DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Münster 3. Juni 2022 St.-Paulus-Dom   Festival Musica Sacra

Eröffnungskonzert: Joseph Haydn „Die Schöpfung“ 

 

Auf jeder Note des Oratoriums für Soli, Chor und Orchester „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn auf den Text des Baron von Swieten nach Teilen des Versepos „Paradise lost“ (verlorenes Paradies) von John Milton lagere bei einer heutigen Aufführung Ironie, meinte schon vor mehr als zwanzig Jahren der 2018 verstorbene Dirigent Enoch zu Guttenberg anläßlich einer Aufführung in Baden-Baden. Dargestellt werde die Schöpfung der Welt vor dem Sündenfall, aber den eigentlichen Sündenfall an der Natur hätten doch Menschen heutiger Generationen mit Zerstörung von Umwelt und Artenvielfalt begangen.

Trotzdem sollte das Oratorium immer wieder aufgeführt werden, vielleicht als eine Art Rückbesinnung oder Utopie von göttlicher Weltordnung und Naturidylle, vor allem aber aus Freude an Haydn´s „schönster, herzlichster und redlichster Musik“ (auch zu Guttenberg).

Dies wurde jetzt wieder bewiesen durch eine gelungene Aufführung im Dom zu Münster zur Eröffnung des „Festivals Musica Sacra“, Dabei wird alle zwei Jahre geistliche Musik im weitesten Sinne in verschiedenen Kirchen Münsters – davon gibt es genug -, aber auch im Theater, aufgeführt. In diesem Jahr geht das u.a. bis zu einer „Schöpfung“ für Kinder oder jüdischen Gesängen und christlicher und synagogaler Orgelmusik.

Mitwirkende beim Eröffnungskonzert waren drei Mitglieder des Opernensembles, zwei Chöre, deren Sängerinnen und Sänger sich dafür nebenberuflich engagieren, nämlich der Konzertchor Münster (früher Musikvereinschor) in der Einstudierung von Marion Wood und der Philharmonische Chor Münster einstudiert vom langjährigen Leiter Martin Henning, insgesamt weit über 100 Sängerinnen und Sänger. Den so genialen Orchesterpart übernahm das Sinfonieorchester Münster, alles unter der musikalischen Gesamtleitung von GMD Golo Berg.

Das Orchester beeindruckte gleich zu Beginn bei der Darstellung des einleitenden „Chaos“ Die abrupten Wechsel zwischen starken Akkorden und einem leise emporsteigenden Motiv beeindruckten ebenso wie die Steigerung zum ff-Höhepunkt und der Zurücknahme der Lautstärke bis zum pp – ein gelungener Anfang.

 Ebenso gelungen ließ zusammen mit dem Chor das machtvolle „Es ward Licht“ den Dom erbeben, wie später auch die Darstellung des Sonnenaufgangs. Das Orchester glänzte ebenso bei der lautmalerischen Darstellung der Episoden der einzelnen Schöpfungstage, die vom Orchester ja jeweils vorweggenommen werden, bevor die Gesangssolisten sie besingen, solistisch etwa die Klarinette für die Lerche, Fagotte und Violinen für das Gurren der Taube oder natürlich die Flöte für die Nachtigall. Sehr passend schwingendes nicht übereiltes Tempo wählte der Dirigent etwa für die Begleitung des Terzetts der Solisten mit der idyllischen Darstellung des „frischen Grün“

Von den drei Solostimmen hat der Sänger des „Raphael“ die umfangreichsten Aufgaben. Hier glänzte Gregor Dalal mit flexibler Stimme und sehr textverständlich von den zurückhaltenden ersten Worten „Im Anfang“ bis zum mit mächtigem Baß gesungenen Beschreibung der „schäumenden Wellen“ und zeigte in seiner „zoologischen Arie“ etwa das Brüllen des Löwen – vorweg genommen vom Kontrafagott - und traf auch ohne Schwierigkeiten die ganz tiefen Töne beim „am Boden kriechenden Gewürm“

Als weiblicher Erzengel Gabriel glänzte Marielle Murphy vor allem bei Nachahmung der Vogelstimmen – sie konnte sehr gelungen etwa die Lerche singen, das Taubenpaar trillernd girren und die Nachtigall koloraturenreich und treffsicher bis zu höchsten Höhen ihren „reizenden Gesang“ ertönen lassen.

Ausdrucksvoll gestaltete Youn-Seong Shim in der Tenorpartie des Uriel etwa den Gegensatz zwischen dem Besingen der „strahlenden Sonne“ und – vorbereitet durch die Celli – den leisen Schimmer des Monds – ebenso später den Gegensatz zwischen dem „schönen starken“ Adam und der „holden anmutsvollen“ Eva.

 Auch Adam und Eva waren Gregor Dalal und Marielle Murphy und besangen unter anderem im langen Duett im dritten Teil wie in einer Opernszene das Ehe-Idyll von anno-dazumal.

Die Krönung der Aufführung waren die Chorszenen, für die der Dirigent teilweise recht zügige Tempi wählte. Obwohl die Akustik des romanischen Doms mit dem langen Nachhall ungünstig für mehrstimmigen Chorgesang ist,  waren doch vielfach die einzelnen Chorstimmen, etwa beim populären „Die Himmel erzählen“ gut durchzuhören. Dagegen waren einstimmige Passagen wie das Crescendo bei „ewig bleibt sein Ruhm“ oder das p des gesamten Chors zur Begleitung von Adam´s und Eva´s „Von deiner Güt´ o Herr“ stimmliche Höhepunkte.

Zur Doppelfuge des Schlußchors übernahmen die drei Solostimmen auch die zwischen den Chorteilen eingefügten Solo-Koloraturen – das alles in zügigem Tempo. Nach der grossen Steigerung auf „Ewigkeit“ vor dem letzten Amen zeigte das Publikum im vollbesetzten Dom seine Begeisterung durch grossen Beifall und Bravos als Zeichen der Dankbarkeit für eine ergreifende Aufführung.

