DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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www.theater.ulm.de

 

Dracula - Das Musical

Premiere: 11.06.2021

besuchte Vorstellung: 12.06.2021

 

Großes Open-Air-Musical auf der Wilhelmsburg

 

Lange Zeit stand die Premiere des Musicals „Dracula“ von Frank Wildhorn auf der Wilhelmsburg in Ulm auf der Kippe. Allerdings fielen auch hier zuletzt die Corona-Inzidenzen deutlich, so dass die Premiere am 11. Juli 2021 planmäßig über die Bühne gehen konnte. Und gleich vorweg, das Theater Ulm hat ein sehr durchdachtes Sicherheitskonzept entwickelt, so dass man sich rund um den Theaterbesuch im Freien bestens aufgehoben fühlte. Auch das Wetter spielte perfekt mit, am gesamten Premierenwochenende war der Himmel über Ulm strahlend blau und die Temperaturen auch am späteren Abend noch angenehm. Den Beginn hatte das Theater bewusst auf 20.30 Uhr gelegt, so dass der gesamte zweite Akt nach Sonnenuntergang gespielt wurde und die vielen Lichteffekte ihre ganze Wirkung entfalten konnten. Doch vorab kurz zum Inhalt des Musicals. Das Programmheft erklärt den Inhalt recht treffend für „ein Publikum unter Zeitdruck“, so dass diese Inhaltsbeschreibung hier kurz wiedergegeben werden soll: „Der junge Anwalt Jonathan Harker verschafft dem düsteren Grafen Dracula recht unfreiwillig einen Wohnsitz in London. Dracula ist ein Vampir, doch Jonathan begreift das Unvorstellbare zu spät. Längst treibt der Graf in der Weltmetropole sein Unwesen und stellt vor allem Harkers Ehefrau Mina nach, in die er sich verliebt hat. Blut tränkt seinen Weg. Nur der Vampirologe Abraham van Helsing und ein paar mutige Männer stellen sich mit Minas Hilfe dem vermeintlichen Monster in den Weg.“

 

Gespielt wird die deutsche Übersetzung von Roman Hinze in der Orchestrierung von Koen Schoots. Die Titelrolle übernimmt in Ulm Thomas Borchert, der bereits bei der deutschsprachigen Erstaufführung in St. Gallen sowie bei der auf CD erschienen Grazer Inszenierung die Rolle des Grafen Dracula verkörperte. Auch die weiteren Rollen sind in Ulm hochkarätig besetzt. Mit Patrick Stanke als Professor van Helsing gelang dem Theater ein Glücksgriff, die Rolle scheint dem bekannten Musicaldarsteller geradezu auf den Leib geschrieben zu sein, ganz hervorragend. Als Mina Murray kann Alexandra-Yoana Alexandrova mit einer klaren Stimme überzeugen, die auch die höchsten Töne genau trifft. Philip Schwarz (Jonathan Harker), Navina Heyne (Lucy Westenra) und John Davies (Renfield) füllen die weiteren Hauptrollen exzellent, doch auch darüber hinaus ist die Produktion bis in die kleinste Rolle treffend besetzt. Dazu kommen der Opernchor und der Extrachor des Theater Ulm, so dass stellenweise bis zu 50 Darsteller auf der Bühne stehen, sowas hat man lange nicht mehr erleben dürfen.

 

Die Inszenierung von Alex Balga ist konsequent auf die Geschichte gerichtet und weiß durch eine geschickte Personenführung zu gefallen. Auf überflüssigen Schnick-Schnack oder allzu überzogene Deutungen wird zum Glück verzichtet. Dennoch werden immer wieder sehenswerte Akzente gesetzt, insbesondere bei den Vampir-Angriffen. Ob dabei nun unbedingt ein Baby verspeist werden muss, kann dann vielleicht einfach mal unbeantwortet stehen bleiben. Die Ausstattung liegt bei Petra Mollérus, die sehr schöne Kostüme geschaffen hat. Die große Bühne bietet, wie bei Open-Air-Inszenierungen oftmals üblich, rechts und links Räume für kleinere Ortswechsel, die ohne große Umbaumaßnahmen bespielt werden können. Sehr gelungen ist hierbei auch die Abgrenzung zwischen weißem und schwarzem Bühnenboden, um die verschiedenen Handlungsorte voneinander zu trennen. Besonders erwähnenswert sind noch die gelungenen Choreografien von Matt Huet und das Lichtdesign von Michael Grundner, welches vor allem nach der Pause voll zur Geltung kommt.

 

Unter der musikalischen Leitung von Hendrik Haas spielt das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm sowohl die rockigen wie auch die leisen Nummern des Musicals stehts treffend und auch die Soundabmischung passt perfekt, so dass der Abend dem Musicalfan ein lange nicht mehr erlebtes Glücksgefühl bescheren kann. Dies sahen auch die Zuschauer so, die dem Orchester und allen Darstellern nach rund 2 ¾ Stunden einen langen und intensiven Applaus spendierten. Was das Theater Ulm hier geleistet hat ist aller Ehren wert. Dazu ist auch der Innenhof der Wilhelmsburg sehr nett gestaltet, was den positiven Eindruck des Abends abrundet. Alle Freunde des Musicals, die so lange auf eine neue große Produktion gewartet haben, sollten eine Reise nach Ulm durchaus in Betracht ziehen. Zu sehen ist Dracula dort noch bis zum 23. Juli 2021.  

 

Markus Lamers, 15.06.2021
Fotos: © Jochen Klenk

 

 

 

ROCK OF AGES

DE am 7.6.2018

 

Was ein vergleichsweise kleines Stadttheater zu leisten vermag, zeigte das Theater Ulm in der vergangenen Woche. Nur einen Tag nach der letzten Aufführung von Richard Strauss „Elektra“, die in jeder Hinsicht vollkommen überzeugen konnte und sowohl gesanglich, musikalisch wie auch von der Inszenierung auf ganz hohem Niveau stattfand, folgte am 07.06.2018 die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals „Rock of Ages“. Das Musical von Chris D’Arienzo und Ethan Popp ist, wie im Vorfeld zu vernehmen war, ein Wunschstück vom scheidenden Intendanten Andreas von Studnitz, der sich hiermit auch gleich auf der Bühne von seinem Publikum gebührend verabschieden konnte. Vorab kurz zum Inhalt des Stückes, welches in Los Angeles während der 80iger-Jahre angesiedelt ist. Lonny Barnett arbeitet in im Bourbon-Room, der Bar von Dennis Dupree und nimmt uns von dort als Erzähler der Geschichte mit auf eine Reise über den brodelnden Sunsetstrip der Stadt. Doch der Bauunternehmer Klineman will just an dieser Stelle ein modernes Shoppingcenter errichten und überzeugt den Bürgermeister hiervon mit vielleicht nicht ganz legalen Mitteln. Um „seinen Laden“ zu retten, müssen Einnahmen her, hier soll ein Konzert des Superstars Stacee Jaxx helfen, der Dupree noch einen Gefallen schuldet.

Gleichzeitig suchen der junge Drew Boley und die vom Lande stammende Sherrie Christian in Los Angeles ihr Glück als Sänger bzw. Schauspielerin. Damit wäre auch schon das Wichtigste gesagt, denn selbst Regisseur Arthur Castro erwähnt im Programmheft, dass die Geschichte schlicht – boy meets girl – und die Handlung fast nur ein Vehikel ist, um die 20 Nummer-Eins-Hits zu feiern. Hiermit meint er viele beliebte (Glam-)Rocksongs der 1980er wie beispielsweise „The Final Countdown“, „Wanted Dead or Alive“, „I wanna rock“, „We build this city“, „We´re not gonna take it“, „Waiting for a girl like you“, „More than words“, „Hit me with your best shot“, „I wanna know what love is“ und vielen anderen mehr. Doch „Rock of Ages“ ist viel mehr als ein weiteres Best-Of-Jukebox-Musical, denn Ethan Popp ist es gelungen die Songs teilweise geschickt neu zu arrangieren und ineinander überfließen zu lassen, so dass es einfach Freude macht. Dargeboten werden die Songs wunderbar von der 5köpfigen Rockband unter der musikalischen Leitung von Ariane Müller, was für dieses Musical eine absolut ausreichende Größe ist. Zudem hatte sich das Philharmonische Orchester, welches am Abend zuvor wie erwähnt zu Hochtouren aufspielte auch mal eine Pause verdient. Castros Regie ist dem Stück sehr dienlich, da er der recht einfachen Geschichte Raum gibt sich zwischen und mit den Songs zu entfalten ohne die Story zu ernst zu nehmen.

