. Lebensfreude pur und tänzerischer Elan waren allgegenwärtig.

 

 

Alexander Borodin: Fürst Igor - Ouvertüre

Sergej Rachmaninov: Klavierkonzert No. 3 d-moll op. 30

Peter I. Tschaikowsky: Symphonie No. 6 h-moll „Pathétique“

Moskauer Philharmoniker

George Li, Klavier

Yuri Botnari, Leitung

 

Besuchtes Konzert im Kurhaus Wiesbaden am 31. Januar 2020

 

Im aktuellen Wiesbadener Meisterkonzert waren die traditionsreichen Moskauer Philharmoniker mit einem russischen Programm zu Gast im Kurhaus Wiesbaden.

Eine wechselvolle Geschichte erlebte die 1890 uraufgeführte Oper „Fürst Igor“ von Alexander Borodin. Dieser hinter-ließ dieses Werk unvollendet. Die Komponisten Rimsky-Korsakoff und Glasunow komplettierten die Oper, so dass es bis zum heutigen Tag zum Kernrepertoire der russischen Opernhäuser gehört. Vor allem die berühmten „Polowetzer Tänze“ und die Ouvertüre sind auch immer wieder im Konzertsaal anzutreffen.

Zum Auftakt spielten die Moskauer Philharmoniker unter Leitung ihres langjährigen Gastdirigenten Yuri Botnari eine schneidige Version der „Fürst Igor“ Ouvertüre. Klar in der Kontur und dazu schwungvoll im Grundtempo. Wuchtig und erdig erklangen die üppigen Streicher im einleitenden Sehnsuchtsmotiv, welches die Titelfigur prägnant kennzeichnet. Ungemein virtuos dann das Wechselspiel der Blechbläser, die den Weg für die Tanzrhythmen bereiteten, die in diesem Werk so präsent sind. Beste Gelegenheit also, dass die russischen Gäste ihre klanglichen Vorzüge ins beste Licht stellen konnten.

Solist des Abends war der 24jährige vielfach ausgezeichnete Pianist George Li, der sich eines der schwersten Klavierkonzerte ausgesucht hatte.

Sergej Rachmaninow komponierte mit seinem dritten Klavierkonzert ein zeitlich umfangreiches Werk mit z.T. horrenden Anforderungen an den Pianisten. Gerade einmal zwei Takte Orchestereinleitung genügen, ehe das Klavier mit leichten Oktaven einsetzt. Die kantable, prägnante Melodie gemahnt an russische Volksmusik, war aber lediglich etwas, wie Rachmaninow es formulierte, was sich von selbst formulierte. Bereits der erste Satz ist in seinen Anforderungen ein Konzert in sich, was z.T. auch der ausführlichen Kadenz geschuldet ist.

Im Adagio des zweiten Satz wird ein sensibler Ruhepunkt gebildet, in welchem Themen aus dem ersten Satz aufgegriffen und verarbeitet werden. Nahtlos ist der Übergang dann in den virtuosen Schlußsatz, welcher am Ende in einen Klangrausch größter Farbigkeit mündet und in einer kurzen Stretta endet.

Es war schon eine außergewöhnlich reife Leistung, die George Li am Flügel zeigte. Allein die technische Bewältigung dieses Konzertes geriet verblüffend souverän. Mit viel Energie und starker Kraft, vor allem in der linken Hand, bediente er die kaum spielbaren Herausforderungen mit entwaffnender Leichtigkeit. Aber er konnte auch die Dynamik zügeln und vor allem im zweiten Satz kontemplativ agieren. Der dritte Satz kam wie ein Hexentanz auf Tasten daher. Zugespitzte Tempi, unendliche Energie, rasende Akkordwechsel und doch dann auch in dem großen Cantabile am Ende des Werkes, ein deutliches Ausbremsen. Im Verein mit dem sehr sensibel reagierenden Orchester wurde nun rubatoselig ausgesungen, dass es die pure Freude war.

Und natürlich brandete mit einem Aufschrei des Publikums nach dem furiosen Finale berechtigter Jubel auf. Li dankte mit einer ruhigen Zugabe.

Die Moskauer Philharmoniker waren ein hörbar gleichberechtigter Partner. Groß ist die Nähe des Klangkörpers mit dieser Musik. Auch hier gefielen wieder die herrlichen Streicher und die sensibel agierenden Holzbläser. Aber auch Blech und Schlagzeug ergänzten bestens den unverwechselbaren Klang der Philharmoniker. Völlig souverän im Einklang mit der Musik agierte Dirigent Yuri Botnari.