 

Sigi Brockmann 4. Juni 2022

 

 

 

 

 

Konzert am 11. Februar 2020 – Peter Gülke dirigierte Werke von Rudi Stephan, Beethoven (Jung Beum Sohn Klavier) und Robert Schumann

Am 4. März 1983 besuchte der Verfasser eine Aufführung des Fidelio in der Hamburgischen Staatsoper, wie sie damals noch hieß. Die musikalische Leitung hatte der ihm bisher nicht bekannte Peter Gülke. Am nächsten Morgen las man im Hamburger Abendblatt, der Chefdirigent der Weimarer Oper, Peter Gülke, sei nicht in die DDR zurückgekehrt. Im Westen machte er als Dirigent (u.a. GMD in Wuppertal) und Musikwissenschaftler (u.a. in Bochum) Karriere und war zugleich als Schriftsteller erfolgreich. Heute lebt er wieder in Weimar und ist Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker. Jetzt kam er nach Münster, um als Gastdirigent mit dem Sinfonieorchester Münster zu musizieren.

Zu Beginn spielten sie ein für den regelmässigen Konzertbesucher besonders interessantes weil selten gespieltes Stück, die Musik für Orchester in einem Satz aus dem Jahre 1912 des hochbegabten mit 28 Jahren im ersten Weltkrieg gefallenen Rudi Stephan. Unter für Orchesterversteht der Komponist auch, daß es sich um ein im Sinne der Spätromantik grosses Orchester mit u.a. etwa Kontrabaß-Tuba, Baßklarinette, aber auch grossem Schlagwerk handelt. Ganz grüblerisch etwa Richard Wagner entfernt nachempfunden begann es langsam und gedehnt mit Celli und Kontrabässen und einem Bläsermotiv, das später wiederkehren sollte. Es folgte dann lebhaft ein sehr punktiert gespieltes erst absteigendes dann wieder aufsteigendes Motiv, das auch später weiter entwickelt wurde. So blieb es ohne symphonische Durchführung im traditionellen Sinne beim Wechsel von gemäß Tempoangaben langsamen und lebhaften Abschnitten. Unter der Bezeichnung breit gab es eine choralartige Steigerung, auf die nach einem gewaltigen Beckenschlag wieder unter lebhaft ein Fugato der Bläser etwa im neoklassizistischen Sinne folgte. Immer wieder wurde gemäß den Anweisungen des Komponisten mit größtem Ausdruck gespielt. Für die vielen Solo-stellen seien stellvertretend die Violin-Soli von Mihai Ionescu gelobt. Das kurze Werk schloß mit einem hymnischen Marsch – bezeichnet als sehr breit, sodaß das Publikum auf das weitgehend unbekannte Werk mit kurzem intensiven Applaus reagierte.

Es folgte dann ein umso bekannteres Werk von Ludwig van Beethoven – in diesem Jahr konzerttägliches Muß - nämlich dessen viertes Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur op. 58. Den Solo-Part spielte der koreanische in München und Münster ausgebildete erfolgreiche Nachwuchspianist Jeung Beum Sohn, der bereits als erster Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs 2017 bekannt wurde. Beim einleitenden lyrischen Solo klang das Klavier wie auch später an sensiblen Stellen etwas knallig, das mag aber auch an der Akustik der dritten vorderen Reihe gelegen haben, in der der Verfasser das Konzert verfolgte. Danach glänzte der Pianist mit expressiven Melodiebögen, schillernden Trillern und perfekten chromatischen Läufen. Dies galt zusätzlich für lyrische Abschnitte mit passenden Ritardandi in der längeren der beiden von Beethoven stammenden Kadenzen, die der Pianist ausgesucht hatte. Großartig gelang im kurzen umso eindrucksvolleren zweiten Satz der Kontrast zwischen dem markanten punktierten Motiv der Streicher – sehr entschieden vorgetragen – und dem lyrischen Thema das Klaviers, das hier auch sehr kantabel und gar nicht mehr knallig klang. Angeblich soll es ja akustisch darstellen, wie Orpheus mit seinem Gesang die Furien der Unterwelt zähmt. Im abschliessenden Rondo vivace konnte der Pianist dann vor allem seine virtuosen Fähigkeiten hören lassen. Bei den nicht zu hastigen Tempi begleiteten Dirigent und Orchester zuverlässig, ausdrucksvoll in den lyrischen Passagen rhythmisch pointiert besonders im letzten Satz, der mit kraftvollem Schluß endete. Da gab es reichlich Applaus, für den sich der Pianist ohne Ankündigung mit der Etüde op. 25 Nr. 1 von Frédéric Chopin als Zugabe bedankte.

Unter dem Titel Glück und Elend der Romantik hat Peter Gülke  ein Buch über Robert Schumann verfaßt. Dies gilt auch für dessen zweite, chronologisch eigentlich dritte, Sinfonie in C-Dur op. 61, mit der das Konzert endete. Bewundernswert wurde hier die langsame Einleitung des ersten Satzes mit dem Fanfarenmotiv und die Überleitung zum schnelleren Allegro gestaltet. Auch dank der exakten Zeichengebung des Dirigenten traf das Orchester die häufigen trotzigen sforzati auf unbetonten Taktteilen , um dann con fuoco den ersten Satz zu beenden.

Im folgenden Scherzo glänzten die Streicher, insbesondere die ersten Geigen, mit schnellen immer wiederholten Sechzehntel-Motiven. Diese rahmten in der fünfteiligen Struktur des Satzes zwei etwas ruhigere Trios ein, in denen insbesondere die Holzbläser ausdrucksvolles Spiel hören liessen. Als einen Höhepunkt gestalteten Dirigent und Orchester den langsamen dritten Satz Adagio espressivo, dessen ausdrucksvolles kantables Hauptthema wohl J.S. Bach´s Musikalisches Opferzitiert. Zitiert wird auch im kraftvollen Finale. Neben dem Fanfarenmotiv aus dem ersten Satz und dem gesangvollen Motiv des langsamen Satzes war – wiederum passend zum Jubiläum – deutlich ein Motiv Beethoven´s in den Holzbläsern zu hören, das dieser zum Text „Nimm sie denn hin meine Lieder“ verwandte. Die Sinfonie wurde dann vom gesamten Orchester aber vor allem durch die Pauke zum prächtigen C-Dur-Abschluß gebracht.

Da reagierte das Publikum im vollbesetzten Theater mit langem Applaus für Orchester und den Gastdirigenten.

 

Sigi Brockmann 12. Februar 2020

Fotos Sigi Brockmann

 

 

 

Orchesterjubiläumskonzert

Münster St.-Paulus-Dom 

15. November 2019 

Auferstehungsmusiken von Messiaen und Lortzing

Wie in anderen mittelgrossen Städten auch sorgten in Münster bis zum Ende des ersten Weltkriegs Militärkapellen und begabte Laien für Aufführungen von Orchestermusik – letztere in Münster organisiert im Musikverein. Nach Auflösung des Militärs gründeten die Städte dann eigene Orchester, so auch Münster im Jahre 1919 das Orchester der Provinzialhauptstadt Münster heute nur noch Sinfonieorchester Münster.

Um dieses 100-jährige Jubiläum zu begehen, fand am vergangenen Freitag im St.Paulus-Dom zu Münster ein Konzert statt, dessen Programm unabhängig von liturgisch-vorgegebenen Terminen bereits im November die Himmelfahrt Christi beschrieb.

Zunächst erklangen unter Leitung des GMD Golo Berg von Olivier Messiaen unter dem Titel l´Ascension  (Auferstehung) vier symphonische Meditationen für Orchester, eines seiner frühen Orchesterwerke, von ihm selbst später für Orgel bearbeitet, vielleicht war auch deshalb der Dom ein passender Aufführungsort.

Jeder der vier Teile wird durch ein Bibelzitat vorbereitet, als erstes Christi Majestät, der seinen Vater um Verherrlichung bittet. Es ist ein sehr langsamer hymnischer Satz, der nur von Bläsern gespielt wird, die im Dom zumeist rechts von der Mitte platziert waren. Eindrucksvoll gelangen die Steigerungen bis zum ff mit dann plötzlichem Übergang zum pp. Der zweite Satz, heitere Allelujas einer Seele, die sich den Himmel ersehnt , ist zunächst ebenfalls ein Bläserchoral, zu dem nach und nach eine tremoloartige Begleitung durch die Streicher hinzutritt, deren Tempo sich immer mehr, steigert, was durch das Orchester gut hörbar vermittelt wurde. In Motiven der Flöten hatte man den Eindruck, schon Messiaen´s spätere Vorliebe für Vogelstimmen herauszuhören. Besonders gelobt sei das Solo der Oboe.Der Satz schloß mit einer grossen Steigerung vom pp zum ff. Im dritten Satz, Allelujas auf der Trompete und der Zimbel erklang sehr exakt eine Art Tanzrhythmus zur Begleitung der im Titel erwähnten Trompeten, wobei die ebenfalls erwähnten Zimbeln, also Becken, durch Pauken, Tamburin und Triangel ergänzt wurden. Da war der Zuhörer überrascht, der Satz schloß mit einem sich steigernden Fugato, dazu passend ließ Golo Berg auch das Tempo bravourös sich steigern. Den letzten Satz Gebet Christi als er zum Vater aufsteigt spielten entgegengesetzt zu den Bläsern im ersten Satz nur die Streicher, die Violinen mit Dämpfer, dazu zusätzlich je fünf Solostimmen von Violinen und Bratschen sowie zwei Celli. Dem Titel entsprechend hörte man mehrfach einechromatisch aufsteigendes Motiv, das zu dem Schlußakkord führte. Da dieser kein gewohnter Schlußakkord sondern ein Septakkord war, brauchte es einige Zeit, bis Beifall  des Publikums einsetzte.

Die Wahl des Aufführungstermins war durch den zweiten etwas leichtgewichtigeren aber grösseren Aufwand erfordernden Teil des Konzerts begründet. Vor genau 191 Jahren wurde in Münster unter Leitung des Komponisten Albert Lortzing´s Oratorium Die Himmelfahrt Jesu Christi für Soli, Chor und Orchester uraufgeführt. Nach Aufführungen in Münster gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts erklang es jetzt wieder zum Orchesterjubiläum. Dieses Datum und der Aufführungsort im damaligen Schauspielhaus Münster zeigten, daß es Lortzing und seinem Textdichter, dem Osnabrücker Lehrer Johann Friedrich Karl Rosenthal, nicht um ein liturgisches Werk, sondern eher um ein Oratorium in der Nachfolge Haydn´s ging, teils nahezu opernhaft szenisch komponiert, wie es später Mendelssohn-Bartholdy etwa mit seinem Elias meisterhaft gelingen sollte.

Es gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird das Leben Jesu bis zur Auferstehung musikalisch behandelt. Der Konzertchor Münster – Nachfolger des oben erwähnten Musikvereins – eröffnete ihn feierlich mit einem hymnischen Lob Gottes. Es folgten Rezitative und Arien der Solisten, zunächst ein Rezitativ des Johannes, der hier und auch später vom Bariton Filippo Bettoschi mit ausdrucksstarker Stimme und sehr textverständlich gesungen wurde. Dies galt etwas weniger für die Sängerin des Erzengel Gabriel, wie für diesen Engel üblich einem Sopran. In ihrer ersten mit Koloraturen durchaus opernhaften Arie forcierte Marielle Murphy etwas die Spitzentöne und war gegenüber dem Orchester nicht immer deutlich genug zu hören, wobei letzteres gemäß dem Text Blaset laut zu Zion mit Posaunen entsprechend laut klang

Im Rezitativ einer der bei Christi Himmelfahrt anwesenden Damen namens Eloa gesungen mit melodiöser Altstimme und weitgehend textverständlich von Judith Gennrich schilderte diese nach Worten des Johannes-Evangeliums nochmals den irdischen Weg Jesu. Lautmalerische Begleitung hörte man vom Orchester, als Petrus – mit tiefem textverständlichen Bass Christoph Stegemann – die Finsternis beim Tode Jesu, das Reissen des Tempelvorhangs oder den Donner beschrieb, der der Auferstehung vorausging. In der folgenden Arie beeindruckte er mit langem tiefen Ton auf nur Leichentücher lagen da. Der erste Teil schloß mit einer ganz schulmässigen Fuge des Chors, der alle Stimmlagen, auch die Tenöre, kontrapunktisch hörbar machte.

Den zweiten Teil eröffnete nach einem weihevollen Vorspiel von Holzbläsern und Hörnern nun endlich Jesus mit Rezitativ und Arie. Aufgrund der Tatsache, daß diese Tenorpartie nach Gefangenschaft im Grab den zweiten Teil eröffnet, glaubten Musikwissenschaftler Parallelen zu Fidelio zu entdecken. Yeon-Seong Shim gestaltete die Partie mit sakraler würdevoller Stimme, besonders etwa beim ausdrucksvollen Liebt einander oder später in den Visionen vom kommender Herrlichkeit für alle Menschen. Dazwischen konnte der Herrenchor (die Jünger) seine p-Kultur beweisen, als er begleitet von Celli und Holzbläsern bei Leises Wallen diese Vision aufgriff. Manchmal haben ja Komponisten bei Beschreibung des Bösen besondere musikalische Einfälle, Dies zeigte das Orchester, als Petrus und der Chor der Engel kurz vor Schluß den unglückseligen Verräter Judas verdammten. Zu den unterhaltsameren Teilen des Oratoriums gehörten Ensembles zwischen den Soli der Sänger. So schloß der Abend gemeinsam gesungen vom Quartett der Solisten und dem gesamten Chor (der Engel) mit einem mächtigen Lob von Gottes Herrlichkeit.

Wiederum brauchte das Publikum eine Pause, bis langanhaltender Beifall aufkam  für ein Werk, das seinen Rang zwischen Klassik und früher Romantik behaupten kann.

 

Sigi Brockmann 16. November 2019

Fotos Sigi Brockmann

 

Als CD-Empfehlung sei genannt eine Aufnahme des WDR bei cpo aus dem Jahre 2003 unter Leitung von Helmut Froschauer. Seine Rezension schloß damals der opernfreund mit den Worten „Ein Muß für alle Musikfreunde“

 

 

 

Münster Erphokirche

 

am 25. November 2018

Totensonntags-Chorkonzert mit Werken von Fauré und Bacalov

Lange bevor die Stadt Münster im Jahre 1919 ein eigenes Orchester gründete, wurde das Musikleben organisiert durch privates Engagement der Bürgerschaft über einen sogenannten Musikverein. Noch aus dieser Zeit stammt die Tradition, daß Ende November ein grosses Chorwerk aufgeführt wurde, nach dem Namenstag der Heiligen am 22. November Cäcilienfest genannt. Da dieser Tag häufig in die Nähe des Totensonntags fiel, wurden insbesondere in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aus diesem Anlaß geistliche Werke, auch viele Requiem-Vertonungen, aufgeführt, darunter etwa bereits im November 1964 eine Aufführung von Britten`s War Reqiem.

Diese Tradition wurde jetzt fortgesetzt, indem kurze Chorwerke von Gabriel Fauré kombiniert wurden mit der 1999 in Rom uraufgeführten Misa Tango (Tango-Messe) des argentinisch-italienischen Komponisten Luis Bacalov, dies in der Erphokirche.

Seit dem 30. September 1944 gibt es nämlich in Münster keinen Konzertsaal mehr – die Symphoniekonzerte finden im Theater statt. Dafür gibt es eine für heutige Verhältnisse zu grosse Anzahl Kirchen mit teils guter Akustik. Zu ihnen zählt die etwas abseits des Stadtzentrums gelegene Erphokirche. Sie wurde Ende der 20-er-Jahre des vorigen Jahrhunderts im historisierenden Stil der Zeit aus Werkstein als grosser Saalbau mit markantem Mittelturm und vier Flankentürmen errichtet und nach Erpho, einem Bischof von Münster im 11. Jahrhundert benannt. Seit dort kaum noch Gottesdienste stattfinden, wird die Kirche als Kulturkirche genutzt und eignete sich deshalb für das Konzert am Totensonntag.

Kurze Werke für gemischten Chor und Orchester von Gabriel Fauré wurden aufgeführt vom Konzertchor Münster – das ist der vor einigen Jahren von einem findigen GMD unbenannte Chor des Musikvereins – begleitet vom Sinfonieorchester Münster unter Leitung von Inna Batyuk, der Chordirektorin des Theaters. Zu Beginn erklang Fauré's op. 11, die Vertonung des lateinischen Dienstag-Morgen-Gebets  Consors paterni luninis, das das göttliche Licht verherrlicht,  hier in der französischen Übersetzung von Jean Racine, Da konnten die Herren des Chors zu Beginn ihre p-Kultur beweisen und der gesamte Chor beim Divin Sauveur kraftvolles ff anstimmen. Es folgte als literarisches kunstvollstes Werk des Abends Fauré's op. 12, die Vertonung von Victor Hugo's Gedicht Les Djinns. Beschrieben wird das Erscheinen dieser arabischen Luftgeister in entsprechend angepasster Verslänge, zunächst zweisilbig, dann sich mit Herannahen der Geister jeweils um eine Silbe zusätzlich bis zu Versen von zehn Silben bei deren Zug durchs Haus, um dann beim Abziehen der Geister entsprechend die Verslänge zu verkürzen. Fauré hat das mit einem entsprechenden crescendo und decrescendo für Chor und Orchester komponiert. Dies gelang vor allem dem Chor angefangen von den kurzen Noten des pp-Beginns über die grosse dynamische und melodische Steigerung bis hin zum wieder ganz kurzen Silbengesang sehr exakt und dabei mitreissend. Geschlosssen wurde der erste Teil mit der populären und in vielfältiger Weise bearbeiteten Pavane op. 50 von Fauré , hier mit für den Chor bestimmten Text eines Robert de Montesquiou. Es geht darum, daß Liebe sich leicht in ihr Gegenteil verkehrt (On s'adore! On se hait! - Man liebt man haßt) Neben dem zwischen dem leisen Beginn, einer dynamischen Steigerung und dann wieder leisen Schluß des Chors beeindruckte hier besonders die etwas melancholische Darstellung der bekannten Melodie durch die Flöte gefolgt von Oboe und Klarinette zum piccicato der Streicher.

 

Auf diesen Beginn folgend hätte man vielleicht eine Aufführung von Fauré's Requiem erwartet. Aber in seiner gewohnt unkonventionellen Programmgestaltung wählte GMD Golo Berg, der jetzt die musikalische Leitung übernahm, die Misa Tango für Mezzosopran, Bariton, Bandoneon, Chor und Orchester von Luis Bacalov. Dieser ist eigentlich mehr als Komponist von Filmmusik bekannt, etwa von Django oder Fellini's Stadt der Frauen bis hin zur Oscar-prämierten Musik zu Der Postmann. In seiner Tango-Messe vertont Bacalov gekürzt und auf spanisch nur einzelne Sätze der Teile des katholischen Meßritus und nur solche, die alle Religionen bekennen können, die sich auf Stammvater Abraham berufen, also Judentum, Christentum und Islam. Christus wird nicht namentlich erwähnt, wenngleich er natürlich mit Lamm Gottes (Cordero de dios) gemeint ist. Er komponierte weitgehend tonal, rhythmisch etwas erinnernd an Strawinsky, in der Orchestrierung auch an Bernstein und baute im Gloria sogar in bester Kirchenmusik - Tradition ein kurzes fugiertes Zwischenspiel ein.

Zum jetzt grösseren Orchester trat für die Aufführung neben dem Konzertchor Münster wieder einstudiert von Inna Batyuk nun hinzu der Philharmonische Chor Münster einstudiert von seinem langjährigen Leiter Martin Henning. In den Solopartien glänzten mit leuchtendem Mezzosopran auch Chor und Orchester überstrahlend Judith Gennrich und mit klangvollem bis zu tiefen Tönen im Agnus dei  ausdrucksvollem Bariton Filippo Bettoschi. Der Tradition des Tango entsprechend war der wichtigste Solist Stephan Langenberg am Bandoneon. Gleich nach der zu Beginn gesungenen Anrufung des Señor (Herrn) im Kyrie durch den Chor folgte ein einfühlsam gespieltes einem Rezitativ ähnelndes melancholisches Solo des Bandoneons. Ganz ergreifend klang es in Zwischenspielen mit dem Solo-Cello im Sanctus oder mit den Solo-Violinen im Agnus Dei . Auch das Klavier war mit ihm zusammen als Soloinstrument zu hören.

Schwungvoller Tango-Rhythmus im raschen Tempo gelangen Chor und Orchester dank der präzisen Leitung durch GMD Golo Berg vor allem im Gloria und im Credo. Dynamisch abwechslungsreich in Lautstärke von ganz leise bis hin zu gewaltigem ff klangen im Chor die häufig wiederholten Santo (heilig) – Rufe. Es war bewundernswert, wie sicher (Liebhaber-) Chor und Orchester, einmal auch der Chor allein, den für sie nicht alltäglichen Rhythmus perfekt im Zusammenspiel bewältigten. Als das Werk mit der Bitte um Frieden (da nos la paz) ganz unerwartet mit einem ganz traditionellen Akkord schloß, brauchte das Publikum in der völlig ausverkauften Kirche einen Moment der Besinnung, bis grosser Beifall und Bravos einsetzten, so stark und andauernd, daß Golo Berg zum Dank das Gloria mit Chor und allen Solisten in raschem und schwungvollem Tempo wiederholen liess. So endete der Abend mit dem Ausruf Rey celestial (Himmelskönig) quasi himmelhoch-jauchzend!.

Sigi Brockmann 26. November 2018

Bilder (c) A. Zinnkant / Der Opernfreund Brockmann

PS. Bei der Deutschen Grammophon gibt es eine CD der Misa-Tango in der Besetzung der Uraufführung zusammen mit weiteren Werken von Astor Piazolla

 

 

 

Mahler 2. Symphonie

in musikalischer Kooperation mit Hagen

Aufführung am 5. Juli 2016

Auch in Städten mit kleinerem Orchester möchten Konzertbesucher gern einmal Werke für ganz grosses Orchester live erleben, also etwa Symphonien von Gustav Mahler. Auch möchten dort die örtlichen Dirigenten gern zeigen, wie sie mit ganz grossem Orchester, dann noch mit Solisten und Chor, ihre musikalische Ideen verwirklichen können. So wurde etwa in einer Aufführung der 2. Symphonie   von Gustav Mahler im Jahre 1993 unter dem damaligen GMD Will Humburg das Orchester aus Münster durch die Neubrandenburger Philharmonie verstärkt. Längerfristig vereinbart wurde eine solche musikalische Zusammenarbeit unter abwechselnder Leitung durch die beiden jeweiligen Chefs zwischen den Orchestern von Münster und Hagen, damals noch ohne Kenntnis der heutigen finanziellen Schwierigkeiten beim Theater Hagen. Musiker aus Münster halfen in Hagen vor einiger Zeit bei der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss mit.

Im Gegenzug   entstand jetzt wiederum eine Aufführung der 2., der „Auferstehungs – Symphonie“, von Mahler in c-moll für Sopran, Alt, gemischten Chor und Orchester durch das Sinfonieorchester Münster in Kooperation mit dem Sinfonieorchester Hagen unter Leitung des Münsteraner GMD Fabrizio Ventura. Das Alt-Solo im vierten und fünften Satz sang Lisa Wedekind, im fünften Satz kamen sängerisch hinzu Eva Bauchmüller mit dem Sopran-Solo und der Konzertchor Münster (früher Chor des Musikvereins)  einstudiert von Boris Cepeda und die Capella Vocale Münster einstudiert von Daniel Lembeck.

Eine abendliche und eine ganztägige Probe mußten genügen, um die beiden Orchester wieder zu einem Klangkörper verschmelzen zu lassen. Das Ergebnis konnte sich hören lassen!

Das zeigten die vereinten Spieler von Celli und Contrabässen im Zusammenspiel gleich im 1. Satz – Allegro maestoso – mit dem schroffen Beginn, aber auch später bei kontrapunktischer Begleitung anderer Instrumentengruppen etwa in Triolen oder punktierten Sechzehnteln. Auch die vereinigten Bläser überzeugten, so mit dem marschähnlichen Hauptthema – passend zur Bezeichnung des Satzes „Totenfeier“ . Die gewaltigen Gegensätze zwischen den oft dissonanten Tutti-Akkorden, besonders dem vor Einsetzen der Reprise, den lyrischen Zwischenspielen und verklingendem pppp der Streicher (bis zum gänzlichen Aufhören)wurden großartig hörbar. Nach dem wild gespielten chromatischen Absteigen aller Instrumente über zwei Oktaven vom ff bis pp zu Ende des ersten Satzes dauerte gefühlsmässig die Pause nicht die von Mahler vorgeschriebenen fünf Minuten.

 Dafür hat man den Ländler des zweiten Satzes schon langsamer gehört, „sehr gemächlich“ oder „Ja“ nicht eilen“ schreibt Mahler vor. Ganz delikat klang bei der dritten Wiederkehr das Ländler-Thema gespielt vom Pizzicato der Streicher begleitet von Flöten und Harfen, mit deren Glissando der Satz fast abschloß.

Grossen Spaß bereitete dem Hörer der dritte Satz auf die Melodie eines von Mahler vertonten Gedichts .“Des Antonius von Padua Fischpredigt“ Er begann mit einem Paukenschlag – hier und den ganzen Abend hindurch war das vielfältige Schlagzeug zu bewundern. Dann hörte man das Thema in dauernder ziemlich rascher Bewegung durch alle Instrumente hindurch wie ununterbrochenes Fliessen des Wassers und der darin schwimmenden Fische. Mahlers witzige bis ins Groteske gesteigerte Instrumentation einschließlich etwa Schläge einer Rute wurde deutlich musikalisch dargestellt, Ob gepredigt zu Fischen, die nicht hören können, oder zu Menschen, die nicht hören wollen, hat denselben Erfolg, sollte der Satz wohl bedeuten.

Entstammte schon der hier nicht gesungene Text zur „Fischpredigt“ der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, so wurde aus derselben Sammlung das Gedicht „Urlicht“ (O Röschen rot) nun von Lisa Wedekind gesungen. Weitgehend textverständlich traf sie die für ihre Mezzo-Stimme tiefen Töne der Alt-Partie und auch der Sprung über eine Oktave im pp bereitete ihr keine Schwierigkeiten. Für ihre Begleitung verdiente die Solo-Geigerin besonderes Lob. .

In Entsprechung zum ersten Satz „Totenfeier“ war nun der letzte Satz „Auferstehung“ auf eine von Mahler textlich veränderte Ode von Klopstock der gewaltige Schlußpunkt des Abends. Auch hier schafften Celli und Contrabässe „wild herausfahrend“ exakt den schroffen Beginn. Auch hier wurden wieder stark akzentuiert chaotische dissonante Tutti-Akkorde, dann aufgelöst durch das „Auferstehungs-Thema“ Wehklagend klang die Solo-Posaune, intervallgenau die Hörner des „Rufers in der Wüste“ choralartig feierlich die Trompeten und Hörner des Fernorchesters, dazwischen Vogelgezwitscher der Flöten, um den folgenden A-capella Einsatz des Chors und der Solo Sopranistin „Auferstehn ja auferstehn“ vorzubereiten. Die Chöre schafften dies ganz p, waren aber noch verständlich. Mit leuchtender Kantilene sang  Eva Bauchmüller ihr Solo, ihr Duett mit der Altistin war dann ein Höhepunkt des Abends. Die Herren von Tenor und Bass meisterten im pp ihr schwieriges „Misterioso“ „Was entstanden ist“ Die gewaltige Steigerung der Coda bis zum Höhepunkt von gesamtem Chor und Orchester „Zu Gott wird es dich (gemeint ist das Herz) tragen“ gelang ergreifend. Gerade weil dieser nicht direkt auf christlichem Gedankengut beruhende Glaube an die Auferstehung mit so mächtig - musikalischem Pathos angestrebt aber irgendwie doch angezweifelt wird, ist der Eindruck um so stärker. Man versteht, warum diese Symphonie für manche die beliebteste von Mahler ist. Dieser Meinung war auch das Publikum im ausverkauften Theater, das lange und kräftig auch mit Bravos vor allem der engagierten Leitung durch Fabrizio Ventura, aber auch den Gesangssolisten, Chören und mit Recht einzelnen Instrumentalsolisten innerhalb des Orchesters applaudierte, zum Schluß auch stehend.

Sigi Brockmann 6. Juli 2016

Foto Gunnar Pier/WN

 

 

Nelson Freire / Brahms zweitem Klavierkonzert

Sinfoniekonzert am 25. Mai 2016

Südamerika zeigt auf kulturellem Gebiet in vielfacher Weise noch immer den Einfluß der „Alten Welt“, nicht durch neuerliche Aneignung wie asiatische Länder, sondern aus ungebrochener Tradition Europäischer Einwanderung. Bei Pianisten zeigen das Namen wie Claudio Arrau oder Bruno Leonardo Gelber. Zu diesen zählt auch der Brasilianer Nelson Freire. Bereits in seiner Heimat wurde er von einem Enkelschüler Liszts unterrichtet, später studierte er in Wien bei Bruno Seidlhofer, der auch Friedrich Gulda und Rudolf Buchbinder unterrichtete.

In Münster spielte er jetzt das zweite Klavierkonzert in B-Dur op. 83 von Johannes Brahms begleitet vom Sinfonieorchester Münster unter der Leitung von GMD Fabrizio Ventura.

Zur eher heiteren Grundstimmung dieses Werks paßte, daß das Sinfonieorchester unter GMD Ventura vorher im Rahmen der Aufführung aller Sinfonien Beethovens dessen zweite in D-Dur op. 36 spielte. Mit passend aber nicht übertrieben raschen Tempi gelang dies begeisternd. Durch die kräftigen Akzente im einleitenden „Adagio molto“ des ersten Satzes wurde bereits gezeigt, wie Beethoven gegenüber früheren Meistern sinfonisches Neuland betrat. Danach konnte man die schneidig aufspielenden Geigen und beim zweiten gesanglichen Thema die Holzbläser bewundern. Für die innige Melodik des folgenden „Larghetto“ zeigte das Orchester das passende Gespür. Der stürmische dritte Satz wird hier zum ersten Mal als „Scherzo“ bezeichnet. Dabei erfreute der witzige Wechsel zwischen Streichern und den auch solistisch eingesetzten Bläsern. Sehr akzentuiert erklangen die Fortissimo-Schläge auf unbetonten Taktteilen. Feurig tönte das Hauptthema mit dem grossen Intervallsprung des letzten Satzes, der dann triumphal im verhältnismässig langen Schlußstück endete.

Wie eine solche Sinfonie hat auch entgegen damaliger Gewohnheit Brahms´zweites Klavierkonzert in B-Dur vier Sätze. Trotz etwa des Beginns des ersten Satzes mit dem Hornmotiv – im Konzert ganz romantisch klingend geblasen - ist es keine Sinfonie mit begleitendem Klavier, aber auch kein Klavierkonzert mit Begleitung des Orchesters. Vielmehr vereint es genial sinfonische Form mit virtuosen Anforderungen an den Pianisten. Diese vermochte ohne kraftmeierische Pose Nelson Freire mit seiner langen Erfahrung souverän zu bewältigen, auch im technisch anspruchsvollen zweiten Teil dieses ersten Satzes mit den langen Oktavenläufen und Staccati teils im punktierten Rhythmus. Bei den wilden Sprüngen in beiden Händen war es unwichtig, wenn hier einmal ein Ton nicht exakt getroffen wurde. Dafür glänzte er mit Arpeggien auch im p glitzernd „leggiero“ gespielt.   Im zweiten Satz - eigentlich einem Scherzo, aber„allegro apassionato“ genannt – zeigten er und das Orchester beginnend mit dem feurig aufsteigenden Hauptthema   und dem späteren lyrischen Trio die ganze klangliche Raffinesse von Brahms´Klaviersatz und Orchestration. Der dritte Satz „Andante“ beginnt bekanntlich mit einem Cello-Solo, das Brahms später als Melodie des Klavierliedes „Immer leiser wird mein Schlummer“ verwendet hat. Es wurde ganz innig und kantabel gespielt von Shengzhi Guo. Wie das Klavier dieses Motiv aufgriff, dann im Zusammenspiel mit dem Orchester, hier besonders mit Klarinetten und anderen Holzbläsern , kantabel teils pp weiterentwickelte, begleitet dann von glitzernden Tongirlanden des Klaviers, das war der ergreifendste Moment des Abends. Ungarisch empfundene Melodik verwandte Brahms gerne,   auch hier im „grazioso“ genannten letzten Satz. Das zeigte gleich das Klavier im tänzerischen exakt punktiert gespielten Hauptthema. Elegisch klang vor der Wiederaufnahme des Themas die Kantilene der Holzbläser. Bei der im immer schnelleren Tempo sich steigernden Schluß-Coda vereinten sich Pianist und Orchester zum strahlenden Finale. Besonders hervorgehoben werden muß die für dieses Konzert überaus wichtige Abstimmung zwischen Pianisten und Orchester, für die GMD Ventura durch umsichtige musikalische Leitung sorgte.

Das Publikum im ausverkauften Haus war begeistert, zeigte dies durch sehr langen Applaus und Bravorufe, nach dem als Dank vom Pianisten als Zugabe gespielten Intermezzo op. 118 Nr. 2 von Brahms auch stehend.

Sigi Brockmann 26. Mai 2016

Foto Arndt Zinkant/WN 

 

 

Sinfoniekonzert

26. April 2016

Der große Will Humburg endlich wieder in Münster

„Humburg zurück! Seinen Ruf sendet er her!“ dieser leicht veränderte Ausruf Brünnhildes aus der „Götterdämmerung“ soll Opernfreund daran erinnern, daß mit „Parsifal“, dem gesamten „Ring“ und den „Meistersingern“, deren Festwiese in ein Zelt auf dem Schloßplatz verlegt wurde, unter der musikalischen Leitung des damaligen GMD Will Humburg mit Peter Beat Wyrsch als Regisseur und Roland Aeschlimann als Bühnenbildner das Musiktheater von Münster seinen bisherigen Höhepunkt erlebte. Nostalgisch denkt man daran zurück, daß Evelyn Herlitzius in Münster ihre erste Brünnhilde sang, Christian Franz seinen (nach Kassel) zweiten Siegfried,, Georg Zeppenfeld Titurel und Fafner und dann seinen ersten König Philipp in „Don Carlo“ , eine Reihe später bekannt gewordener Sänger, die sich fortsetzen liesse. Freunde moderner Opern erinnern sich gern an den „Grand Macabre“ von Ligeti.

Das war auch wohl ein Grund für den starken Begrüssungsapplaus, mit dem Humburg als Gastdirigent begrüßt wurde.. Er begann gleich mit dem kompositorisch reifsten Werk des Abends, der vierten Sinfonie in B -Dur op. 60 von Ludwig van Beethoven, die im Rahmen der Aufführung aller seiner Sinfonien in dieser Spielzeit erklingt. Hier baute Humburg in der langsamen Einleitung des ersten Satzes ebenso wie vor dem Beginn der Reprise grosse dramatische Spannung auf durch Betonung der kühnen Harmonik und der dynamischen Gegensätze – Beethoven schreibt für die Geigen einmal ppp vor. Stark akzentuierte er dann dies auflösend die Akkorde mit den 16-tel-Aufschwüngen. Umso gegensätzlicher wirkte das wunderbar weich beginnende „cantabile“ des zweiten Satzes mit der exakt punktiert gespielten 16tel- Staccato-Begleitung, aus der er dann wieder eine grosse Steigerung entwickelte. Zwischen den ff-Schlußakkorden konnte man bewundern, wie leise eine Pauke geschlagen werden kann. Im dritten Satz, Scherzo, wenn auch nicht so bezeichnet, gelang exakt der rhythmisch schwierige Beginn mit dem Auftakt-Thema und man bewunderte im Trio die weich spielenden Bläser. Im schnell gespielten letzten Satz beeindruckten besonders die exakten 16-tel der Streicher. Nach dem ff-Schluß gab es dann für ein Eingangsstück sehr starken Applaus.

Es folgte das erste Klavierkonzert in Es-Dur von Franz Liszt gespielt vom vor allem durch seine Interpretation der Werke Johann Sebastian Bachs bekannten Martin Stadtfeld  .Erstaunt war man, daß für dieses virtuose schwierige Werk Noten auf das Pult des Flügels gestellt wurden. Einfühlsam und poetisch, wenn auch mit vielen rubati, gelangen ihm die lyrischen – Espressivo - Passagen des Konzerts. Von meinem Platz vorne rechts konnte ich auch sehen, wie er zu Beginn des „Quasi Adagio“ zwei Pedale gleichzeitig betätigte. Für die ff-Oktavenläufe, Triller oder gebrochenen Akkorde fehlte wohl die Darstellung von „grandioso“ oder „marziale animato“ Ausserdem hatten der Dirigent und er verschiedene Vorstellungen des gewünschten Tempos, was manchmal zu Schwierigkeiten im Zusammenspiel führte.Trotzdem spielte das hier so berühmte Triangel rhythmisch exakt. Nach einer Etüde von Chopin als Zugabe hätte man sich von Stadtfeld mehr Chopin und weniger Liszt gewünscht.

Die abschliessenden „Pinien von Rom“ von Ottorino Respighi für ganz grosses Orchester mit Klavier, Celesta und Schlagzeug zur Darstellung der verschiedensten Klangfarben zeigten dann „Humburg at his best“ Mit heiteren Arpeggi ließ er die Kinder an der Villa Borghese spielen. Ganz eindrucksvoll gelangen zu Beginn des zweiten Satzes die fahlen pp-Töne der Bläser, als musikalische Darstellung der Katakomben, vielleicht der eindrucksvollste Teil des Stücks, mit dem dann stark an- und wieder abschwellenden Choral. Ein Fest für die einzelne Soli, Violinen, auch deren zwei, vor allem Klarinette, aber auch Flöte, Oboe und Fagott und Hörner war dann der dritte Teil, deutlich auch zu hören der Gesang der Nachtigall als technische Toneinspielung. Hier nimmt Respighi spätere Entwicklungen vorweg, wie er auch im letzten Satz das Klavier fast als Rhythmusinstrument benutzt. Dieser Satz im Marschrhythmus ist eigentlich eine Steigerung durch alle Instrumente hindurch von pppp bis ffff, gedacht ist wohl an eine von Ferne siegreich heimkehrende altrömische Legion. Für diese wohl dosierte dynamische und rhythmische Steigerung hatte Humburg den von ihm bekannten „langen Atem“. Wieder zu erkennen war auch seine Vorliebe für räumliche Darstellung einer solchen Steigerung. Die sechs altrömisch nachempfundenen Blasinstrumente, bucine genannt, wurden im obersten dritten Rang auf Tenorhörnern durch Mitglieder des Luftwaffenmusikkorps Münster machtvoll nachgeahmt..

In allen drei Stücken konnten Orchestermitglieder durch ihre Soli begeistern. Da die bereits erwähnte Klarinette neben Respighi auch bei Beethoven und Liszt solistisch hervortritt, war sie vielleicht das meistbeschäftigte Solo-Instrument des Abends

Die abschliessende akustische Rundum-Steigerung belohnte das Publikum mit Riesenapplaus und Bravo-Rufen, die kein Ende nehmen wollten, zum Schluß auch stehend.

Sigi Brockmann 27. April 2016

Foto Jürgen Christ/WN

 

 

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