DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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www.theater-nordhausen.de/

 

Das Theater Nordhausen mit dem  Loh-Orchester aus dem benachbarten Sondershausen bespielt auch das Theater Rudolstadt mit Oper, Operette und Ballett

 

 

Richard Wagner

Tristan und Isolde

Sehens- und hörenswerter TRAILER

 

Besuchte Vorstellung: Sonnabend, 29. Januar 2022 (Premiere)

 

Mit „Tristan und Isolde“ konnte eines der anspruchsvollsten Werke des Musiktheaters nach endlos erscheinender Zwangspause Premiere an drei mitteldeutschen Theatern feiern, nach Chemnitz und -- im dritten Anlauf endlich szenisch – Halle, folgte am 29. Januar 2022 Nordhausen.

 

E

s beeindruckt immer wieder, mit welchem Elan kleinere und mittlere Theater Werke auf die Bühne bringen, die lange Zeit den großen Bühnen vorbehalten schienen. Oft haben sie dabei mit Vorurteilen zu kämpfen. Kritische Stimmen, mitunter leider auch in den regionalen Medien, warnen vor einem möglichen Scheitern. Anders als in früheren Zeiten gibt es nicht mehr die „Provinzbühne“ mit den in Ehren ergrauten Lieblingen des lokalen Publikums, welche eher der heiteren Muse frönen. Gerade dort, wo man mit begrenzten Mitteln haushalten muss, arbeiteten international zusammengesetzte Ensembles hochprofessionell, starten junge Künstler ihre Karrieren. Selten gespielte Werke und manche Neuentdeckung ziehen ein interessiertes Publikum auch aus größeren Städten an. Gerade in kleineren Häusern stellt sich durch die Nähe zwischen Bühne und Publikum ein direktes Erlebnis und eine Interaktion ein, die stärker zu berühren vermag als manche routinierte Repertoire-Vorstellung an den großen Bühnen.

Wagner hatte selbst nichts dagegen einzuwenden, seine Werke auch durch ein mittelgroßes Orchester aufführen zu lassen. Für das Coburger Theater soll er eine reduzierte Orchesterfassung für den Ring des Nibelungen autorisiert haben. Vor dem Beginn der Schließungen der Theater überzeugte diese durch Wagnertuben erweiterte Fassung des „Rheingold“ in Coburg; in dieser Spielzeit soll dieser Ring mit der „Walküre“ weiter geschmiedet werden. Auch wenn der Streicherklang bei reduziertem Orchester nicht ganz so geschmeidig zu klingen vermag, werden Details und musikalische Zusammenhänge besser – mitunter plastisch – hörbar.

 

 

Dies gilt nach meinem Eindruck auch für den Nordhäuser Tristan. Unter der Leitung von Michael Helmrath, bis 2021 Generalmusikdirektor und nun erster Gastdirigent, spielt das Loh-Orchester Sondershausen präzise. Dabei gelingen lyrische Bögen, leise Zwischentöne und Klangmischungen sowie eruptive Steigerungen, ohne die Sänger zu überdecken.

Einen Glücksfall für das Nordhäuser Theater bildet das bis in die Nebenrollen hinein rollendeckend besetzte Sängerensemble. Kirstin Sharpin, zur Zeit auch als Brünnhilde im Ring des Nibelungen in Melbourne verpflichtet, ist eine souveräne Isolde. Mit differenziert eingesetzten stimmlichen Mitteln vermittelt sie ohne jegliche Ermüdung die seelischen Abgründe der Rolle zwischen Verzweiflung, Aufbegehren, Liebesrausch und Entsagung. Selbst in exponierten Lagen klingt die Stimme immer kultiviert, niemals schrill. Alexander Schulz gibt den Tristan mit metallisch anmutendem Heldentenor.

