DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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 DER LIEBE AUGUSTIN

 

 

Besuchte Aufführung am 08.10 21 (Premiere am 02.10.21)

 

Und der Himmel hängt voller Geigen

 

Dieser wunderschöne Walzer dient oft als Titel für gemischte Operettenkonzerte, doch wenige wissen, daß er von Leo Fall für seine mittlerweile recht unbekannte Operette "Der liebe Augustin" komponiert wurde, dabei war das mal ein echter Welterfolg. Und wer das Werk jetzt in Görlitz erleben darf, versteht auch schnell warum: lange habe ich kein so unbekanntes Werk gehört, von dem mir so schnell, so viele Melodien im Kopf bleiben; also eine wahre Ohrwurmfalle ! Neben dem bezaubernden bereits genannten Duettwalzer, die Terzette "Anna,was ist denn mit dir"und "Wo steht denn das geschrieben, du darfst nur eine lieben", das charmante "Sei mein Kamerad" oder Augustins Auftrittslied "Lass dir Zeit, alles mit Gemütlichkeit". Leo Fall kannte und konnte sein Metier, warum Barrie Kosky bislang einen Bogen, um den ebenfalls als jüdischen Komponisten im Dritten Reich verbotenen , gemacht hat, verwundert mich da schon sehr. Außer seiner "Madame Pompadour", tauchen selten mal "Der fidele Bauer" oder "Die Dollarprinzessin" auf. Doch zurück zu unserer eigentlichen Operette, die in ihrer ersten Fassung "Der Rebell" in Wien (1908) keinen Erfolg hatte, dafür unter ihrem eigentlichen Titel 1912 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin um so mehr reussierte (ebendort 1928 wurde Brecht/Weills "Dreigroschenoper"  auch ein Welterfolg. An diesem Abend gab der Operettenstar Fritzi Massary ihr Berlindebut.

 

Die Handlung klingt auf den ersten Blick etwas einfach operettig gestrickt: Im bankrotten Balkanstaat Thessalien soll die Kronprinzessin Helene aus Staatsraison den unsympathischen ,aber reichen Onkel Nicola heiraten, der schon einmal das Herrscherhaus zur Flucht brachte und jetzt im Pariser Exil weilt. Sie wird erst im Laufe des Stückes merken, das sie und ihr Wiener Musiklehrer Augustin sich ineinander verlieben. Ihre Milchschwester und Kammerzofe Anna, die Tochter des Hausunikums Jasomirgott, die sich wiederun zu Höherem berufen fühlt, sind bei einer likörseligen Taufe auf eben jener Flucht vertauscht worden, was zum Finale alles ins rechte Fach kommen läßt. Klingt erst mal nicht Besonders, aber das Libretto entlatet auf der Bühne echte Komik, die Personen interessieren und es funktioniert; natürlich auch wegen der inspirierten "Bombenmusik".

 

Anja Nicklich versucht, zum Glück, erst gar nicht das Stück irgendwie umzukrempeln, sondern läßt Operette Operette sein. Leider bleiben die Figuren sehr plakativ und eindimensional; also Prinzessin Helene ein Backfisch; Anna ein wenig zu sehr die quietschige Ulknudel, usw..Dabei bieten die Personen, über Falls Musik durchaus mehr Profil, aber dem Sentiment wird zu sehr mißtraut. Schade, denn sonst ist ihre Regie sympathisch und durchdacht. Die Ausstattung von Antonia Mautner Markhof zeigt im Bühnenbild den verwitterten Charme des bankrotten Fürstentums, die Kostüme sind teilweise sehr gedeckt, doch auch operettig skuril. Lediglich der Helene hätte ich mehr als nur Kostüm gegönnt, da bietet das Stück viele Gelegenheiten (Vorstellung des Fürsten Nicola und Hochzeit), doch dafür läßt sie dieses sehr spezielle Gelb ein wenig zum Fremdkörper im Gesamtbild werden; ist halt meine Empfindung. Auch die Beihilfe eines Choreographen hätte sich noch etwas mehr Schwung auf die Bühne gebracht und die sich sehr wiederholenden Tanzgesten aufgelockert. Die "leichte" Operette braucht halt viel Zuwendung, wenn sie ihren ganzen Zauber entfalten soll. Insgesamt funktioniert jedoch alles und das Publikum amusiert sich.

