DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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OPER KÖLN Wiederaufnahmen im Staatenhaus

 

Jeanne d’Arc

Premiere: 14.2.2016       

Besuchte WA-Aufführung: 27.4.2019

Bedeutsame Erweiterung des Braunfels-Repertoires

Es ehrt die Oper Köln, daß sie in ihr Wiederaufnahme-Programm auch „Jeanne d’Arc“ von Walter Braunfels aufgenommen hat, zweieinhalb Jahre nach der Premiere. Etliche Sänger waren schon 2016 dabei, bei einigen neuen sind Rollendebüts zu erleben wie im Falle von dem erstmals in Köln auftretenden Paul McNamara, welcher als Heiliger Michael mit gleißendem Gesang auftrumpft. Im Tenorfach zu Hause ist auch Lothar Odinius, der sich hierorts vor Jahren mit Tamino und Tito vorstellte (im Mozart-Fach ist der Sänger weiterhin zu Hause). Seine voluminöser gewordene Stimme läßt inzwischen auch den „Rheingold“-Froh zu, und eine noch weiter gehende Facherweiterung dürfte sicher in Bälde zu erwarten stehen. Das enorm raumfüllende Organ von Odinius hat schon jetzt etwas Überwältigendes; zudem überzeugt der Tenor als imaginativer Darsteller des Karl von Valois, König von Frankreich, hier an sich zweifelnd, dort mit großem imperialem Gestus.

Juliane Banse hatte als Johanna die Premiere 2016 gerettet, indem sie kurzfristig für eine durch Unfall verhinderte Kollegin einsprang. Sie sang allerdings nur, während Regisseurin Tatjana Gürbaca das Bühnenspiel übernahm. Jetzt ist die Sopranistin mit ihrer Partie auch szenisch präsent, welche sie bereits bei der Stockholmer Konzert-Uraufführung verkörperte (der CD-Mitschnitt ist nur noch auf Umwegen greifbar) und 2013 in Salzburg auf der Bühne wiederholte. Man darf die Künstlerin als Inkarnation der Johanna bezeichnen: jugendlich schlanke Erscheinung, blühende Stimme, enorme szenische Präsenz.

Am Pult des Gürzenich-Orchesters läßt der mit dem Klangkörper vertraute, gestisch äußerst präzise Stefan Soltesz die Musik von Braunfels, welcher sich in den letzten Jahren neu im (auch konzertanten) Repertoire zu etablieren beginnt, wunderbar aufblühen. Die Klangsprache des Komponisten wirkt trotz harmonischer Orientierung in keiner Weise „gestrig“, bietet über weite Strecken auch dissonante Querständigkeiten, doch stets mit dem Ziel eines expressiven Ausdrucks, der das Ohr des Hörers auch unmittelbar erreicht.

Die Oper ist mit „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“ untertitelt, legt es also nicht – wie etwa die stoffgleichen Bühnenwerke Verdis oder Tschaikowskys – auf eine stimmige Erzählung historischer Ereignisse an. Episoden werden eher blockhaft aneinander gereiht, was einem interpretatorischen Nachfantasieren allerdings viele Chancen bietet. Tatjana Gürbaca beläßt es prinzipiell beim Oratorischen, der groß besetzte Chor schwingt mitunter nur seine Körper langsam hin und her. Den Solisten erlaubt die Regisseurin freilich ein expansives und expressives Spiel, wobei ihr die erweiterten Raummöglichkeiten im Staatenhaus fraglos zugute kommen. Daß das von einem Bühnensteg geteilte Orchester nicht in einem Graben sitzt, sondern sichtbar bleibt, möchte man bei dieser großtheatralischen Produktion gleichfalls nicht als Nachteil werten. Es entsteht auf diese Weise sogar der besondere Eindruck eines „teatrum mundi“. Die Kostüme von Silke Willrett halten eine attraktive Balance zwischen historisch und modern, Stefan Heynes Bühne zeigt eine zerstörte, von allerlei Gerümpel übersäte Zivilisationslandschaft, die Erinnerungen an Kriegszeiten beschwört.