 

An dieser Stelle muss die große Konzentrationsfähigkeit aller Musiker gepriesen werden. Denn während des gesamten Klavierkonzertes (!) störten permanente hohe Pfeiftöne den Genuss des Konzertes erheblich. Erst nach der Pause war es damit vorbei. Unbegreiflich ist es, dass das Abstellen derart lang dauerte. Das hat kein Musiker und kein Publikum verdient!

Im zweiten Konzertteil erklang von Peter Tschaikowsky dessen sechste Symphonie, die „Pathétique“. Ahnte Tschaikowsky sein nahendes Ende? Das Schicksal spielt motivisch auch in diesem Werk eine dominante Rolle. Die Moskauer Philharmoniker gaben der Musik alle Ehre und den großen Respekt, die diesem Meisterwerk gebührt. Yuri Botnari war erkennbar tief in das Werk eingetaucht.

Überlegen und klar ausgewogen in der dynamischen Gestaltung entfaltete die Musik ihren so besonderen unwiderstehlichen Sog. Ruppige Akzente in den Streichern, infernalisch aufspielende Blechbläser in der Durchführung des ersten Satze, kantabel tönende Holzbläser und dazu die strahlend prasselnden Beckenschläge im berühmten dritten Satz. Der dritte Satz geriet derart mitreißend, dass danach spontaner Jubel aufbrandete. Danach im vierten Satz das Sterben, ein Aushauchen der Seele, der Tod kommt mit einem vernehmlichen Schlag auf das Tam-Tam. Bis zur Unhörbarkeit erstarben die Streicher im fahlen Pianissimo. Ein langer Moment der Stille. Wunderbar.

Die Moskauer Philharmoniker zeigten sich als Orchester mit unverwechselbarem Klang. Hier agierte ein Orchester, welches in seiner Spielbegeisterung kaum zu bändigen war. Begeisternd war der große, sehr üppige Tonfall des gesamten Orchesters. Herausragend die dynamische und gestalterische Bandbreite der Blechbläser. Diese konnten auf dem Höhepunkt der Durchführung im ersten Satz die Dynamik extrem ausweiten. Dabei arbeitete Botnari spannende Farbgebungen heraus, indem er die Tuba deutlich exponierte, die sonst wunderbar in der Gruppe eingebunden erklang. Strahlend und absolut sicher musizierten die Hörner, die vor allem im dritten Satz deutliche Akzente setzen konnten. Und immer wieder eine Freude in einem russischen Orchester ist die Gruppe der Schlagzeuger. Mit welcher Verve und rhythmischen Präzision zauberten Pauke und übriges Schlagwerk begeisternde Effekte. Dazu die sehr klang-intensiven Streicher, die vor allem in den Unisono-Stellen mitreißend agieren.

Das Publikum war zurecht sehr begeistert. Und die Moskauer Philharmoniker ließen sich nicht lange bitten. Yuri Botnari gewährte großzügig drei (!) Zugaben, Tänze aus den Balletten „Dornröschen“ und „Schwanensee“. Nun agierten die Musiker derart entfesselt, stampften im spanischen Tanz rhythmisch mit den Füßen auf dem Boden, dass das Publikum vollends in Euphorie geriet. Das komplette Publikum jubelte fortwährend. Stehende Ovationen!

Ein großartiger Konzertabend!

 

Dirk Schauß

01. Februar 2020

 

 

DORNRÖSCHEN op. 66

Ballettmusik in konzertanter Aufführung,

Konzertfassung von Vladimir Jurowski

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Leitung: Vladimir Jurowski

 

Kurhaus Wiesbaden, 20. Dezember 2019

 

 

Am Ende seines sehr erfolgreichen Konzertjahres präsentierte das Rheingau Musik Festival ein Sonderkonzert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB). Auf dem Programm stand eine Rarität des Konzertrepertoires.

Als sein bestes Ballett bezeichnete Tschaikowsky sein Werk Dornröschen, welches zum Standardrepertoire der großen Ballettcompagnien gehört. 1890 erfuhr es seine Uraufführung am legendären Mariinsky-Theater in St. Petersburg. Nur selten gelangt dieses Werk konzertant zur Aufführung.