Die finnische Mezzosopranistin Niina Keitel verkörpert eine anrührende Brangäne.  Ihre Warnrufe vor dem anbrechenden Tag, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, gehören zu den Höhepunkten des Zweiten Aufzugs. Thomas Berau legt seinen Kurwenal eher lyrisch an und vermag besonders im Dritten Aufzug mit sensibler Gestaltung zu berühren. Thomas Kohl präsentiert einen sonoren König Marke. Er interpretierte ihn als distanziert wirkenden „Funktionär“, der in seinem Monolog eher verletzte Eitelkeit als seelische Erschütterung glaubhaft macht.

Regisseur Ivan Alboresi inszeniert das Werk als Nachtstück eng am Textbuch und setzt auf die Interaktion der Sängerdarsteller. Anders als in der Chemnitzer Produktion verzichtet er auf eine über den Text hinausgehende Deutung. Beide Herangehensweisen haben ihren Reiz und können einander ergänzen.

Die relativ kleine Nordhäuser Bühne wird durch eine drehbare Schräge beherrscht, die im Dritten Aufzug in mehrere Teile zersprungen scheint. Die Reduktion auf nur wenige Ausstattungsstücke und die Lichtregie erinnern an die Bilder der Inszenierungen Neu-Bayreuths. Die Gewänder wirken zeitlos. Nichts lenkt von der Konzentration auf die Akteure ab. Akzente vermitteln sparsam eingesetzte Videoprojektionen. Die Aufzüge lassen keine Orte erkennen und bieten Raum für Assoziationen.

 

 

Während des Vorspiels verweisen Wellen auf den Handlungsort Schiff – es könnten aber auch Wolken oder Rauchschwaden sein. Im Zweiten Aufzug wird das leidenschaftliche Aufeinandertreffen der Liebenden durch eine Videoprojektion mit filmischen Mitteln dargestellt, während Tristan und Isolde distanziert und sängerfreundlich an der Rampe stehen. Selbst wenn es tatsächlich den Corona-Auflagen geschuldet gewesen sein sollte, ist dies eine naheliegende Deutung. Im Tristan wird vieles im Text behauptet, was nicht unbedingt durch die Musik der „Handlung in drei Aufzügen“ beglaubigt wird. Es ist unerheblich, ob der vermeintliche Todestrank gegen einen Liebestrank vertauscht wurde. Mit dem von Tristan und Isolde angenommenen Übergang in das „andere Sein“, entfallen alle Hemmungen und gesellschaftlichen Konventionen, in welche die Akteure unentrinnbar verstrickt sind. Der „öde Tag“ reißt sie in diese Realität zurück, der sie entfliehen wollen. Der auf drei große Segel projizierte Liebestaumel ist in der Nordhäuser Interpretation lediglich eine Imagination – aus meiner Sicht ein nachvollziehbarer Gedanke der Regie. Nicht so geschickt wirkt es, wenn anfangs der Steuermann, dann der Chor, die Bühnenschräge langsam umschreiten muss.

Die Vermittlung der Fieberphantasien des tödlich verwundeten Tristan gelingt Alexander Schulz eindrücklich mit bewundernswerter Kondition. Wie Amfortas leidet an einer „Wunde, die sich nicht schließen lässt“, die nicht körperlich sichtbar sein muss. Er selbst, nicht Melot, hat sie sich beigebracht. Es sind die seelischen Verletzungen, die ihn im Fieberwahn sein alter ego als Kind, die früh verstorbene Mutter und schließlich die trauernde Isolde, erblicken lassen. Sie erscheinen ihm auf der Bühne real.

Kirstin Sharpin meistert den Schlussgesang der Isolde überzeugend. Es ist weniger ein Liebestod, eher die „Verklärung“ und damit im Sinne Wagners. Sie tritt aus ihrer Rolle heraus, während die Verkleidungen der Bühne heraufgezogen werden und den Blick auf die Hinterbühne und die Technik freigeben.

