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ZAR UND ZIMMERMANN

am 3.11.16

Gastspiel des Landestheaters Detmold

TRAILER

 

Als Albert Lortzing am 24. Januar 1851 auf dem Sophien-Friedhof in Berlin beigesetzt wurde, sprach der Schauspieler und Regisseur Anton Ascher am Grab die folgenden Worte: „Selten ist eine so begabte Natur, ein so grosses Talent so wenig nach Verdienst gewürdigt worden! Während seine Schöpfungen Tausende entzückten, seine Melodien in den entferntesten Ländern erklangen, seine Lieder im Munde des Volkes lebten, lebte er kümmerlich ein sorgenvolles Dasein ... Und doch wird dein Name den von Tausenden deiner Zeitgenossen überleben!“ Und in der Tat, lange Zeit waren Lortzings Bühnenwerke ein Renner, zumindest auf den deutschsprachigen Bühnen. Erst in den letzten 50 Jahren machten viele Bühnen (zumindest die grossen ...) eher einen Bogen um die deutsche Spieloper. Umso verdienstvoller stellen sich die kleineren Bühnen immer wieder der Aufgabe, diese Werke am Leben zu erhalten. Zu Recht, wie das Gastspiel des Landestheaters Detmold gestern Abend in Winterthur bewies. Denn die zündenden Melodien Lortzings, diese regelrechten (doch nie billigen) Gassenhauer, verfehlen auch heute noch ihre mit Glücks- und Schmunzelgefühlen verbundene Wirkung nicht. Spritzig und aufgeweckt intonierte das Symphonieorchester des Landestheaters Detmold unter der vorwärtsdrängenden (aber nie überhasteten) Leitung von György Mészáros die erfrischende Partitur, vom interessanten Andante in Moll zu Beginn der Ouvertüre, über deren Allegro-Freuden gegen Ende der Exposition bis zum Finale mit dem berühmten Wunschkonzert-Hit des Holzschuhtanzes. Auch dazwischen blitzten immer wieder ausgefeilt gestaltete Einzelleistungen der Musikerinnen und Musiker im Graben auf.

Wichtige Glanzpunkte setzte auch der nicht sehr grosse, aber ausgesprochen klangschön intonierende Chor und Extrachor des Landestheaters Detmold (Einstudierung: Marbod Kaiser), der auch durch treffliche Mimik im Spiel zu erfreuen wusste, so zum Beispiel in der köstlichen „Chorprobe“ mit dem blasierten Bürgermeister van Bett im dritten Aufzug. Zu den Rollen in ZAR UND ZIMMERMANN bemerkte Lortzing einmal selbst: „...Partien, die nicht totd zu machen sind, die sich von selbst spielen, wie der Bürgermeister (van Bett) und Peter der Grosse. Mit der ersteren Rolle ist noch keiner durchgefallen, und ebenso kann als Zar keiner durchfallen, wenn er nur sein Lied (im dritten Aufzug) tonvoll herauszuschmachten vermag ...“ . Und genau so war es auch anlässlich dieser Aufführung in Winterthur. Christoph Stephinger setzte seine Pointen als dümmlicher, selbstgefälliger „Schwachkopf“ van Bett gekonnt, setzte seinen Bass wirkungsvoll ein. Herrlich komisch in seiner Auftrittsarie O sancta Justitia, wo ihm das Fagott erst den tiefsten Ton vorgeben musste und er ihn dann dankend übernahm, sich als Cäsar in die Toga „einwickeln“ liess und den Lorbeerkranz entgegennahm, eine Selbstüberschätzung eines „kleinen“ Politikers sondergleichen (welche aber nichts von ihrer Aktualität eingebüsst hat ...). Wunderbar auch die rasanten, wortreichen Parlando-Passagen, welche an Rossini gemahnten und später von Donizetti in seiner letzten Buffa DON PASQUALE nochmals aufgegriffen wurden. 

