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 TEATRO DI SAN CARLO

www.teatrosancarlo.it/

 

 

 

LADY MACBETH DEL DISTRETTO DI MCENSK

Premiere am 15.April 2018

Besuchte Vorstellung 19.04.2018

 

Die Inszenierung, die Martin Kusej nun schon vor einem Dutzend Jahren in Amsterdam der „Lady Macbeth von Mzensk“ angedeihen liess, ist von der Sorte und Qualitaet, die nicht alt wird – sicher eine seiner ueberzeugendsten Arbeiten. Das Teatro San Carlo in Neapel hat gut gekauft. Dass solche Uebertragungen von Haus zu Haus allerdings nicht problemlos sein muessen, bekam man gleich bei der Premiere zu spueren: Das eindrucksvolle Buehnenbild von Martin Zehetgruber schaffte die Verwandlung innerhalb des zweiten Teils keinesfalls friktionsfrei, eine kurze Lichtpause zog sich, dann wurde das Publikum in eine ungeplante Pause geschickt. Nach einer halben Stunde gings weiter. Der Beginn nur zwoelf Minuten verspaetet, was fuer italienische Verhaeltnisse ein Klacks ist, dauerte der Abend – wobei einiges Publikum zwischendurch abbroeckelte – an die vier Stunden.

Dass die „Lady“ das Schostqakowitsch ein Meisterwerk ist, weiss man, dass Kusej der Mann ist, die Brutalitaet der Geschichte auszureizen, liegt in seiner Natur und hat hier absolut seine Berechtigung. Das Buehnenbild traegt viel zum Konzept bei, wenn er seine Katerina Ismailowa im ersten Teil in einen Kaefig einsperrt, zu dem quasi nur ihr gierig-eifrsuechtiger Schwiegervater Zutritt hat (der Liebhaber kommt dann per Leiter von oben). Dennoch hat man den Eindruck, dass die schoene Frau (anfangs ganz im blonden Monroe-Sexbomben-Look) durch diesen Kaefig auch geschuetzt ist, sieht man, wie exzessiv Kusej den – dennoch letztendlich stilisiert gefuehrten – Chor einsetzt.

Wenn auf der Buehne gemordet wird, geschieht es bei Kusej mit aller ungebremster Brutalitaet, und auch seine Ausfluege in Sexszenen oder Unappetitlichkeiten sind gnadenlos. Nach der Pause, wenn fuer Katerina (man hat eigentlich kein wirkliches Mitleid mit ihr, so boesartig hat sie dem Schicksal zurueckgeschlagen), ist der Kaefig weg, die Buehne horizontal zweigeteilt, beengt durch vier breite Lichtschranken. Und wenn es dann in die Gefangenschaft geht, gibt es drei horizontale Ebenen (jene, die beim Umbau so viel Muehe machten), die unterste fuer die Gefangenen, die zweite fuer das Wachpersonal darueber, die dritte leer… Kusej arbeitet hier mit symbolischen Signalen, die den Vorzug haben, dass man sie immer „lesen“ kann, scheut vor allerlei theatralen Effekten (Ehebruch bei Blitegewitter etwa, mal faellt Regen, mal werden Fackeln geschwenkt) nicht zurueck, gibt dem Werk schonungslose Dichte und laesst sich auf keine extremen, unverstaendlichen Umdeutungen ein.

Staerkstes Atout des Abends war der Dirigent Juraj Valcuha am Pult des San-Carlo-Orchesters, ganz auf der Hoehe der Musik, ihre stellenweise schier unertraegliche Brutalitaet ebenso ausreizend wie die vielen Details, die (wie Filmmusik, nicht negativ gemeint) die Stimmung der Szene untermalen. Dass die Orechersterzwischenspiele oft zu den musikalischen Hoehepunkten des Abends geraten koennen – hier geschieht es jedenfalls.

Staerkste Stimme und Persoenlichkeit des Abends war (bis zu seinem Tod kurz vor der Pause) Dmitry Ulianov als Schwiegervater, ein echt schwarzer, echt russischer Bass, der die Brutalitaet schon in der Stimme hat. Sie im Massanzug auszuspielen (alle anderen in Arbeitskleidung), machte dann besonderen Effekt. Natalia Kreslina aus Riga klang durchaus wie ein Mezzo, hatte aber die Durchschlagskraft fuer die vielen Hoehen der Rolle – auf Stimmschoenheit kam es da nicht an. Gluecklicherweise auch nicht bei Ladslav Elgr als oft angestrengt klingendem Liebhaber Sergej. Im uebrigen begegnete man der aus Wien bekannten Carol Wilson in zwei starken Nebenrollen.