Das Publikum in Nordhausen feierte mit einem langen stehenden Applaus die Sänger, das Orchester und einhellig auch das Regieteam. Es war nicht nur die Erleichterung und das Glück, endlich wieder einen großen Opernabend live auf der Bühne zu erleben. Damit wurde honoriert, dass alle an diesem Projekt Mitwirkenden mit hohem Einsatz und Herzblut zum Gelingen dieses „wahnwitzigen Wagnisses“, von dem in der Besprechung der „Thüringer Allgemeinen“ etwas abschätzig die Rede war, beigetragen haben. Die Anreise in die Stadt am Südharz kann ich uneingeschränkt empfehlen.

 

Michael Rudloff, 8.2.22

Bilder (c) Thester Nordhausen

 

 

 

 

Dialogues des Carmélites 

Premiere: 26.01.2018

besuchte Vorstellung: 04.02.2018

Minimalistisch umgesetzt

Lieber Opernfreund-Freund,

„Die Letzte am Schafott“ heißt ein Film aus dem Jahr 1960 mit Pascale Audret und Jeanne Moreau, der die Geschichte der jungen Adeligen Blanche erzählt, die zur Zeit der französischen Revolution in einem Karmeliterinnenkloster ihren Ängsten zu entkommen sucht. Doch der Frieden hinter den Klostermauern ist trügerisch, denn die Revolution macht auch hier nicht halt. Enteignung und Auflösung der Klostergemeinschaft folgt ein Schauprozess, in dem die Ordensschwestern der Verschwörung angeklagt und zum Tode verurteilt werden - wenige Tage vor der Hinrichtung von Robespierre, mit dessen Tod die Terrorherrschaft im postrevolutionären Frankreich endlich zu ihrem Ende kam. Diese Geschehnisse sind historisch verbürgt, die Figur der Blanche von Gertrud von le Fort hinzu erfunden und 1931 in ihrer Novelle „Die Letzte am Schafott“ veröffentlicht. Schon mehrfach habe ich mich gefragt, ob dieser Titel dem Werk heutzutage mehr Zuspruch angedeihen lassen würde als die sperrigen „Gespräche der Karmeliterinnen“ der französischen Opernversion, denn das Drama hat bis heute nichts von seiner Spannung verloren und die so packende und klangschöne Musik von Francis Poulenc verdient mehr Zuhörer als sie beispielsweise gestern in Nordhausen zugegen waren, als „Dialoges des Carmélites“ in einer neuen Produktion des dortigen Theaters zu sehen war.

Für die Regisseurin Katharina Thoma geht es in dieser Oper gar nicht vordergründig um den Glauben, auch nicht um die Angst der weiblichen Hauptrolle. Vielmehr sucht jeder seinen Platz im Leben und Blanche glaubt, ihren im Kloster zu finden. Das allzu karge Bühnenbild von Sibylle Pfeiffer wird im Wesentlichen von metallenen Rahmen bestimmt, die Begrenzungen sind, aber auch dem Geschehen einen Rahmen geben: Mutter Marie wird zur Glaubensfanatikerin und ist von ihrer Idee des Märtyrertums geradezu besessen, die alte Priorin hadert im Moment des Todes mit dem Gott, dem sie ihr ganzes Leben geweiht hat, ihre Nachfolgerin, Madame Lidone, ist mit der neuen Mutterrolle überfordert, stellt sich ihr aber mutig und die junge Schwester Constance wird trotz des zur Schau gestellten Frohsinns von einer latenten Todessehnsucht geplagt. Thomas ausgefeilte Personenführung schafft Spannung, auch wenn das Licht oft allzu plakativ und grob erscheint. Die Regisseurin entscheidet sich, das musikalisch eindrucksvolle Finale als das darzustellen, was es ist: keine weißen Unterhemdchen, keine platzenden Blutbeutel, keine ausgeblasenen Kerzen und keiner herabfallenden Stoffbahnen, nein - die Nonnen gehen einzeln zur Guillotine und nach deren Fall verstummt eine Stimme im Chor. Das klingt brutal, ist es aber gar nicht - und so geraten das erzwungene Ablegen und später wieder Anlegen der Nonnentracht zu den eigentlichen szenischen Gänsehautmomenten. Poulencs Musik tut ein Übrigens, dass dieser Abend lange nachhallt - und natürlich der fast tadellos zu nennende Gesang.