Es war ein Herzensanliegen von Chefdirigent Vladimir Jurowski mit seinem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in einer kleinen Tournée dieses Werk in den Mittelpunkt eines langen Konzertabends zu stellen. Die Musik ist ein großes Feuerwerk der Inspiration und der Phantasie. In seinen Ballettmusiken experimentierte Tschaikowsky mit der Instrumentation. Viele Effekte daraus hielten Einzug in seinen Symphonien und Opern. Der Kampf zwischen Gut und Böse fand in dieser Partitur eine geniale, farbenfrohe Umsetzung. Vladimir Jurowski legte eine eigene Zusammenstellung des Werkes zugrunde. Mit etwas mehr als zwei Stunden konnte das Publikum tief eintauchen in die musikalische Märchenwelt des großen russischen Meister-Komponisten.

Vladimir Jurowski, der designierte GMD des Nationaltheaters München, ist dieser Tage viel unterwegs. Gerade auch auf Tournée mit seinem London Philharmonic Orchestra demonstrierte er eindrucksreich seine emotionale Verbundenheit mit der Musik seiner Heimat. Und so war es keine Überraschung, Ohrenzeuge einer musikalischen Sternstunde zu sein, wie sie kaum mitreißender vorstellbar sein dürfte.

Jurowski entfesselte mit seinem hingebungsvoll musizierenden Orchester einen nicht enden wollenden Sog der tiefen Empfindung. Innige groß ausmusizierte Phrasierungen in den Melodieverläufen sorgten für viele Wonnemomente. Immer wieder verblüffte die geradezu bildhafte Deutlichkeit des musikalischen Ausdruckes bei den Orchestermitgliedern. Selten dürfte der entzückende Tanz zwischen dem gestiefelten Kater und der weißen Katze derart illustrativ vorgetragen sein, wie es an diesem schönen Konzertabend zu erleben war. Ebenso mitreißend die rhythmischen Finessen und gewaltigen Steigerungen der Partitur. Hier konnte sich der Dirigent auch auf seine sehr differenzierten Schlagzeuger verlassen. So setzte Arndt Wahlich an der Pauke großartige, immer wieder bestens in den Gesamtklang eingebundene Akzente. Jurowsi zelebrierte jeden musikalischen Moment als würde dieser im Moment des Erklingens gerade erstmals entstehen. Jeder Takt ein edel gemalte Kostbarkeit.

Ein solcher Hochgenuss ist nur vorstellbar, wenn ein Orchester über die gebotene Spielfertigkeit verfügt und sich bereitwillig auf die Intentionen des Dirigenten einstellt. Das Rundfunk-Sinfonieorchester zeigte eine begeisternde Gesamtleistung voller Elan und ausdauernden Engagements. Der Klangkörper agierte als ein Instrument, welches mit seinem Dirigenten eine beglückende Symbiose schuf. Die Chemie zwischen dem RSB und Vladimir Jurowski stimmt. So eingeschworen agierten die Musiker und ihr charismatischer Dirigent miteinander. In allen Spielgruppen zeigte sich die hohe Klangqualität des Orchesters. Das Werk bietet nahezu allen Instrumenten immer wieder Gelegenheit, solistisch zu brillieren, was in Wiesbaden mustergültig gelang.

Ein samtiger Streicherklang, konditionsstarke Blechbläser, sensibel-kantabel intonierende Holzbläser und knackige Schlagzeugeinwürfe machten das konzertante Ballett zu einem unvergesslichen Hörerlebnis. Besondere Erwähnung müssen stellvertretend Maud Edenwald an der Harfe finden, die mit starker klanglicher Intensität an ihrem kostbaren Instrument für viele glanzvolle Momente sorgte. Großartig auch Arthur Hornig in seinem hoch kantabel vorgetragenen Cello-Solo. In einem sehr ausladenden Violin-Solo begeisterte der hoch virtuose Konzertmeister des RSB's, Erez Ofer, mit seiner außerordentlichen Souveränität und der Klangschönheit seiner Violine. 

Das Publikum zeigte sich zurecht überschäumend in seiner Begeisterung und belohnte die Ausführenden mit stehenden Ovationen!