Zudem gelingt es ihm immer wieder durch viele kleine Gags und netten Ideen, dem Humor der Originalinszenierung gerecht zu werden. Hier lieferte auch Holger Hauer im Vorfeld der Produktion ganze Arbeit bei der deutschen Übersetzung der Sprechtexte ab, die Songs blieben soweit im englischen Original, alles andere wäre auch schlicht und einfach nicht möglich oder sinnig. Die Gags sind bis auf wenige Ausnahmen treffend und pointiert. Eine sicherlich nicht leichte Aufgabe wurde hier so zufriedenstellend gelöst, dass das Ulmer Publikum sichtlich Spaß in der Premiere hatte. An dieser Stelle auch ein besonderes Lob an eben jenes Publikum. Ich bin ja nun wahrlich oft und viel im Theater, aber ein so begeistertes Publikum voller Vorfreude auf eine Uraufführung habe ich selten erlebt. Dies begann gleich zu Beginn, wo der Funke bereits in der Eröffnungsnummer übersprang und hielt sich bis zum frenetischen Schlussapplaus auf einem konstant hohen Level ohne dabei störend zu wirken. Die Kostüme von Britta Lammers sind der Zeit schön angepasst. Die ebenfalls von ihr gestaltete Bühne ist dagegen praktikabel und recht schlicht gehalten, spielen doch auch die meisten Szenen im Bourbon Room. Andere Orte werden meist mittels kleiner Videowand eingespielt oder durch das Hubpodest aus der Unterbühne hochgefahren.

Wie erwähnt verabschiedet sich der Ulmer Intendant Andreas von Studnitz zum Ende dieser Spielzeit mit diesem Musical in der Rolle des Barbesitzers Dennis Dupree von seinem Publikum, was ihm überzeugend gelingt. Auch wenn er gesanglich mit dem übrigen Ensemble nicht mithalten kann (was zwischenzeitlich auch als kleiner Gag mit eingebaut wird) und sein Mikroport ihn bei der Premiere das ein oder andere Mal im Stich ließ, gibt er den stark an Ozzy Osbourne erinnernden „Altrocker“ mit Hingabe und Komik. In den Hautrollen überzeugen Sascha Lien als Drew, Navina Heyne als Sherrie sowie die bekannten Musicaldarsteller Thomas Borchert als Stacee Jaxx und Henrik Wager als Lonny Barnett. John Davies überzeugt als Franz Klineman, Sohn des Bauunternehmers, gesanglich wie auch komödiantisch. Dass er 1988 als seinerzeit jüngster Darsteller zu Recht eine Rolle beim Starlight Express besetzte, zeigt er auch bei Rock of Ages, denn Rollschuh fahren, kann er noch heute ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen. Auch die weitere Cast weiß zu gefallen, abgerundet wird dieser rundum unterhaltsame und gelungene Theaterabend von der Balettcompagnie des Theater Ulm, für die Choreographie zeichnet sich hierbei Damien Nazabal verantwortlich.

 

Sicherlich ist die (Rock-)Musik des Stückes nicht jedes Opernfreundes Geschmack, allerdings zeigt das Theater Ulm hier wie wunderbar vielfällig ein Spielplan sein kann und dass der von einigen Intendanten nach wie vor gemiedene Bereich des Musicals durchaus positiv zum Gesamtbild des Theaters beitragen kann. Wenn dies in einer derartigen Qualität wie hier geschieht, ist es diesem ja auch recht prominent verfilmten Werk absolut würdig, welches zudem für zahlreiche Tony- und Grammy-Awards nominiert war. So macht ein Musicalbesuch richtig Freude, eine herausragende Leistung was hier in Ulm vollbracht wurde. 

 

Markus Lamers, 09.06.2018
Fotos: © Jean-Marc Turmes / Theater Ulm

 

 

 

AIDA auf der Wilhelmsburg

Besuchte Aufführung: 13. Juni 2017

Triumphmarsch einmal ganz anders…

Alle zwei Jahre zieht das Theater Ulm mit einer Musikproduktion auf die nahe Wilhelmsburg. Bisher waren das im wesentlichen Musicals. In diesem Jahr entschloss man sich, zum ersten Mal im weiten Innenhof der Burg eine Oper aufzuführen. Die Wilhelmsburg ist eine vom Deutschen Bund finanzierte Landesfestung und wurde 1842 bis 1859 vom preußischen Festungsbaudirektor und damaligen Oberst Moritz Karl Ernst von Prittwitz und Gaffron entworfen sowie unter seiner Leitung erbaut. Als erste Oper im weiträumigen Innenhof der Festung entschied sich das Theater Ulm für Giuseppe Verdis „Aida“. Regisseur Matthias Kaiser und sein Dramaturg Benjamin Künzel wählten mit der Bühnenbildnerin Britta Lammers und der Kostümbildnerin Angela C. Schuett, die geschmackvoll sowohl klassische wie auch aktuelle Aspekte in sich vereinende Kostüme schuf, ein traditionelle und zeitgenössische Theaterelemente zusammenführendes Regiekonzept, das bisweilen etwas experimentell wirkt, aber im Großen und Ganzen gelang.

Das recht einfach gehaltene Bühnenbild setzt sich aus einem weitflächigen Holzpodium mit mehreren Treppenabgängen zusammen, die auf die um das Podium herum liegende und mit einer Kiesschicht ausgelegten Spielfläche führen. So ergibt sich ein weiter Bühnenraum, der bei den großen Chorszenen und insbesondere beim Auftritt der Äthiopier seine Wirkung zeigt. Auch nach oben ist das Podium mit der Festung verbunden. Eine Treppe führt hinauf in eines der Fenster im 2. Stockwerk für Auf- und Abgänge des ägyptischen Hofstaats durch einen rot beflaggten Korridor. Beleuchtungstechnisch beeindruckend wirken aus der hier oben liegenden Fensterreihe später die Auftritte einiger Mitglieder des Chores. Ferner sind sowohl auf der Bühne wie auf der Fläche davor einige bordeauxrot verhüllte Mumiensarkophage zu sehen. Zwei von ihnen werden am Ende das also nicht gemeinsame Grab von Radames und Aida abgeben. Die Lichtregie von Marcus Denk wird zu einem bedeutenden dramaturgischen Stilmittel, insbesondere nach der Pause zum 3. Akt, als es dunkel genug war, um auch mit farblichen Effekten starke Stimmungen zu erzeugen. Im 2. Teil gab es aufgrund der Lichtverhältnisse dann auch deutsche Untertitel.

Nun haftet der „Aida“, bisweilen ein gewisser Ruch der Gigantomanie an, die sich besonders in dem auch vielen Nichtopernbesuchern (bis hin zum Fußballpublikum…) bekannten Triumphmarsch äußert. Gerade eine open air Produktion eignet sich dazu, den diesbezüglichen Erwartungen eines breiten Publikums zu entsprechen – man denke nur an die Arena von Verona. Diesem Stereotyp wollte aber das Ulmer Regieteam ganz und gar nicht nachgeben. Und das ist das eigentlich Besondere an dieser in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen „Aida“-Inszenierung.

Schon gleich zu Beginn deutet Matthias Kaiser mit der Auftrittsarie des Radamès an, dass es ihm um die charakterliche und emotionale Feinzeichnung der einzelnen Protagonisten und ihrer Schicksale geht. Darin sieht er auch Verdis Charaktere: „Menschen aus Fleisch und Blut mit all ihren Nöten, Ängsten und Träumen, die sich gerade nicht durch das exotische Ambiente oder einen vorgegaukelten Historismus definieren. Es sind Individuen, die an den starren Regeln und Forderungen der Gesellschaft zerbrechen.“ Während Radamès seinen Wunsch besingt, nach einem Sieg gegen die Äthiopier mit seiner Geliebten Aida eine gemeinsame Zukunft zu gestalten, erscheint diese auf der Spielfläche wie eine optische Dokumentation seiner Gedanken. Ähnlich gelingt es Kaiser auch, die ganz anders gelagerte Verzweiflung der Amneris zu zeigen, sowie die zunächst ausweglose Situation Amonasros. Immer wieder wird dieser Fokus auf die Individuen mit Lichtspots verstärkt, sodass dem Publikum trotz des großen Bühnenraums eine Indentifizierung mit der Tragik der jeweiligen Figur erleichtert wird.

