DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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ATHEN

 

Athens Epidauros Festival/Odeion des Herodes Attikus/Greek National Opera:

DANCE WITH MY OWN SHADOW

Besuchte Vorstellung am 27. Juli 2021

 

preski

Showtime unter der Akropolis

Die Griechische Nationaloper beendet wie üblich die Reihe der Aufführungen des Athens Epidaurus Festival im Odeion des Herodes Attikus. Die ursprünglich vorgesehene „Tosca“-Produktion wurde jedoch durch einen Tanzabend ersetzt. Das Ballett der Nationaloper kommt nun zum Einsatz und dessen Direktor Konstantinos Rigos präsentiert Choreografien zu vier musikalischen Werken des bekannten Komponisten Manos Hadjidakis. Möglicherweise war die Tatsache, dass keine Live-Musik zum Einsatz gelangt und somit den Covid-Regeln besser entsprochen werden kann, für die Spielplanänderung verantwortlich. Der Tanzabend „Dance With My Own Shadow“ (Tanz mit meinem eigenen Schatten) kam im November 2019 an der Nationaloper zur Uraufführung.

Rigos schafft vier szenische Räume zu Kompositionen aus unterschiedlichen Schaffensperioden von Hadjidakis. Der „C.N.S.-Zyklus“ ist ein Werk für Bariton und Klavier und basiert auf Gedichten des Komponisten. Der Liedzyklus ist dem jung verstorbenen, spanischen Dichter Etienne Röhrich Moritz gewidmet. Das Meer und der verlassene Strand sind darin zentrale Themen. „Kapitän Michalis“ ist Theatermusik für eine Bühnenadaption von Nikos Kazantzakis’ gleichnamiger Erzählung.

Das Werk handelt vom mediterranen Süden und seinen Menschen. Die Ballettsuite „Die verfluchte Schlange“ widmet sich der Welt des Märchens und erinnert deutlich an das traditionelle Schattentheater. „Giocondas Lächeln“ ist das bekannteste Werk von Hadjidakis, das an diesem Abend erklingt. Es entführt den Hörer in die Welt moderner Grossstädte, präsentiert den Sound des Westens. Konstantinos Rigos bekennt in einem Text seine Verehrung des Komponisten und seine frühe Prägung durch dessen Musik. Er beschreibt seinen choreografischen Zugang durch den Hinweis, dass er vier Räume schaffen wolle – „Räume, in denen die Zuschauer ihre eigenen, persönlichen Mythologien erschaffen können“.

Rigos steht ein Team zur Seite, das die vier Räume des Tanzabends zu opulenten Showbühnen macht. Die Raumgestaltung von Rigos und Mary Tsagari, die Kostüme von Deux Hommes,  das Licht von Christos Tsiogkas und die Videos von Vasilis Kehagias sorgen für effektvolle Momente. Das ist nun soweit auch nicht schlecht. Problematisch wird das Ganze, weil Konstantinos Rigos sehr eklektizistisch ein Sammelsurium unterschiedlicher tänzerischer Formen auf die Bühne bringt. Vom klassischen Ballett bis zum Tanztheater hat so ziemlich alles bei ihm Platz. Es gelingt ihm dabei aber nicht, eine eigene persönliche Sprache kenntlich werden zu lassen. Bisweilen stehen ein klassisch anmutendes Solo und eine modernem Duktus folgende Gruppenbewegung recht unvermittelt nebeneinander. Der Spannungsbogen reisst darum ein ums andere Mal ab. Manches scheint nur auf gefällige Wirkung bedacht, anderes glänzt durch extrovertierte Bewegung. Solisten und Corps de Ballet der Nationaloper zeigen dabei durchaus gute Leistungen. Konstantinos Rigos‘ Choreografien schaffen es Geschichten äusserlich kenntlich zu machen, zu einer tiefer gehenden Erzählung, zu berührendem Ausdruck stossen seine Arbeiten aber nicht vor. Rigos‘ Motto scheint zu heissen: Erlaubt ist, was gefällt. Das Ergebnis lässt sich unter radikalem Mainstream verbuchen.

Dem Publikum im ausverkauften Odeion hat der Hadjidakis-Abend sehr gut gefallen. Am Schluss gab es grosse Begeisterung für alle Beteiligten.

 

Foto (c) Press-kit.jpg

Ingo Starz, 8.8.2021

 

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

 

 

ATHEN/ Greek National Opera/Alternative Bühne

HUMAN BEHAVIOUR

Diptych of modern dance

19.10.2020

Archiv des Lebens

Die Griechische Nationaloper hatte wegen einer dreiwöchigen, allgemeinen Schliessungsphase für Theater und Kinos die ersten Aufführungen der Saison absagen müssen. Letzte Woche nun ging es los mit Puccinis „Madama Butterfly“ und dem Tanzabend „Human Behaviour“ auf der Alternativen Bühne des Hauses. Der Ballettdirektor Konstantinos Rigos hatte zwei erfolgreiche Choreographen eingeladen, welche interessante Recherchen zur Frage präsentieren, was Tanz sein und wie er rezipiert werden kann. Ioannis Mandafounis arbeitet seit gut zwei Jahrzehnten im Ausland, war unter anderem Mitglied der Frankfurter Forsythe Company und hat nun sein eigenes Tanzensemble, das in Genf angesiedelt ist. Ermira Goro arbeitete nach ihrer Ausbildung zunächst in New York, bevor sie als Choreografin erfolgreich in Griechenland Fuss fasste. Nach der langen Schliessung der Oper ist man über die dargebotene Körperlichkeit, noch dazu im eher intimen Rahmen der Alternativen Bühne, mehr als erfreut. Sehr physisch gerät auch der musikalische Part, den ein Streichquartett live beisteuert. Die Musiker Antonis Sousamoglou, David Bogorad, Athanassios Sourgounis und Yannis Stefos machen ihre Sache ausgezeichnet.


„Point of no Return“. Copyright: Valeria Isaeva

 

Ioannis Mandafounis` Choreografie „Point of no Return“ basiert auf einer Recherche, welche die mehr als 300 Tanzbewegungen des klassischen Balletts gleichsam archiviert und reflektiert. Indem dieses Bewegungsrepertoire in ungewohnter Abfolge präsentiert wird, Gegensetzungen zu ironischer Brechung führen und die einzelnen Posen mehr denn je „ausgestellt“ zum Nachdenken anregen, wird ein lebendiges, heiter anmutendes Archiv des Lebens auf die Bühne gebracht. Der Fluss des Ganzen, das irritierende Nebeneinander und die Interaktionen zeigen Mandafounis tiefes Verständnis der Kunstform Tanz. Das neoklassisch daherkommende Streichquartett von Giorgos Koumendakis, das auf traditionelle, griechische Musik Bezug nimmt, passt nicht schlecht zu diesem ironischen Blick auf tänzerische Tradition. Die fünfzehn Tänzerinnen und Tänzer erfüllen ihre Aufgaben auf hohem Niveau und machen auch die Wende der Choreographie äusserst glaubhaft, wenn die klassischen Posen und Sprünge plötzlich zu zuckenden Tanzgebärden unserer Zeit werden. Mandafounis gelingt es überzeugend, diese Entwicklungslinie als lustvolles Ereignis auf die Bühne zu bringen.


