Bad Staffelstein
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DIE FLEDERMAUS
Operettenglückseligkeit in mit vielen Stolpersteinen und herausragendem Ergebnis
05. August 2018
(Premiere am 21. Juli 2018)
Spitzenaufführung, teilweise vor schwach besetzten Rängen, das schmerzt das Publikum und noch mehr die tollen Künstler
Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für die Sommeroperette Coburg. 24 Jahre war sie mit teilweise tollen Erfolgen und überwiegend ausverkauftem Haus in Heldritt zu Hause. Wegen einer Reihe von Vorkommnissen entschloss sich die Intendantin Adelheid Frankenberger mit der Bühne nach Bad Staffelstein umzuziehen. Dort auf der Seebühne, mit einer herrlichen Kulisse, eingerahmt von Kloster Banz, Vierzehnheiligen und dem Staffelberg, im „Gottesgarten am Obermain“ wollte man die Operette zu neuen Höhen tragen. 2016 war die Coburger Sommeroperette zur besten deutschen Operettenbühne gekürt worden, und jetzt wollte man noch eine Schippe drauflegen. Etliche Angriffe wegen Problemen in der Vergangenheit wollte man mit einem fulminanten Neustart begegnen. Als künstlerischen Leiter und Hauptdarsteller hat man den bekannten Tenor Michael Heim engagiert und weitere tolle Sänger. Dann kamen unüberbrückbare Probleme auf, Michael Heim warf hin und man muss nun neue Darsteller finden, als Regisseur, als Dirigent und als Sängerdarsteller. Und hier beweist Frau Frankenberger Geschick. Für die Regie wird Gernot Kranner gewonnen, als Dirigent übernimmt Stefan Meier den Chor und das Orchester der Coburger Sommeroperette und es werden namhafte Sänger wie Eugene Amesmann, Ute Ziemer, Alois Walchshofer und viele andere gefunden und die Proben lassen Großes erwarten. Die Stadt Bad Staffelstein kündigt unter anderem ein Regendach an, welches auch als Sonnensegel genutzt werden soll – und genau das hätte man in diesem Sommer mehr als benötigt. Aber, darauf wartet man bis jetzt vergebens, der Rezensent weiß nicht aus welchem Grund dieses für ihn unverzichtbare Hilfsmittel nicht ausgeliefert wurde. So müssen (bis auf die etwas nasse Premiere) nicht nur die Zuschauer bei über 30° schwitzen, nein auch für die Künstler ist es mehr als eine Herausforderung in dieser Gluthitze zu singen und zu spielen. Sollte die Operette in Bad Staffelstein eine Zukunft haben, ist dies ohne eine entsprechende Sonnen-Regenschutzkombination nicht vorstellbar. All diese Vorgänge haben dazu geführt, dass bis auf wenige Ausnahmen die exzellenten Vorstellungen nur zu einem geringen Teil verkauft waren. Es ist dem Rezensenten nicht nachvollziehbar, warum diese einmalige Möglichkeit, die hier geboten und sehr gut umgesetzt wurde, nicht in rauen Scharen von den Besuchern genutzt wird. Waren es die Streitigkeiten vor Beginn der Aufführungen, war es der kurzfristige und überraschende Weggang des künstlerischen Leiters, war es das Wetter, welches viele Interessenten abhielt sich in eine, sagen wir ruhig ungeschützte Gluthitze zu begeben. Egal, wie auch immer, die teilweise ausgezeichneten Akteure hätten weitaus mehr Zuspruch verdient. Und dann kommt noch ein weiterer Punkt, der mehr als ärgerlich ist. Während der von mir besuchten Aufführung hat im Kurpark ein Aktiv Programm der Obermaintherme weit über eine halbe Stunde nervtötend (und die Operette ungemein störend) für unangenehmsten Lärm gesorgt. Kann man denn nicht die verschiedenen Veranstaltungen aufeinander abstimmen? Ist das so schwer, dass man hier eine wunderschöne Operettenaufführung so brutal stört. Ich habe nichts gegen Aktiv Programme, aber alles zu seiner Zeit. Und einen Koordinator, der dies aufeinander abstimmt, wird man in einer bekannten Kurstadt doch wohl noch finden können. Und so viele Veranstaltungen werden hier auch nicht nebeneinander angeboten, dass dies nicht möglich ist. Wie gesagt, mich hat dies sehr stark gestört und auch die große Maße des zahlreich erschienenen Publikums an diesem Sonntagnachmittag. So etwas nennt man unsensibel, hier fehlt einfach das Fingerspitzengefühl. Und es wird der Sommeroperette angelastet, die dafür nichts, aber auch garnichts kann.