Vor diesem Hintergrund von Einzelschicksalen sieht Matthias Kaiser und sein Dramaturg Künzel naheliegenderweise auch den sog. Triumphmarsch ganz anders als üblicherweise dargestellt. Und diese Uminterpretation des Triumphmarsches könnte man durchaus als Zentralaussage ihres Regiekonzepts bezeichnen. Pomp und Gloria, die dem Sieg der Ägypter über die Äthiopier huldigen, kann das Regieteam nicht das Geringste abgewinnen. Wie der Dramaturg im Programmheft schreibt, bestimmen hier die Mächtigen über das Schicksal der Schwächeren: „Die Opfer sind anonymisierte Kriegsbeute, menschliche Ressourcen, um die eigene Macht und den eigenen Wohlstand zu erhalten. Nicht Gold und Edelsteine, die mit Elefanten angekarrt werden, sind die Trophäen der Sieger, sondern die Besiegten selbst – ihnen gibt Verdi auch eine Stimme, die aber im Triumphgetöse unterzugehen droht. Diese Kriegsgefangenen werden zum erschütternden Gegenstand des Triumphmarsches, der mit ohrenbetäubender Brutalität die Unmenschlichkeit zu verherrlichen versucht.“ Dramaturgisch setzt das Regieteam diese Interpretation ebenso menschlich berührend wie irritierend um. Man sieht neben den gefangenen Äthiopiern auch ihre Kinder, die unter dem Thron des Königs von Ägypten und seiner Tochter Amneris um Gnade flehen. Und statt eines Balletts betreten, geschickt von Statisten geführt, vier riesige Skelette den Bühneninnenraum, während oben auf der Plattform die Ägypter mit Sekt ihren Sieg feiern. Zwei der Skelette tragen Gasmasken - deutlicher lassen sich die Folgen des Krieges, und nicht nur jene dieses Krieges zwischen den Ägyptern und Äthiopiern, kaum darstellen!

Das Ulmer Theater bot an diesem Abend ein exzellentes Sängerensemble auf, wobei die 18 Aufführungen mit den wichtigsten Protagonisten doppelt besetzt sind. Der in Frankreich geborene Tenor vietnamesischer Abstammung, Philippe Do, überzeugt mit einem ausdrucksvollen, baritonal unterlegten Timbre und sicheren Höhen und gab den Radamès mit einem hohen Maß an Emphase. Die Südtirolerin Marlene Lichtenberg ist eine Amneris, die mit ihrem klangvollen und ebenso zu beeindruckender Tiefe wie sauberen Spitzentönen fähigen Mezzosopran ein beeindruckendes Rollenporträt der stolzen Königstochter gibt und über große Bühnenpräsenz verfügt. Der dem Ensemble des Theaters Ulm angehörige Koreaner Kwang-Keun Lee singt einen exzellenten Amonasro mit seinem samtenen aber gleichwohl voluminösen und ausdrucksstarken Bariton. Es interpretiert am Ulmer Haus ein weit gestreutes Repertoire. Valda Wilson, gebürtige Australierin, beeindruckt als Aida mit einem hohen Maß an lyrischer Tonfärbung und einem schönen Legato und besticht durch eine verhalten emotionale Darstellung der Titelrolle. Allein man hätte ihr eine andere Perücke gewünscht. Der koreanische Bassbariton Wooram Lim gibt einen gesanglich guten und agilen König von Ägypten. Martin Gäbler, ebenfalls dem Ulmer Ensemble angehörig, ist ein Respekt gebietender und souveräner Oberpriester Ramfis mit wohlklingendem Bass. Die Koreaner Joung-Woon Lee als Bote und JungYoun Kim als Tempelsängerin runden das Sängerensemble ab. Der von Hendrik Haas einstudierte Opern- und Extrachor des Theaters Ulm sowie der Motettenchor der Münsterkantorei singen kraftvoll mit hoher Transparenz. Aufgrund der Größe des Spielraums sangen alle Sängerinnen und Sänger mit Verstärkung (Ton: Daniel Hatvani).

Der junge GMD von Ulm, wo einst Herbert von Karajan seine Karriere begann, Timo Handschuh, dirigierte das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm leider nicht, obwohl er im Programmheft stand. Am Pult stand Hendrik Haas. Er dirigierte aus dem Off, ohne dass es dabei zu Momenten mangelnder Koordination zwischen dem Orchesterraum in der Burg und der Freilichtbühne kam. Auf Monitoren bekamen die Sänger exakte Einsätze von Handschuh, der nicht nur die subtilen Momente, wie beispielsweise im Nilakt, aber auch die großen Steigerungen wie im Triumphmarsch facettenreich ausmusizierte. Es gibt noch weitere Aufführungen vom 21. Juni bis 15. Juli. Eine Reise nach Ulm lohnt sich!

 

Klaus Billand 20.6.2017

Fotos (c) Martin Kaufhold

 

 

 

 

TURANDOT

Besuchte Aufführung: 27.12.2015

Premiere: 24.9.2015

Rätselraten im totalitären Staat

Bereits die Uraufführung der „Turandot“ am 25.4.1926 ging als Torso über die Bühne der Mailänder Scala. Damals legte der Dirigent Arturo Toscanini nach Lius Tod unvermittelt den Taktstock nieder, wandte sich zum Publikum und sagte: „Hier endet das Werk des Meisters. Danach starb er“. Als Puccini im Jahre 1924 die Augen für immer schloss, war er mit der Komposition gerade bis an diese Stelle gekommen. Das Finale hat dann Franco Alfano im Auftrag des Verlegers Ricordi anhand von Skizzen des verstorbenen Tonsetzers fertiggestellt. Mit diesem Schluss, der entgegen den Intentionen Puccinis reichlich pompös und bombastisch ausfiel, konnte Toscanini nichts anfangen. Er legte das Vorgehen Alfanos, das auch heute noch umstritten ist, als Eigenmächtigkeit und Negierung des Willens Puccinis aus, was ihn veranlasste, die Oper bei ihrer erstmaligen Präsentation an besagter Stelle enden zu lassen. Das von Alfano nachkomponierte Duett zwischen Turandot und Calaf samt Happy End wurde erst ab der zweiten Aufführung gespielt.

Chor und Extrachor des Theaters Ulm

Mit Blick darauf, dass der Schluss von Alfano im Gesamtkontext der Oper einen Fremdkörper darstellt, wurde für die Neuproduktion am Theater Ulm ebenfalls die Fragment-Fassung gewählt. Die Absage an das von den meisten Bühnen gespielte fragwürdige Ende Alfanos und die Rücksichtaufnahme auf Puccinis Absichten wirkten sich an diesem Abend dann auf das offene Ende recht positiv aus. Die Aufführung schloss statt mit einem platten Happy End in tiefer Beklommenheit und ausgemachter Resignation. Wie es zwischen Calaf und Turandot weiter geht, weiß man nicht. Während der Vorhang fällt, setzt er an, die chinesische Prinzessin zu küssen. Ob ihm das gelingt, bleibt offen. Auf diese Weise stellt Regisseur Matthias Kaiser kurz vor dem Ausklingen der Musik noch ein gewichtiges Fragezeichen in den Raum und überlässt es dem Zuschauer, sich den Schluss auszumalen.

Edith Lorans (Liu), Eric Laporte (Calaf)

Einer Läuterung Turandots scheint er ebenso zu misstrauen wie allem traditionell überladenen fernöstlichen Pomp. Demgemäß setzt er zusammen mit Britta Lammers (Bühnenbild) und Angela C. Schuett (Kostüme) das dramatische Geschehen auch nicht konventionell in Szene, sondern kleidet es vielmehr gekonnt in ein modernes Gewand. Das Regieteam macht aus der „Turandot“ in überzeugender Art und Weise ein politisches Stück und lässt das Ganze in einem totalitären Staat spielen. Aus China wird Nordkorea, in dem der alte, im Rollstuhl hereingefahrene Kaiser Altoum passenderweise als Mao-Verschnitt erscheint. Von einer Tribüne aus beobachten grün uniformierte Soldaten und Soldatinnen, wie der persische Prinz zur Hinrichtung geführt wird und nehmen auch im Folgenden stark am Geschehen Anteil. Auf der rechten und der linken Wand der Bühne erblickt man Slogans wie „Führe uns, Prinzessin Turandot“ und „Turandot, Sonne der Partei“. Anklänge zum Bolschewismus werden spürbar. Überall sieht man auf die Wände gemalte geballte Fäuste. Immer wieder ragen bedrohlich Gewehrläufe aus Löchern in den Wänden heraus. Auf den Hintergrund ist eine Gruppe aus drei Personen projiziert: Zwei Gefangene - einer davon mit gleichsam zum Freiheits-Ruf erhobenem Arm -, die von einem bewaffneten Soldaten bewacht werden. Hier haben wir es mit einem gewalttätigen Staat zu tun, mit dem ganz und gar nicht zu spaßen ist und der sein Volk rigide unterdrückt.