Selbst Judith Christ, die sich wegen einer Bronchitis hat ansagen lassen müssen, stellt die alte Priorin dermaßen überzeugend dar, dass sich einem die Haare zu Berge stellen. Anja-Daniela Wagner zeigt als ihre Nachfolgerin viel Gefühl betört mit schwebenden Höhenpiani ebenso wie mit packender Stimmgewalt. Mutter Marie, von der Regie als Fanatikerin interpretiert, wird von Carolin Schumann mit vollem Mezzo dermaßen kalt gestaltet, dass es einen fast fröstelt und Leonor Amaral gibt die gut gelaunte Constance mit hinreißender Mimik, zarter Höhe und hörbar ansteckender Lebenslust. Während Manos Kia den Vater mit sonorem Bass ausstattet, gerät Kyounghan Seo mit seinem schlanken Tenor voll feiner Höhe und französischem Timbre nahezu zur Idealbesetzung von Blanches Bruder, dem Chevalier de la Force. Zinzi Frohwein gelingt als Blanche eine auf ganzer Linie überzeugende Charakterzeichnung dieser vielschichtigen Figur; eindrucksvolle Ausbrüche und fragile Zartheit wechseln sich ab, dazu spielt die junge Niederländerin noch umwerfend. Die Damen des Chors sind in einer Nonnenoper natürlich nahezu pausenlos im Einsatz, Markus Popp hat sie bestens auf den umfangreichen Part vorbereitet, aber auch die zahlreichen Chorsolisten machen ihre Sache gut. Farblos - wie schon in der Gelsenkirchener Produktion (wir berichteten) - bleibt erneut der Beichtvater des Karmel; kaum ist der Vorhang gefallen, weiß man schon gar nicht mehr, wie Marian Kalus geklungen hat.

Am Pult schwingt GMD Michael Helmrath das Zepter oder vielmehr den Taktstock. Überaus präzise führt er die Musikerinnen und Musiker des Loh-Orchesters Sondershausen durch Poulencs Werk, scheint sich aber in den klanggewaltigen Passagen besser zu gefallen als als bloßer zarter Begleiter. Das tut dem Gesamtgenuss keinen Abbruch und trotz der recht karg erscheinenden Szenerie können sich Musik und Werk voll entfalten - und ich kann Ihnen einen Besuch nur ans Herz legen, nicht nur wegen der umwerfenden Stimmen.

 

Jochen Rüth / 05.02.2018

Die Bilder stammen von Roland Obst.

 

 

LUISA FERNANDA

Premiere: 18.11.2016

besuchte Vorstellung: 16.12.2016

Spanische Klänge im Harz

Lieber Opernfreund-Freund,

ganz spanisch wird es einem dieses Jahre direkt hinter dem romantischen Weihnachtsmarkt in Nordhausen zumute, denn das Theater Nordhausen zeigt seit dem 18. November die deutschsprachige Erstaufführung der Zarzuela „Luisa Fernanda“. „Luisa Fernanda“, 1932 uraufgeführt, gilt als Paradebeispiel und erfolgreichste Vertreterin der Zarzuela, einer Musiktheaterform, die gerne als spanische Version der Operette bezeichnet wird. Das wäre aber zu kurz gegriffen, gibt es sie doch schon seit dem 17. Jahrhundert, also weit länger als die im 19. Jahrhundert entstandene Operette. Sie ist in ihrer Form sehr viel freier als das mitteleuropäische Pendant, in den einzelnen Zarzuelas unterscheiden sich beispielsweise die gesprochenen Anteile stark, die musikalischen Einflüsse reichen von klassischer Musik über Folklore bis hin zum Jazz und die Geschichten sind eher im einfachen Volk angesiedelt, während die Operette gern ein wenig gekünstelt wirkt. Doch beiden Kunstformen ist der Reichtum an eingängigen Melodien gemein, die Verbindung von Sprache, Musik und Tanz sowie die in feinen Humor gewandete Sozialkritik.