Im Vergleich zu Wien war der Schlussapplaus (ohne Kusej), obzwar freundlich, doch nicht sonderlich begeistert. Allerdings ist diese „Lady“ wohl keine Oper, die Italiener zu besonderem Enthusiasmus hinreisst. Jedenfalls haben sie das Werk in einer sehr guten Auffuehrung gesehen.

Renate Wagner 20.4.2018

Bilder (c) Theatro San Carlo

 

P.S.

Bei einer Opernpremiere in Neapel kann man lernen, was Eleganz ist: Die Damen Alta Moda, sehr viel Schwarz, absolut stilsicher auch in den Accessors, die Herren Massanzuege: Das ist eine Gesellschaft, die sich keine Bloesse gibt, die ihren Dresscode befolgt, wo jeder jeder kennt und man zum Parkett- und Pausenkampf der Gesaenge antritt. Fuer den Fremden, der da in seiner Klulft hoffnungslos abstinkt, ein Fest fuers Auge ohnegleichen. Und der Tanz der Eitelkeiten, den die picobello gekleideten Herren (tatsaechlich nur Maenner, zumindest, so weit ich es beobachtet habe) beim Presseschalter um die Pressedame auffuehrten – Pfaue unterwegs. Theater ums Theater. Richtig schoen. Richtig italienisch.

 

 

 

                                                         

Adriana Lecouvreur

 

16.10.16 Wiederaufnahme                                 

Historisierende „brave“ Inszenierung aus dem Jahre 2003

Das altehrwürdige Teatro di San Carlo wurde 1735 von den Architekten Giovanni Antonio Medrano (1703-60) und Angelo Carasale (gest. 1742) für den Bourbonenkönig Karl VII. von Neapel entworfen. Mit 3300 Plätzen war es jahrelang das größte Opernhaus und, noch vor der Mailänder Scala, das angesehenste Theater in Europa und der Welt und wurde allein schon wegen seiner Architektur und seiner reichen Einrichtung bewundert. Die stagione 2016/2017 wurde mit der Wiederaufnahme von „Adriana Lecouvreur“ aus Anlass des 150. Geburtstages von Francesco Cilea (1866–1950) eröffnet und ist gleichzeitig der Erinnerung an die letzte große Interpretin der Hauptrolle im Jahr 2003, Daniela Dessi (1957-2016), gewidmet. Der israelische Dirigent Daniel Oren kehrte ebenfalls ans Teatro Massimo, wo er sein Debüt 1980 gemacht hatte und dessen musikalischer Leiter er ab Mitte der 80ger Jahre wurde, zurück und leitete das Orchester und den Chor desselben routiniert, konnte sich allerdings nicht darauf festlegen, seine „Kippa“ während der gesamten Aufführungsdauer zu tragen, sondern lediglich während der Akte 1 und 3 sowie beim Schlussapplaus. Die „Adriana“ hatte er bereits 1992 im Teatro di San Carlo erstmals dirigiert. Und wie gewohnt gelang es ihm auch dieses Mal eine stimmige Balance zwischen Orchestergraben und Bühne zu erreichen, und das Orchestervolumen nie Gefahr lief, die Stimmen der Sänger zu übersteigen. Die für Cilea typischen „Leitmotive“ charakterisieren die jeweiligen Akte bzw Intermezzi, so etwa zu Beginn des vierten Aktes das „Rheingold-Motiv“, das der Komponist als ein Symbol für die Vergänglichkeit der Liebe und des Lebens zitiert.

Im Teatro di San Carlo di Napoli werden während der Vorstellung zweisprachige Übertitel in Italienisch und in Englisch gezeigt, was das Textverständnis erleichtert. Die historische Inszenierung von 2003 stammte von Lorenzo Mariani, die historisierenden Bühnenbilder und Kostüme entwarfen Nicola Rubertelli und Giusi Giustino. Von Michele Merola stammte die neoklassische Choreographie zum „Urteil des Paris“ und Claudio Schmid leuchtete die Szene noch sensibel aus, indem er das Scheinwerferlicht auf die sterbende Adriana langsam ausblenden ließ. Diese historisierende Ausstattung beschwört das beginnende 18. Jhd. also jene Zeit, in der die damals erfolgreichste französische Schauspielerin Adrienne Couvreur (1692-1730), genannt Lecouvreur, durch ihre Liaison mit Moritz von Sachsen zur Rivalin der Herzogin von Bouillon wurde. 