Susanne Schimmack (Turandot), Chor und Extrachor des Theaters Ulm.

Den Bewohnern  ist es verwehrt, sich im Glanz der Herrscherfamilie, des Geheimdienstes und des Militärs zu sonnen. Sie leben in ständiger Unterjochung in einer Art schmutzigem Kanal. Als Zugang dient ein auf der linken Seite angebrachtes Rohr, aus dem zu Beginn Liu und Timur herein kriechen und dann auf den Touristen Calaf treffen. Im Folgenden bringt Liu Puppen an, mit denen Rollenspiele vollführt werden. Dieser Regeeinfall wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass alle im Kanal Beheimateten gleichsam Sklaven der Herrschaftsklasse sind. Sie werden von dieser aller Subjektivität beraubt und gleich Puppen zum bloßen Objekt degradiert. Ebenfalls mehr oder weniger Sklaven des mordlustigen Staates sind die drei Minister, die sich nach ihrer schönen Heimat sehnen und sich erheiternde Masken von Figuren Walt Disneys aufsetzen: Mickey Mouse, Goofy und Donald Duck. Dieses Konzept Kaisers ist voll aufgegangen. Wenn dann noch treffliche Charakterzeichnungen sowie eine gelungene, logische und flüssige Personenregie dazukommen, ist das Glück vollkommen.

 

Susanne Schimmack (Turandot), Edith Lorans (Liu), Eric Laporte (Calaf), Chor und Extrachor des Theaters Ulm

Gesanglich vermochte in erster Linie Eric Laporte vom Staatstheater Mainz in der Rolle des Calaf zu überzeugen. Nicht nur die berühmte Wunschkonzert-Nummer „Nessun dorma“ sang er mit atemberaubender heldenhafter Attitüde. Hier haben wir es mit einem sehr beachtlichen Tenor zu tun, der seiner schwierigen Rolle in jeder Lage mit sauber durchgebildeter, profunder und kräftiger Tongebung voll entsprach und auch in der Höhe großen stimmlichen Glanz entfaltete. Es mag an einer Indisposition, deretwegen sie sich ansagen ließ, gelegen haben, dass Susanne Schimmack als Turandot ihm gegenüber etwas abfiel. Sie hielt den Abend trotz besagter Erkrankung zwar insgesamt gut durch, an manchen hohen Stellen ging sie aber vom Körper weg, woraus eine schrille Tongebung resultierte. Auch Edith Lorans war ihr überlegen, die mit wunderbar samtigem und geschmeidigem, bestens fokussiertem und sehr emotional geführtem Sopran vorbildlicher italienischer Schulung die Liu sang. Einen vollklingenden, sonoren und ausdrucksstarken Bass brachte Don Lee für den Timur mit. Die Partien des Mandarins und des Ping wurden in Ulm zu einer Rolle zusammengefasst.

Tomasz Kaluzny sang sie mit insgesamt solidem Bariton, der ihm aber manchmal etwas in den Hals rutschte. Einen sehr dünnen und recht kopfig klingenden Tenor brachte Hans-Günther Dotzauer für den Altoum und den Pang mit. Da war es um Thorsten Sigurdssons Pong schon etwas besser bestellt. Die Stimme des Verurteilten gab Joung-Woon Lee. Als Kammerfrauen waren Jung Youn Kim und Helen Willis zu erleben. Ordentlich präsentierte sich der von Hendrik Hass einstudierte Chor und Extrachor des Theaters Ulm.

Eine Freude war es, dem Philharmonischen Orchester der Stadt Ulm zuzuhören, das unter der versierten Leitung von GMD Timo Handschuh zu großer Form auflief. Wieder einmal war zu konstatieren, welche hervorragende Aufbauarbeit Handschuh mit den Musikern in den letzten Jahren geleistet hat. Da wurde in höchstem Maße klangschön, konzentriert und mit feurigem Elan musiziert. Gewaltig erklangen die Massenszenen, nahmen aber niemals einen allzu bombastischen Klang an. Und die gefühlvollen Szenen liefen an keiner Stelle Gefahr, ins Kitschige abzugleiten. Darüber hinaus zeichnete sich Handschuhs beeindruckendes Dirigat durch eine einfühlsame Herausarbeitung der chinesischen Einflüsse auf die vielschichtige Partitur aus.

Fazit: Ein gelungener Abend, dessen Besuch durchaus empfohlen werden kann.

Ludwig Steinbach, 18.12.2015

Die Bilder stammen von Jochen Klenk

 

 

 

DIE LUSTIGE WITWE

Premiere: 6.11.2014

Hommage an die Fernseh-Operette der 1960er Jahre 

Man muss es schon sagen: Lehars Erfolgsoperette „Die lustige Witwe“ hat derzeit wieder Hochkonjunktur. Es sind schon einige Theater, die das heitere Werk diese Saison wieder auf den Spielplan gesetzt haben. Der Grund dafür ist leicht ersichtlich. In unsere von Finanz- und Eurokrise erschütterte Zeit passt die Geschichte um die millionenschwere Witwe, deren Zaster ein ganzes Land vor dem Bankrott retten soll, ganz hervorragend. Auch das Theater Ulm hat das Stück jetzt neu herausgebracht.

Oxana Arkaeva (Hanna), Chor

Gemessen an dem begeisterten Schlussapplaus des zahlreich erschienenen Publikums war die Premiere ein voller Erfolg. Indes kam die Aufführung über solides Mittelmaß nicht hinaus. Sie wirkte in jeder Beziehung noch steigerungsfähig. Das begann schon bei Michael Weiger am Pult, der zusammen mit dem Philharmonischen Orchester Ulm Lehars Partitur nicht die Fetzigkeit und Schmissigkeit abgewinnen konnte, die eine gute Ausdeutung des Werkes im Regelfall erfordert. Trefflich gelangen Dirigent und Musiker dagegen die mehr gefühlvollen Stellen, die recht einfühlsam zu Gehör gebracht worden.

Tomasz Kaluzny (Danilo), Oxana Arkaeva (Hanna)

Richtig übergesprungen ist der sprichwörtliche Funke nur an zwei Stellen: Bei dem berühmten Couplet der Herrenliga im zweiten Akt „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ - hier hatten der Baron und Cascada auf einmal von den Noten her ihre Rollen getauscht - und bei der Grisetten-Szene, deren Schlussteil mehrfach wiederholt wurde und in den nach und nach alle Solisten einstimmten, obwohl ihnen der Komponist hier eigentlich Schweigen verordnet hatte. Auffallend war, dass sich die Pressereferentin Susanne Lemke und die Verwaltungsdirektorin Angela Weißhardt unter die von Angela C. Schuett in sündiges Rot gekleidete, durch einige Transvestiten verstärkte Damenschar - ein Plädoyer für die Gleichberechtigung der Geschlechter auch im Nachtlokal-Ambiente - gemischt hatten, die außerdem noch von Angela Barczyk, Sabine Kaminski, Lennard Lemke, Anne Platzdasch, Nora Rothfuchs, Angela C. Schuett und Thomas Schön gebildet wurde. Das war wirklich ein gelungener Regiegag.

Oxana Arkaeva (Hanna), Maria Rosendorfsky (Valencieene)

Diese vergnügliche Einlage war vom Szenischen her ein Höhepunkt von Benjamin Künzels Regiearbeit. Es brauchte einige Zeit, bis die Inszenierung nach einem eher lauen, etwas uninspirierten ersten Akt nach der Pause endlich an Elan zulegte und das viel Wortwitz aufweisende Geschehen zunehmend in die Gänge kam. Munterkeit und Ausgelassenheit der Szene hielten dann aber auch bis zum Ende an. Der Regisseur hat das Stück in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verlegt, mithin in eine Zeit, in der die leichte Muse in Deutschland nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Fernsehen einen der vorderen Plätze einnahm. Der Anspruch der Produktion besteht in einer Huldigung an dieses goldene Zeitalter der Unterhaltungsmusik, in dem auch die meisten Schallplattenaufnahmen des Genres entstanden.