In „Luisa Fernanda“, die in den vergangenen rund 85 Jahren weit über eine Million auf der Bühne gezeigt worden sein soll und damit als bekannteste und erfolgreichste Zarzuela gilt, wird die Geschichte von Luisa erzählt, die Javier liebt, der beim Militär Karriere machen will und deshalb nur noch selten im heimischen Madrid weilt. Er ist von der mächtigen und schönen Herzogin Carolina fasziniert, die ihn geschickt auf ihre Seite zieht, politisch wie privat. Der Gutsbesitzer Vidal dagegen hat ein Auge auf Luisa Fernanda geworfen und buhlt um ihre Gunst. Er kämpft sogar – obwohl eigentlich völlig unpolitisch – für die Republik gegen den herrschaftstreuen Rivalen. Luisa Fernanda nimmt Vidals Antrag an, doch am Tag vor der Hochzeit erscheint Javier, der nach der erfolgreichen Revolution mit Carolina nach Portugal geflohen war. Luisa fühlt sich ihrem Wort Vidal gegenüber gebunden, doch der erkennt, dass sie Javier noch immer liebt und gibt sie frei.

Zu dieser Geschichte hat Federico Moreno Torroba hinreißende Melodien voller spanischer Leidenschaft und gefühlvolle Kantilenen erdacht, die in Nordhausen vor traditioneller Kulisse erklingen. Die Lesart von Alfonso Romero Mora orientiert sich eng am Stück, erzählt wird in der stimmungsvollen Kulisse von Ricardo Sánchez Cuerda, Gabriela Salaverri hat wunderbare, romantisierende Kostüme geschneidert, so dass sich der Charme dieser Geschichte voll entfalten kann. Dazu trägt sicher auch die gelungene und wortwitzige Übersetzung von Stefanie Gerhold bei, zumindest bei den gesprochenen Dialogen. Diese Zarzuela wird in Nordhausen erstmals auf Deutsch gegeben – ein in den gesungenen Passagen zweifelhaftes Vergnügen, da die Textverständlichkeit da und dort doch recht zu wünschen übrig lässt. Da hätte vielleicht der gesungene Originaltext mehr spanisches Lokalkolorit aufflammen lassen – und eine Übertitelung der Verständlichkeit einen Gefallen getan.

Aus dem Graben klingt es durchaus lodernd-leidenschaftlich, das Loh-Orchester Sondershausen legt sich voll ins Zeug. Michael Helmrath dirigiert aber die musikalisch rasanten Stellen fast mit angezogener Handbremse und zu wenig feurig. Dagegen erklingen die ruhigeren Passagen wogend und voller Gefühl.

Sabine Noack singt wunderbar und leidenschaftlich, scheint sich als Titelheldin in der ersten Hälfte des Abends aber erst einspielen zu müssen und packt mich emotional erst in der zweiten Hälfte. Ihrem Mezzo kommt der Part als hin- und hergerissene junge Frau eher entgegen als der der einfältig Verliebten, die sie im ersten Akt verkörpert. Angelos Samartzis hat darstellerisch ähnliche Schwierigkeiten. Er singt den Javier tadellos, zeigt seinen hellen, glänzenden Tenor und die bombensichere Höhe. Doch Gefühle transportiert er leider nicht und bleibt so weit hinter der Leistung seines Nebenbuhlers zurück. Manos Kia verkörpert den Vidal dagegen seelenvoll und voller Wärme.

