Als passionierter Eishockeyfan kenne ich Eishallen in ganz Europa – in der schmucken Bezirksstadt Waidhofen kannte ich die noch nicht: daß sich dort meine zwei Leidenschaftrn sozusagen „verknüpften“ war genial, noch dazu, wo unter den Protagonisten eine junge Dame den Vogel abschoß, die aus Kanada, sozusagen dem „Paradeland“ dieses spannenden Sports stammte…
Aber der Reihe nach : neben Günter Groisssböck , d e m Bass unserer Tage, stammt auch Anna Bernreitner aus der 11.500 Seelengemeinde an der Ybbs (oder auch „Ois“ genannt ) und läßt seit 10 Jahren mit ihrem Verein „OPER RUND UM“ aufhorchen. An ungewöhnlichen Plätzen – vom Schwimmbad bis zum Supermarkt, vom Gasthausgarten bis zur Fabrikshalle wird da Oper gespielt. Natürlich „anders“ als im traditionellen Opernhaus, eigens dafür eingerichtet, natürlich orchestral reduziert, mit teilweise „modernen“ Ansätzen – deren Freund ich im „normalen Opernhaus“ bekanntermaßen weniger bin – aber NIE „werkzertrümmernd“, immer die Botschaft des Stückes ohne Umdeutungen transportierend, und vor allem mit unglaublichem Animo von einer durchwegs jugendlichen Schar geradezu elektrisierend interpretiert!
Nach dem so gelungenen letztjährigen, Offenbachschen „Orpheus“ nahm man sich dieses Jahr mit dem unvollendet gebliebenen „Hoffmann“ einen ganz großen Brocken vor. Von kaum einem Werk wie diesem gibt es soviele Fassungen, Bearbeitungen und schließlich auch Lösungen – ich empfinde es als Geschmacksfrage und kann jeder Version etwas abgewinnen. Gesungen wurde hier in deutscher Sprache, was zum romantischen Genre des deutschen Studentenlebens in Luthers Keller, das die Oper quasi einrahmt sehr gut passt. Nun dieses fand hier keine Bedeutung, weil auch kein Chor zur Verfügung stand. Auf geniale Weise hat die Regisseurin Bernreitner die für den Handlungsverlauf unabdingbaren Chorpassagen auf die 8 zur Verfügung stehenden Sänger aufgeteilt, die quasi alle – bei Bedarf – mit dabei waren. Die Muse als Erzählerin und Triebfeder führt quasi „Regie“, erläutert die Handlung und lenkt Hoffman durchs Geschehen. Am Schluß ist sie die Einzige, die „Hoffmann“ wirklich liebt und ihm Erfüllung geben kann. Christina Sidak gehörte in dieser Partie durch ihre Persönlichkeit, ihr souveränes Auftreten und Professionalität, aber auch durch ihren wunderschön geführten, angenehm timbrierten Mezzo zu den drei herausragenden der allgemein zu lobenden Sängerschar. Da war es besonders schade, daß ihre Arie und der von der Muse eingeleitete Schlusshymnus in dieser Version nicht zu hören war. Mit unglaublicher Wortdeutlichkeit und mit kräftigem, nordisch hellem Tenor konnte Sven Hjörleifsson in der Titelpartie punkten. Mit dem „Kleinzack“ hatte er sich der Isländer so richtig eingesungen, und servierte seine zahlreichen Arien und Duette mit Bravour – bravo! Schon als zierliches Persönchen ideal als Puppe Olympia passend, und diese auch charmant verkörpernd, bestach allerdings noch mehr die vokale Bravour, mit der Laura Jean Elligsen die Zuhörer verblüffte. Da perlten die Koloraturen, funkelten die Spitzentöne und liessen absolut keinen Wunsch offen. Im übrigens köstlich gestalteten Programmheft ( unkonventionell, witzig alleine schon die Sängerbios ) liest man mit Erstaunen, daß sie seit 2015 in Wien wohnt, sie Chor – und Solo Engagements in Europa und „ihrem gelibten Kanada“ hat und Mitglied im Chor der Wiener Staatsoper ist!!!
Barbara Maria Angermeier gestaltete die Giulietta zupackend, mit Aplomb und kräftigem Sopran.Sie war mit einem genialen und gleichzeitig originellen Kostüm bedacht : weiss, lauter weisse Hände mit roten Fingernägeln aufgefädelt rund um sie, die Kurtisane, von allen „angreifbar“. Der Hoffmann das Spiegelbild rauben lassende Mirakel , dessen „Diamanten“ oder wie es früher hiess „Spiegelarie“ leider nicht im Programm war, wurde von Till von Orlowsky mit Nachdruck und Präsenz, weniger „Dämonie“ – dazu wirkt er zu sympathisch und „korrekt“ – und seinem speziell in der mittleren Lage kernigen Bariton gegeben, der alle Bösewichter interpretierte. Leider gelang das Finale des Antonia-Aktes am wenigsten gut – bissl „Beckmesserei“ muss halt auch sein – das eine meiner Lieblingsstellen des Werkes ist: da wischte der sonst souveräne Dirigent Raphael Schluesselberg zu schnell drüber, das hätte man weit mehr „auskosten“ können, mit rubati, Akzenten etc. Aber vielleicht war es auch gut so, da dort die optisch in ihrem hautengen Kleid hervorragend aussehende Zoe Nicolaidou hörbar an ihre Grenzen geriet. Auch müsste die Zypriotin ein wenig an der Diktion arbeiten, dann käme ihr dunkles, schönes Timbre noch besser zur Geltung. Ausgezeichnet mit klarem Spieltenor gestaltete Richard Klein das Couplet des Franz und deckte ebenso alle weiteren tenoralen Einwürfe bestens ab. Johannes Schwendinger tat dies mit mächtiger Gestalt beim Crespel und den notwendigen „Assistenzen“ im tiefen Bereich. Die 17 Damen und Herren im Orchester, das „Vienna Ensemble“, allesamt erfrischend jung entledigten sich ihrer Aufgabe bravourös. Für das Licht sorgte Stephanie Erb, die einfach und bunt angelegte Bühne, sowie die originellen Kostüme schufen Hannah Rosa Oellinger und Manfred Rainer. Noch einmal muss ich die Regie der phantasievollen, handwerklich versierten und energiegeladenen Anna Bernreitner herausstreichen, die quasi Organisatorin, Gesamtleiterin usw ist! Diese talentierte Künstlerin , auf die in der kommenden Saison Engagements in Nancy ( Zauberflöte), aber auch an deutschen Theatern warten, sollten sich die Verantwortlichen in Waidhofen, aber auch im „Theaterland Niederösterreich“ unbedingt auch für die nächsten Jahre „sichern“ und ihre Initiative unterstützen – denn ich wage es zu prophezeien, dass auf sie bald eine größere Karriere wartet.
Das Publikum war restlos begeistert, es feierte das erfolgreiche Team – die hatten es sich redlich verdient. Tip: Folgevorstellungen ansehen…!
Michael Tanzler, 3.8.2021
Fotos: Oellinger/Rainer
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