Oxana Arkaeva (Hanna), Don Lee (Cascada), Alexander Schröder (st. Broche), Chor

Das Bühnenbild von Britta Lammers wird im ersten Akt von einer riesigen Freitreppe und einem die männliche Potenz auf die Schippe nehmenden goldenen Kunststoffstier dominiert. Über dem Ganzen schwebt - eine Hommage an ein ganz zentrales Requisit der Handlung - ein in fächerartige Segmente zerlegter und in verschiedenen Farben erstrahlender Halbkreis. Im zweiten und dritten Akt hat sich dieser gespaltene Kringel dem Erdboden angenähert und tritt in aufgerichteter Stellung an die Stelle des herkömmlichen Pavillions, den Künzel, von dem auch die gelungene Choreographie stammt, in seiner Interpretation ausspart. Seine Rechnung ist voll aufgegangen. Das Halbrund erwies sich als trefflicher Ort für das Rendezvous des zweiten Liebespaares, dessen Zeichnung neu und reichlich kurzweilig ausfiel. Valencienne legte manchmal ganz schön aggressive, zickige  Züge an den Tag und Rosillon zeigte ganz deutlich, dass er von der schönen Baronin, deren Kleid zu Beginn hinten noch geöffnet war und den Blick auf ihren BH freigab, erotisch sehr erregt war. Im dritten Akt schließlich wartete der Regisseur mit dem alten Coup des Theaters auf dem Theater auf, das einen zentralen Bestandteil des von Hanna in ihrem Haus nachgebildeten Maxims darstellte. Den Lehren Brechts erweist Künzel seine Ehrerbietung, wenn er Danilo und später die Witwe auch mal im Zuschauerraum platziert. Köstlich war der Einfall, die Eifersüchteleien des Bogdanowitsch hier einer Frau zuzuordnen: Der arme Pritschitsch hatte unter seiner Gattin Praskowia ganz schön zu leiden.

Thorsten Sigurdsson (Rosillon), Maria Rosendorfsky (Valencienne)

Gemischte Gefühle hinterließen die gesanglichen Leistungen. Oxana Arkaeva gab darstellerisch eine sehr resolute, wahrlich nicht auf den Kopf gefallene Hanna Glawari. Ihr in Mittellage und Tiefe etwas herber Sopran erzielte im oberen Stimmbereich und an den Stellen, an denen er sich frei ausschwingen und in feine Piani übergehen konnte, seine stärksten Wirkungen. Leider machte sie am Ende des Vilja-Liedes um das hohe h, das man an dieser Stelle eigentlich von den meisten Rollenvertreterinnen hört, einen großen Bogen und transponierte es um eine Oktave nach unten. Es mag an der Indisposition, deretwegen er sich zu Beginn ansagen ließ, gelegen haben, dass Tomasz Kaluzny als Danilo an diesem Abend nicht in Bestform war und seinem an sich gut sitzenden Bariton nicht die Qualitäten abgewinnen konnte, die man sonst von ihm gewohnt ist. So hat er einige Spitzentöne um eine Oktave nach unten versetzt. Diese Vorgehensweise pflegte auch der im Übrigen über einen recht sonoren Bass verfügende Cascada von Don Lee. Ein noch recht jung und fesch aussehender Baron Mirko Zeta war Hans-Günther Dotzauer, der indes gesanglich mit seinem flachen, stark in der Maske sitzenden Tenor nicht überzeugen konnte. Recht dünnstimmig sang Thorsten Sigurdsson den Camille de Rosillon, wobei er einmal beim hohen b unnötigerweise die Fistelstimme bemühte, was inakzeptabel ist. Ebenfalls nur mit flachem Tenormaterial gesegnet präsentierte sich Alexander Schröders St. Brioche. Vokal unauffällig war der Pritschitsch von Girard Rhoden. Johanna Ewals als Praskowia und der Njegus von Joachim Pieczyk standen aufgrund ihrer köstlichen schauspielerischen Leistungen zurecht hoch in der Gunst des Publikums. Den Kromow gab J. Emanuel Pichler. Die beste Leistung des Abends erbrachte eindeutig Maria Rosendorfsky, die sich mit ihrem trefflich durchgebildeten, voll und rund klingenden lyrischen Sopran für die Valencienne als gute Besetzung erwies. Auch darstellerisch wurde sie ihrer Partie voll gerecht. Solide der von Hendrik Haas einstudierte Chor und Extrachor.

Ludwig Steinbach, 7.11.2014               Die Photos stammen von Martin Kaufhold

 

 

 

Etwas für jeden Geschmack

LA TRAVIATA

Premiere: 25. 9. 2014

Der Tod gewährt Aufschub

Zu einem großen Erfolg für alle Beteiligten geriet die Neuproduktion von Verdis „La Traviata“, mit der am Theater Ulm die neue Spielzeit eröffnet wurde. Matthias Kaiser ist eine Inszenierung gelungen, die für jeden Geschmack etwas bereithält. Er siedelt das Geschehen zwar in einem eher neutralen Ambiente an, tendiert dabei aber zum Hier und Heute. Violettas Krankenbett im dritten Akt beispielsweise würde ohne weiteres in eine zeitgenössische Klinik passen. Innerhalb eines pittoresken äußeren Rahmens wartet er mit modernen, konventionellen und symbolischen Elementen auf, woraus ein ansprechendes Stilgemisch resultiert.

Edith Lorans (Violetta)

Das Ganze spielt sich in einem in die Jahre gekommenen, zerfallenen Theater auf dem Theater ab. Der Staub der Jahrhunderte hat seine Spuren hinterlassen. Dieser nicht mehr neue Einfall ist immer wieder effektiv. Das ganze Leben ist Bühne und alle Frauen und Männer sind bloße Spieler, um es mal mit Shakespeare auszudrücken. Zentrales historisierendes Element des von Detlev Beaujean geschaffenen Bühnenbildes ist eine riesige barocke Krinoline, die im Lauf des Abends in mehreren Variationen erscheint. Wenn sich Violetta zum Brindisi auf sie stellt, wird deutlich, dass sie ihren Unterleib symbolisieren soll. Als Traviata später unter ihr hervortritt, trägt sie einen gleichartigen, von Angela C. Schuett kreierten Rock in normaler Größe, dem gleichsam die Funktion eines sie schützenden Harnisches zukommt. Auf der anderen Seite nimmt die Krinoline manchmal auch die Form eines Raumes an. Gleich im ersten Bild drängen sich die männlichen Partygäste in ihrem transparenten Inneren. Im zweiten Akt mutiert sie zu Violettas zweistöckigem Landhaus, in dem der unten stehende Germont nachvollziehbar in einem kalten blauen und die im oberen Stock platzierte Violetta in einem warmen roten Licht erscheinen. Die Ausleuchtung des Bühnenraumes kann örtlich auch mal wechseln. Dann dominiert oben die kalte und unten die warme Farbe.

Edith Lorans (Violetta), Kwang-Keun Lee (Germont)

In diesem äußeren Rahmen gilt Kaisers Hauptaufmerksamkeit der Protagonistin. Ihr nimmt er sich mit großer Liebe an und definiert mit großem Können und einer einfühlsamen Personenführung eine deutliche Antithese zwischen der sich für Geld verkaufenden Prostituierten und der gebrochenen kranken Frau. Die Tuberkulose hat ihrer Schönheit nicht geschadet. Das Gegenteil ist der Fall. Die tödliche Krankheit hat sie eher noch attraktiver gemacht, ihr Erscheinungsbild wirkt in keinster Weise morbid. Rein äußerlich ist der Körper dieser Frau nicht dem Verfall preisgegeben, sondern wirkt immer noch sehr anziehend. Es mag absurd klingen, aber durch die Schwindsucht erfährt ihre Schönheit sogar noch eine Steigerung.