Sein samtiger Bariton überzeugt ebenso auf ganzer Linie wie sein leidenschaftliches Spiel. Emma Moore ist seit dieser Spielzeit Mitglied des Thüringer Opernstudios und lässt als Herzogin Carolina aufhorchen. Die junge Künstlerin spielt die Stärken ihres Koloratursoprans voll aus, ihre Stimme zeigt unglaubliche Geläufigkeit, ihre Darstellung die für diese Rolle notwendige Grandezza. Schauspielerin Uta Haase als Gastwirtin Mariana glänzt mit unübertroffenem komödiantischen Talent, aus dem großen Reigen der kleineren Rollen sticht Marvin Scott als drehorgelspielender Savoyarde heraus und bewegt mit seinem Lied über die untreuen Soldaten. Gewürzt wird der unterhaltsame Abend noch durch den engagiert singenden, von Markus Popp einstudierten Opernchor und das von Ivan Alboresi betreute und fröhlich tanzende Ballett TN LOS!

Das Publikum freut sich an der beschwingten, eingängigen Musik, verlässt das Theater glücklich und mit einem Lächeln. Und so geht’s auch mir, so dass ich Ihnen diese Produktion guten Gewissens ans Herz legen kann, ehe ich mich in die Rezensenten-Weihnachtsferien zurückziehe.

Ein frohes Fest und einen guten Rutsch wünscht

Jochen Rüth 18.12.16

Fotos (c) Theater Nordhausen / Roland Obst

 

ANDREA CHÉNIER

Premiere am 25.01.2013

Gescheiterte Revolution – gescheiterter Revolutionär

Auch nach der Thüringer Theater-Reform hat das Land zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern noch die größte Musiktheaterdichte in Deutschland. Als „Hausorchester“ fungiert das Loh-Orchester aus dem unweiten Sondershausen, und das Musiktheater bespielt auch das 125 km entfernt liegende Theater in Rudolstadt. Es werden anspruchsvolle Musiktheater-Produktionen herausgebracht. So wagte man sich jetzt an Umberto Giordanos André Chénier, ein Werk des italienischen Verismo im weiteren Sinn, das 1896 vier Jahre vor Puccinis Tosca uraufgeführt worden war, was insofern erwähnenswert ist, da beide Opern mit Luigi Illica den gleichen Librettisten haben, über thematische Ähnlichkeiten verfügen und die gleiche Personenkonstellation haben: eine Frau zwischen zwei Männern, von denen einer ein Künstler und der andere ein politisches Monster ist. In beiden Fällen wird – klassisch für einen Opernstoff seit dem Barock – die Liebesbeziehung durch eine politische Konstellation durchkreuzt. Beides sind politisch-historisch Dramen (daher auch nicht dem engeren Verismo zuzurechnen) mit historisch genau verortbarem Hinter-grund. Illica hat das Andrea-Chénier-Libretto aber nach dem Erscheinen von Sardous Tosca verfasst, so dass ein Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann.

Wegen der deutlich mehr Nebenrollen (insgesamt sind 14 Rollen verzeichnet gegen neun in der Tosca) ist es für ein kleines Theater ungleich schwieriger, den Chénier zu besetzen. Die Nebenrollen im Chénier haben zudem dramaturgisch ein höheres Gewicht, so dass das gesamte Werk weniger fokussiert ist. Dazu kommt die zeitlich größere Ausdehnung (bei Tosca nur deutlich weniger als 24 Stunden, im Chéniewr fünf Jahre). Vielleicht erklärt sich somit aus dem dramaurgischen Kontext heraus die deutlich geringere Durchschlagskraft und Beliebtheit des Chénier. Denn an der Musik kann es nicht liegen; die ist zudem stilistisch in langen Passagen mit der von Puccini verwandt.

vorne: Anja Daniela Wagner (Gräfin di Coigny), Hugo Mallet (André Chénier), Sabine Mucke (Maddalena di Coigny), Opernchor

Um es vorwegzunehmen: das Wagnis des Theaters Nordhausen, sich an dem deutlich schwierigeren Stoff abzuarbeiten, kann man als geglückt bezeichnen. Die Regie führt Toni Burkhardt, der Oberspielleiter am Theater. Er stellt nicht die Titelfigur, sondern dessen Gegenspieler, den Revolutionär Carlo Gérard ins Zentrum des Geschehens und zeichnet dessen Entwicklung vom Kindergespielen der Maddalena di Coigny und vom livrierten Diener derselben über den Aufmüpfer und Revolutionsführer mit Machtfülle bis hin zum gescheiterten Revolutionär in der gescheiterten Revolution. Gescheitert die Revolution, weil sie in Diktatur mündet; gescheitert der Revolutionär, weil er einen anderen Lebensentwurf darüber stellen wollte. Chénier wird zum Opfer der Willkür, Maddalena opfert sich selbst.