Bei den Sängern gibt es neben den bereits genannten weitere starke Rollenpersönlichkeiten zu erleben. In der Reihenfolge des Besetzungszettels ... Der baßmarkante Matthias Hoffmann als Erzbischof von Reims und Florent d’Illiers, Lucas Singer ebenfalls mit zwei Partien (Johannas Vater, sehr sympathisch porträtiert, und Inquisitor), der die Schlußszene autoritativ beherrschende Martin Koch als Bischof von Beauvais, Dino Lüthy als rührend wirkender Schäfer Colin. Oliver Zwarg trumpft baritonal dramatisch auf. Der von ihm verkörperte Gilles de Rais steht Johanna zur Seite. Ihren Tod vermag er nicht zu verarbeiten und wirft der Macht Gottes jene von Satan mit verzweifelten Worten entgegen. Ein bitterer Unterton im verklärenden Dur-Schluß. Johannas Gegenspieler, die Herzöge de la Trémoulle und Alencon, werden von Bjarni Thor Kristinsson (virtuos berserkerhaft) und John Heuzenroeder pointiert konturiert. Christian Miedl wirkt als Ritter Baudricourt, Verwandter von Johanna, gleichfalls bühnenfüllend. Zu ergänzen sind neben Judith Thielsen (Lison) noch Menna Cazel und Arnheidur Eiriksdóttier. Als Heilige Katharina und Margarete haben sie u.a. einen leicht karikierenden Duett-Auftritt, welcher gewissermaßen die Negierung Johannas als Retterin Frankreichs in der Öffentlichkeit einleitet. Als nach dem Tod auf dem Scheiterhaufen ihr Herz unbeschädigt sichtbar wird, bricht der Chor in neue Heilrufe aus. Aber die Figur von Gilles de Rais modifiziert diese Glorifizierung, entzieht dem Finale Hosianna-Wirkung.

Dem groß besetzten Chor fallen wichtige Aufgaben zu, welche glänzend gelöst werden. Auch die Mädchen und Knaben vom Kölner Domchor schlagen sich wacker. Ihr Leiter Eberhard Metternich begleitet, zu einer Bühnenfigur anonymisiert, die Kleinen dirigierend zu ihrem Bühnenauftritt. Ein großes Statistenheer macht den personalen Aufwand der Aufführung zusätzlich deutlich.

Eine bedeutsamer Abend. Bei der besuchten Vorstellung handelte sich um die fünfte von sechs Aufführungen.

 

Christoph Zimmermann 28.4.2019

Bilder folgen

 

 

 

 

 

WA-Premiere: 23.12.2018         

Besuchte Zweitvorstellung: 26.12.2018

Szenisch konventionell, musikalisch bestechend

Die Inszenierung von „Forza“, mit welcher sich Oliver Py im September 2012 erstmals an einem deutschen Opernhaus vorstellte, kam in der „Oper am Dom“ heraus, dem früheren Musical-Zelt, welches inzwischen wieder diesem Genre dient. Es war die erste Station nach dem Auszug aus dem Opernhaus am Offenbach-Platz, dessen Sanierungsende derzeit mit 2023 datiert ist. Ein gutes Jahrzehnt Aushäusigkeit also - man faßt immer wieder an den Kopf. Mit dem jetzigen „Staatenhaus“ auf dem Messegelände im Stadtteil Deutz hat das Publikum aber wohl weitgehend seinen Frieden gemacht. Die Ausstattungsmöglichkeiten hier sind einigermaßen beschränkt, aber etlichen Bühnenbildnern ist es gelungen, beispielsweise die deckenstützenden Säulen des großen Saales (insgesamt gibt es drei) sinnfällig in ihre Dekorationen zu integrieren wie zuletzt Ben Baur bei „Salome“. Für Zimmermanns „Soldaten“ boten die Räumlichkeiten sogar besonders viele optische Gestaltungsfreiheiten.

Die Szene von Pierre-André Weitz für „Forza“ ist eine komplett schwarze Wandelbühne, wo Dekorationsteile (vor allem Gebäude) langsam am Auge des Zuschauers vorbei driften. Zu einer wirklichen couleur locale für die im Libretto vorgeschriebenen Bilder führt das nicht. Die Mixtur aus Kreuzen und Kabelmasten bei den rückwärtigen Projektionen scheinen die Handlungszeit in der Schwebe halten zu wollen, wie auch die Kostüme.

Da die jetzige Spielfläche ziemlich ebenerdig ist, wirken die Musiker des Gürzenich-Orchesters optisch nachgerade in die Szene integriert, vor allem bei den Chorauftritten. Die Bühnentiefe scheint gegenüber der Premiere geschrumpft, wenn die Erinnerung nicht täuscht. Umso mehr tendieren die Chorbewegungen in Richtung Null. Pys Massenregie bietet auch sonst kaum Spannungsreiches. Auffällig und etwas gewollt ist die Einflechtung von Erinnerungsbildern. Da gibt es einen wiederholten Auftritt des toten Marquese di Calatrava, zunächst bei Leonoras Arie „Madre, pietosa vergine“, dann zum Schluß, wo er seine erschossene Tochter mit ins Himmelreich nimmt. Der Arie des Alvaro „O tu che In seno angeli“ geht der Auftritt zweier malerisch gekleideter Atzteken voraus, auf daß niemand im Zuschauerraum aus den Augen verliert, daß Alvaro ein verachtetes Halbblut ist. Die Greuel des Krieges mit einem kleinen Mädchen zu versinnbildlichen, welches von Preziosilla eine Knarre in die Hand gedrückt bekommt und das Ballern lernt, ist total naiv. Daß die Marketenderin dann selber von Schüssen niedergenmäht wird, gehört zu den wenigen verstörenden Momenten der Inszenierung. Das weibliche Erotik-Team im Soldatenlager leistet biedere Arbeit, die Engelverkleidung eines Mannes in der Klosterszene („La vergine degli angeli“) grenzt an Geschmacksverirrung.

Man hilft sich als Zuschauer zunehmend damit, den Blick auf den Dirigenten Will Humburg zu richten, welcher mit wilder, aber konziser Gestik Verdis lodernde, oft aber auch ätherisch verglimmende Musik hinreißend zum Klingen bringt. Humburg, auch im nahen Bonn speziell als Verdi-Autorität geschätzt, leitete bereits die Premiere, von der auch zwei Sängerbesetzungen erhalten geblieben sind. Adina Aaron, die farbige, schöne, schlanke und darstellerisch ungemein bewegende Sopranistin (sie singt nur zwei Vorstellungen neben der hauptsächlich beschäftigten Catherine Foster) verbindet glühenden Ausdruck mit subtilen Pianoschwebungen zumal in der Höhe auf eine Weise, daß einem die Knie weich werden. Der chinesische Baß Liang Li ist als Padre Guardiano eine absolute Autorität.

Adriana Bastidas-Gamboa, aus Kolumbien gebürtig und beim Kölner Ensemble in den vergangenen Jahren ganz groß aufgestiegen, pfeffert die Preziosilla mit enormem Temperament und vokaler Ausladung ins Auditorium. Der auf Hawai geborene Bariton Jordan Shanahan gibt als Don Carlo bei seinem Kölner Entrée ein großartiges Rollendebüt: markanter Belcanto, durchdachte Darstellung. Als Melitone sahnt Renato Girolami beim Publikum in besonderer Weise ab. Die Karriere des Argentiniers Marcelo Puente an großen Bühnen ist angesichts seines Kölner Alvaro nicht ganz nachvollziehbar. Er singt plakativ, mit rustikalem Forte; die Höhen wirken meist gepreßt und flackrig, nirgends ist melodische Sensibilität auszumachen. Dabei wirkt seine Darstellung durchaus sympathisch.

Am Schluß sind Comprimario-Besetzungen zu preisen, so die von Wolfgang Schöne (Marquese) John Heuzenroeder (Trabucco) und Matthias Hoffmann (Chirurgo). Als allererstes zieht freilich Regina Richter als Curra die Aufmerksamkeit auf sich. Ein emotional pralles Kurzporträt. Warum die Sängerin derzeit keine größeren Aufgaben mehr erhält, ist kaum nachvollziehbar. Vor allem aber möchte man dem bühnenintensiven Insik Choi (Alcalde) bald mal eine zentrale Rolle wünschen. Sein Wotan in der Kinderopern-„Walküre“ war vor kurzem ein veritabler Genuß.

(c) Oper Köln

Christoph Zimmermann  27.12.2018

 

TURANDOT

Puccinis Schwanengesang als Show-Spektakel

Premiere: 02.04.2017
Wiederaufnahme: 16.09.2018
besuchte Vorstellung: 13.10.2018

 

TRAILER

 

Lieber Opernfreund-Freund,

am gestrigen Abend standen schon auf dem Weg vom Deutzer Bahnhof zur Spielstätte Menschen mit Schildern, die ihr Interesse an einer Karte bekunden, gewissermaßen Spalier und auch am Ticketschalter versammeln sich Dutzende in der Hoffnung, dass reservierte Tickets nicht abgeholt wurden, und spekulieren auf eine Restkarte. Gegeben wurde „Turandot“, an sich keine Sensation, doch dass das Staatenhaus im Kölner Rheinpark, dem man von Anfang an die Eignung als Interimsspielstätte für die Kölner Oper abgesprochen hat, durchaus für opulente Ausstattungsoper taugt, zeigt sich in der so kurzweiligen wie gelungenen Lesart der Regisseurin Lydia Steier – und das hat sich herumgesprochen.