 

Musikalisch bietet der Abend einige Wackler auf, die zwischen Bühne und Graben, aber auch im Graben auftauchen. Mit Ulrich Kern am Pult werde ich persönlich nicht wirklich warm, denn sein Dirigat wirkt sehr "preußisch", eher auf flott gestriegelt, da fällt viel von Leo Falls Wiener Geschmeidigkeit unter den Tisch. Gerade die viele Walzer brauchen mehr "Atem", die Ritardandi werden nicht richtig gepflegt. Die Hauptfigur, die auch immer wieder mit ihrem Senf, die Handlung stoppt und erläutert, was eine gute Idee ist, ist mit der quirligen Anna Avdalyan passend besetzt, sie bringt den maliziösen Furor der unterschätzten Kammerzofe zu Sprühen. Shoushik Barsoumian als Helene bleibt da melancholisch verhaltener, auch würde man ihr manchmal etwas mehr Sopranvolumen wünschen. Timo Rößner in der Titelrolle des Klavierlehrers Augustin macht erst einmal eine gute Figur, bleibt aber doch , was sicher auch an der inaktive Rolle liegt, recht hölzern und steif, auch sein Tenor wirkt nicht unangestrengt und geschmeidig. Johannes Fritsche als Regent Bogumil bringt dagegen fast zuviel Volumen und spielerische Wucht auf die Bühne, aber auch ordentlich "Leben in die Bude". Akkordiert von Carsten Abel in der Doppelrolle als Ministerpräsident Gjuro/ Klosterpförtner Matthäus mit beträchtlicher "vis comica". Hans-Peter Struppe gibt einen sympathisch biederen Diener Jasomirgott. Ausgezeichnet Michael Berner als krudes Heiratsobjekt Nicola, den erso lebendig zeichnet, das er einem fast sympathisch wird, ihm gelingt auch am besten der kabarettistische Tonfall, den Falls Musik benötigt. Die anderen, kleineren Partien werden von Solisten aus dem spielfreudigen Chor gegeben. Insgesamt ein hübscher Theaterabend, der aber auch verstehen läßt, warum "Der liebe Augustin" ein Welterfolg geworden ist und unbedingt auf die Bühne gehört. Danke allein, das man sich in Görlitz auf das seit Jahrzehnten in Deutschland nicht gepielte Werk besonnen hat. Das Publikum war jedenfalls entzückt.

 

Martin Freitag, 12.10.2021

 

 

DER LIEBESTRANK / L’ELISIR D’ARMORE

Wiederaufnahme am 7. Oktober 2016

TRAILER

Görlitz ist so weit östlich, wie das in Deutschland nur möglich ist. Die Neisse fließt durch die Stadt und teilt den deutschen Teil säuberlich vom polnischen, der heutzutage glücklicherweise mit Brücken verbunden und nicht durch Grenzposten getrennt ist. Diesseits ist die „gute alte DDR“ immer wieder noch zu wittern, sei es im Stadtbild, sei es in den Köpfen vereinzelter, misstrauisch und verbiestert auf „Westler“ sehender Zeitgenossen. Kein Wunder, dass Görlitz als stockkonservativ gilt, zumal in der Theaterwelt, wo man mit einem eindrucksvollen Bau aus besseren Zeiten (als die Stadt noch sehr reich war) prunken kann: Das Gerhart Hauptmann Theater wird auch stolz „die zweite Semper Oper“ genannt.