Gustavo Zahnstecher (Mathieu), Kai Günther (Carlo Gérard), Bersi (Brigitte Roth), Ensemble

Es gibt keine Hoffnung in dieser Geschichte, die zudem noch mit etlichen zweifelhaften Gestalten ohne Sympathiewert versehen ist. Als Sieger fühlen sich entfesselte sensationsgeile mordlustige Meute und diejenigen, die sich zu Führern der Revolution erklärt haben. Und eigentlich sind alle Revolutionen so verlaufen... Auf dem Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning sind zuletzt Portraits von denen aufgebaut: Robespierre, Napoleon, Lenin, Stalin, Fidel, Che Guevara, Mao... Demgegenüber stehen Elendsfotos leidender Bevölkerung und zwei Situationsbilder: der Sturm auf di Bastille und der 17. Juni. Haben Sie noch Lust auf Revolution?

Kai Günther (Carlo Gérard), Marian Kalus (Incredibile)

Die Regie legt die Handlung ziemlich klar an das Ende des 18. Jhdts, fügt aber Versatzstücke hinzu, die auf die jeweils späteren „Revolutionen“ verweisen und den Stoff zeitlos machen. Noch nach jedem dieser „großen“ Ereignisse hat das Volk hinterher genauso oder noch mehr gehungert als vorher; nur die Klasse der Saturierten ist eine andere geworden. Die Regie hebt nicht den Zeigefinger „aufgepasst, so muss es sein!“ sondern zeigt dem Zuschauer etwas fatalistisch: „so läuft es eben“. Die Massenszenen sind eindrücklich choreographiert, bei den Einzelauftritten geht es hingegen manchmal etwas statisch und ungelenk zu. Auch Überflüssiges findet auf der Bühne statt: z.B. läuft da noch eine Kleinmädchen-Maddalena herum; solch ein Mätzchen ist zwar gerade en vogue, lenkt aber bloß ab. Insgesamt aber eine spannende Regiearbeit mit überzeugend gezeichneten Personen.

Kai Günther (Carlo Gérard), Sabine Mucke (Maddalena)

Das Bühnenbild zeigt zuerst einen schönen klassizistischen Salon über Eck. Beim Hereinmarsch der Hungernden zerfällt das schöne Bild und öffnet den Blick auf die Straße draußen. Die verbliebenen Wandelemente dienen fortan auch als Projektionsfläche für Videos mit Straßenszenen aus Revolutionen verschiedener Epochen. Die Struktur des großen Raumes über Eck wird dabei für die folgenden Bilder beibehalten: die Straßenszene, das Revolutionstribunal und das Gefängnis. Die Kostüme sind von Udo Herbster, ausdruckskräftig gestaltet und dazu mit Aussagen versehen: die moribunde Fassadenwelt des ancien régime spiegelt sich in den Louis-XVI-Kostümen, wohingegen die Kostümierung des Paares Andrea-Maddalena im Biedermeier-Entwurf auf die bürgerliche Gesellschaft verweist. Gérard trägt gar einen Anzug der Gegenwart. Dazwischen sieht man in den Volkshaufen des Chors und bei den Nebenfiguren eine Vielzahl von fantasievoll gemachten Verkleidungen. Das Theater hat hier keinen Aufwand gescheut. Dass es der Regie nicht auf punktgenaue Historizität ankommt, zeigt auch die Szene, in welcher er sich das revolutionäre Volk angelehnt an Delacroix‘ Gemälde „La liberté guidant le peuple“ (Die Freiheit führt das Volk) gruppieren lässt; das stammt von 1830.