„Plan B“.  Copyright: Valeria Isaeva

 

Bereits der Titel von Ermira Goros Arbeit verspricht unmittelbare Zeitgenossenschaft: „Plan B“. Das Unstete und das Wechselhafte sind die Grundmotive ihrer Choreographie. Die asymmetrischen Klangformen der Musik von Dimitra Trypani legen gleichsam den Untergrund für Bewegungsfolgen, die permanent vom Abstrakten ins Konkrete und zurück gehen. Das neunköpfige Ensemble setzt diesen mäandernden Fluss von Momenten des Erscheinens und Verschwindens eindrücklich in Szene. Wie bei Mandafounis herrscht ein leichter Ton vor, ein Parlando gewissermassen. Goro zeigt in ihrem kurzen Werk, wie Tanz auf aktuelles Geschehen reagieren kann, indem es das Reagieren zum Thema macht – und schnelles Reagieren auf neue Entwicklungen ist derzeit angesagter denn je. Kleine tänzerische Bewegungen vermögen dabei grosse Emotionen und physische Zustände sichtbar zu machen. 

Das Publikun bedankt sich für den anregenden Tanzabend mit anhaltendem Beifall und vereinzelten Bravorufen.

 

Ingo Starz, 24.10.2020

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

Megaro Mousikis

TRISTAN UND ISOLDE

2. Aufzug am 21. Februar 2020

Überzeugender Wagner in Athen und Hoffnung auf mehr…

Wagner in Athen! Das war für mich eine Premiere, denn es dürfte eine der letzten europäischen Hauptstädte sein, wo ich die Musik des Bayreuther Meisters noch nicht hören konnte. Umso exotischer war dieser Ausflug nach Attika, in Verbindung mit der „Walküre“ am Teatro Real in Madrid. Ich war überrascht, auch naiverweise erst hier festzustellen, dass Athen drei Opernhäuser mit einer Gesamtsitzplatzkapazität von über 3.700 hat. Von ihnen weiß man allerdings in unseren Breiten wenig, in überschaubaren Grenzen abgesehen von dem funkelnagelneuen Glaspalast der Greek National Opera (GNO) der Stavros Niarchos Foundation mit der Stavros Niarchos Hall in Kallithea vor der Stadt, in der ich am ersten Abend eine völlig durchgeknallte „Fledermaus“ erlebte. Es gibt aber auch noch das ebenfalls von der GNO bespielte Olympia Theatre mit der Maria Callas Central Stage im Stadtzentrum, welches in der deutschen Besatzungszeit 1942 von den Nazis (!) - wohl in einem alten Kino - mit 700 Plätzen ausgebaut wurde. Und seit 2004 die völlig unter der Erde liegende, also unsichtbare Alexandra Trianti Hall (nach einer bedeutenden Sängerin), ein beeindruckendes Opernhaus mit 1.700 Plätzen und einer Bühnentechnik, die ihresgleichen sucht.

Alexandra Trianti war eine international herausragende griechische Liedsängerin mit einer Karriere zwischen 1920 und dem Ende 1950er Jahre. Sie sang u.a. in Den Haag, Paris, Leipzig, Stockholm, London, Amsterdam, Zürich, München, Hamburg, Rotterdam, Madrid, Malaga, Bilbao, Barcelona, Milan und New York (1953). Auch der einflußreiche Musikkritiker Alfred Einstein hob seinerzeit im Berliner Tageblatt ihre außergewöhnliche gesangliche Qualität hervor. Trianti machte sich sehr um die Entstehung der Athens Concert Hall verdient, in der dieser „Tristan“ aufgeführt wurde.

Seit etwa vier Jahren wird in der Alexandra Trianti Hall allerdings keine Oper mehr aufgeführt! Die Alexandra Trianti Hall ist integraler Bestandteil des Megaron - Athens International Conference Centre (Megaron MICC), im Jahre 2003 eingeweiht. Es liegt im Herzen der Stadt an einem großen Boulevard mit dem Opernhaus, dem riesigen Konzertsaal Hall of the Friends of Music (also die o.g. Athens Concert Hall) mit 1.960 Plätzen und weiteren drei kleineren Theatern, sowie weitläufigen Ausstellungsflächen, einem Dachrestaurant und einem großen subtropischen Garten. Ich meine, man könnte es als das Lincoln Centre von Athen bezeichnen…

In der Megaron Concert Hall residiert unter Stefanos Tsialis, seinem in Deutschland aufgewachsenen und die meiste Zeit in Leipzig lebenden Künstlerischen Direktor und Chefdirigent, das Athens State Orchestra - ältestes Orchester Griechenlands. Dieses Orchester führte unter Tsialis also auch den 2. Aufzug des „Tristan“ am 21. Februar auf.

Der Klangkörper hat eine durchaus interessante Geschichte. Deshalb seien mir hier einige Ausführungen dazu erlaubt. Das Orchester wurde als Orchester des Athener Konservatoriums 1873 gegründet und behielt diese Rechtsform, als Privatorchester, bis 1942. Während der Deutschen Besatzung 1942 wurde es ein Staatsorchester nach deutschem Vorbild, d.h. komplett staatsfinanziert mit bis zur Rente angestellten Musikern. Diese Rechtsform gilt bis heute.

Von 1927 bis 1936 war Dimitri Mitropoulos der Chefdirigent des Orchesters, der das Repertoire auch um die damalige Moderne erweiterte. Auch Mahler-Symphonien wurden gespielt, in einer Zeit, als der Komponist auch in Europa wenig aufgeführt wurde. In der Zeit von Mitropoulos gastierten in Athen wiederholt Bruno Walter, Richard Strauss, Felix Weingartner, Hans Knappertsbusch und Eugen Jochum, um nur wenige zu nennen, alles Kontakte, die Mitropoulos in Berlin als Assistent von Erich Kleiber knüpfte. So kann die Zeit von Mitropoulos als Goldene Zeit des Orchesters gelten.

Aber auch danach haben bedeutende Dirigenten mit dem Orchester zusammen gearbeitet, wie Igor Markevitch, Clemens Krauss, Lorin Maazel, Yuri Temirkanov, Michel Plasson, Vladimir Ashkenazy, Christoph Eschenbach, Vladimir Fedoseyev und namhafte Solisten wie Arthur Rubinstein, Wilhelm Kempff, Alfred Cortot, Fritz Kreisler, Jacques Thibaud, Pablo Casals, Mstislav Rostropovich, Alfred Brendel, Daniel Barenboim, Martha Argerich, Maxim Vengerov, Elisabeth Leonskaya and Leonidas Kavakos.

Das Orchester hat in den letzten Jahren einen beachtlichen Qualitätssprung gemacht, was sich in wiederholter Zusammenarbeit mit bedeutenden Solisten und Dirigenten sowie Einladungen zu renommierten internationalen Festivals, wie dem "Flandern Festival" und dem "Brescia-Bergamo Festival" widerspiegelt.

Das Orchester hat bisher besonders das spätromantische Repertoire gespielt. Es war deshalb ausdrücklich sein Wunsch, nun einmal Wagner zu geben. So kam es zur Entscheidung, den 2. Aufzug von „Tristan und Isolde“ zu spielen, und zwar mit weltbekannten Solisten.