Insu Hwang sang den Zaren Peter I. mit schön geführtem, leicht herb timbriertem Bariton. Erfreulich, dass man ihm auch die oft gestrichene Arie im ersten Aufzug liess, welche eben auch die „dunkleren“ Seiten des Potentaten zeigt, wo er das Henkersbeil gefärbt vom Blut der Verräter sehen will. Hier evozierte Insu Hwang die absolutistischen Machtansprüche des sich sonst so volkstümlich gebenden Zaren mit Vehemenz in der Gestaltung. Aber eben, daneben gibt es auch noch die empfindsamen Aspekte seines Charakters, und denen verlieh er in den drei Strophen seines Liedes im dritten Akt Ausdruck: Sonst spielt ich mit Zepter und Krone und Stern mit der refrainartig wiederholten Phrase (und einer der trefflichsten, gefühlsbetontesten Melodien der Oper) O selig, o selig, ein Kind noch zu sein. Insu Hwang sang diese Arie nicht allzu schmachtend und deshalb bestand die Gefahr auch nicht, dass das Stück in kitschige Gefühlsduselei abglitt. Anlässlich der Generalprobe in Leipzig 1837 hatte sich ja ein wahrer Disput um diese berühmte Arie, die heutzutage alle lyrischen Baritone im Repertoire haben, entwickelt. Der Sänger, der Dirigent, der Theaterdirektor machten sich gemeinsam über das Lied lustig, der Bariton verlangte zumindest noch ein paar Koloraturen in diesem schlichten Lied, diesem „Schmachtfetzen“, wie der Theaterdirektor ausrief. Doch Lortzing mit seinem untrüglichen Instinkt beharrte auf seiner ursprünglichen Komposition, und erwiderte: „Jagt nur eure allgemeinen Ideen zum Teufel und dringt ins wirkliche Leben ein, wie Shakespeare und Goethe ... . Der Mensch soll noch geboren werden, der niemals eine weiche, wehmütige Stunde hatte.“

Wie immer behielt er Recht, diese Arie wurde zu einem Welterfolg und verfehlte auch in der Interpretation von Insu Hwang ihre sentimentale Wirkung nicht. Der „andere“ Peter, nämlich Iwanow, wurde gestern von Markus Gruber mit wunderschön gefärbtem Tenor gegeben, lyrisch, verspielt und dann doch in den Eifersuchtsszenen mit seiner Marie wunderbar kraftvoll und intonationssicher aufschwingend. Ganz vortrefflich geriet das a capella Sextett der sechs Männer (Iwanow, Peter I., van Bett, Lord Syndham, Marquis von Chateauneuf, Admiral Lefort) im zweiten Akt. Chateauneuf (Stephen Chambers) hatte zuvor schon mit seinem „Flandrischen Mädchen“ punkten können, mit dem er sich mit seiner auffallend samtenen, einschmeichelnden Stimme als Womanizer profilierte. Sehr komisch auch Michael Zehe als Lord Syndham, gekleidet wie Captain Hook und seinen Haken wie einen Fingernagel feilend während van Bett seiner lächerlichen Inquisition frönte. Ergänzt wurde das prächtige Sextett der Männer durch Kyung-Won Yu als um das Wohl Russlands besorgter Admiral Lefort. Die Frauen sind von Lortzing (leider) nur mit zwei Rollen bedacht worden, Marie und die Witwe Browe. Simone Krampe sang eine wunderbar spritzige Marie, ein wunderschönes stimmliches Timbre gepaart mit einnehmender Spielfreude, köstlich zum Beispiel wie sie mit der Eifersucht Iwanows umging. Die liedhafte Melodik Lortzings war in ihrer Stimme bestens aufgehoben, wie ihre wunderschöne Interpretation des Brautliedes im zweiten Akt bewies. Brigitte Bauma machte aus der kleinen Rolle der Witwe Browe ein darstellerisches Kabinettsstückchen und bewies, dass kleine Rollen, wenn sie mit Bühnenpräsenz gefüllt werden, eben nie klein bleiben.