Aber glücklicherweise ist die Opernwelt nie frei von Überraschungen, und so erlebt der Gast als Wiederaufnahme der April-Premiere eine so verrückt-vergnügliche, absichtlich blödsinnige und verblödelte Aufführung von Donizettis „Liebestrank“ (mit dem deutschen Titel angekündigt, Italienisch gesungen, mit deutschen und polnischen Übertiteln), dass das Staunen schnell in den Spaß übergeht.

Der Schweizer Regisseur Christian Papke bekennt im Programmheft (da hat sich die Dramaturgie mit Erklärungshilfen für das Publikum jede erdenkliche Mühe gegeben), dass der „Liebestrank“ jetzt „nicht unbedingt das typische Thema für Regietheater“ sei, aber er tut es doch. Seine Neudeutung geht bis in die Unkenntlichkeit, wenn die Geschichte auf einem Schiff spielt (Ausstattung: Klaus Werner Noack) wo Norina Offizierin ist (mit fescher Mütze, „Traumschiff“ sieht ja wohl jeder), Belcore der Security-Chef, Dulcamara der Entertainer und Nemorino halt ein armer Schiffsjunge. Wer das Original nicht kennt, wird nach diesem Abend keine Ahnung davon haben. Die Geschichte mit Liebestrank, Königin Isolde und dergleichen funktioniert solcherart gar nicht; und wenn Dulcamara mit „Udite, udite, o rustici“ auftritt, sind natürlich auch weit und breit keine Rustici, wohl aber best geformte Damen im Bikini und viel schmuckes Schiffspersonal zu sehen. Aber man soll nicht so kleinlich sein.

Denn Papke zieht seine Idee (und wenn man die auf die Inszenierung zugeschnittene Inhaltsangabe gelesen hat, kapiert man auch die neue Konzeption) absolut durch. Mit Mätzchen aller Art. So wird Dulcamaras Erscheinen durch das Rattern von Hubschrauber-Rotoren angekündigt, er wird auf einer Strickleiter vom Himmel herabgelassen und beginnt gleich im Glitzergewand mit wogenden Hüften sein Entertainer-Geschäft. Ja, es wird viel geschwungen und getanzt in dieser Inszenierung, Donizettis Musik eignet sich (wieso ist uns das noch nie aufgefallen?) offenbar dazu, flott getanzt zu werden, und alle Beteiligten tun dies, so oft sie können, wohl auch unter Anleitung der Choreographen Dan Pelleg und Marko E. Weigert.

Amüsanter Höhepunkt dann die Begegnung von Adina und Nemorino im – Fitness-Studio. Da hat die Sängerin einiges zu leisten – schwierige Stretch- und Dehnübungen, die in ihrer Geschmeidigkeit nur wenige so hinlegen würden, bei gleichzeitigem Donizetti-Gesang. Vergleichsweise hat es der schmachtende Tenor noch leichter, der muss nur am Trainings-Fahrrad strampeln… Doch wenn man nicht kleinlich ist („Was hat das mit dem Liebestrank zu tun?“) und sich auf diesen ganzen, gut gemachten Unsinn einlässt, wird man auch als Opernfreund, der eigentlich Respekt für die Werke einfordert, angesichts dieser „Übersetzung“ der Geschichte ganz vergnügt sein. Tatsächlich könnte man sich den Abend glatt an der Volksoper vorstellen…

Das schöne Gerhart Hauptmann Theater der Görlitzer wirkt von außen größer, als es der Opern / Theatersaal ist, und das kommt vor allem Nemorino zugute. Denn der farbige Südafrikaner Thembi Nkosi hat (abgesehen davon, dass er so drollig wirkt, wie es der Rolle wohl ansteht) einen wirklich schön timbrierten, leichten Tenor mit müheloser Höhe und tadelloser Technik zu bieten. Es wäre nur zu befürchten, dass er die Stimme in jedem größeren Haus forcieren müsste und dadurch an Qualität verlöre, was schade wäre. Aber in diesem „Liebestrank“ war er ein Goldstück – und er ist ja, nach Mini-Rollen in Stuttgart, hier in Görlitz erst am Anfang.

