BRAHMS
Johannes Brahms: 2. Klavierkonzert in B-Dur
Johannes Brahms: 2. Sinfonie
Konzert in Luzern: 9. und 10.2.2022
Es war eine wahre Freude, die Begeisterung des Luzerner Chefdirigenten Michael Sanderling für den Komponisten Brahms erleben zu dürfen. Aus jeder Faser seines Körpers schien ein unglaublich intensiver Gestaltungswille zu strömen, der sich natürlich ganz direkt auf das Spiel des Luzerner Sinfonieorchesters übertrug, dessen Musiker die Intentionen des Chefs mit präzisem, farbenreichem und beseeltem Musizieren umsetzten. Nur schon das mit exquisiter Tongebung vorgestellte Horn-Solo (traumhaft sauber intoniert von Lukas Christinat), welches mit dem Hauptthema das zweite Klavierkonzert des deutschen Hochromantikers Brahms einleitete, zeugte von der Qualität des Orchesters, die sich über alle Pulte bestätigte. So auch im dritten Satz, diesem wunderbaren, liedhaften Andante, in welchem das Solocello eine bedeutende, ja zeitweise dominierende Rolle einnimmt und das Klavierkonzert in diesem Satz beinahe zu einem Doppelkonzert für Klavier und Cello werden lässt. Der Solocellist Heiner Reich verlieh dem Part eine wunderbar warm strömende, einnehmende Innigkeit. Brahms' zweites Klavierkonzert ist ja nicht ein den Solisten exhibitionistisch mit Virtuosen-Blendwerk in den Vordergrund rückendes Stück, sondern - wie es ein zeitgenössische Kritiker damals etwas süffisant monnierte - "eine viersätzige Sinfonie mit obligatem Klavier". Doch dieser Klavierpart hat es in sich: Lange Zeit galt Brahms' zweites Klavierkonzert als eines der schwierigsten der Konzertliteratur. Der Pianist ist über die gesamte Dauer des Konzerts (50 Minuten) gefordert, hat nur während der Cello-Introduktion im Andante eine kleine Ruhepause zugestanden bekommen. Marc-André Hamelin stürzte sich mit bestechender Klarheit in die Eröffnungskadenz (welche nach der Vorstellung des Hauptthemas durch das Horn) am Anfang des Konzerts steht. Trotz der verzwackten Akkordschichtungen, welche Brahms hier dem Solisten auferlegte, bestach Hamelins Spiel mit glasklarer, enorm vielschichtiger Anschlagskultur. Die hüpfenden, vorwärtsdrängenden Passagen und die crescendierenden Triller meisterte er mit Präzision und Leichtigkeit. Wunderbar genau gelang das Zusammenspiel mit den Pizzicati der Streicher, überhaupt war das in diesem Konzert so enorm wichtige Dialogisieren mit dem Orchester ein Genuss. Verspielt-dämonisch kommt der unübliche zweite Satz daher, ein Allegro appassionato, das hier als Scherzo fungiert. Im dritten, dem langsamen Satz, folgte dann das herrliche Cello-Solo mit dem phänomenal ausgelegten Teppich der Streichergruppen und das mit ruhigem Duktus antwortende Klavier. Marc-André Hamelin breitete seine Themenvariationen schmeichelnd aus und dem betörenden, magischen und beinahe hypnotisierenden Klang der beiden Soloinstrumente und des Orchesters erlag man total. Den Variationenreichtum der Brahms'schen Kompositionsweise durfte man dann im Finalsatz bestaunen, in welchem die tänzerischen, ungarischen Elemente mit Verve zur heiteren Kulmination gebracht wurden. Ausgezeichnet war die Zugabe des Pianisten gewählt (er sagte sie auch an, was sehr lobenswert ist, da das heutzutage von vielen Künstlern oftmals nicht mehr gemacht wird): La Complaisante, von Carl Philipp Emanuel Bach (der berühmteste der Bach Söhne, auch Berliner/Hamburger Bach genannt). Hier zeigte der Pianist Marc-André Hamelin noch einmal seine Fähigkeit zur transparenten Klanggestaltung und seine mit phänomenaler Differenzierungskunst aufwartende Anschlagskultur.
Nach der Pause folgte dann Brahms' zweite Sinfonie in D-Dur, welche er vier Jahre vor dem 2. Klavierkonzert abgeschlossen hatte. Diese Sinfonie ist von der Grundstimmung her die heiterste, pastoralste aus Brahms' sinfonischem Oeuvre. Dass im Subtext durchaus Konflikte ausgetragen, die idyllische Grundstimmung auch mal getrübt werden kann, zeigte die Interpretation durch Michael Sanderling und das Luzerner Sinfonieorchester deutlich. Daneben aber viel epische Breite, dann wieder forsch angegangene, tänzerische Ausgelassenheit. Die klare Zeichengebung des Dirigenten und das aufmerksam und konzentriert folgende Orchester erreichten eine Wiedergabe von begeisternder formaler Geschlossenheit dieser Sinfonie. Erneut beeindruckten das Solohorn, die Celli und das schön gelungene Wechselspiel zwischen Streichern und Holz, vor allem im dritten Satz.