Aber wie inszeniert man eine solche Oper, deren historischer Hintergrund ja gegeben ist? Nun, der Regisseur Wolf Widder ersann einen interessanten Trick, um von der Gegenwart in die Vergangenheit des 17. Jahrhunderts zu führen. Er erfand einen heutigen Stadtführer der Stadt Zaandam (in der Oper Saardam), Cornelius (gespielt von Mathias Eysen), welcher das Publikum quasi mit der Historie betraut machte. Ausgehend vor dem Prospekt einer heutigen, kleinen Werft, wo Plastikboote hergestellt werden, hob sich dieser Zwischenvorhang und wir schlüpften in einer Art Dokumentarspiel in die Vergangenheit. Die gesprochenen Dialoge waren weitestgehend gestrichen, der Stadtführer im Regenmantel und mit holländischem Akzent übernahm die Conférance und führte als Spiritus Rector durch die Handlung. Dabei streute er zwar immer wieder auch aktuelle Anspielungen ein, die aber leider oft etwas untergingen. Auch das Spiel auf der Bühne blieb oft erstaunlich bieder und brav. Hier hätte man sich etwas mehr Mut und Frechheit zum Hervorstreichen der durchaus relevanten sozialpolitischen Stellungnahmen Lortzings gewünscht. Immerhin, hübsch anzusehen war die Produktion mit witzigen, farbenfrohen historischen Kostümen und einem adäquaten Bühnenbild (beides von Petra Mollérus) allemal.

Alles in allem ein dann doch noch recht kurzweiliger, vergnüglicher Abend, der eindeutig mehr Lust auf Lortzing machte.

Kaspar Sannemann 10.11.16

Bilder (c) Theater Winterthur / Quast

  

 

Ausgrabung auf modern

IPHIGENIE AUF TAURIS  

(Ifigenia in Tauride)

Dramma per musica in drei Akten von Tommaso Traetta (1727 - 1779)

Aufführung des Theater und Orchester Heidelberg im Rokokotheater Schwetzingen  am 15.12.2013 (Premiere)

Psychologische Tableaus statt antiker Tragödienhandlung

Das Theater und Orchester Heidelberg gastiert mit dieser Produktion  am Theater Wintherthur. Der Opernfreund berichtete über die Premiere der Inszenierung am Rokokotheater in Schwetzingen. Auch in Winterthur spielt die Lauttencompagney unter der Leitung von Wolfgang Katschner.

Vorstellungstermine in Winterthur: am 03., 04. und 05.12.2014

theater.winterthur.ch/spielplan/

 

 

 

 

 

 

Con brio e spirito

IL MATRIMONIO SEGRETO

(Domenico Cimarosa)

Premiere am 09.05.2013  -  Eine Aufführung des Opernhaus Zürich

Aus einem Puppenhaus: ganz im Geiste der Komödie des settecento

„Il matrimonio segreto“ (Die heimliche Ehe) ist die 54. von etwa 70 Opern von Domenico Cimarosa (1749–1801). Das Libretto stammt vom italienischen Textdichter Giovanni Bertati, dem als Vorlage das Lustspiel The Clandestine Marriage von David Garrick und George Colman dem Älteren diente, 1766 am Royal Theatre Drury Lane uraufgeführt. Zu ihrer Komödie wurden diese durch einen Kupferstich des englischen Malers William Hogarth angeregt, der mit seinen Karikaturen auch Strawinsky zu „The Rake’s Progress“ inspirierte. Il matrimonio segreto wurde 1792 in Wien uraufgeführt. Dorthin war der Komponist 1791 als Nachfolger Salieris von Kaiser Leopold II zum Hofkomponisten berufen worden. Es ist die einzige Oper des Komponisten, die heute noch regelmäßig auf den Spielplänen zu finden ist. Angeblich hat Leopold II nach der Uraufführung verlangt, das ganze Werk sofort zu wiederholen, weil es ihm so gut gefallen hatte. Der Librettist Bertati war in Nachfolge des in Ungnade gefallenen Lorenzo da Ponte von Leopold II zum „Kaiserlichen Poeten“ der Oper in Wien ernannt worden; was Wunder, dass da Ponte ihn als unerheblichen Schreiberling darstellte. 