 

Dirk Schauß, 21.12.2019

Credit © RMF / Ansgar Klostermann

 

 

Gewandhausorchester Leipzig

 

Friedrich-von-Thiersch-Saal, Kurhaus Wiesbaden, 22. August 2019

 

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 8 c-moll WAB 108
Andris Nelsons Leitung

Beseelte Feierlichkeit

Nach dem spektakulären Konzert mit dem London Symphony Orchestra unter Sir Simon Rattle, welches eine Woche zuvor an gleicher Stelle statt fand, nun ein weiterer symphonischer Gipfelabend im Rahmen des diesjährigen Rheingau-Musikfestivals.

Eingeladen war das traditionsreiche Gewandhausorchester Leipzig mit seinem lettischen Chefdirigenten Andris Nelsons. Auf dem Programm des Abends stand mit der achten Sinfonie von Anton Bruckner dessen umfangreichste Sinfonie zur Aufführung.

Der Komponist arbeitete insgesamt fünf Jahre an seiner Sinfonie und wie so oft, folgten von ihm diverse Überarbeitungen, z.B. von Leopold Nowak, die auch Nelsons bei seinem Konzert wählte. Dirigent Hans Richter leitete schließlich die Uraufführung in der finalen Fassung im Jahr 1892.

Andris Nelsons beschäftigt sich aktuell mit einer Gesamteinspielung aller Bruckner Sinfonien mit dem Gewandhausorchester. Seine genaue Kenntnis des Werkes war jederzeit bezwingend spürbar.

Bereits im einleitenden Allegro moderato des ersten Satzes traf Nelsons hervorragend den mystischen Grundton. Schon der Auftakt machte deutlich, hier ereignet sich ein besonderer musikalischer Moment! Dann immer wieder harmonische Schärfungen und geballte klangliche Entladungen in einem großen Spannungsbogen, zuweilen in größter Vehemenz ausmusiziert. Die dynamische Bandbreite war hier bereits im Eingangssatz außergewöhnlich groß, so dass gerade dann das besonders leise Verklingen des Satzes eindrücklich geriet. Die kantabel intonierenden Holzbläser sorgten immer wieder für wohlige Ruhemomente.

Ungewöhnlich und erstmals in einer Sinfonie von Anton Bruckner, das Scherzo als zweiter Satz. Nelsons arbeitete sprübar markant die rhythmischen Akzente heraus, so z.B. sehr pointiert die Solo-Pauke am Beginn des Satzes. Auch hier waren die fabelhaften Blechbläser des Gewandhausorchesters perfekt eingestellt und im Zusammenspiel äußerst präzise. Immer wieder eine Insel der Tröstung das As-Dur Trio in der Mitte des Satzes.

Von größter Eindringlichkeit und Höhepunkt des Konzertabends war das ausladende Adagio, in welchem Bruckner u.a. die Harfen exponiert zum Einsatz brachte. Die große Verehrung Richard Wagners klingt gerade hier immer wieder überdeutlich an, sogar ein Motiv aus dessen „Siegfried“ ist zu hören. Tuben und Schlagzeug geben diesem längsten Satz aller Bruckner Sinfonien eine besondere Feierlichkeit. Und Andris Nelsons war hier ganz bei sich, hörte, fühlte und grub sich geradezu tief in die Musik hinein. Für diesen Satz nahm sich Nelsons viel Zeit, ja fast wollte die Zeit still stehen, während die Musik weiterfloss, ohne zu stocken. Sein Staunen und sein lebhafter gestischer Ausdruck wurde von dem hingebungsvoll musizierenden Gewandhausorchester geradezu symbiotisch aufgesogen. Mit größter Sensibilität und Wachsamkeit eröffneten die famosen Streicher einen filigranen, weichen und zugleich nobel tönenden Klangteppich, so dass sich dem Zuhörer ein weiter, unendlicher Klangkosmos eröffnete.

Pompös und aufrauschend dann der gewaltige Finalsatz mit seinen heftigen Paukenakzenten zu Beginn, die an eine Reiterschar denken lässt. Andris Nelsons wahrte auch hier perfekt die dynamische Balance und begann diesen Satz in einem furios nach vorne stürmenden Tempo. Faszinierend seine musikalische Klarsicht auf die z.T. verästelte musikalische Struktur und die vielen Fugatoeinschübe. Auch in den gewaltigen polyphonen Aufschichtungen gewährleistete Nelsons eine klare Transparenz bis in die Nebenstimmen hinein. Herrlich derb und markant das laute Ostinato der Solo-Pauke, gefolgt von drastisch heraus gemeißelten Dissonanzen in den Blechbläsern. Das Finale am Satzende geriet in seinem ruhigen und sehr klar gegliederten Aufbau überwältigend.