Thomas Schön (Der Tod), Edith Lorans (Violetta)

Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Tod ihr Aufschub gewährt. Bereits während des ausinszenierten Vorspiels nähert sich Traviata im Leopardenmantel - dieser steht für ihr Leben als leichtes Mädchen - und am Tropf hängend dem im linken Bereich der Bühne friedlich auf einem Stuhl sitzenden Sensenmann. Sie ist bereit zu sterben, wird von ihm aber noch nicht mitgenommen. Er ist in sie genauso verliebt wie Alfredo, dem er - abgesehen von seinem Totenschädel - kostümmäßig angeglichen ist. Von seinem eher ruhigen, geduldigen Wesen her unterscheidet er sich aber krass von dem ungestümen jungen Germont, der sich durch seinen altmodischen Gehrock geradezu auffällig von den anderen, in moderne Anzüge gekleideten männlichen Mitgliedern der Gemeinschaft unterscheidet. Er scheint gegenüber der übrigen Herrenliga etwas zurückgeblieben und ein Außenseiter zu sein. Auf der anderen Seite billigt der Regisseur ihm edle Charakterzüge zu, die er den übrigen Salonlöwen verweigert. Hier bringt Kaiser gekonnt einen Schuss Gesellschaftskritik mit ins Spiel. Ihm geht es nicht nur um das Aufbrechen von äußeren, sondern auch von inneren Fassaden. Mit einem interessanten Aspekt wartet er am Ende auf: Er lässt Traviata verfrüht sterben und sie den Rest ihrer Partie aus dem Jenseits gleichsam als Reminiszenz auf ihr nun erloschenes Leben singen - ein sehr rührendes Vermächtnis für die Hinterbliebenen.

Andre Nevans (Alfredo), Edith Lorans (Violetta)

Kaiser hat seine gelungene Konzeption ganz auf Edith Lorans zugeschnitten, die heuer zum ersten Mal die Violetta sang. Ihr ist ein gelungenes Debüt zu bescheinigen. Sie hat sich die Sichtweise des Regisseurs voll zu eigen gemacht und darstellerisch hervorragend umgesetzt. Mit ihrem ausgeprägten, intensiven und nuancenreichen Spiel gelang ihr ein eindringliches Rollenportrait. Auch gesanglich vermochte sie mit ihrem wunderbar italienisch fokussierten, warmen und ausdrucksstarken Sopran für sich einzunehmen. Lyrische Innigkeit und Beseeltheit des Ausdrucks standen ihr in demselben Maße zur Verfügung wie lockere Koloraturgewandtheit und dramatischer Aplomb. Indes setzte sie das hohe es am Schluss des „Sempre libera“ etwas zu vorsichtig an. Das hat man von anderen Interpretinnen schon fulminanter gehört. Eine kleine Unebenheit am Ende ihres Duettes mit Germont im zweiten Akt fällt angesichts der beeindruckenden Gesamtleistung nicht ins Gewicht. In dem schon oft bewährten Kwang-Keun Lee war Alfredos Vater in trefflichen Händen. Wie Frau Lorans verfügt auch sein voll und rund klingender Bariton über ein prächtiges appoggiare la voce, eine hervorragende Linienführung, einen großen Farbenreichtum und eine einfühlsame Pianokultur - alles Aspekte, die seine Anlage des Germont recht vielschichtig erscheinen ließen. An das hohe Niveau seiner beiden Mitstreiter in den Hauptpartien kam der Alfredo von Andre Nevans - noch - nicht heran. Im Augenblick wirkt der durchaus nicht unangenehme Tenor des Hausdebütanten noch etwas zu hell und könnte mehr Sonorität und Tiefgründigkeit vertragen. Er wird sich aber sicher noch entwickeln. An diesem Abend gab er ein Versprechen für die Zukunft ab. Profunde Stimmmaterialien brachten Eleonora Halbert und I Chiao Shih für die Annina und die Flora mit. Alexander Schröder war ein ausgesprochen dünn singender Gaston. Lediglich mittelmäßig schnitten auch Don Lee (Dr. Grenvil), Michael Burow-Geier (Baron Douphol), Joachim Pieczyk (Marquis d’ Obigny/Kommissionär/Diener bei Flora) und Rochus Bliesener (Giuseppe) ab. Als Tod geisterte der Schauspieler Thomas Schön durch das Geschehen.

Edith Lorans (Violetta), Andre Nevans (Alfredo), Herrenchor

Eine beachtliche Leistung erbrachten GMD Timo Handschuh und das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm. Dirigent und Musiker warteten mit schöner Italianita und breit gesponnenen musikalischen Bögen auf. Wieder einmal war zu konstatieren, dass der Dirigent mit dem Orchester in den letzten Jahren eine vortreffliche Aufbauarbeit geleistet hat. An diesem Abend ging er sehr ausgeglichen ans Werk und steuerte die vielfachen Höhepunkte zwar recht prägnant an, hielt sie aber nicht so übermäßig lang aus, wie es andere Pultmeister oft gerne tun. Dafür wurden die extremen dynamischen Gegensätze sehr rasant ausgekostet. In Violettas Duett mit Germont gelang ihm das Kunststück, dem hier alles andere als alten Herrn trotz seiner herrlichen Kantilenen entsprechend seinem nicht gerade guten Charakter zu einer musikalisch distanzierten Auslotung zu führen.  

Fazit: Eine gelungene, ansprechende Aufführung, deren Besuch durchaus empfohlen werden kann. 

Ludwig Steinbach, 27. 9. 2014  Die Bilder stammen von Jochen Klenk

 

 

 

Vergnügliches aus dem Spätbarock

SERSE

Premiere am 08.05.12014

Heiteres Wechselspiel statt Heldenepos

Händels Oper Xerxes aus seinem späten Londoner Opernschaffen kam dort nach der Uraufführung 1738 nur noch auf vier weitere Aufführungen und verschwand dann von der Bildfläche. Händel musste auf die Schnelle für das Theater am Haymarket ein älteres Stück zur Auffüllung der Spielzeit reaktivieren. Erst 1924 in der Göttinger Händel-Renaissance wurde Xerxes in einer deutschen Fassung wieder  vorgestellt, gehört aber bis heute nicht zu den Rennern unter seinen Opern, obwohl das Werk mit dem Largo eines seiner bekanntesten Stücke überhaupt enthält. Aus diesem an sich träumerisch-friedlichen Larghetto „Ombra mai fu“, dem relativ kurzen Eröffnungsarioso der Oper, dem „Hit“ also ganz am Anfang, einer Pastoralmusik im typischen F-dur, machte Händels musikalische Nachwelt, 100 Jahre nach der Komposition und  rund 100 Jahre vor der Wiederentdeckung der Oper das berühmte „Largo“, eine Trauermusik, die zu Händels berühmtesten Musikstücken überhaupt wurde.  

Wie bei den meisten Barockopern verläuft das Spiel vor einem historischen herrschaftlichen Hintergrund mit einer quer dazu verlaufenden komplexen Beziehungsgeschichte. In Händels Serse spielt die historische, heldische Handlung allerdings im Gegensatz zu früheren Stücken kaum noch eine Rolle, sondern wird in den Rezitativen nur erwähnt (die Brücke über den Hellespont). Auch die Beziehungsgeschichte ist in Serse nicht als Handlungsstrang verfolgbar, sondern  besteht aus einem nicht ganz leicht zu verstehenden Geflecht im steten Hin und Her von List, Eifersucht, Täuschung, Verkleidung und Verwechslung. Wahrscheinlich war Serse dem konservativen Publikum im damaligen London zu modern, dem modern ausgerichteten Publikum stofflich zu altbacken und hatte daher keinen Erfolg. Händel hat für Serse kein herzerweichendes Lamento (für die Damen) und auch keine flotte Jagdmusik (für die Herren) geschrieben, Markenzeichen früherer Opern. Serse ist gekonntes musikalisches Handwerk, aber berauscht aber nicht mit Arien wie in Giulio Cesare oder Alcina. Die einlullenden Da-capo-Arien mit ihren beruhigenden Ritornellen wichen kürzeren Arien und Ariosi, und italienischen Einflüssen folgend sollten buffoneske Einsprengsel auflockern. 