Einen frühen Höhepunkt hatte die Gattung der opera buffa gerade sechs Jahre zuvor in Wien mit Mozarts Nozze di Figaro erklommen. Die Buffoopern entwickelten gar sozialen und politischen Sprengstoff. Das Bürgertum emanzipierte sich gegen den Adel bis hin zu revolutionären Umtrieben. Cimarosa selbst war Mitglied im neapolitanischen Jakobiner-Club, war sogar vorübergehend zum Tode verurteile und saß viel Tage ein. Revolutionär ist  der Stoff des matrimonio zwar nicht, enthält aber ein ironisches Sittenbild der Zeit und nimmt zudem den Geist der Aufklärung auf. Die Oper thematisiert nicht zuletzt die heimliche Ehe als Liebesheirat gegenüber der arrangierten Ehe als Zweckbund, ein Thema der Aufklärung und des bürgerlichen 19. Jhdts. In der buffa wird statt Befindlichkeit und Affekt der seria die Handlung wichtig. Statt kunstvoll verfertigter Arien werden mehr und mehr flotte Ensembles komponiert. Die gestalten sind nicht mehr heroisch, sondern aus dem Leben gegriffen. 

Graf Robinson reitet am Hause des Geronimo vorbei

Geronimo, ein reicher Kaufmann möchte seine Töchter adlig verheiraten, um an Ehre und Ansehen zu gewinnen. Seine jüngere Tochter Carolina hat sich aber bereits heimlich mit dem Kontorgehilfen Paolino verheiratet, der für die ältere Elisetta den Grafen Robinson als adlige Verbindung an Land gezogen hat, dem Geronimo eine stattliche Mitgift verspricht. (Das gibt es 120 Jahre später im Rosenkavalier genau noch einmal.) Leider verschmäht der Graf die Ältere und verliebt sich in die Jüngere  und will nun diese heiraten selbst unter Verzicht auf Teile der Mitgift. Fidalma, die mannstolle, jung und reich verwitwete Schwester Geronimos, hat ein Auge auf Paolino geworfen. Zudem hat sie etwas in der Hand:  sie hat den Laden ihres Bruders durch eine stille Einlage finanziert. Das ist der Stoff, aus der die Komödie des 17. Jhdts gemacht ist. Leicht erkennt man Figuren der commedia dell’arte wieder: den reichen Kaufmann Geronimo sowie das listig/lustige Pärchen als Arlecchino und Colombina. Die beiden zickigen Schwestern Carolina und Elisetta findet man später noch zweimal bei Rossini wieder (La scala di seta; la Cenerentola). 

Sunnyboy Dladla (Paolino); Deanna Breiwick (Carolina)

Literarischer Tiefgang ist in der Oper weder vorhanden noch erwünscht; Situationskomik regiert. Regisseure, die in dem Stück psychologischen Tiefgang suchen, und Stückezerhacker scheitern am matrimonio. Das Stück muss aus dem Geiste der Komödie inszeniert werden. Genau das tat für die Neuproduktion des Opernhaus Zürich im Theater Winterthur die Regisseurin Cordula Däuper.  Ralph Zeger baute ihr ein einfach anmutendes, aber doch raffiniert im Detail gestaltetes Bühnenbild:  ein überdimensioniertes Puppenhaus in Form eines modernen zweistöckigen Siedlungshäuschens auf einer Drehbühne. Durch Drehung erhält der Zuschauer verschiedene Einblicke hinter die Fassade der etwas verschrobenen Architektur und in das  Innenleben der Geronimo-Familie. Passend dazu hat Sophie du Vinage mit viel Liebe zum Detail und Fantasie die Protagonisten puppenähnlich und grell kostümiert. Alles ist Bonbon-bunt. Die Bewohner des Hauses stellen sich während der Ouvertüre in den Fenstern des Puppenhauses artig mit Namensschildern vor und bewässern dabei gleichzeitig die Blumenkästen. Das Spiel kann beginnen. 