Wie man nicht nur bei uns in Wien, sondern weltweit in der Oper feststellen kann, liefern die Koreaner hochqualitative Stimmen, besonders dunkle, wie vom Fließband. Auch Ji-Su Park als Belcore ist dafür ein Beispiel, und bei ihm hat man keine Sorge, dass er in größeren Häusern nicht reüssieren konnte, da ist neben anderen Qualitäten (ein witziger Darsteller im Mafioso-Look ist er auch!) auch ausreichend Kraft festzustellen.

Um bei den Herren zu bleiben, so war Federico Sacchi als Dulcamara / Entertainer ein prächtiger, wendiger, stets tänzelnder Spitzbub, von dem man sich nur gewünscht hätte, dass seine Stimme mehr aus der Kehle und weniger aus der Nase kommt. Aber bei dem Wetter (es regnete und regnete in Görlitz und war bitterkalt) kann das natürlich auch glatt ein Schnupfen gewesen sein…

Tut man der rassigen Brasilianerin Cristina Piccardi etwas Böses, wenn man zuerst ihre Model-Gestalt mit den elastischen Gymnastik-Künsten lobt? Die Stimme ist schlank und stark, vielleicht zu groß für das Haus, und wird in der Höhe leicht schrill. Die Gianetta der Anna Gössi konnte (die Rolle gibt einfach wenig her) mehr Optik zeigen als Akustisches hören lassen, aber da sie in Görlitz laut OperaBase zwischen Jenufa und Hanna Glawari auch großes Repertoire singt, ist das für sie wohl eine klassische „Ensemblehund“-Aufgabe.

Der noch recht junge Evgeny Khokhlov, der das Dirigieren u.a. auch bei Neeme Järvi und Paavo Järv gelernt hat, nahm mit der Neuen Lausitzer Philharmonie Donizetti fest, manchmal fast deftig, aber es war ja nicht das leichtfüßige Original gefragt, sondern der Ton der flotten Rhythmik, den die Inszenierung angeschlagen hat. Und wenn man zu einer Musik dauernd Hüftenwackeln will, muss sie auch entsprechend klingen…

Traurig nur, dass eine Inszenierung, die dezidiert für ein junges Publikum gemacht wurde (damit es seine Welt und seine Mentalität auf der Bühne wieder findet), von diesem nicht besucht wurde. Und die, die kamen, die fortgeschrittenen Jahrgänge, füllten das Haus keinesfalls in befriedigendem Ausmaß. Doch am Ende zeigten sich die Herrschaften, die dem Geschehen eher skeptisch zu folgen schienen, als höchst applausfreudig. Und das Ensemble hat die Zustimmung wirklich verdient.

Renate Wagner 10.10.16

Bilder (c) Theater Görlitz

 

 

DIE TOTE STADT

Premiere am 11. April 2015

Großartige Wiederbelebung eines fast vergessenen Komponisten

Ein knallbuntes Plakat wirbt in Regionalzügen und in der Stadt für einen Besuch der Toten Stadt im Theater Görlitz. Es ist erfreulich, daß dies lange Zeit unterschätzte Werk Erich Wolfgang Korngolds nach langer Pause wieder den Weg ins Repertoire der Opernhäuser und Theater findet. Zwar dürften Kinointeressierte schon seine Musik gehört haben – zuletzt auch aus der Toten Stadt im Kultfilm der Coen Brothers The Big Lebowski – dennoch zählt Korngold immer noch zu den Vergessenen.