Doch damit noch nicht genug Brahms - im Anschluss an das Konzert spielte Suzanne Z'Graggen auf der grossen Orgel im KKL noch sechs Choralvorspiele aus dem op.122 von Johannes Brahms, entstanden ein Jahr vor seinem Tod, also quasi ein musikalischer Schwanengesang des grossen Komponisten, dem in Luzern nun ein vier Tage dauerndes Festival gewidmet ist, in welchem eine bedeutende Bandbreite seines Schaffens präsentiert wird. Es war sehr bereichernd, die Orgel im KKL einmal zu erleben. In den Konzertsälen dieser Welt fragt man sich manchmal, ob diese teuren Instrumente eigentlich nur aus optischen Gründen eingebaut werden. Schade, dass sich viele Besucher des Konzerts diesen Ohrenschmaus nicht mehr gönnten und sich nach der Sinfonie auf den Heimweg machten. Sie verpassten ein berührendes Klangerlebnis. Suzanne Z'Graggen verlieh den ersten sechs Choralvorspielen eine klanglich wunderbar vielschichtige Kraft, die reichte von schlichter Einfachheit zu wuchtigem, hochromantischem Aufbäumen, mal rhythmisch bewegt, dann wieder verhalten introvertiert.
Das Klavierkonzert und die Sinfonie sind heute Abend nochmals zu erleben, im Anschluss daran sechs weitere Choralvorspiele aus der Feder des norddeutschen Meisters.
Kaspar Sannemann, 10.2.22
Applausbilder vom Autor
JONAS KAUFMANN-KONZERT
2. Februar 2020
„DER KAUFMANN VON WIEN“
Das Konzert war ganz der Wiener Musik gewidmet und richtete sich an ein breites Publikum. Bei seinem Auftritt im KKL Luzern im Rahmen der Tournee „Mein Wien“, wurde Jonas Kaufmann mit großem Applaus empfangen. Der erste Teil war ganz der Musik von Johann Strauss Sohn gewidmet. Nach der Ouvertüre zur Operette „Eine Nacht in Venedig“ erklangen die beiden Lieder „Sei mir gegrüsst, du holdes Venezia“ und „Ach wie so herrlich zu schau’n“. Leider war die Stimme des Tenors nach einer Erkältung bei diesen beiden ersten Stücken noch nicht genügend frei und diverse kleine Huster trübten etwas den Hörgenuss.
Nach der „Tik-Tak“-Polka betrat die junge Sopranistin Johanni van Oostrum das Podium und machte bereits im ersten Duett mit Kaufmann „Dieser Anstand, so manierlich“ mit einer sicheren Stimme und viel Charme auf sich aufmerksam. Auch mit der Arie „Es hat dem Grafen nichts genutzt“ aus Wiener Blut, konnte Sie überzeugen. Mit dem Walzerlied „Draußen in Sievering blüht schon der Flieder“ und dem Duett „Wiener Blut“, sowie mit der Polka „Leichtes Blut“ endete der erste Teil. Der zweite Teil nach der Pause begann man mit dem Walzer „Wiener Café“ von Robert Stolz. Darauf folgte das Lied „Zwei Märchenaugen“ aus der Operette „Die Zigeunerprinzessin“ von Emmerich Kalman. Das Stück wurde sehr schön und mit viel Gefühl interpretiert.
Einen Höhepunkt des Programms war das „Vilja-Lied“ aus Franz Lehars „Die lustige Witwe“, welches Johanni von Oostrum hinreißend sang. Sogar das Publikum summte mit und die Sängerin erhielt für diese Darbietung einen großen Sonderapplaus. Im anschließenden Duett „Lippen schweigen“ konnten die beiden Solisten, getragen von der fröhlichen Stimmung im im Saal, nochmals ihr Können unter Beweis stellen.
Jonas Kaufmann sang dann mit viel Wiener Schmäh und herrlicher Aussprache die zwei Lieder von Robert Stolz „Im Prater blühn wieder die Bäume“ und „Wien wird bei Nacht erst schön“. Dazwischen erklang der Marsch „Gruß aus Wien“, welcher jedoch vom Orchester mit etwas zu großer Lautstärke dargeboten wurde. Überhaupt ist aufgefallen, dass gegen Ende des Konzertes die Verstärkung durch technische Unterstützung mit Lautsprechern zunahm, was zu einem eher irritierenden Klang führte . Es stellt sich die Frage, ob diese Art Unterstützung in einem akustisch hervorragenden Saal, wie dem im KKL überhaupt nötig ist, konnte man doch hier die grössten Sänger mit Recitals und Konzerten erleben, ohne dass zusätzliche technische Mittel zum Einsatz kommen mussten. Gemäß dem Sänger wolle man damit eine dem Schlager entsprechende Atmosphäre schaffen.
Am Ende erklatsche sich das Publikum noch vier Zugaben. Das Lied „In einem kleinen Cafe in Hernals“ von Hermann Leopoldi eröffnete den Reigen. „Heut’ ist der schönste Tag“ von Joseph Schmidt wurde mit Taktklatschen des Publikums begleitet. Im Duett „Schenkt man sich Rosen im Tirol“ erlebte man nochmals die beiden Solisten gemeinsam. „Sag beim Abschied leise Servus“ war dann der überaus passende Rausschmeißer.
Das Orchester PKF – Prague Philharmonia unter der Leitung von Jochen Rieder war ein zuverlässiger Begleiter dieses Abends und hatte mit viel Spielfreude überzeugt.
Insgesamt wurden die Ansprüche eines Großteil des Publikums, welches sich in heiterer Atmosphäre an den schönen Melodien Wiens erfreuen wollte, erfüllt.
Marco Stücklin, 5.2.2020
Bilder @ Marco Stücklin / Gregor Hohenberg – Sony Music Entertainment
Besonderer Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN