Hyeseon Ma in der Titelrolle. Foto: Festival Daegu
„Lucia di Lammermoor“ in der Regie von Bruno Berger-Gorski als fulminanter Start beim 17. Opernfestival in Daegu/Südkorea.
Besuchte Vorstellung : 5.Sept 2019
Neben Seoul gibt es auch in der drittgrössten Stadt Koreas Daegu im Süden Koreas ein von Sangmu Choi mit Umsicht geleitetes Opernhaus, das mit einer Neu-Produktion von „Lucia di Lammermoor“ in internationaler Besetzung restlos überzeugen konnte. Das Bühnenbild und die Kostüme ( Jaehee Lee) wurden in Korea hergestellt. Arthur Espiritu gab sein Debüt als „Edgardo“ an der Seite der in Korea für ihre „Königin der Nacht“ bekannten Hyeseon Ma. Beide können als Idealbesetzung bezeichnet werden.
Am 5.Sept eröffnete das 17.Opernfestival in Daegu mit „Lucia di Lammermoor“ in der Regie des international gefragten Bruno Berger-Gorski in einer beeindruckenden Ausstattung von Hyunjeong Kim. Nach der Eigenproduktion von „Lucia“ wird beim Opernfestival Puccini`s „La Rondine“ aus der Deutschen Oper Berlin in der bekannten Regie von Rolando Villazon als Gast-Spiel gezeigt und endet nach einer Ur-Aufführung des koreanischen Komponisten Choe Uzong am 12.Oktober mit einer weiteren Eigen-Produktion von „La Forza del Destino“.
Artistic Direktor Choi lädt aber nicht nur bekannte Stars nach Daegu, sondern achtet auch darauf, dass junge koreanische Sänger ihre Chance bekommen, neben erfahrenen Sängern und unter international bekannten Dirigenten und Regisseuren erste große Rollen einzustudieren. Er hat dieses Jahr zum ersten Mal einen Gesangwettbewerb mit einer Jury aus Europa und USA veranstaltet, die sich nur aus Intendanten bzw Casting-direktoren grosser Theater zusammensetzt, die als Preis auch Verträge für die jungen Sänger ausstellen können.
Das gut disponierte DIO- Orchester wird bei der „Lucia“-Premiere umsichtig von dem erfahrenen Donizetti-Spezialisten Roberto Rizzi geleitet und der sorgfältig einstudierte junge Chor aus Deagu überrascht unter Rizzi`s inspirierendem Dirigat immer wieder mit seiner sauberen Diktion und einer schönen Klangfarbe. Der weltweit bekannte Dirigent Roberto Rizzi aus Bergamo leitet den Chor immer wieder zu Piani und gewaltigen Crescendi an. Einen solch schönen Chorklang wünscht sich jedes Opernhaus.
Das mit erfreulich viel jungen Zuschauern gemischte Premieren-Publikum verfolgte in konzentrierter Spannung und fast atemlos das Schicksal der von Regisseur Berger-Gorski als selbstbewusst und emanzipiert angelegten jungen „Lucia“ von Hyeson Ma, die im Palast ihres nach Geld und Macht strebenden Bruders energisch auf den Tisch haut und ihr Recht auf ihr Treue-Gelöbnis zum katholischen Edgardo einfordert. Das imponierende Bühnenbild von Hyunjeong Kim zeigt die Risse im bröckelnden Palast des Schlosses der Familie Ravenswood, die sich zur Wahnsinns-Arie Blutrot verfärben können. In musikalisch genau getimten offenen Umbauten verändert sich der dunkle Raum und betont das immer wieder kehrende dominierende Symbol des Kreuzes . Der als Priester gekleidete Raimondo unterstreicht in diesem Konzept die Macht und den Einfluss der Kirche, die Lucia letztendlich zur Heirat mit Arturo zwingt. Der an der Deutschen Oper Berlin engagierte junge Bass ByungGil Kim betört als „Raimondo“ mit seinem warmen satten Bass und herrlichen Piani und überzeugt auch im Spiel glaubwürdig in der nicht einfachen Rolle des intriganten Kirchenvertreter. ByungGil Kim ist in Korea ein echter Star und wird aber auch seinen Berliner Fans mit weiteren grossen Partien nächste Spielzeit treu bleiben. Sungmin Mun singt den vom Regisseur köstlich überzeichneten „Arturo“ mit Blumenstrauss als Brautwerber mit klarer Diktion und fast schon heldenhaftem Chraraktertenor, der in Zukunft auch grössere Rollen singen könnte.
Hyeseon Ma in der Wahnsinnsarie als Lucia. Links Sungwang Lee als Enrico. Foto: Festival Daegu
Der zuerst als gnadenlos berechnend und im III Akt als bereuender und zu spät erkennender Bruder Lucia`s inszenierte Sungwang Lee als „Enrico“ überzeugt mit seinem gut geführten Helden-Bariton und könnte am Anfang einer internationalen Karriere stehen. Die in Korea bekannte und sehr beliebte Hyeseon Ma als „Lucia“ riss das Publikum immer wieder zu Jubelstürmen hin und meisterte die mörderischen Koloraturen kristallklar. In dieser genau beobachtenden geradezu sezierenden Inszenierung einer langsam dem Wahn verfallenden Frau zieht Hyeseon Ma das Publikum mit ihren nicht enden wollenden betörenden Kantilenen in den Bann. Sie wirkte erschreckend realistisch blutig und erlebte Visionen eines wiederkehrenden Edgardos während einer absoluten Stille im sehr gut gefüllten Saal.
In Korea waren arrangierte Ehen vor nicht allzu langer Zeit noch üblich und die Geschichte der erzwungenen Heirat Lucia`s geht hier unter die Haut. Der spielfreudige und gesangsstarke Chor waren in ihren Reaktionen genau wie „Raimondo“ und „Alisa“ ( Kyeongmin Byun) während der Wahnsinns-Arie sensibel mitinszeniert und die sich in ihren Koloraturen zunehmend steigernde Hyeseon Ma wurde am Ende mit langen Ovationen vom gefesselt folgenden Publikum auf offener Szene und vor dem Vorhang frenetisch gefeiert. Arthur Espiritu lieferte mit seiner berührend gesungenen und sehr emotional dargestellten Schluss-Szene am Grab Lucia`s einen krönenden Abschluss und das auf seinen Selbstmord ergriffen reagierende und teilweise weinende Publikum feierte die beteiligten Künstler mit nicht enden wollendem Applaus.
Arthur Espiritu in der Schuss-Szene. Foto: Festival Daegu
Ein verdienter Erfolg und man darf gespannt sein, welche Partien die Sopranistin nach der „Königin der Nacht“, „Gilda“ und diesem erfolgreichen „Lucia“ -Debut als Nächstes angehen wird. Von Donizetti gibt es genug Werke, die diese herausragende Sängerin stimmlich und darstellerisch meisterhaft interpretieren könnte.
Laurence Tushar, Daeu „Opera-Online“ (Gastbeitrag)