Anfang der zwanziger Jahre war sein 1920 in Hamburg und Köln uraufgeführtes Hauptwerk „Die tote Stadt“ ein Publikumsmagnet. Neben der eingängigen spätromantischen Musik, die sich andererseits der modernen Tonsprache öffnete, trug das Sujet zum Erfolg bei. Im kurz zuvor beendeten Krieg traf der Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen den Nerv der Zeit. Der Kunstgriff, die Bewältigung der Lebenskrise in einen Traum mit kathartischer Wirkung zu verlegen, griff die damals in Mode gekommene Psychoanalyse auf. Der damals 23jährige Komponist, der ein Textbuch seines Vaters kongenial umgesetzt hat, feierte seinen größten Triumph – der leider sein letzter durschlagender Erfolg auf der Opernbühne blieb.

Das Werk erfordert neben einem gewaltigen Orchester einschließlich Parsifal-Glocken, Orgel, Harmonium und Windmaschine Sänger, die auch einen Tristan durchstehen können und erstklassig besetzte Nebenrollen. Verständlich, wenn Intendanten das Risiko scheuen. Werden die Zuschauer den Aufwand belohnen? In Hamburg dürfte eher Klaus Florian Voigt für ausverkaufte Vorstellungen garantieren als der Name des Komponisten. Nach der Verfemung durch die Nationalsozialisten litt die Rezeption seit den fünfziger Jahren unter einer elitären Geringschätzung. Die Aussage, es klinge etwas nach Korngold, galt als Verdikt. In bestimmten Kreisen war das ebenso anstößig wie heute das Bekenntnis, Helene Fischer zu mögen.

Größere Wiederbelebungsversuche der "Toten Stadt" in Deutschland, wie die legendäre Inszenierung von Günther Krämer vor über 20 Jahren an der Düsseldorfer Rheinoper, später folgten Berlin und Frankfurt, oder die fulminante Weise-Produktion an der Bonner Oper vor 6 Jahren bzw. auch die sehr gute Inszenierung am MiR in Gelsenkirchen von Thilo Reinhart blieben nicht ohne Nachhall; mit der Folge, daß sich nun auch unsere fabelhaften mittlere und kleinere Bühnen des Werkes annahmen, wie Hof, Augsburg, Graz, Lübeck, Freiburg und Chemnitz - nun auch Görlitz. Ist das schon die verdiente Korngold-Renaissance?

Die Stadt verfügt über ein wunderschönes Theater, das nicht zu Unrecht als „Kleine Semperoper“ gerühmt wird. Der kleine Orchestergraben zwingt allerdings zu Kompromissen. Das Orchester wurde hier – wie beim Rosenkavalier in Döbeln / Freiberg – hinter der Bühne plaziert. Der Dirigent kommunizierte über den Monitor mit den Sängern. Die Übertragung per Lautsprecher in den Zuschauerraum wirkte etwas befremdlich. Andererseits erlaubte die in die Tiefe gestaffelte Bühne interessante Effekte, wenn sich kurzzeitig der Blick auf einen Teil des Orchesters öffnete. Marie sang ihren Part in der Traumsequenz des Ersten Aktes hinter der Szene, durch die Verstärkung ergab sich aber ein leicht irritierender Echo-Effekt, der dramaturgisch beabsichtigt sein könnte. Die für die Musik Korngolds unverzichtbare Klang-Opulenz wurde jedoch dadurch etwas ausgebremst.

Ausgesprochen schwierig ist es, für eine Umsetzung des Alptraumhaften mit seinen Umschwüngen ins Groteske die richtigen Bilder zu finden. Das Werk wurde in Görlitz auf einer Schräge gespielt, die die verzerrte Wahrnehmung des Protagonisten unterstreichen sollte und den Sängern schon körperlich einiges abverlangte. Das Bild der Marie verkörperte eine Tänzerin, die nahezu die gesamte Zeit auf der Bühne präsent war. Sie stellte eine Projektion Pauls dar, die Bewegungen wurden dann eckiger, bis sie sich in die verrenkte Gliederpuppe verwandelte, die dann nach Pauls Erwachen im Dritten Akt ausgetauscht wurde. Tänzer des Balletts ergänzten die Schauspielertruppe. Sie füllten auch in der Fronleichnamsprozession die Bühne. Die „verzerrten“ Bewegungen erinnerten mich an die Hamburger Produktion. Offensichtlich schienen alle Kräfte des Theaters mobilisiert worden zu sein. Aus meiner Sicht führte das in der Vision Pauls im Dritten Akt zu einer Unübersichtlichkeit, als dann auch noch Videosequenzen eingespielt wurden, während die ganze Bühne geradezu von Personal wimmelte. Ballettänzer werden gegenwärtig in der Oper immer beliebter. Ich empfinde den Einsatz von Tänzern eher ablenkend als erhellend - so z.B. auch bei dem "Nonnenballett" zu Beginn des Zweiten Aktes.

Bemerkenswert ist, daß das Theater Görlitz ohne Gäste auskam. Durch eine erstklassige Besetzung der Nebenrollen Regina Pätzer als Brigitta und Ji-Su Park als Frank war man sofort für das Ensemble eingenommen. Anrührend war der Ausbruch Brigittas am Anfang des Ersten Aktes "Was das Leben ist, weiß ich nicht". Das Lied des Pierrot „Mein Wähnen, mein Sehnen“, das Ji-Su Park beseelt und differenziert interpretierte, hat mich selten so angesprochen. Die beiden Hauptdarsteller füllten die ungeheuer anspruchsvollen, geradezu "mörderischen" Rollen aus und es gelangen ihnen berührende Momente. Patricia Bänsch sang die Marietta / Marie mit etwas Vibrato und mitunter recht laut, was sicher Geschmackssache ist. Jan Novotny klang gelegentlich etwas nasal. Beide lagen immer über dem in den Ausbrüchen gewaltig auftrumpfenden Orchester unter der Leitung von GMD Andrea Sanguineti. Die sicher nicht einfache Abstimmung mit dem Orchester über Monitor funktionierte. Es war beeindruckend, wie beide in ihren Rollen auch darstellerisch aufgingen.

Als ärgerlich empfand ich die Idee, den wohl bekanntesten Hit, „Glück, das mir verblieb“ zu verfremden, als hätte der Regisseur Angst davor, das Ganze würde zu „gefühlig“ bzw. melodienselig. Aus der alten Laute wurde die alte Platte mit Richard Tauber, die dann auch mit etwas Schellacksound eingespielt wurde, während dann bei der dritten Strophe Marietta zum ergriffenen Gesicht des Paul in Lachen ausbrach. Das ergibt durchaus einen nachvollziehbaren Sinn, zerstört aber den Hit der Oper, auf den alle warten, die das Werk schon einmal gehört haben. Neuerdings wird die Tote Stadt nur noch mit dem Strich am Ende des Ersten Aktes und der nahtlosen Überleitung zum Zweiten Akt gegeben, wodurch einige schöne Takte und ein effektvoller Schluß verloren gehen.

Sinnvoll ist der durch die Videoeinblendungen hergestellte Bezug zur Entstehungszeit nach den Schrecken und dem massenhaften Sterben im Ersten Weltkrieg. Gefallen hat mir der offene Interpretationsansatz. Ist es die über den Tod hinausreichende Liebe oder eher das schlechte Gewissen Pauls, der an dem Tod seiner Frau vielleicht nicht unschuldig ist? In Görlitz entschied man sich für eine Art „Happy End“, bei der ein durch den Traum geläuterter Paul nach einigem Zögern tatsächlich gemeinsam mit Frank die Bühne über den Seitenausgang des Zuschauersaals verläßt. Die Musik spricht nach meinem Empfinden etwas anderes aus. Der Traum hat ihm eher vermittelt, daß er seiner seelischen Verletzung nicht entfliehen kann. Der letzte Satz: „Ich will`s – Ich will´s versuchen.“ klingt nun einmal nicht nach dem Aufbruch zu einem neuen Leben jenseits der Stadt des Todes.

Alles in allem kann sich die Görlitzer Produktion durchaus mit Hamburg messen; einige Rollen schienen mir sogar stärker besetzt. Das zahlreich erschienene Premierenpublikum bejubelte alle Mitwirkenden einhellig. Erwähnenswert ist das informative und liebevoll gestaltete 70-seitige Programmheft.

Einen herzlichen Dank an alle Beteiligten und das aufmerksame und entgegenkommende Personal für einen eindrucksvollen Opernabend.

Michael Rudloff 17.4.15

Bilder: Theater Görlitz / Marlies Kross

 

Opernfreund-CD-Tipp

Immer noch das MASS DER DINGE - vor allem sang Kollo damals at his top!

 

 

 

ORPHEUS UND EURYDIKE

open air auf dem Nikolaifriedhof

10.7.13

Gluck mit Grusel, Gänsehaut und viel Gefühl

Open Air-Opern gibt es oft, aber auf einem Friedhof nur in Görlitz!

Glucks „Orpheus und Eurydike“ als Opern- Spektakel, aber total in neuem Gewand, denn die Musik kommt von einer 5- köpfigen Band, die mit einer wilden Mixtur aus Klassik, Rock, Pop und Gothic den ehrwürdigen Nikolaifriedhof zum Beben bringt. Arrangiert hat das mit großem Können Steffan Claußner, ohne die wundervolle Musik von Gluck zu beschädigen.

Orpheus trauert um seine große Liebe,doch es gibt eine zweite Chance. Zusammen mit Amor taucht er ab ins Totenreich und schafft es sogar mit seinem Gesang die Furien zu begeistern. Nur Ansehen darf er Eurydike nicht, als er es dennoch tut, stirbt sie erneut. Aber keine Panik, auf Amor ist Verlaß ,er erweckt sie und das Happy End naht! 

Von Anfang an ist man fasziniert vom morbiden Charme des Friedhofs, die Zuschauertribüne gibt den Blick frei auf Gräber, riesige Särge, Kunstnebel beherrscht die gruselige Szenerie, die bei Dunkelheit noch um einiges schrecklicher wird. Die Glocke vom Friedhof läutet und es geht los! Wir sehen Eurydikes Beerdigung, angelegt als großes Fest, als Dance- Event. Die Damen und Herren der Tanzcompany des GHT Görlitz- Zittau sind furchterregend gekleidet, schwarz mit langen blonden Haaren.

Der absolute Höhepunkt des Abends besteht in Orpheus Abstecher in die Hölle, hier wird so ziemlich alles aufgeboten, was möglich ist! Grandiose Lichteffekte, Feuerwerk, die Furien, die aus einem überdimensionierten Sarg steigen. Dann ändert sich die Szenerie, ein beleuchteter weißer Würfel bildet eine Insel, auf der Orpheus seine Frau sucht, sie befindet sich aber auf einer anderen Bühne mit riesigen Särgen.Nun könnte man meinen, das sei alles ein Spektakel um des Spektakels willen, aber weit gefehlt! Der Regisseur Sebastian Ritschel nimmt die Handlung ernst, ihm gelingen teilweise extreme Momente des Innehaltens, besonders berührend in der letzten Szene. 

Zu machen ist das nur mit erstklassigen Sängern,die szenisch präsent sind, und die gab es! Audrey Larose Zicat, in Görlitz als Violetta und Figaro- Gräfin bejubelt, warf sich mit vollem Einsatz und wunderbar geführtem Sopran in die ungewohnte Musikbegleitung, Particia Bänsch als Orpheus und Laura Scherwitzl als Amor ( ihrem Kostüm gebührt ein Sonderlob, ganz in schwarz mit roten Flügeln!Ausstattung: Britta Bremer und der Regisseur) brachten die Figuren zum Leben, verzauberten das Publikum mit ihrem Gesang.