Ute Ziemer, Eugene Amesmann
Und dann war ein weiteres Highlight die Auswahl der Bad Staffelsteiner Eröffnungspremiere „Die Fledermaus“ von Johann Strauss jr. kann guten Gewissens als die Königin der Operette bezeichnet werden, eigentlich immer ein Selbstläufer, auch im Sommertheater. Den Inhalt der Fledermaus erzählen zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen, denn die berühmteste Operette kennt wohl jeder Musikliebhaber. Ein bisschen verändert hat der Wiener Regisseur Gernot Kranner das Stück. Da ihm die Operette zu langatmig erschien (was sich dem Straussianer nicht ganz erschließt), hat er das Stück sehr stark gekürzt, viele Dialoge vereinfacht und den Humor noch mehr herausgestellt. „Ich habe versucht, den alten Dampfer flott zu kriegen“ sagt er selbst über seine Inszenierung. Und Kranner ist es gelungen, die altehrwürdige Operette flott darzustellen, einen Gag an den anderen zu heften, viele Einfälle einzubauen und insgesamt eine spritzig leichte und temperamentvolle Inszenierung auf die Bretter, die die Welt bedeuten zu zaubern. Dem Publikum gefällt es, ebenso wie das Bühnenbild von Frieder Klein, welches den Erfordernissen der Seebühne angepasst ist, denn es geht hier schon insgesamt recht eng zu und viel Platz zur Entfaltung gibt es nicht. Man hat das Beste aus dem Machbaren gezaubert. Man hat alles praktisch in fünf Bilderrahmen eingeteilt, mit roten Möbeln, Mauerwerk, dann Spiegeln. Im mittleren Rahmen ist das Orchester platziert, und versucht locker über die etwas gedrängten Möglichkeiten hinwegzuspielen. Dies tut man frisch, engagiert, nimmt sängerdienlich auch die Lautstärke zurück und zaubert unter dem Kapellmeister Stefan Meier das Beste aus den räumlichen Möglichkeiten. Der Chor, einstudiert von Anna Juliane Schneider ist immer auf der Höhe des Geschehens, gefällig, auflockernd und professionell die lockere Geschichte begleitend. Von Christina Piringer stammt die Choreografie, alles scheint locker, leicht, beschwingt. Man hat hier aus ganz wenigen Mitteln und Möglichkeiten das Optimale geschaffen. Für die Tontechnik ist das Clavius Gymnasium unter der Leitung von StD Wolfgang Armbrecht verantwortlich und sie sind nach einigen Anfangsproblemen immer professioneller. Alles, was derzeit auf der Bühne technisch möglich ist, hier kann man aber in der Zukunft sicher noch etwas zulegen, kitzeln sie heraus, einige kleine Schwankungen in der Tonübertragung eingeschlossen. Die Meisteroperette wird frisch, aufgeweckt, schmissig, teilweise mitreißend dargeboten, so macht Operette Spaß und man merkt erneut, welche wunderschöne und einmalige Musik der Schani (Johann Strauss jr.) geschrieben hat.
Und nun zu einer Sparte, die man in dieser Aufführung nicht hoch genug loben kann, den Sängern. Selten habe ich ein so homogenes Ensemble erlebt wie bei dieser „Fledermaus“. Es gibt eine Reihe von Glanzleistungen und es gibt – und das ist nicht immer so – keinen einzigen Komplettausfall. Doch der Reihe nach. Eine sensationelle Superleistung bringt der österreichische, in Tirol geborene und in Wien aufgewachsene Tenor Eugene Amesmann als Gabriel von Eisenstein. Mit weichem, durchschlagskräftigem Tenor, der metallisch strahlt und eine bombenfeste Höhe besitzt, kann er der Partie ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten hervorlocken. Dazu merkt man ihm jeder Sekunde an, wie gerne und leidenschaftlich er seine Rolle darbietet, seine Laune überträgt sich auf das Publikum, welches ihm großen wohlverdienten Applaus spendet. Ihm zur Seite als Rosalinde, die aus Aschaffenburg stammende Sopranistin Ute Ziemer. Mit schöner weit strömender Stimme, sowie einer schwebend leichten silbrigen Höhe beeindruckt sie nicht nur das Publikum. Ihr heller, warm blühender Sopran kommt vor allem auch im wunderschön gesungenen Csardas zur Geltung, alle Facetten ihres schönen Organs ausschöpfend. Auch vom darstellerischen gibt es nicht die geringsten Einschränkungen, auch harmoniert sie auf das vortrefflichste mit Eugene Amesmann, was besonders beim „Uhrenduett“ zum Tragen kommt. Als Gefängnisdirektor Frank kann der in Montana/USA geborene und manchmal als österreichischer Amerikaner bezeichnete Bassbariton John Sweeney zeigen, was er noch alles kann. Er kann sowohl stimmlich überzeugen als auch mit seinem ausgesprochen komödiantischen Talent punkten.
Adelheid Brandstetter, Alois Walchshofer, Eugene Amesmann, Ute Ziemer, John Sweeney
Alice Waginger, ist ein spitzbübisches, äußerst temperamentvolles, ansatzweise auch etwas freches Stubenmädchen Adele, und wie diese zarte, schmale und kleine Person die Töne hervorzaubert, wie sie tiriliert, sich in die höchsten Höhen schraubt, klar, sauber und stimmschön, ist aller Ehren wert. Sie muss sogar auf dem Kopf stehend singen, was sie bravourös macht und das Ganze auch noch mit einem Spagat krönt, diese Leistung ist ohne Einschränkungen als außergewöhnlich hervorzuheben. So macht Operette Spaß, so wird das Publikum verzaubert. Mit ihrem zarten, jedoch durchschlagskräftigen sicheren und gefälligen Sopran, reißt die Wiener Koloratursoubrette nicht nur die Gäste mit, auf dem Ball des Prinzen Orlowsky, der von Adelheid Brandstetter unnachahmlich dargeboten wird. Die in Linz geborene Sopranistin füllt die Hosenrolle völlig rollendeckend aus, sie hat sich hier eine weitere Bravourrolle in ihrer langen künstlerischen Laufbahn erarbeitet, und man merkt ihr auch in jedem Moment den Spaß und die Freude an, die sie bei der Darstellung des blasierten reichen gelangweilten Jünglings hat und wie ihr der Ausflug ins Mezzosopranfach Spaß gemacht. Der liebestolle Alfred, der zu Beginn mit einem Schlauchboot in die Szene paddelt, wird von Martin Friedrich Lechleitner, ebenfalls ein Tiroler Gewächs, mit schönem, runden, gefälligen, vielleicht etwas zu sehr zurückhaltendem Tenor dargeboten. Dr. Falke, der die ganze Rache der Fledermaus eingefädelt hat, wird von dem ebenfalls wie seine Frau Adelheid Brandstetter in Linz geborenen Bariton Alois Walchshofer dargestellt, von dem ich einmal sagte, er sei wie guter Wein, er wird mit den Jahren immer besser. Und auch heute zaubert er wieder eine rollendeckende Verkörperung der verspotteten Fledermaus auf die Bühne. Er besitzt einen schönen, vollmundigen, warmen und kräftigen Bariton, den er auch im spielerischen selbstbewusst und eindrucksvoll einsetzt.
Urs Mühlethaler
Urs Mühlethaler gibt den Frosch und das Operettenurgestein ist ganz in seinem Element. Er gibt einen bedächtigen zurückhaltenden Frosch, der seine Pointen genau setzt und weiß, wo die Lacher des Publikums hervorzuholen sind. Man habe ihm geraten Geld anzulegen, auf der Bank mit 0,4%, Zinsen, da trinkt er doch lieber ein Schnapserl mit 40%. Ein Frosch, der das Publikum schnell auf seine Seite zu ziehen weiß, nicht der typische Schenkelklopfbrüller sondern der etwas mehr hintergründige und zurückhaltende Frosch. Dem Publikum gefällt es, das jeden seiner Gags mit großem Applaus bedenkt. Nan Jiang als Blind, Mara Möritz als Ida und Benji Schmitt als Iwan komplettieren das gute Ensemble ohne Fehl und Tadel und reihen sich nahtlos in die Solistenriege ein. Eine arme Statistin wird beim Ball des Prinzen Orlowsky kopfüber in den See geworfen und muss sich schwimmend an Land retten. Bei diesen Temperaturen vielleicht sogar eine erfrischende Angelegenheit. Insgesamt eine schmissige, schwungvolle, zu keinem Zeitpunkt langweilige „Fledermaus“ mit teilweise sehr guten Stimmen. Und das Ganze in einer malerischen Umgebung, die zum Träumen anregt. Das ist Operette natur pur. Der „Gottesgarten am Obermain“ hat ein neues Highlight bekommen, schön wäre es, wenn dies auch vom Publikum mehr honoriert wird, was die Besucherzahlen angeht. Und ohne das Publikum sind solche Aufführungen in der Zukunft kaum zu realisieren - und das wäre sehr schade für die ganze Region.
Manfred Drescher 06.08.18
Bilder Ulrich Göpfert, Coburg