Roberto Lorenzi (Geronimo); Hannah Bradbury (Elisetta); Olivia Vote (Fidalma); Deanna Breiwick (Carolina)

Der etwas dämliche Graf Robinson hat auch Einzug bei den Geronimos gehalten, womit drei soziale Schichten das Haus bevölkern. Paolino, welcher der untersten angehört, ist in einer Art Kriechkeller untergebracht, der gerade noch hoch genug ist, um dort mit Carolina einer horizontalen Beschäftigung nachzugehen. Offensichtlich erfolgreich, denn Carolina ist schon ziemlich schwanger, was einen gewissen Druck erzeugt, dass die beiden heimlich Verheirateten dem Familienvorstand alles gestehen. Denn Carolinas heimliches Verzehren von haufenweise sauren Gurken würde ja nicht ewig unbemerkt bleiben... Nicht alle Regieeinfälle in dieser fulminanten Komödie sind neu; es werden auch etliche Stereotypen und überkommende Bewegungsmuster des Lustspiels verwandt, und andrerseits geht es auch bis zum Slapstick. Aber jederzeit hat die Regisseurin mit ihren Darstellern die Lacher auf ihrer Seite, wobei es Schlag auf Schlag geht und Kurzweil zugesichert ist. Wenn es in die Pause des Zweiakters geht, liegen die Interessen so überquer, dass man sich kaum vorstellen kann, dass alles zu einem glücklichen Ende geführt werden kann. Das kommt dann aber so heftig und so schnell, dass Carolina eine Schnellgeburt hat, wobei sogar die Mendelschen Regeln gewahrt waren, denn Paolino ist ein Farbiger... Fidalma, die leer ausgegangen ist, hält zum Schluss ihre Telefonnummer zum Publikum hin; möchte sie nicht doch jemand? Oder muss sie sich weiterhin mit ihrem großen Plüschbären abgeben? 

Ensemble

Wenn man behauptet, Cimarosa habe musikalisch schon auf Rossini verwiesen, dann ist das sicherlich falsch aufgehängt. Denn es geht genau umgekehrt: Rossini hat Cimarosas Musik gut gekannt und dabei den syllabischen Duktus der Musik geschickt weiter entwickelt. Dieser ist schon bei Cimarosa vorhanden und erlaubt schnelle Gesangspassagen. Andererseits hat Cimarosa aber ganz offensichtlich nach seiner Ankunft in Wien viel von Mozarts Kunst aufgesaugt, denn nur allzu ähnlich klingt seine Musik. Mozarts musikalische Ausflüge in die Tiefe der Seelen sind nicht zwar nicht vorhanden; aber mehr als nur ein Hauch der buffonesk perlenden Figaro-Passagen weht durch Cimarosas Werk. Und so wird sie auch vom Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Riccardo Minasi dargebracht: als funkelndes musikalisches Bindeglied zwischen Mozart und dem italienischen Belcantismo. An die Zauberflöte erinnernde schwere Eingangsakkorde weichen alsbald der in rasendem Tempo musizierten Ouvertüre, was das Orchester an die Grenze des präzise zu Musizierenden brachte. Auch in späteren immer sehr temperamentvoll musizierten flotten Passagen der hochinspirierten Partitur erreichte das Orchester nicht immer die optimale Durchsichtigkeit. Aber dennoch wurde stets ein rauschendes Klangbild in sprühendem Brio  nahe am Vorbild Mozart erzeugt. Selbst an dessen später Liebe zur solo musizierenden Klarinette ging Cimarosa nicht vorbei. Am Hammerklavier amüsierte sich Andrea Mele mit etlichen Fremdzitaten von Mozart bis Wagner und Verdi, und parodierte mit kakophonischen Schlägen. 

Deanna Breiwick (Carolina); Oleg Loza (Graf Robinson)