Stefan Vinke sang den Tristan mit dem ihm eigenen heldischen Aplomb, großer Ernsthaftigkeit im Ausdruck und einer immer baritonaler werdenden Mittellage, aber bei weiterhin heldentenoral glänzenden Spitzentönen. Dem Sänger scheint bei dieser Rolle mehr der dramatische Ausdruck als eine auch mit Zwischentönen und signifikantem Legato Wirkung suchende Vokalität zu liegen. Nicht immer ist die wünschenswerte Wortdeutlichkeit gegeben.

Petra Lang, die in diesem Jahr auch die „Walküre“-Brünnhilde in Bayreuth interpretieren soll, war eine wie immer unglaublich ausdrucksstarke Isolde. Ihre Mimik von verärgerter Grimasse beim nicht abklingen wollenden Hörnerschall aus dem Off gleich zu Beginn und das Leuchten ihrer Augen im strahlenden Gesicht in Erwartung von Tristans Ankunft ist mittlerweile schon legendär. Lang versteht es, mit einer von ihr besonders kultivierten Gesangstechnik Klangfarbe auf jeden Ton zu legen, nie wird forciert, immer ausgesungen, und auch die Hohen Cs in der Begrüßungsszene gelingen bestens. Allerdings scheint das doch nicht unwesentlich zu Lasten der Diktion zu gehen, denn man versteht oft nur recht wenig.

Die Slowenin Barbara Kozelj sang eine wundervolle Brangäne mit ausgezeichneter Stimmgebung ihres klang- und charaktervollen Mezzos, ebenfalls beeindruckendem mimischem Ausdruck im Dialog mit Isolde um die gefährliche Rolle Melots. Von der Höhe des Orgelbalkons ließ sie herrlich mahnende und den ganzen weiten Konzertsaal ausfüllende Brangäne-Rufe ertönen. Leider klingelte ausgerechnet beim ersten „Habet Acht…!“ auch ein hartnäckiges Handy… James Moellenhoff kam als - schon länger dienender - Marke hinzu und blieb gleich auf Abstand, wie auch sein vokaler Vortrag sich in gewissem Abstand zu den Leistungen der drei anderen Protagonisten befand. Sein Bass ist prägnant, hat auch gute Resonanz, klingt aber bereits etwas fahl, und es mangelt an einer einer differenzierteren Phrasierung, die dann auch mehr Emotionalität in die Stimme gebracht hätte. Moellenhoff konnte man aber nun bestens verstehen - auch schon einiges wert!

Dass er gleich nach seinem Monolog wieder von der Bühne musste, war ein Fehlgriff, denn man hatte durchaus eine gewisse Dramaturgie in diese konzertante Darbietung gebracht. So war der Dialog zwischen Isolde und Brangäne von großer emotionaler Intensität geprägt. Auch die Begrüßung Tristans nach dem kompromisslosen Verlöschen der Fackel hatte viel Theatralisches. So wurde es am Ende fast schon eine semi-konzertante Aufführung, ohne Notenpulte ohnehin und natürlich in Konzertfrack und Abendrobe. Am sprichwörtlichen Rand sei der Melot von Christos Kechris erwähnt, der sich nach seinem kurzen Auftritt am Bühnenrand ebenfalls gleich wieder verzog, obwohl er doch Tristan noch eine letztlich tödliche Wunde zufügen muss… Den Kurwenal sang Kechris eh aus dem Off - alles etwas undankbar für den Sänger und im Hinblick auf die Dramaturgie bis dahin inkonsequent.

Stefanos Tsialis dirigierte den großen Apparat des Athens State Orchestra mit acht Celli, sechs Kontrabässen und vollem Streicher- und Bläserbesatz mit höchstem Engagement sowie gutem Blick für die einzelnen Gruppen, sodass sich ein sehr transparentes Klangbild ergab und sich auch die gute Akustik des Saales mit seinen vier großen Klangbrücken zeigte. Man merkte den Musikern an, dass sie mit enormer Begeisterung bei der Sache waren, war es doch ihr Wunsch, wieder einmal Wagner zu spielen. Offenbar wurde auch sehr gut geprobt. Tsialis wusste die Sänger bestens zu führen und die Horn-Gruppe im Off gleich zu Beginn effektvoll miteinzubeziehen. Dieser konzertante „Tristan“ weckte Hoffnung, das hier bald mehr Wagner zu hören sein wird. Das war auch dem Applaus des zahlreich erschienen Publikums zu entnehmen.         

Fotos: Klaus Billand                                                                                         

 

Klaus Billand/22.3.2020

www.klaus-billand.com

 

 

 

Megaro Mousikis

DIE ZAUBERFLOETE

Bejart Ballett Lausanne

Besuchte Vorstellung am 25. Dezember2019

Geometrie der Vernunft

Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberfloete“ steht nicht nur in der Weihnachtszeit ganz oben in der Hitliste der meistgespielten Musiktheaterwerke. Es ueberrascht kaum, dass das Athener Musikzentrum Megaro Mousikis zum Jahresende die populaere Oper erklingen laesst. Dies geschieht jedoch nicht durch eine Inszenierung des Originalwerks, sondern mittels eines Gastspiels des Bejart Ballet Lausanne. Der bedeutende, im Jahr 2007 verstorbene Choreograf Maurice Bejart schuf 1981 im Cirque Royal von Bruessel eine Ballettversion des Klassikers, welche die komplette Musik beinhaltet. Vor zweieinhalb Jahren kam es in Lausanne zur Wiederauffuehrung dieses Balletts, welches nun in der griechischen Hauptstadt gezeigt wird.

Maurice Bejart hat sich vor allem von der Symbolkraft der Mozartoper, welche stark auf den Freimaurerkult rekurriert, inspirieren lassen. Sarastros Welt der Vernunft drueckt sich in der Choreografie durch eine geometrische Formensprache aus, sie versetzt die Taenzerinnen und Taenzer in die Gerade, Vertikale oder in rechtwinklige Koerperbewegungen. Die Koenigin der Nacht nimmt dazu nur temporaer eine Gegenposition ein, worauf die bisweilen geometrischen Gebaerden ihrer Auftritte deutlich hinweisen. Am Schluss steht sie folgerichtig – und anders als bei Mozart – an der Seite Sarastros. Wenn es eine andere Weltsicht gibt bei Bejart, dann ist es diejenige von Papageno. Seine Auftritte zeigen heiter-geloeste Bewegungen, eine Verspieltheit, welche an die Welt der Kinder denken laesst. Bejart mag darin eine Vorstufe zum Ernst des Lebens erblicken, welchen das hohe Paar Tamino und Pamina verkoerpert. Auch wenn die Choreografie ein paar Laengen aufweist – was einerseits dem Bestreben, die gesamte Oper zu adaptieren, geschuldet ist und andererseits der hinzugefuegten Figur eines Conferenciers (der franzoesisch spricht) -, entfaltet sie doch grossen Charme. Einer der Saenger der Boehm-Aufnahme von 1964, welche der Ballettversion zugrundeliegt, stiehlt jedoch fuer Momente allen die Schau: Fritz Wunderlichs Mozartgesang ist von beispielloser und zeitloser Ausdruckskraft.

Buehnenraum und Kostueme zu Maurice Bejarts „Zauberfloete“ wurden von Alan Burrett entworfen (die aktuellen Kostueme stammen von Henri Davila). Der Designer setzt auf Unterscheidungen zwischen oben und unten, auf Geraden und pyramidale Elemente. Die raeumlich-architektonische Formensprache unterstuetzt wie das Lichtdesign von Dominique Roman die Intentionen des Choreografen aufs Beste. Das Programmblatt zur Athener Auffuehrungsserie nennt leider keine Abendbesetzungen, sondern fuehrt nur alle Mitglieder der Compagnie auf. So ist an dieser Stelle allen Taenzerinnen und Taenzern des Bejart Ballet Lausanne fuer ihre starken Leistungen zu danken. Besonders hervorzuheben sind die exzellenten Darbietungen, welche die Auftritte der Koenigin der Nacht und von Monostatos dem Publikum bescheren.

Am Schluss der dreistuendigen Auffuehrung gibt an anhaltenden Beifall und Jubel.

 

Bilder (c) bejart ballet lausanne

Ingo Starz, 7.1.2020

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online

 

 

 

Greek National Opera/Alternative Bühne:

MY FAIR LADY 

Besuchte Vorstellung am 29. Dezember 2019

Charming! Charming?

Zum Jahresende hat die leichte Muse ueberall Hochkonjunktur. Das ist in Griechenland nicht anders als in Oesterreich oder Deutschland. Neben dem Musical „Chicago“ und Franz Lehar’s unverwuestlicher „Lustiger Witwe“ – um nur zwei Beispiele zu nennen – bringt die Alternative Buehne der Griechischen Nationaloper Alan Jay Lerner’s and Frederick Loewe’s „My Fair Lady“auf die Buehne. Angekuendigt ist eine Inszenierung, welche die Handlung in ein Kabaret verlegt (Ausstattung: Loukia Houliara). Und mit dem Regisseur Giannos Perlegkas uebernimmt einer die Verantwortung, der fuer ungewoehnliche und zugespitzte Sichtweisen bekannt ist. Als Zuschauer geht man darum mit einigen Erwartungen in die Auffuehrung. Tut sich da vielleicht eine alternative Sicht auf das bekannte Musical auf?

Giannos Perlegkas findet tatsaechlich ein Werk vor, dass nicht nur mit grossartiger Musik aufwarten kann, sondern auch ein starkes Libretto aufweist. Das Textbuch basiert auf George Bernard Shaw’s Stueck „Pygmalion“, welches wiederum auf einen antiken Mythos rekurriert. Die Geschichte von Prof. Higgins, der Eliza Doolittle aus der Gosse holt und mittels Sprachtraining zur Dame macht, weist per se interessante, vielschichtige Hauptcharaktere auf. Und das Ende des Musicals kratzt auch, wenngleich behutsam, am patriarchischen Habitus von Henry Higgins und zeigt andererseits eine aufmuepfige Eliza, die weiteres emanzipatorisches Streben zumindest erahnen laesst. Dies ist die Ausgangslage fuer den Regisseur. Warum Perlegkas das Geschehen in die Welt des Kabarets verlegt, wird nicht wirklich ersichtlich. Sicherlich bietet dieses spezifische Ambiente eine gute Moeglichkeit, Rollenbilder zu demaskieren und Identitaeten zu fragmentieren.

Im zweiten Teil des Abends fuehrt uns der Regisseur auf durchaus interessante Weise eine Dekonstruktion der Charaktere vor. Die maennlichen Protagonisten zeigen etwa ihre weiblichen Seiten mittels Strapsen oder Korsett, Higgins findet einen Wiedergaenger in einer Puppe, welche er selbstredend mehr liebt als alle anderen, und Eliza findet sich ploetzlich vervielfacht auf der Buehne. Dieses Vorgehen gibt interessante Einblicke in das Innenleben der Figuren, bremst aber mehr als einmal den Handlungsverlauf zu sehr ab. Letzteres ist bereits im ersten Teil ein Problem, wo sich weder der Charme der Musik noch lebhaftes Treiben auf der Szene in hinreichendem Masse einstellen wollen. Das Kabaret kommt selten so statisch und zaeh daher wie in dieser Inszenierung. Man koennte auch sagen, dass es Perlegkas verpasst, die Moeglichkeiten des Settings auszuschoepfen. Dass er selber als Higgins auf der Buehne steht, erweist sich ebenfalls nicht als Vorteil. Sein Spiel ist zu eindimensional und seine Singstimme zu bescheiden, als dass er die zentrale Position der Rolle wirklich ausfuellen koennte.

Die Inszenierung bleibt bis zur Pause zu unbestimmt und spannungsarm, so dass man die letzten Worte vor der Unterbrechung – „Charming, charming, charming.“ – , von der karikaturhaft gezeichneten Koenigin von Transylvanien ausgesprochen, amuesiert zur Kenntnis nimmt. Nein, Charme hat das Ganze im ersten Teil nun wirklich nicht. Und auch nach der Pause findet sich solcher nur in kleinen Dosen vor.

Bilanzierend kann man sagen, dass die Inszenierung interessante Momente aufweist, aber an teils erheblicher Bewegungs- und Spannungsarmut krankt. Eine wirkliche Alternative bietet diese Einrichtung nicht.

Stathis Soulis ist der Dirigent des Abends, der zusammen mit Victoria-Fjoralba Kiazimi fuer die Klavierbegleitung verantwortlich ist. Die Auffuehrung hat eine musikalische Fassung fuer zwei Pianos gewaehlt, die fuer das Kabaret-Setting gut passt, der Musik aber auch einiges an Farben und Schwung nimmt. Mehr als Perlegkas als Higgins ist es Vassia Zacharopoulou als Eliza, die den Zuschauer interessiert. Sie weiss der Musik auch das noetige Leben einzuhauchen. Gute Leistungen zeichnen das gesamte Ensemble aus, stellvertretend seien genannt: Michalis Titopoulos als Pickering, Vasilis Dimakopoulos als Alfred Doolittle, Ioanna Forti als Mrs. Pearce, Elli Dadira als Mrs. Higgins und Nicolas Maraziotis als Freddy. Eine spielfreudigere Personenfuehrung haette die Beteiligten fraglos zu noch eindruecklicheren Leistungen gefuehrt. Giannos Perlegkas hatte wohl zu viel Goethes Faust im Kopf – als welcher er zu Beginn des zweiten Teils auf der Buehne erscheint(!) – und zu wenig die musikalische-szenische Sprache des Musicals.

Das Publikum spendet nach dreieinhalb (allzu lang gewordenen) Stunden sehr freundlichen Beifall.

 

Bilder (c) V.Isaeva

Ingo Starz, 1.1.2019

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online

 

 

Greek National Opera

DON CARLO

Besuchte Vorstellung am 21. Dezember 2019

Spanien als Gefaengnis

Die Griechische Nationalopera kann es sich dank der grosszuegigen Unterstuetzung durch die Stavros Niarchos Foundation leisten, vermehrt renommierte Gesangssolisten nach Athen einzuladen. Fuer die diesjaehrige Weihnachtszeit hat man eine Produktion der Verdi-Oper „Don Carlo“ eingekauft, die seit 2008 bereits in London, New York und Oslo zu sehen war. Mit namhaften Saengerinnen und Saengern bestueckt, bietet die dargebotene fuenfaktige Modena-Fassung des Werks ein opulentes Hoer- und Sehvergnuegen. Die acht angesetzten Auffuehrungen waren denn auch binnen kurzer Zeit restlos ausverkauft.

Der Regisseur Nicholas Hytner erzaehlt die Geschichte vom freiheitsliebenden Infanten schnoerkellos und ohne aktualisierende Zutaten. Die Personenfuehrung koennte dabei allerdings ausgefeilter sein. Allzu oft verharren die Protagonisten auf der Buehne in tableauartigen Anordnungen, welche die szenisch-personellen Zusammenhaenge eher oberflaechlich erklaeren. Der Ausstatter Bob Crowley hat sich fuer minimalistisch-abstrakt anmutende Buehnenraeume entschieden, welche den spanischen Hof als eine Art Gefaengnis darstellen. Seine Kostueme folgen historischen Mustern. Die Titelfigur wird von der Inszenierung besonders herausgestellt, da sie etwa bei szenischen Umbauten laenger vor einer heruntergelassenen Buehnenwand an der Rampe verharrt. Dies macht durchaus Sinn, gewinnt so doch das Verloren- und Gefangensein von Don Carlos mehr an bildlichem Ausdruck. Ansonsten herrscht auf der Buehne aber recht konventionelle Darstellungskunst vor.

Das Orchester erzielt unter der Leitung von Philippe Auguin eine gute Leistung, insbesondere die Blaeser fallen mehrfach positiv auf. Eine wirkliche Interpretation, welche diesen Namen recht eigentlich verdienen und dem mehr als vierstuendigen Abend durchgehende Spannung verleihen wuerde, gelingt dem Dirigenten freilich nicht. Er scheint mehr damit beschaeftigt zu sein, Graben und Buehne zusammenzuhalten. Das gelingt auch ganz gut, wenngleich manche Tempi etwas willkuerlich und spannungsarm daherkommen. Der Mangel an Gestaltung laesst leider gerade die Ensembleszenen oefters fad erscheinen. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor und Extrachor bietet meistens einen soliden Klang.

Das internationale Saengerensemble wird den Erwartungen groesstenteils gerecht. Marcelo Puente zeichnet mit dunkel gefaerbtem, virilem Tenor ein glaubhaftes Portraet des Titelhelden. Seine gestalterischen Faehigkeiten ueberzeugen. Tassis Christoyannis als Rodrigo steht Puente nicht nach und weiss mit nuanciertem Gesang fuer sich einzunehmen. Mit grosser Klangfuelle begeistert Alexander Vinogradov als Philipp. Seine Arie im 4. Akt ist einer der Hoehepunkte des Abends. Die Elisabeth von Valois liegt Barbara Frittoli nicht so recht in der Stimme (vielleicht kommt die Partie auch zu spaet?). Ihre sichere Stimmfuehrung ist positiv hervorzuheben, in einigen dramatischen Passagen fehlt es ihrer Stimme jedoch an Tiefe und Darstellungskraft. Es gelingt Frittoli denn auch nicht, die Spannung in ihrer grossen Arie im 4. Akt zu halten. Ekaterina Gubanova hat die noetige Dramatik und Hoehe fuer die Rolle der Eboli und bietet ein sehr schoenes Rollenportraet. Fuer intensive Momente sorgt schliesslich Rafal Siwek als Grossinquisitor. Da sich auch die Saenger der kleineren Rollen hoeren lassen koennen, ist der Abend in stimmlicher Hinsicht ein bemerkenswerter Erfolg fuer die Griechische Nationaloper.

Viel Beifall und Jubel fuer die Beteiligten.

 

Bilder (c) A. Simopoulos

Ingo Starz, 26.12.2019

Besonderen Dank an unsere Freunde vom Merker-online (Wien)

 

 

 

Athens & Epidauros Festival

ELEKTRA / OREST von Euripides

Im Morast der Schuld

29.07.2019
 

Es ist schon ein besonderes Ereignis fuer das Athens & Epidauros Festival, wenn der aelteste, nach wie vor aktive Theaterbetrieb der Welt, die Pariser Comedie-Francaise im antiken Theater von Epidauros Station macht. In einer Koproduktion mit dem Festival zeigt das franzoesische Theater die Dramen „Elektra“ und „Orest“ von Euripides. Der belgische Regisseur Ivo van Hove hat auch in Griechenland einen guten Namen und sorgt dafuer, dass theaterbegeisterte Athener in Scharen per Bus und Auto nach Epidauros aufbrechen. Man war im Vorfeld sehr gespannt, welchen Blick van Hove auf die blutige Familiengeschichte der Atriden werfen wird und wie er die Herausforderung des einzigartigen Buehnenorts zu bewaeltigen vermag.

Buehnenbild und Licht von Jan Versweyveld setzen auf eine einfache, klare Formensprache. Da gibt einen Schauplatz, der ein kubisches Haus in morastiger Landschaft zeigt, und einen als Steg angelegten Weg, der dorthin fuehrt. Man darf den Schlamm im Buehnenrund wohl in doppelter Weise lesen: als Hinweis auf das primitive Leben, welches die verstossene Elektra zu fuehren hat, aber auch und vor allem im zweiten Teil des Abends als Symbol fuer den Morast der Schuld, welcher das Herrschergeschlecht von Argos umgibt und in den Abgrund reisst. Ivo van Hove haelt sich in seiner Inszenierung der beiden Dramen, welche das Ensemble in zeitlos-moderne Kostueme (An D’Huys) huellt, nicht lange mit den Chorszenen auf, welche stark gekuerzt daherkommen und mehr als choreographische Einlagen dienen. Fuer diesen taenzerischen Part zeichnet sich immerhin kein geringerer als Wim Vandekeybus verantwortlich.  Der Regisseur setzt den Fokus auf die individuellen Aspekte und Schicksale, er laesst das verkuerzt zur Auffuehrung gebrachte Geschehen um die wesentlichen Fragen von Schuld, Suehne und Recht kreisen. Bedauerlicherweise gewinnt die Personenfuehrung erst im zweiten Teil des rund zweistuendigen Abends an Praezision und Klarheit. So wirken die Darstellerinnen und Darsteller bisweilen etwas verloren im weiten Raum des antiken Theaters und die Beziehungen zwischen den Figuren werden nur partiell sichtbar. Der von Eric Sleichimgestaltete Soundsacpe der Auffuehrung, welcher von Live-Perkussion und elektronischer Musik gepraegt ist, vermag einige starke Akzente zu setzen, verbindet sich aber wie der taenzerische Part nicht recht mit Ivo van Hoves Blick auf die Figurenschicksale.

Das Ensemble auf der Buehne zeigt eindrucksvolle Leistungen, insbesondere Suliane Brahim als Elektra, Christophe Montenez als Orest und Elsa Lepoivre als Klytaimnestra und Helena. Didier Sandre als Tyndareos bringt seinen Monolog mit beeindruckender, der klassischen franzoesischen Buehnensprache folgender Diktion ueber die Rampe. Daneben sind Denis Podalydes als Menelaos, Loic Corbery als Pylades,  Rebecca Marder als Hermione und Gael Kamilindi als Apoll positiv hervorzuheben. Der Chor wird den sprachlichen und taenzerischen Herausforderungen gleichermassen gerecht. Die Musiker Adelaide Ferriere, Emmanuel Jacquet, Othman Louati und Rodolphe Thery bieten erstklassige Leistungen. Ivo van Hoves Inszenierung der beiden Euripides-Dramen weist eine gute Narration auf, sorgt mit Schlamm und Blut fuer starke Effekte und – dies muss angesichts der eher traditionellen Praegung der meisten Epidauros-Produktionen betont werden – ein ‚zeitgenoessisches‘ Outfit, bleibt aber ueber weite Strecken zu wohlgefaellig. Man haetten sich mehr Zumutungen (Ideen!) gewuenscht und weniger Mainstream. Gleichwohl ist es ein interessanter Abend, der einige Anregungen bereithaelt.

Das Publikum spendet am Schluss kraeftigen Applaus, ein Teil der Zuschauer reagiert mit Begeisterung.

 

Ingo Starz 7.8.2019

Danke an unseren Kooperatinspartner MERKER-online

Photo (c) Evi Fylaktou

 

LA BOHÈME

Greek National Opera

Besuchte Vorstellung am 24. Dezember 2017

Puccini im Hier und Jetzt

 

Die Griechische Nationaloper hat pünktlich zur Weihnachtszeit eine Wiederaufnahme von Giacomo Puccinis „La Bohème“ auf die Bühne gebracht. Die Produktion feierte ihre Premiere 2007 unter der künstlerischen Ägide von Stefanos Lazaridis. Der nur kurz als Operndirektor amtierende Lazaridis trat für eine Erneuerung ein, will heissen für eine zeitgenössische Bühnensprache. So vergab er die Neuinszenierung des Werk an den bekannten britischen Regisseur Graham Vick. Der machte es sich zur Aufgabe, Puccinis Oper in der Gegenwart anzusiedeln. Die laufende Aufführungsserie ist Stefanos Lazaridis gewidmet und kann als eine Art Selbstverpflichtung der Athener Oper verstanden werden, künftig in stärkerem Maße Musiktheater für ein Publikum von heute zu machen.

Nun ist es mit ‚Modernisierungen‘ so eine Sache. Ein Bühnenbild, das an das Athener Künstlerviertel Exarchia erinnert, und zeitgenössische Mode – für beides zeichnet sich Richard Hudsonverantwortlich – schaffen noch keine gültige Form der Gegenwart. Dafür bedarf es ganz entschieden einer akuraten und passenden Personenführung. Und es bedarf glaubhafter Akteure auf der Bühne. Die B-Besetzung, welche an diesem Abend antritt, verfügt über die Jugendlichkeit und Spielfreude, mit der eine Bohème unserer Tage darstellbar wäre. Beim Konjunktiv muss es leider bleiben, da Vicks Personenführung wenig originell ausfällt, immer wieder in Operkonvention zurückfällt und nur ab und zu von der Spiellust der Sänger quasi ausgehebelt wird. So gibt es ein paar schöne Momente im 1. und 4. Akt, die uns Einblicke in eine Männer-WG gewähren. Ansonsten ist das, was vor unseren Augen geschieht, nicht viel anders als in landläufigen Inszenierungen der Oper.

Das Orchester spielt an diesem Abend erstmals unter der Leitung von Vladimiros Symeonidis. Seine Leistung ist weitgehend gut, da und dort gibt es (noch) Koordinierungsprobleme zwischen Graben und Bühne. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor und der von Konstantina Pitsiakou betreute Kinderchor erbringen solide Leistungen. Das interessante Moment an diesem Abend sind fraglos die überwiegend jungen Sängerinnen und Sänger, überwiegend griechischer Herkunft. Stimmlich hinterlässt Angelos Samartzis als Rodolfo den besten Eindruck. Mit rundem, strahlendem Ton und sicherer Höhe überzeugt seine Stimme. Ein paar belegt klingende Töne mögen dem Wetter geschuldet sein und fallen nicht ins Gewicht. Anna Stylianaki als Mimi lässt ein prägnantes Timbre vermissen und braucht etwas Zeit, um in Form zu kommen. Im 3. und 4. Akt weiss sie dann mit fokusiertem Ton und innigem Gesang aufzuwarten.

Dem Marcello von Georgios Iatroumag es etwas an Klangfülle fehlen, sein schöner, farbenreicher Bariton setzt sich gleichwohl gut in Szene. Nikos Kotenidis als Schaunard und Gleb Peryazev als Colline überzeugen mit sicher geführten, klangvollen Stimmen. Die Musetta von Maria Palaska ist gut bei Stimme, man würde sich nur etwas mehr Klangfülle wünschen. Das junge Ensemble, das auch in den übrigen, kleineren Rollen gefällt, gibt dem Abend einen ansprechenden Drive, der, wie bereits erwähnt, einige Lücken in Graham Vicks Inszenierung zu schliessen vermag. Das Publikum spendet kräftigen Applaus, mit Bravo-Rufen für Angelos Samartzis.

Foto (c) Greek National Opera

Ingo Starz 28.12.2017

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

SCHULDENDÄMMERUNG

Besuchte Vorstellung im Oktober 2017

Philhellenen und Barbaren

Πρόβα Το Λυκόφως των Χρεών_1223_φωτό Α. Σιμόπουλος
Richard Wagners epochaler Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ hat seit den 1970er Jahren zahlreiche Neudeutungen erfahren, die das ideologische Konzepts des Werks mit der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert in Verbindung setzten. Angesichts der nicht unerheblichen Bedeutung, die das antike Theater als Vorbild für den Komponisten hatte, war es begreiflich, dass der vormalige künstlerische Direktor der Griechischen Nationaloper, Myron Michailidis, vor wenigen Jahren eine erste Ring-Produktion seines Hauses ankündigte. Darauf wird man nach der vollzogenen Eröffnung des neuen Hauses wohl noch länger warten müssen, da solch ein Unterfangen doch erhebliche Schwierigkeiten und grossen Finanzbedarf mit sich bringt. Immerhin bietet nun die Alternative Bühne der Nationaloper einen ersten Vorgeschmack: Sie bringt unter dem Titel „Schuldendämmerung“ eine durchaus provokante Version der „Götterdämmerung“ auf die Bühne.

Es sei gleich vorweg gesagt, dass das Ergebnis zu einiger Ratlosigkeit im Publikum führte. Das von Alexandros Efklidis, dem Leiter der Alternativen Bühne, ersonnene Konzept und das Libretto von Dimitris Dimopoulos spiegeln in Wagners Geschichte die griechisch-deutschen Beziehungen der beiden letzten Jahrhunderte. Da geht es, wie man schon aus dem Titel folgern kann, um die anhaltende Finanz- und Schuldenkrise in Griechenland, aber auch um Philhellenentum deutscher Prägung und das dunkle Kapitel der deutschen Besatzungszeit und des Holocausts. Die Nornen sind zu Wiedergängerinnen von Melina Mercouri mutiert, Siegfried ist nun Grieche und heisst Sotiris, Gunther und Gutrune treten als Personifikationen von Modernisierung und Logik in Erscheinung und Hagen heisst hier Merten. Geht man dem Namen „Merten“ nach, stösst man auf einen Nazi-Beamten, der im besetzten Thessaloniki mitverantwortlich war für die Deportation der jüdischen Bevölkerung. Einzig Brünhilde behält in diesem historischen Panoptikum ihren Namen.

Das Ganze ist leider so verwirrend wie es klingt. Man tut sich als Zuschauer schwer, die verschiedenen Zeitebenen zusammenzubringen. Dass das Bühnenbild von Konstantinos Zamanis eine hübsche Version der von Ludwig I. bei Donaustauf errrichteten Walhalla zeigt, macht die Interpretation nicht einfacher. Klar ist nur, dass das Bauwerk von Leo von Klenze eine Referenz an den Athener Parthenon darstellt, welche denn auch als Modell über dem Geschehen baumelt. Aber warum muss die Handlung in einer Ruhmeshalle, einem Memorialort angesiedelt sein? Soll es ein Hinweis darauf sein, dass überstarke Erinnerung und Vergangenheitssehnsucht das Handeln in der Gegenwart behindern? Gut in das memoriale Setting passt, dass während des Trauermarsches eine Liste griechischer „Helden“ rezitiert wird, die vom antiken Philosophen bis zum modernen Militärdiktator alle kulturellen Facetten enthält. Diese „Schuldendämmerung“ kratzt somit erheblich am Lack beider Kulturnationen, vermag aber leider keine zwingende Synthese aufzuzeigen. Was man zu hören bekommt, ist weitestgehend Wagners (gekürzte) Musik, die nur um wenige griechische Leitmotive – etwa von der Nationalhymne entnommen – angereichert ist. Die von Kharálampos Goyós arrangierte Musik hält denn immerhin – und das ist kein geringes Verdienst – den vor Referenzen überbordenden Abend zusammen.

Die Inszenierung von Alexandros Efklidis bewegt sich zu sehr in einem konventionellen Rahmen als dass es ihr gelänge, die brisante Geschichte in starke Bilder zu fassen. Mag sein, dass der Walhalla-Bühnenraum bei alledem zu dominant in Erscheinung tritt. Das klein besetzte, von Goyós geleitete Orchester macht seine Sache sehr gut und vermag einen Eindruck von der Komplexität der Wagnerschen Musik zu vermitteln. Mit kraftvollen, bisweilen etwas zu laut hervortretenden Stimmen weiss das Sängerensemble zu überzeugen: Julia Souglakou als Brünhilde, Dimitris Paksoglou als Sotiris, Tasos Apostolou als Merten – ihm fehlte leider stimmlich und darstellerisch die dunkle Seite -, sowie in Mehrfachbesetzungen: Yannis Yannisis, Myrto Bokolini, Irini Karaianni und Margarita Syngeniotou. Chorisch als Zuspielung waren schliesslich die Stimmen von Vasilis Dimakopoulos, Yannis Kalyvas, Michalis Katsoulis und Yannis Filias zu hören.

Am Ende des rund dreistündigen Abends war das Publikum einigermassen ratlos, spendete aber sehr freundlichen Applaus.

Bilder (c) Greek National Opera

Ingo Starz 27.10.2017

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

 

 

GISELLE

Besuchte Vorstellung am 24. Dezember 2016

Zwischen romantischer Sehnsucht und Liebestod

Als vorweihnachtliche Premiere hat die Griechische Nationaloper den Ballettklassiker „Giselle“ herausgebracht. Allein die hochromantische Musik von Adolphe Adam lohnt die (Wieder-) Begegnung mit diesem Werk. Diese ist in der aktuellen Athener Produktion ergänzt um Musikstücke von Friedrich Burgmüller und Boris Assafyev, der das Finale komponierte. Die Choreografie von Irek Mukhamedov basiert auf derjenigen von Marius Petipa. Der in Moskau ausgebildete Tänzer und Choreograf, der ehemals im Bolshoi-Ballett tanzte, gibt dem Stück eine sehr klassische Ordnung, die nicht frei von erstarrten Posen anmutet. So bekommen zwar die Solisten dankbare Nummern, viel Eigenleben oder besser Eigensinn weisen die Figuren auf der Bühne aber nicht auf. Was das Publikum zu sehen bekommt, sind die gewohnten romantischen Rollentypisierungen – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die stimmungsvollen Bühnenbilder und die prächtigen Kostüme, welche einen durchaus sehr gelungenen Rahmen abgeben und eine gute Kenntnis der romantischen Malerei verraten, schufen Charles Cusick Smith und Phil P. Daniels. Deren Detailreichtum weiss durchaus zu beeindrucken. Für das ausgezeichnete Lichtdesign war Eleftheria Deco verantwortlich. Der ganze Abend ist, das darf man sagen, ein Augen- und Ohrenschmaus. Man hätte sich nur eine etwas weniger museale Aufbereitung gewünscht.

Am Pult des Orchesters der Nationaloper stand Elias Voudouris, der Adams Musik in sicherem Kontakt mit der Bühne dirigierte. Die Musiker präsentierten sich in sehr guter Form, wobei besonders die Holzbläser positiv hervorzuheben sind. Mit Eleana Andreoudi stand eine jüngere Solistin als Giselle auf der Bühne, die den Anforderungen der Partie gerecht wurde und im Wilis-Akt sehr schöne Soli zeigte. Als Albrecht konnte Igor Siatzko nicht nur durch seine beachtliche Sprungkraft überzeugen. Er gewann der Rolle auch romantische Gebrochenheit ab. Seine Leistung im zweiten Akt war erstklassig. Ariadni Filippaki und Giorgos Varvariotis als Myrtha, Königin der Wilis, und als Hilarion boten sehr solide Leistungen. Das Corps de ballet schwankte ein wenig in der Qualität seines Auftretens. So geriet die Festszene des ersten Akts besser als die Szenen der Wilis. Die Damen des Corps ließen bisweilen in Feinabstimmung und Präzision ein paar Wünsche offen. Allerdings scheint es mir, dass die Compagnie über ein gutes Entwicklungspotential verfügt, so dass man auf kommende Produktionen gespannt sein darf. Das Publikum war von den Darbietungen sehr angetan.

Bild (c) Greek National Opera /Stefano

Ingo Starz 29.1.2.2016

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

 

 

 

 

Premiere am 13. Februar

besuchte Vorstellung am 17.2.2016

Traum, Trash und Wirklichkeit

Gioachino Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ wurde am 20. Februar 1816 uraufgeführt und gehört somit seit zwei Jahrhunderten zum Bestand des Opernrepertoires. Die Griechische Nationaloper bringt nun rechtzeitig zum Jubiĺäum als Koproduktion mit dem Teatro Comunale di Bologna eine Neuinszenierung des beliebten Werks heraus. Die besuchte dritte Aufführung ging in Premierenbesetzung über die Bühne. Das Olympia Theater war voll und das Publikum ob der umfänglichen Bewerbung in den Medien – insbesondere im Fernsehen – spürbar gespannt. Leider wurden die Erwartungen an die szenische Realisation nicht erfüllt.