Don Lee (Ariodate); Kinga Dobay (Serse)

Das Libretto (Autor unbekannt; wahrscheinlich hat Händel selbst daran mitgearbeitet) beschreibt eine frei erfundene amouröse Intrige von Personen, die teilweise bei Herodot vorkommen. Dort ist auch schon die Liebe des lächerlich gemachten Tyrannen zu einer geschmückten Platane und deren Schatten beschrieben.  Xerxes ist mit Amastre verlobt,  verliebt sich aber in Romilda und deren Gesang, die aber auch von seinem Bruder Arsamene begehrt wird, welcher  wiederum ebenfalls von Romildas Schwester Atalanta  geliebt wird. Vater dieser beiden ist der siegreiche Feldherr Ariodate, dem Xerxes verspricht, zur Belohnung für dessen Dienste eine seiner Töchter Tochter mit einer Person hohen Geblüts zu vermählen.  Amastre erscheint als Mann verkleidet im Feldlager, da sie von Xerxes‘ Untreue erfahren hat und ihm nachspioniert. Als komische Figur bringt Xerxes‘ Diener Elviro zusätzliche Verwirrung ins kaum verfolgbare Hin und Her von Intrigen, Zweideutigkeiten und Missverständnissen des Spiels.  Am Ende bleibt Romilda treu. Amastre gibt sich zu erkennen, Xerxes kehrt zu ihr zurück; Atalanta geht leer aus. 

Edith Lorans (Romilda);  Statisterie ("Pinguine")

Keine leichte Aufgabe für die Regie, Handlung und Nicht-Handlung, seria und buffa auszubalancieren, die wechselnde Befindlichkeits- und Stimmungslage der Protagonisten transparent zu machen und dazu das Werk auf eine heute verdaubare Länge zu kürzen. Da hat der Ulmer Opernchef und Regisseur Matthias Kaiser zunächst die Chöre gestrichen (wie auch anderenorts üblich). Die stimmlich gut abgegrenzten Charaktere hat er von seiner Ausstatterin Marianne Hollenstein in ebenso gut unterscheidbare, teilweise bizarre Kostüme stecken lassen, bei denen die Machtmenschen mit Attributen von Raubtieren versehen werden und der buffoneske Diener mit einem Pavian-Hintern versehen wird, den er publikumswirksam einsetzen darf. Ihr Bühnenbild bleibt dagegen weitestgehend abstrakt. Mit zum Teil rasend schnellem Wechsel der Kulissen, die über ein Dutzend Vorhangzüge sogar innerhalb der Arien wechseln und deren Zeichnungen nur leichte Andeutungen auf das jeweilige Ambiente enthalten, wird das schnelle Wechselspiel der Protagonisten abgebildet. Dabei bleibt die Bühne bis auf sporadische spärliche Möblierung vielfach leer, die Kulissen geben dem jeweiligen Geschehen eine in mehreren Horizonten scharf konturierte graphische Umrahmung, die von abrupten grellen Lichtwechseln (Marcus Denk) unterstrichen wird. Inspiriert ist die diese Art der Kulissenwechsel sicher vom barocken Zaubertheater. Aber die unterliegende Abstraktion verhilft hier nicht zu einem leichteren Verständnis des Geschehens, weshalb dringend empfohlen wird, sich vor der Aufführung Personen und Handlung einzuprägen. 

J. Emanuel Pichler (Elviro); Kwang-Keun Lee (Arsamene)

Als weitere Projektion des Beziehungsschachs der Protagonisten hat die Regie vorn auf der Bühne neben einem Sessel ein vereinfachtes Schachbrett aufgestellt, auf welchem die Personen der Handlung gezogen und natürlich laufend umgruppiert werden; eine Dopplung durch große Puppen, den Absichten und Befindlichkeiten der jeweils Handelnden folgend. Mehr Transparenz wird aber auch durch diesen Regieeinfall nicht erzeugt.  Der Bühnenprospekt ist hell und einfarbig in ganz verschiedenen Farben ausgeleuchtet, die nicht unbedingt der klassischen Farbenharmonie folgen. Die Figuren treten manchmal als schwarze Schatten scherenschnittartig von hinten auf, was insbesondere für zwei Figuranten zutrifft, die sich – als Pagen bezeichnet und Pinguinen ähnelnd – dienstbar machen und z.B. die kapriziöse Romilda auf einer fahrbaren Sänfte herumschieben. Die Bewegungsmuster und Gestik der Protagonisten leitet die Regie ebenfalls vom barocken Theater her, verzerrt sie ins Bizarre und ergänzt sie um tänzerische Elemente. Optisch ist das alles gut gelungen, aber es wirkt für Ungeübte nicht handlungsunterstützend, und vor Spannung knistert das Bühnengeschehen nicht. Zum Schluss sind Klapptische zum Mahl der Doppelhochzeit gerüstet ... mit Camping- Wegwerfgeschirr. Für Humor bleibt also in den buffonesken Aspekten der Inszenierung genügend Raum. Zu Barockklamauk hat sich Regie indes nicht hinreißen lassen. Das Gesamturteil über die Regie fällt indes durchwachsen aus, denn die verschiedenen Inszenierungselemente vom Licht bis zum Tierischen und den Bewegungsmustern wollen sich nicht so recht zu einer Gesamtrichtung zusammenfinden. 

I Chiao Shih (Amastre); Schachfiguren

Graben und Zuschauerraum sind durch einen mannshohen Bauzaun aus Armierungsmatten getrennt. Das Orchester ist gewiss keine Baustelle, und die tiernahen Figuren auf der Bühne neigen auch nicht zum Ausbrechen. Auch das Dirigat des Ersten Kapellmeisters Daniel Montané kam zunächst nicht überfliegerartig aus dem Graben. Die dreiteilige Sinfonia klang noch etwas undifferenziert durch den Gitterzaun; sehr zart und zurückgenommen wirkte das Larghetto, aber dann kam immer mehr Händel-Temperament und -Swing auf: federnder, extrem streicherbetonter Klang. Außer dem Continuo mit Theorbe, Cembalo, Cello und Fagott waren keine historischen Instrumente eingesetzt, so dass ein romantisierend vollerer Klang der Streicher des Philharmonischen Orchesters der Stadt Ulm dominierte. Solistisch schön herausgebracht waren die parodierenden Fagott-Passagen.

Mit der solistischen Besetzung des Abends konnte man durchaus zufrieden sein. In der Titelrolle begeisterte Kinga Dobay als Mezzosopran das Publikum. Zwar ist sie keine Barock-Spezialistin und bei der heutigen Aufführungspraxis wird meist ein Counter oder ein etwas viriler wirkende Sängerin bevorzugt, aber ihr opulenter Vortrag und ihr hingebungsvolles Spiel machten Abend aus. Ohne ihre KollegInnen herabwürdigen zu wollen, zeigte sie die bemerkenswerteste solistische Leistung des Abends, wobei sie in der Hosenrolle des „Königs der Löwen“ (in sandfarbener Kluft mit doppelter Mähne) ihre Weiblichkeit auch stimmlich ausspielte: glutvoller Mezzo, erotisierendes Vibrato in der Mittellage und leuchtende Linien in der Höhe. Ihre „legale“ Verlobten Amastre gab eine weitere Mezzosopranistin, die Taiwanesin  I Chiao Shih mit samtiger Intonation, schönem Volumen und klarem Ausdruck. Edith Lorans  sang am Premierenabend die Romilda. Welches Tier sie darstellen sollte, war nicht klar, wahrscheinlich einen Fisch, superschlank und kalt in Blau wie ein solcher? Durchwachsen zeigte sich ihr Sopran mit verzerrender Schärfe in hohen Lagen und dadurch schlechter Textverständlichkeit, aber schöner Beweglichkeit und Geschmeidigkeit in den Koloraturen der Mittellage. Ihre Schwester Atalanta war mit dem zweiten Sopran des Abends besetzt.  Katarzyna Jagiełło sang sie mit feinem, klarem Barocksopran und gefiel mit den leicht ansprechenden Koloraturen.

Kinga Dobay (Serse); Kwang-Keun Lee (Arsamene)

Den vier Frauenstimmen standen drei tiefe Männerstimmen gegenüber. Die größte Rolle unter ihnen hatte J. Emanual Pichler in der komischen Rolle des Dieners Elviro. Als ihn das Geschehen  über den Kopf stieg nahm er Zuflucht zum Alkohol: „Wasser (trinken) ist schädlich!“ Die Regie stellt hier eine fantasievolle Figur auf die Bühne: schauspielerisch stark gefordert, handlungstreibend und nicht kontemplativ sang Pichler die Rolle mit kräftigem hellem Bariton. Die zweite Baritonpartie, die des Arsamene war mit Kwang-Keun Lee besetzt; als zotteliger Brummbär ausstaffiert, sang er die Rolle mit bestens fokussierter und höhenstarker Stimme mit sonorem klangstarkem Fundament. Sein Landsmann Don Lee, als Bass für den Feldherrn Ariodate besetzt und als einziger mit seinem an ein Kettenhemd gemahnendem Kostüm einigermaßen funktional eingekleidet, konnte stimmlich nicht in nicht in gleicher Weise überzeugen. Zwar verfügt er über ein kräftiges, schwarzes Bass-Fundament, aber in den höher liegenden Passagen blieb er eindimensional ohne Schmelz.