Aus dem Internationalen Opernstudio der Oper Zürich stammten die Solisten des Abends, die mit ihren schauspielerischen uns gesanglichen Leistungen durchaus zufrieden sein konnten. Was die Spiellaune anbelangt, sprechen die beigefügten Bilder für sich. Roberto Lorenzi, genoss als einziger italienischer Muttersprachler im Ensemble einen gewissen Heimvorteil; er  verlieh dem Geronimo seinen gefälligen und beweglichen Bass auf sonorem Fundament. Seine Schwester Fidalma war mit Olivia Vote mit einem klangschönen, kräftigen, etwas ausladenden Mezzo besetzt. Die Sopranistin Hannah Bradbury sang die Elisetta; sie kam nicht gleich gut in die Rolle und wirkte zunächst eng, ließ ihre Stimme nicht frei schwingen; sie verbesserte sich aber im Verlauf mit abnehmender Anspannung ganz deutlich und zeigte ihren gefälligen Sopran, die Rezitative indes etwas spitz.  Ihre jüngere Schwester Carolina wurde durch Deanna Breiwick mit warm timbriertem Sopran in schönem Fluss gesungen; schimmernde Höhen und gekonnte Koloraturen zeichneten sie aus; aber auch sie etwas spitz in den Rezitativen. Beide Schwestern kamen wohl mit der italienischen Sprache noch nicht in der erforderlichen Leichtigkeit zurecht, und ihre Textverständlichkeit ist noch verbesserungsfähig. Oleg Loza verkörperte den Grafen Robinson mit kraftvollem wendigem Bariton bei guter Diktion. Der Südafrikaner Sunnyboy Dladla war als Paolino besetzt; sein Tenor zeigt schönes Potential für den feinen lyrischen Gesang; ihm fehlt aber noch etwas Reife; im Ensemble-Gesang konnte er sich stimmlich nicht immer durchsetzen. 

Begeisterte Zustimmung des Publikums für alle Beteiligten aus dem vollen Premierensaal in Winterthur für den gelungenen vergnüglichen Opernabend. (Es muss nicht immer Mozart sein.) Es kommen noch weitere Vorstellungen am 11., 13., 15. und 17. Mai im Theater Winterthur. Die Produktion wird im Opernhaus Zürich ab 24. Okt. 2014 für sechs Vorstellungen in anderer Besetzung wieder aufgenommen; dann auch mit Preisen des Hauses am Bellevueplatz - die unterscheiden sich ein wenig... 

Manfred Langer, 12.05.2014        

Fotos: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

 

 

COSÌ FAN TUTTE

Opernhaus Zürich: Wiederaufnahme in Winterthur am 07.02.13        

(Premiere am 28.06.09  am Opernhaus Zürich)

Die Affekte geraten aus dem Gleichgewicht

Winterthur verfügt über ein großes modernes Theater, aber nicht über ein eigenes Opernensemble. Die bis zu zehn Musiktheaterproduktionen pro Spielzeit werden als Gastspiele gegeben, die meisten von diversen deutschen Opernbühnen, aber auch regelmäßig vom Theater Biel/Solothurn, das hier in jeder Spielzeit gastiert. Die vorliegende Produktion von „Così fan tutte“ ist gewissermaßen gleichzeitig eine Wiederaufnahme vom benachbarten Opernhaus Zürich, wo die Inszenierung 2009 Premiere hatte. Vom Opernhaus Zürich stammen auch das Sängerensemble und der Chor.

Così fan tutte ist die letzte der drei Mozart-Da-Ponte-Opern, in Auftrag gegeben von Kaiser Joseph II. Den Text dieser Oper hat da Ponte nicht großenteils abgeschrieben (wie seinen Don Giovanni vom Gazzaniga-Librettisten Bertati) oder einfach übersetzt (wie seine Nozze aus dem Französischen von Beaumarchais), sondern ihn eigenständig nach literarischen Anregungen zunächst für eine Vertonung durch Salieri erstellt. Letzterer hielt Handlung und Text nicht würdig für eine Vertonung. Dieser Verachtung haben wir die dritte prächtige und heute als gleichwertig angesehene Mozart-Oper des Triptychons zu verdanken. Dennoch hat das Werk wegen seines als frivol angesehenen Stoffes lange Zeit nur ein Schattendasein geführt. Von Beethoven ist eine Äußerung über dessen Unverständnis überliefert, dass Mozart sein musikalisches Genie an einen solchen Stoff verschwenden konnte... 1939 bis 1944 war die Oper in Deutschland gar verboten, weil es als wehrkraftzersetzend angesehen wurde, dass nicht einmal einen Tag nach dem Ausrücken der pflichttreuen Soldaten deren Frauen es schon mit anderen anfingen, gar mit Ausländern. Erst in jüngerer Zeit hat Così fan tutte ihre gleichrangige Stellung im Triptychon erreicht, was sicher auch mir der Tendenz zunehmender psychologischer Vertiefungen der Operninszenierungen zusammenhängt.