Das Gewandhausorchester Leipzig ist seit jeher intensiv mit der Musik Anton Bruckners vertraut. Es war imponierend zu erleben, wie souverän und warmstimmig alle Instrumentalgruppen miteinander musizierten. Mit höchster Konzentration, großer Ausdauer und bestechender Klangqualität zeigte das Gewandhausorchester seine herausragende Qualität, die sich fortwährend in einem edlen Klangpanorama aufzeigte. Der Klang des Orchesters ist einzigartig, wirkt samtig, golden und doch immer auch zupackend, geradezu körperlich, wenn es gefordert war. Was besonders beeindruckte, war das erlebbare Miteinander des Orchesters, die Musiker hörten aufeinander und reagierten sehr sensibel. Der warme Klang der Streichergruppe, die immer weich intonierenden Holzbläser, das majestätische, ungemein sicher, ausdauernde Blech und die fabelhaften Schlagzeuger verliehen diesem Konzert einen Ausnahmecharakter.

Es war eine Bruckner Interpretation gegen den musikalischen Zeitgeist, nicht weichgespült oder durch willkürliche interpretatorische Mätzchen verflacht. Nein, es war ein musikalisches Bekenntnis, welches Andris Nelsons mit seinem hingebungsvoll agierenden Gewandhausorchester Leipzig formulierte! Sehr subjektiv und dadurch unwiderstehlich in seiner Überzeugungskraft!

Das Publikum im ausverkauften Konzertsaal wusste diesen besonderen Abend zu würdigen und feierte Nelsons sowie das Gewandhausorchester Leipzig mit ausdauernden Intensiv-Huldigungen.

 

Dirk Schauß, 23. August 2019

Foto (c) Klostermann

 

 

Konzert mit dem London Symphony Orchestra

Janine Jansen Violine

Sir Simon Rattle Leitung

Friedrich-von-Thiersch-Saal, Kurhaus Wiesbaden, 15. August 2019

 

Joseph Haydn Sinfonie Nr. 86 D-Dur Hob I:86
Felix Mendelssohn Bartholdy Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
Sergei Rachmaninow Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27

Unbedingtheit des Ausdrucks

Erstmals gastierte im Rahmen des Rheingau Musikfestivals Sir Simon Rattle. Seit September 2017 ist Rattle aktueller Chefdirigent des 1904 gegründeten London Symphony Orchestra's (LSO). Der Abend zeigte, welch gutes Bündnis da geknüpft wurde.

Zum Auftakt wählte Rattle die Sinfonie Nr. 86 von Joseph Haydn, eine der sog. Pariser Sinfonien. Sehr schön traf Rattle und sein fabelhaftes Orchester den getragenen Beginn der Einleitung, um dann im anschließenden Allegro spiritoso klar die Strukturen transparent zu musizieren. Groß dann der Kontrast im Largo des zweiten Satzes, das in seiner eher meditativen Grundstimmung einen ganz anderen Farbbogen auffächerte. Das dann folgende ausladende Menuett wirkte da schon fast etwas pompös, was völlig angemessen war. Herrlich dann auch im Wal zerteil die feinen, dezenten Rubati, die Rattle setzte. Spritzig und quirlig zugleich dann der beschließende vierte Satz. Rattle und sein Orchester agierten äußerst wach und delikat in den verschiedenen Klangschattierungen. Das LSO spielte in den Streichern ohne Vibrato, die Pauke akzentuierte mit harten Schlägeln, sekundiert von spitzen Trompetenakkorden. Jede Note erhielt eine Bedeutung und erklang dazu mit viel musikalischem Subtext. Während des ganzen Konzertabends dominierte die Unbedingtheit des Ausdrucks.