Für den amüsanten und abwechslungsreichen Abend bedankte sich das Auditorium aus dem vollen Saal mit lang anhaltendem herzlichem Beifall für alle Beteiligten. Die nächste Vorstellung findet am 15. Mai statt; dann kommt Serse noch weitere elf Mal bis zum 20. Juli.

Manfred Langer, 11.05.2014                                    Fotos: Jochen Klenk

 

 

 

HÄNSEL UND GRETEL

Premiere: 7. 11. 2013

Märchenhandlung und Sozialstudie

Rechtzeitig zur bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit präsentierte das Theater Ulm eine Neuinszenierung von Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“ und konnte damit einen vollen Erfolg für sich verbuchen. Der herzliche Schlussapplaus des begeisterten Publikums, unter dem seltsamerweise keine Kinder zu entdecken waren, belegte, dass das Dargebotene in jeder Hinsicht auf großes Gefallen gestoßen war.
Das begann schon bei der gelungenen Inszenierung von Benjamin Künzel, die für alle Geschmäcker etwas bereit hielt. Zusammen mit seiner Bühnen- und Kostümbildnerin Mona Hapke vermied der Regisseur jegliche Überbetonung sowohl der traditionellen als auch der zeitgenössischen Elemente und ließ sie gleichberechtigt nebeneinander herlaufen. Das aus dieser Vorgehensweise resultierende Stilgemisch war recht ansprechend. Künzel ist das Kunststück gelungen, die Märchenhandlung einerseits kindgerecht in schönen Bildern auf die Bühne zu bringen, andererseits aber auch dem modern eingestellten Intellekt etwas zu bieten, was seine Auseinandersetzung mit dem Werk vielschichtig und abwechslungsreich erscheinen ließ.

Neben den märchenhaften Bezügen sind es insbesondere die sozialkritischen Aspekte der Handlung, die er einer eingehenden Beleuchtung unterzieht. Auf den Hauptvorhang sind zahlreiche Lebensmittel sowie Bestecke aufgemalt, die Hänsel frustriert überschmiert. Nach Essen drängt, am Essen hängt doch alles. Hunger ist ein Thema von globaler Relevanz. Daran lässt der Regisseur keinen Zweifel aufkommen. Gleichzeitig setzt er ein großes Fragezeichen hinter das Verhalten der zielstrebig in die gehobene Mittelklasse aufstrebenden Eltern, die augenscheinlich genug Geld in der Tasche haben, um ihre gutbürgerliche Kleidung zu finanzieren, ihre Kinder aber hungern lassen. Sehr stimmig ist es, wenn Künzel bei der Pantomime am Endes des zweiten Aufzuges sieben Elternpaaren die Rolle der vierzehn Schutzengel zuweist. Genau darin besteht die Funktion von Gertrud und Peter, nämlich ihre Kinder zu schützen. Bereits zuvor sah man den Besenbinder und seine Frau in Form von Doubles nach Hänsel und Gretel suchen. Dabei waren sie den Vermissten oft sehr nahe gekommen, ohne sie zu bemerken.

Bereits während des zweiten Bildes sind die Geschwister in Künzels Deutung in das Visier der Hexe geraten, der der Regisseur bereits hier einen kurzen Auftritt gönnt. Unter der Maske und im Kostüm einer recht gediegen wirkenden älteren Bürgersfrau mit Handtasche streift sie durch den Wald und lässt sich von einem ihre bösen Absichten unterstützenden Müllmann als Gehilfen immer neue Opfer zuführen. Dieser nährt sich den Kindern bei stets unverändertem Outfit sowohl als Sand- als auch als Taumännchen und weicht nicht mehr von ihrer Seite. Schließlich schläft er mit ihnen auf einer Truhe ein. In der Folge ist es der Hexe ganzes Bestreben, ihre künftigen potentiellen Opfer ihrer opulenten, abenteuerlich anmutenden Kuchenfabrikationsmaschine mit Räderwerk, Schläuchen und einer Hypnosescheibe mit integriertem transparentem Backofen einzuverleiben. Als Lockmittel dazu dient ein kleines Miniaturknusperhäuschen, das von dem Müllmann extra für die Kinder so in einem Mülleimer zurückgelassen wird, dass sie es finden können. Das tun sie dann auch und gelangen damit in die Fänge der Hexe, die nun ihr wahres Gesicht nicht mehr länger zu verbergen braucht. In dem äußerst vergnüglich in Szene gesetzten Hexenritt reißt sie sich die elegante Perücke vom Kopf und die Ärmel ihres Oberteils ab. Schlussendlich entledigt sie sich noch ihres Rockes und bestreitet den Rest des Abends in einer ausladenden roten Unterhose - ein Fakt, der die Lachmuskeln des Auditoriums nachhaltig reizte. An die Stelle ihres Zauberstabes tritt eine magische Kugel. Am Ende mutiert sie, nachdem sie im Backofen ihr verdientes Ende gefunden hat, zu einem rot-blauen Ball. An die Stelle der Lebkuchenkinder tritt hier eine Schar salopp gekleideter älterer Frauen und Männer, denen Hänsel und Gretel Erlösung bringen. Das war alles durchaus überzeugend sowie lebendig und elanreich umgesetzt.  

Am Pult stand der neue Erste Kapellmeister Daniel Montané, der am Ulmer Theater jetzt erstmals eine Premiere übernommen hatte und durchaus zu beeindrucken vermochte. Unter seiner versierten Leitung spielte das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm, dessen Niveau sich in der letzten Zeit deutlich verbessert hat, intensiv und klangschön und setzte die Intentionen des Dirigenten trefflich um. Diesem ging es nicht um eine Betonung besonders herausragender Aspekte, sondern um ein ausgewogenes Ganzes. So überbewertete er weder die Wagnernähe noch das Volksliedhafte von Humperdincks vielschichtiger Partitur, die er in raschen Tempi farbenreich und einfühlsam interpretierte. Leider kam es während des Vorspiels zu zwei kleinen Unebenheiten bei den Musikern. Das dürfte indes auf die Premierennervösität der Spieler zurückzuführen sein und tut der insgesamt recht beachtlichen Gesamtleistung des Orchesters keinen Abbruch.

Auch die Sänger schnitten fast durchweg gut ab. Edith Lorans war eine einfach süß anzusehende, blondzöpfige und munter agierende Gretel, die ihrer Rolle mit in jeder Lage gut durchgebildetem, frischem und locker geführtem Sopran auch stimmlich voll entsprach. Nicht minder beeindruckend war I Chiao Shih, die mit ebenfalls bestens focussiertem, tiefgründigem Mezzosopran einen ziemlich burschikosen Hänsel sang. Frauke Willimczik vermochte rein darstellerisch die Sorgen und Nöte der Gertrud anrührend zu vermitteln und sie auch vokal mit ihrem vorbildlich verankertem, markantem Mezzo glaubhaft zu machen. Leider machte sie im ersten Akt bei der Stelle „Sonst hau ich euch“ einen großen Bogen um das von Humperdinck hier verlangte hohe ‚h’ und ging stattdessen nur auf das ‚fis’. Neben ihr war Tomasz Kaluzny ein robust und insgesamt mit solider Stütze seines Baritons intonierender Besenbinder. Mit vorbildlicher Verankerung ihres hübschen Soprans gab Maria Rosendorfsky das Sand- und das Taumännchen. Zumindest schauspielerisch hinterließ die Hexe von Hans-Günther Dotzauer einen hervorragenden Eindruck. Gesanglich blieben aber aufgrund der reichlich dünnen Tongebung des Tenors einige Wünsche offen. Gut gefiel der von Hendrik Haas einstudierte Opernchor des Theaters Ulm

Fazit: Das war gelungene Oper für die ganze Familie. Ein Besuch der Aufführung ist durchaus zu empfehlen.

Ludwig Steinbach, 8. 11. 2013       Die Bilder stammen von Martin Kaufhold.

 

 

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