Martina Janková als Despina

Die beiden Aspekte der Oper, erst Komödie und dann Seelendrama, hat Sven-Eric Bechtolf in seiner Inszenierung in aller Deutlichkeit entwickelt. Der erste Akt ist eine fast reinrassige quirlige Buffa mit Späßen hin bis zum Derben; legt aber letztlich nur die Basis zu dem Psychodrama des zweiten Akts, an dem Feministinnen ihre Freude haben könnten. Denn in seltener Klarheit wird gezeigt, dass Don Alfonso nicht die Frauen vorführt, sondern die Männer verhöhnt: Trophäentrieb (cherchez la femme), Eitelkeit, Eifersucht, Rache. Bechtolf teilt uns seine Ansicht zu der Oper nicht auf die subtilste, wohl aber auf eine sehr wirkungsvolle Weise mit. In der prologartigen ersten Szene wird nur ein kleiner Guckkasten aufgemacht. Die drei Männer stehen bei ihrer Wette vor einem großen Vitrinenschrank mit naturhistorischen Exponaten: Man befindet sich in der Zeit der Aufklärung. Dass die beim Innenleben der beiden Männer noch nicht angekommen ist, zeigt die dann folgende Geschichte. Dazu wird die ganze Bühne aufgezogen. Rolf Glittenberg hat als Einheitsbühnenbild einen hohen weißen Raum mit großen hohen Durchgängen durch die schräg über die Bühne verlaufenden Wänden aufgebaut. Das ist kalter Neoklassizismus, zu welchem die hübschen, etwas vereinfachten Rokoko-Kostüme der Darsteller kontrastieren (Kostüme: Marianne Glittenberg). In der Mitte steht eine große Zypresse, welche die Halle vom Garten dahinter trennt. Zwölf Stühle sind symmetrisch im Bühnenbild verteilt, wie der Symmetrie überhaupt bei der Oper und ihrer Inszenierung eine große Rolle zukommt.

Malin Hartelius (Fiordiligi); Dorabella (Premierenbesetzung);

Mozarts Oper ist in vielen Aspekten streng symmetrisch angeordnet, vom Großen bis ins kleine, z.B. der musikalischen Struktur einzelner Ensembles. Bechtolf übernimmt das Prinzip in seine Personenregie und macht es auch zum darstellerischen Stilmittel. Denn die Symmetrie als Folie der klassischen Ausgewogenheit zerbricht, als die beiden Damen sich zur Enthemmung mit Rotwein angetrunken haben und ihre Herren von Eifersucht getrieben aufeinander losgehen; die Affekte sind aus dem Lot geraten. Zum Schluss beim Jubelchor: Fortunato l'uom che prende ogni cosa pel buon verso (Glücklich wer allem eine gute Seite abgewinnen kann), geht es wieder schön symmetrisch und glücklich an der Rampe zu, wobei die Regie noch ein fatales (und nicht ganz stringentes) Zeichen setzt und Dorabella aus der falschen Flasche trinken lässt... Glänzend im Detail und gut durchdacht ist Bechtolfs Regiearbeit. Die Rezitative waren kaum gekürzt und erforderten, um nicht zu lang zu wirken, viele gute Regieeinfälle und beste Umsetzung durch die Akteure, denen andrerseits bei den Arien bewegungsmäßig mehr Statik gegönnt wird, so dass sie sich auf das anspruchsvolle Singen konzentrieren können.