Sämtliche Vorstellungen waren ausverkauft, aber es gibt für alle, die es noch sehen wollen, Hoffnung, denn das Stück wird in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen. Ein Besuch lohnt sich! Ein rundum gelungenes Event, eine Riesenleistung vom Gerhart-Hauptmann-Theater und ein Abend, der noch lange nachhallt.

Auch (und jetzt kommt das dicke Ende) wegen der Angriffe der Killermücken, die an diesem lauen Sommerabend, so schien es, im Takt der Musik ausschwirrten und das Publikum erbarmungslos piesackten. Durch die Presseabteilung des Hauses war ich vorgewarnt und schwebte in einer Autan- Wolke, zum Leidwesen meiner Sitznachbarn (Frau Brückner, Sie haben mich gerettet!).

Maximilian von Grünfeldt, 10.07.13

Bilder: Marlies Kross / Theater Görlitz

 

 

 


LE NOZZE DI FIGARO

Vorstellung am 30.06.13
 
„Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro“, so heißt die literarische Vorlage von Beaumarchais, auf die Lorenzo da Ponte ein geniales Libretto und Mozart die Musik schrieb.Und so konnte das wohl wirklich nur Mozart, in gut drei Stunden spannt er den Bogen von der Komödie zur Tragödie, irrsinnige Tempi wechseln sich mit berückenden Momenten des Innehaltens ab.

Dieses Meisterwerk, was man an großen Bühnen schon einmal eher bieder und schleppend inszeniert erlebte, fegt am Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz (übrigens, ein Kleinod par excellence) über die Bühne wie ein Wirbelsturm. Inszenierung, Ausstattung und Licht lag in den Händen von Sebastian Ritschel, der eine moderne, flotte und sehr durchdachte Sicht auf die Oper vorlegte, der man eventuell die etwas dick aufgetragenen Symbolik vorwerfen kann( rotes Licht bei Dramatik und Projektion des Schriftzugs „Vendetta“).

Dreh- und Angelpunkt ist der Graf, er ist der rücksichtslose Macho, ganz Aristokrat, er geht mit dem Kopf durch die Wand und zu den großen Momenten der Inszenierung zählt die Szene, in der sich die gesamte Dienerschaft mit Zaunlatten auf den völlig überraschten Grafen stürzt.
 
Tim Stolte singt den Almaviva, er macht aus dieser Rolle keinen billigen Verführer, zeigt vielmehr sehr intensiv den machtbesessenen Macho, der nur den Erfolg will. Stimmlich ein absoluter Höhepunkt des Abends und schmerzlich für das Publikum, dass er Görlitz mit dieser Spielzeit verlässt.

Audrey Larose Zicat gibt der frustrierten Gräfin Stimme und Gestalt, ihr wunderbar geführter Sopran meistert die Klippen der Partitur mühelos. Der Figaro wurde von Geani Brad, einem jungen Bariton aus Rumänien, stimmlich opulent und darstellerisch ganz vorzüglich gegeben, als Susanna schaffte es Laura Scherwitzl den Spagat zwischen Kammerzofe und verliebter junger Frau glaubhaft zu machen.
 
Auch die kleineren Partien der Marcellina und des Bartolo wurden von den erfahrenen Ensemble- mitgliedern Gabriele Scheidecker und Stefan Bley sehr quirlig und überzeugend interpretiert.

GMD Eckehard Stier, der sich leider nach 10 Jahren in Görlitz verabschiedet, machte einmal mehr deutlich, was er zusammen mit der Neuen Lausitzer Philharmonie aufgebaut hat. Schwungvoll, geradezu leicht seine Ausdeutung der Musik, dabei immer ein verlässlicher Begleiter der Sänger/innen und auch Helfer, wenn es angebracht war.
 
Maximilian von Grünfeldt
Bilder: Marlies Kross / Theater Görlitz
 
P.S. das gibt es nur in Görlitz: Übertitel in deutsch und polnisch!
 
 

 

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