Der Regisseur Francesco Micheli versucht, in einer Mischung aus Märchen resp. Märchendeutung und Vergegenwärtigung dem Inhalt habhaft zu werden. So lässt er den ersten Akt in einer trashigen Märchenwelt spielen, während die Handlung nach der Pause im bürgerlichen Mief der 70er Jahre angesiedelt zu sein scheint. Die Kostüme von Gianluca Falaschi treten dabei markant in Erscheinung, das Bühnenbild von Nicolas Bovey hingegen fällt, gelinde gesagt, gar bescheiden aus. Im ersten Akt bestimmen vor allem farbige Lichteffekte einer Neonröhreninstallation die Szene. Rosinas Heim schwebt erst nur als Modell über Almavivas Haupt, um später in angewachsener Grösse die Protagonistin wie in einer Puppenstube zu bergen.

Zu einem sinnhaften und optischen Ganzen fügt sich dies nicht: Vielleicht sind es Traumbilder, vielleicht auch nicht. Lässt schon das Design keine Stimmung aufkommen, so schafft es die uninspirierte Personenführung noch weniger. Im Szenischen finden Drive und Komik der Musik kaum Widerhall und der Zusammenhang zwischen Märchen/Traum(?) und Gegenwart wird nicht plausibel vor Augen geführt. Die Inszenierung schlingert zwischen den Welten hin und her. Dadurch ist der Abend über weite Strecken ziemlich langweilig.

Das Dirigat von Miltos Logiadis ist leider auch nicht dazu angetan, einen in komödiantische Laune zu versetzen. Die Tempi sind oft zu langsam gewählt und im Rhythmischen mangelt es an Drive und Feinheiten. Das Klangbild bleibt holzschnittartig und der Abend zieht sich so auch in musikalischer Hinsicht in die Länge. Das Orchester der Nationaloper spielt solide auf, nicht mehr und nicht weniger. Von der Besetzung sind vor allem Tassos Apostolou als Don Basilio – mit klangschönem, tadellos geführtem Bass – und der spielfreudige, mit sonorem Bariton ausgestattete Dionyssis Sourbis als Figaro hervorzuheben. Dimitris Kassioumis als Don Bartolo singt gut, aber etwas monoton.

Bei den beiden verbleibenden Hauptrollen wechseln Licht und Schatten, was sich gerade in den Auftrittsarien bemerkbar macht: Antonis Koroneos als Conte Almaviva singt zwar stilvoll, hat aber mit manchem Spitzenton und schnellen Läufen Mühe. Vassiliki Karagianni als Rosina kann dagegen mit hohen Tönen und Koloraturen punkten, während Stimmfarbe und Mittellage weniger überzeugen. Die Nebenrollen sind mit Zafiris Koutelieris als Fiorello, Alexandra Mattheoudaki als Berta, Christos Lazos als Offizier und Philippos Dellatolas als Notar gut besetzt. In der Summe ergibt das eine musikalisch durchschnittliche Aufführung in einer beliebig anmutenden szenischen Einrichtung. Zum Jubiläum der Oper würde man sich eine stärkere Leistung wünschen.

Ingo Starz 19.1.16

Besonderer Dank an MERKER-online (Wien)

Bilder (c) Greek National Opera

 

 

 

MADAMA BUTTERFLY

Wiederaufnahme am 17. Januar 2016

Puccini als Erzähler

ΠΡΕΜΙΕΡΑ ΜΠΑΤΤΕΡΦΛΑΪ - ΚΟΣΤΕΑ - ΝΤΙ ΒΙΕΤΡΙ - ΚΑΣΙΟΥΜΗΣ - ΧΟΡΩΔΙΑ ΕΛΣ (c) Stefanos-00248

Nach „La Bohème“ im Dezember präsentiert die Griechische Nationaloper nun im Januar Puccinis „Madama Butterfly“ in einer Inszenierung aus dem Jahr 2005. Die Produktion wurde zunächst im Stammhaus, dem Olympia Theater, gespielt und geht aktuell über die Bühne der erheblich grösseren Alexandra Trianta Hall des Megaro Mousikis. Der Ortswechsel stellt für die ohne grosse Umbauten auskommende Inszenierung von Nikos S. Petropoulos kein Problem dar. Der Regisseur, der auch für Bühnenbild, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, erzählt die Handlung konventionell (also dem Libretto folgend) und arbeitet mit geschmackvollen Arrangements. Er erweist sich als guter Handwerker, der Szenenabläufe und -wechsel gut zu lösen weiss – etwa wenn sich am Ende des 1. Akts die Liebenden umschliessend ein Haus vom Bühnenhimmel herabsenkt, welches zuvor als kleines Modell zu sehen ist. Auch der Szenenwechsel im 2. Akt ist dank eines Schattenspiels sehr ansprechend und stimmungsvoll umgesetzt. Gleichwohl gibt es einige Momente, wo der Szene mehr Bewegung – und ein interpretatorischer Gedanke! – gut tun würde.

 Im Orchestergraben passiert da schon mehr. Der Dirigent Luis Fernando Malheiro animiert die Musiker nicht nur zu einem präzisen und klangschönen Spiel, er entwickelt auch einen bemerkenswerten erzählerischen Fluss, der die Qualitäten der farbenreichen Musik, deren Motivik und Exotismen sehr gut zur Geltung bringt. Das lässt einen immer wieder aufhorchen. Lediglich die etwas breiten Tempi mag man gelegentlich bemängeln. Sie lassen den 2. Akt doch ein wenig lang erscheinen. Das Orchester bietet eine Leistung auf hohem Niveau. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor singt tadellos.

 Auf der Bühne steht ein erstklassiges Ensemble. Cellia Costea liegt die Cio-Cio-San bestens in der Stimme. Vermisst man im 1. Akt ein wenig Frische und Anmut im Klang, so wird man nach der Pause durch Gestaltungsvermögen und dramatische Kraft der Sängerin entschädigt. Ihre Leistung im zweiten Akt ist so stilsicher wie beeindruckend. Der Tenor Dario di Vietri gibt mit bemerkenswerter Stimme, die über viel Schmelz verfügt, einen in jeder Hinsicht überzeugenden Pinkerton. Dabei gelingen ihm immer wieder schöne Zwischentöne. Dionyssis Sourbis als Sharpless zeigt sich seiner Aufgabe gut gewachsen, wenngleich man sich einen farbenreicheren Vortrag vorstellen könnte. Die Suzuki von Ines Zikou setzt einen starken Akzent; ihr Gesang harmoniert sehr gut mit demjenigen der Butterfly. Die kleineren Partien sind durchwegs ansprechend besetzt und tragen zum positiven Gesamteindruck bei. Musikalische Realisation wie Inszenierung stiessen auf grosse Zustimmung beim Publikum.

Foto (c) Stefano

Ingo Starz 21.1.16

Besonderer Dank an unseren kooperationspartner MERKER-online (Wien)


 

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