Gustavo Zahnstecher (Mathieu), Yoontek Rhim (Fouquier-Tinvill, Ankläger), Hugo Mallet (André Chénier), Ensemble

Das Loh-Orchester Sondershausen begleitete das Geschehen präzise und konzentriert aus dem Graben unter der Leitung des GMD Markus L. Frank. Es war mehr als eine Begleitung, denn das Orchester wirkte durchaus gestalterisch mit, wirkte streckenweise hochemotional, war dabei aber auch vielfach zu laut und zwang die Sänger  zu zusätzlichen Anstrengungen, was von diesen aber durchweg gut gemeistert wurde. Hugo Mallet als Gast sang die Titelrolle mit klarem, kräftigem Tenor über das gesamte Register und glänzte mit strahlenden Höhen. Schauspielerisch blieb er mit Standardgestik und Einheitsmimik allerdings hölzern. Da brachte Sabine Mucke vom Nordhäuser Ensemble als Maddalena schon mehr Empathie mit; sie kam mit ihrem warm grundierten Sopran gut in die Rolle und ließ ihre Stimme leuchten; besonders schön im Duett mit Chénier. Nicht vom Glück verfolgt war in der dritten Hauptrolle als Carlo Gérard der Gastbariton Kai Günther. Mit prächtigem voluminös-rundem Stimmeinsatz setzte er selbstbewusst zu seinen ersten Takten an; dann wurde schnell klar, dass er indisponiert war. Das wurde in der Pause auch angesagt; seine Arie im dritten Bild übernahm von der Seite Yoontek Rhim. Kai Günther mühte sich, so gut er konnte; das Orchester gab ihm leider dabei gar keine Hilfe. Zum Schluss schaute er kreuzunglücklich drein. Wir wünschen seiner Stimme alles Gute. Yoontek Rhim vom Thüringer Opernstudio war schon als Romancier Fléville sowie als der Ankläger Fouquier-Tinville besetzt und machte mit seinem kraftvoll tiefen Bariton eine gute Figur. Auch bei der ihm umständehalber zusätzlich zugefallenen Arie des Gérard, die er im Opernstudio wohl eher zufällig einstudiert hatte, überzeugte er mit Festigkeit und Selbstbewusstsein. In den tieferen Frauenstimmen wirkten Anja Daniela Wagner, die als Gräfin de Coigny sowie als alte Madelon besetzt war, mit schön geführtem, klarem Mezzo und Brigitte Roth klangschön als Bersi. Gustavo Zahnstecher gab mit kräftigem Bass den Mathieu, und in der Doppelbesetzung als Abate und Incredibile (Spitzel) sang Martin Kalus mit schönem lyrischem Tenor. Als  Kerkermeister Schmidt gefiel Yavor Genchevs   (Nordhäuser Opernchor) mächtiger Bass, während Thomas Kohl als Roucher mit nicht genügend grundiertem Bassbariton abfiel.

Dem Publikum, das laut den Autokennzeichen auch aus der weiteren Umgebung aus Niedersachsen angereist war, aber dennoch die Premierenvorstellung nicht ganz füllte, zollte dem wirkungsvollen Opernabend anhaltenden Beifall. Dass die Intendanz wegen der stimmlichen Probleme von Kai Günther allen Gästen einen weiteren, kostenlosen Besuch der Oper anbot, wäre angesichts der Qualität des Gebotenen wohl nicht notwendig gewesen; aber Kai Günther wird damit die Möglichkeit gegeben, auch das Premierenpublikum stimmlich noch einmal überzeugen zu können. Das kann von dem Angebot bei den Folgevorstellungen am 1. und 27.2., 16.3., am 7. und 21.4. Gebrauch machen. Ab 27.4. bis 28.5. geht die Produktion für fünf Aufführungen ins Theater Rudolstadt.

Manfred Langer, 29.01.2013                            Fotos: Tilman Graner

 

 

 

 

 

 

 

 

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