Mit Janine Jansen war eine wunderbare Solistin aufgeboten, die das viel geliebte Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy mustergültig interpretierte. Mit Rattle verband sie eine überzeugende Zwiesprache im musikalischen Dialog, was besonders im kantablen Andante des zweiten Satzes zum Ausdruck kam. Das Orchester überzeugte als echter Partner, das in allen Gruppen eine hervorragende Qualität gewährleistete. Großartig, wie Rattle den Phrasierungen sensibel nachspürte und dynamisch perfekt gewichtete. Selten war der Orchesterpart dieses besonderen Konzertes so zwingend zu erleben. Ein Fest der Virtuosität dann im letzten Satz, in welchem die Töne der Solo-Violine sich wie erlesene Perlen aneinander reihten. Janine Jansen wirkte zu keinem Zeitpunkt routiniert, sondern hoch engagiert, tief mitfühlend. Die dynamische Abschattierung ihrer Phrasierungen geriet perfekt. Faszinierend ihre Bandbreite an Pianofärbungen, dabei jedoch immer im vollen Ton ihres herrlichen Instrumentes. Das Publikum reagierte mit riesiger Begeisterung und stehenden Ovationen. Und natürlich gab es eine Zugabe. Gemeinsam mit dem Konzertmeister des LSO's musizierte sie ein heiteres Pizzicato-Duell von Bela Bartok.

Nach der Pause zeigte Sir Simon Rattle seine besondere Verbundenheit mit der Musik von Sergej Rachmaninow. Seine 2. Sinfonie musizierte Rattle bereits mehrfach mit den Berliner Philharmonikern. Und es war eine bewegende Hörerfahrung, den endlosen melodischen Reichtum dieses herrlichen Werkes so lebhaft musiziert zu erleben.

Ursprünglich entstand die Sinfonie in den Jahren 1906/07, als Rachmaninow länger in Dresden weilte. 1908 dirigierte er selbst seine Uraufführung in St. Petersburg. Die schwärmerischen anmutenden Streicherpassagen sind ein besonderes Erlebnis und erstaunen stets aufs Neue, wie gekonnt Rachmaninow seine musikalischen Eingebungen realisierte. Dazu immer wieder berückende Soli, wie z.B. in der Solo-Klarinette des dritten Satzes. Und schlussendlich akzentreiche Schlagzeugeffekte im vierten Satz gestalten dieses Werk sehr publikumswirksam.

Ein Paradewerk für ein Spitzenorchester. Das London Symphony Orchestra ist mit dem symphonischen Werk Rachmaninows lange vertraut. So entstand u.a. eine Referenzaufnahme der 2. Sinfonie unter Leitung von Gennady Roshdestvensky und Rattles Vorgänger, Valery Gergiev, spielte mit dem LSO ebenso alle Symphonien Rachmaninows für die CD ein.

Und so zeigte das London Symphony Orchestra seine Könnerschaft in allen Belangen. Herrlich klangreich agierte der groß besetzte Streicherapparat, dabei immer wieder sensibel aufeinander reagierend. Rattle achtete stringent darauf, dass in den vielen Fugato-Passagen Transparenz und Durchhörbarkeit realisiert wurde. Rattle ist von jeher ein meisterlicher Dirigent, der mikroskopisch genau die Nebenstimmen auffächern kann. Rattle trieb dabei sein Orchester immer wieder an und hörte zugleich tief in die Strukturen hinein. Und so konnte er geradezu genüsslich die polyphone Melodieführung der Komposition als endlosen Dialog der einzelnen Stimmgruppen bezwingend ausgestalten.

Exquisite Solisten des LSOs machten die Sinfonie zu einem besonderen Erlebnis. Der Solo-Klarinettist überzeugte mit endlosem Atem und feinstem Legatogefühl. Sehr engagiert mit weichem Ton zeigte der Konzertmeister des LSOs seine spielerische Kompetenz in seinen Soli. Weich und sauber in der Intonation musizierte das viel geforderte Blech: Hörner, Trompeten, Posaunen und Tuba intonierten absolut präzise und sauber. Und ein Erlebnis für sich, war das viel geforderte Schlagzeug, das vor allem im zweiten und vierten Satz zu intensivem Einsatz kam. Faszinierend, wie klangvoll die vielen Pianissimi der Schlagbecken im zweiten Satz erklangen.

Am Ende dann großer Jubel im Publikum im ausverkauften Kurhaus und auch hier stehende Ovationen. Als Zugabe wählte Rattle einen leisen Schluss mit Eric Saties Gymnopedie. Wie delikat und feinfühlig anders zeigte sich hier der wunderbare Klangkörper, veredelt durch ein herrliches Solo der Oboe.

Ein wunderbarer Abend!

 

Dirk Schauss 16.9.2019

© RMF / Ansgar Klostermann oder © RMF / Sabine Siemon

 

 

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