Lorenzo Mariani führt dem Publikum zunächst das bunte Treiben in einem Raum der Comédie-Française als Genrebild vor. Regisseur Michonnet wird darin gleich zu Beginn von den beiden Schauspielerinnen Jovenot und Dangeville mit Wünschen überhäuft. Alessandro Corbelli gelang es den heimlich in Adriana verliebten Michonnet zu einer bemitleidenswerten Figur zu gestalten. Seine   verzweifelte Tirade „Michonnet su! Michonnet giù! Auff! Non ne posso più…“ hat ihren unverkennbaren Ursprung wohl in der berühmten Cavatine „… Figaro su, Figaro giù…“ in Rossinis „Il barbiere di Siviglia“. Mit seinem eindringlichen Bariton konnte Corbelli mehrmals verdienten Szenenapplaus für sich lukrieren. Die höfische Welt des Intrigenspiels und der Verstellung wurde von Luciana d’Intino mit durchdringendem, fallweise scharfem Mezzosopran, in der Rolle der eifersüchtigen Ehebrecherin und Giftmischerin, der Fürstin von Bouillon, widergespiegelt.

Diese wurde in jungen Jahren an den alten Fürsten von Bouillon verheiratet, den sie nicht liebt. Nach der Auffassung der Sängerin ist die Fürstin „treulos, weil amoralisch, nicht aber unmoralisch“. Ihre Gegenspielerin Adriana Lecouvreur wiederum repräsentiert die Welt der Bühne mit ihren überhöhten Gefühlen und künstlichem Schein und war an diesem Abend mit Barbara Frittoli, die kurzfristig für Anna Pirozzi eingesprungen war, hochkarätig besetzt. Sie ließ weder stimmlich noch durch ihr ausdrucksstarkes Spiel irgendwelche Wünsche an ihre Interpretation der tragisch Liebenden und im Alter von nur 38 Jahren allzu früh verstorbenen Künstlerin offen, wobei sie den veristischen Ausdruck auf die rezitativen Passagen, deren Höhepunkt der eindrucksvolle Monolog der Phädra bildete, verlegte und die gesungenen Passagen mit sattem Volumen und dramatischen Farben ausstaffierte. Zwischen diesen beiden starken Frauen hatte es der stimmlich schwächelnde argentinische Tenor Gustavo Porta als charakterschwacher Maurizio, Herzog von Sachsen. Auch er fungierte lediglich als Einspringer für Marcello Giordani und Fabio Sartori, die diese Rolle ursprünglich hätten singen sollen. Gesanglich wie darstellerisch war Porta am stärksten in der Schlussszene als Adriana in seinen Armen stirbt. Hier konnte er seine eher raue Stimme auch etwas mit Leuchtkraft ausstatten. Im Übrigen hörte sich seine Stimme eher kraftlos an und ließ auch jegliche Eleganz vermissen. Umso mehr gefiel Carlo Striuli in der Rolle des gehörnten umtriebigen Fürsten von Bouillon, der mehr an den Künstlerinnen als an ihrer Kunst interessiert ist. In der Rolle des lüsternen und intriganten Abbé von Chazeuil war Luca Casalin recht aufdringlich und polternd, wodurch das Abbild eines allzu weltlichen Vertreters des Klerus ins Lächerliche und geradezu Groteske verzerrt wird. Rollengerecht wirkten noch  Paolo Orecchia als Quinault, Stefano Consolini als Poisson, Elena Borin als Mlle Jouvenot und Milena Josipovic als Mlle Dangeville, mit. Den Haushofmeister des Fürsten unterlegte Luigi Strazzullo noch mit seinem wohl timbrierten Tenor.

Marco Faelli hatte den Chor des Teatro di San Carlo für diese Eröffnungspremiere bestens einstudiert. Nicht unerwähnt soll der „Corpo di Ballo“ bleiben. Zu Cileas schwelgerischer Musik tanzten als Solisten Claudia d’Antonio / Juno, Martina Affaticato / Minerva, Annachiara Amirante / Venus, Alessandro Staiano / Paris und Gianluca Nunziata / Merkur sowie 12 namentlich genannte Damen und Herren des Ballettensembles.

Das Theater war leider nur zu etwa 70% ausgelastet, zahlreiche leere Plätze im Parkett und in den Logen stimmten mich eher traurig, obwohl die Preise der Karten im Vergleich mit der Wiener Staatsoper in Neapel wesentlich niedriger sind. Wird denn die Oper, wie ich sie liebe, bald zu einer musealen Kunstgattung verkommen? Hoffentlich nicht, denn das anwesende Publikum spendete allen Künstlern reichlich Applaus, gewürzt mit begeisterten „Bravo-Rufen“.                                                                                                               

Harald Lacina, 19.10.16

Bilder (c) Teatro di San Carlo

 

 

 

 

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