Oliver Widmer (Don Alfonso); Malin Hartelius (Fiordiligi); Ferrando, Dorabella (Premierenbesetzung); Ruben Drole (Guglielmo)

Für die szenische Wiedereinstudierung hatte Claudia Bersch eine tolle Truppe zur Hand, bei deren Mitgliedern szenische und musikalische Umsetzung zu teilweise idealtypischen Personenzeichnungen führten. An erster Stelle sei die Despina der Martina Janková genannt. Sie gibt das biestige Dienstmädchen mit dem stacheligen Namen. Von Mozart und Da Ponte stammt wohl die perfekteste Figur dieses Genres der schlauen, aufsässigen Dienerinnen, die woanders Serpetta, Serpina, Vespetta oder ähnlich heißen. In der bürgerlich-betulichen Gesellschaft der Oper hat sie mit ihrer Insolenz sogar revolutionäres Potential. Frau Janková gab sie mit hinreißendem Spiel und leichtem, sehr beweglichem Sopran, der einen verführerischen Schmelz in der Höhe aufwies: eine Traumbesetzung! Das traf auch für Malin Hartelius‘ Fiordiligi zu: eine noble Mozart-Heroine mit traumhaft klarer, heller Stimme, deren Ausdruckskraft sie mit virtuoser Intonationssicherheit und Koloraturfestigkeit verbindet. Mozart hat ihr zwei Arien im Seria-Stil (jeweils auf accompagnati folgend) gegeben, mit der sie das Publikum verzückte. Mit ihrem dunklem Timbre dazu schön kontrastierend (und so als ideale Duett-Besetzung!) gab Anna Stéphany die Dorabella mit schöner warmer Grundierung und großer stimmlicher Klarheit. Das Damentrio allen war den Besuch des Abends wert.

Ruben Drole (Guglielmo); Oliver Widmer (Don Alfonso); Ferrando

Ruben Drole gab mit warmem und kraftvoll-expressiven Bariton einen überlegenen Guglielmo und erledigte die an ihn ebenso wie an Ferrando gestellten hohen schauspielerischen Anforderungen bravourös wie auch der letztere, für den eine Woche vor der Wiederaufnahme Ilker Arcayürek vom Internationalen Opernstudio Zürich eingesprungen war und diese Rolle innert einer Woche erarbeiten konnte. Dass das der Intendant der Oper Zürich, Andreas Homoki, persönlich vor den Vorhang trat, um das zu verkünden, zeigt, wie stolz beide sein können, dass das klappte. Denn Arcayürtek meisterte Herausforderung und Chance mit seinem leichtenden jugendlich-lyrischen Tenor, der für Mozartrollen wie prädestiniert scheint. Dass auch noch ein wenig Aufregung im Spiel war, bewiesen kleinere Unsicherheiten sowie die Tatsache, dass er sich nach der Vorführung mit Dankbarkeitsgesten in Richtung der maestra suggeritore wandte. Komplettiert wurde das Sängersextett von Oliver Widmer als Don Alfonso. Er gab die Rolle nicht als der gelassen-zynische Philosoph, sondern eher etwas giftig, wozu auch sein sehr heller Bass beitrug, der nicht immer ohne Schärfe blieb.

Oliver Widmer (Don Alfonso); Malin Hartelius (Fiordiligi)

Wenn etwas zur Vollkommenheit des Abends gefehlt hat, lag das beim Orchester. Es spielte das Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Thomas Rösner. Der legte einen insgesamt leichten und eleganten, aber streckenweise trocken wirkenden Ton an. Abgesehen von kleineren Differenzen zischen Graben und Bühne und Unkonzentriertheiten der Bläser (bei dieser Partitur wird sowohl vom Holz als auch von den Hörnern passagenweise große Virtuosität gefordert) wurde sauber und präzise musiziert. Aber es fehlte dem Dirigat an Inspiration, brillanter Dynamik und dramatischer Schärfung, was erst zum Schluss aufkam. Jürg Hämmerli hatte dem szenisch bestens eingebunden Chor präzise und klangschön neu einstudiert.

Viel Beifall gab es zum Schluss im sehr gut besuchten Haus in Winterthur. Sich Spitzensänger vom Ensemble der Oper Zürich zu Preisen des Theaters Winterthur anhören zu können, ist nicht alltäglich; und man sollte sich eigentlich nicht entgehen lassen. Cos`fan tutte wird noch am 13., 15. u d 17. Februar in Winterthur gegeben.

Manfred Langer, 11.02.2013                     Fotos: Suzanne Schwiertz

Video:  http://www.opernhaus.ch/vorstellung/detail/cosi-fan-tutte-07-02-2013/#section_videos

 

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