Als große Show legt die junge Amerikanerin das Märchen an – und hat recht damit, denn nichts anderes ist ja das Spektakel um dieser Figur, über die in der Oper nahezu eine Stunde gesprochen wird, deren Name unentwegt fällt, ehe man sie überhaupt zu ersten Mal sieht. Verlegt in die Entstehungszeit des Werkes zu Beginn der 1920er Jahre, lässt Steier die Handlung an einer Art Filmset spielen, auf dem die Geschichte um eine so unnahbare wie grausame Prinzessin, drei Rätsel, den Tod einer unglücklich verliebten Sklavin und das Happy-End für die Prinzessin und ihren Galan im wahrsten Sinne des Wortes inszeniert wird. Die Bühne bereitet hat dafür fettFilm und lässt auf metallenen Schienen üppige Kulissen herein- und wieder hinausschieben, untermalt zudem die Story mit anfangs recht zurückhaltenden, nach der Pause durchaus drastischen Videosequenzen. Gekrönt wird die Szene durch die opulenten, teils prunkvollen Kostüme, die Ursula Kudrna entworfen hat, die das Volk in schlichte Kluft und die „Darsteller“ in umso aufwändigere Roben hüllt. Die Produktion nimmt sich in der an Kitsch grenzenden Ausstattung allerdings nie selbst ganz ernst, wirkt dadurch um so gelungener; Steier spielt gekonnt mit Brüchen, schockiert im gefälligen Setting immer wieder mit offener Zurschaustellung von Brutalität und streut ebenso galant komische Momente ein. Die Aktualisierung ist konsequent umgesetzt und auch für das Finale, mit dessen Wendung ja Puccini selbst schon Schwierigkeiten hatte, hat Lydia Steier eine schlüssige Lösung. So gelingt unterhaltsames Musiktheater, bei dem keine Sekunde Langeweile aufkommt, wahrhaft großes Kino, das sich völlig zu Recht zum Publikumsmagneten entwickelt hat; es ist davon auszugehen, dass diese Inszenierung einst auch noch am Haus am Offenbachplatz gespielt werden wird.

Wie schon in der Premierenserie 2017 übernimmt Catherine Foster die Titelrolle und brilliert mit wandlungsfähigem, in allen Registern überzeugendem Sopran, mal kraftvoll und bedrohlich, mal so verletzlich und zweifelnd, dass man gar nicht weghören möchte. Sie gefällt sich sichtlich als allürenbeladener Filmstar und fesselt mit ihrer Bühnenpräsenz ebenso wie der aus Georgien stammende George Oniani, langjähriges Ensemblemitglied im benachbarten Bonn, der für den erkrankten Martin Muehle die Gestaltung des Kalaf übernimmt. Sein vor Kraft strotzender, metallisch in der bombensicheren Höhe schimmernder Tenor ist ein akustisches Großeregnis, doch auch die seltenen stimmlich zurückhaltenden Passagen, die Puccini seiner Figur zugestanden hat, meistert er mit Bravour. Ein regelrechter Ausbund an Zartheit ist der feine Sopran von Ivana Rusko, die damit wie gemacht ist für die herzergreifende Interpretation der bedauernswerten Liù. Önay Köse ist ein stimmlich präsenter Timur, Alexander Fedin überzeugt als Altoum auch darstelerlisch und Insik Choi darf als Manderin, der von Lydia Steier als eine Art Regisseur des Geschehens interpretiert wird, seinen eindrucksvollen Bariton zeigen. Aus dem Dreiergespann Ping/Pang/Pong ragt Wolfgang Stefan Schweiger nicht nur körperlich deutlich hervor. Auch sein bald einschmeichelnder, bald fordernder Bariton ist ein wahrer Ohrenschmaus.

Wenn eines von Puccinis Werken als Choroper bezeichnet werden kann, dann „Turandot“, so omnipräsent sind hier Chor und Extrachor, die überdies von Mädchen und Knaben des Kölner Domchores unterstützt werden. Rustam Samedov und Andrew Ollivant haben dafür gesorgt, dass alle Beteiligten ihren umfangreichen Part eindrucksvoll und stimmig präsentieren und auch darstellerisch überzeugen die Damen und Herren. Ein Abend ohne Wermutstropfen also? Leider nicht ganz. Die Musikerinnen und Musiker des Gürzenich-Orchesters sind glänzend disponiert, jedoch gibt das zu brave, zaghafte Dirigat von Claude Schnitzler ebenso Anlass zur Klage wie die allzu hörbaren Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Bühne und „Graben“, der gestern hinter der Bühne postiert ist. Letzetres erfordert vielleicht eindeutigere Zeichen in Richtung der Kamera, da das Sängerpersonal die musikalische Leitung nur über Bildschirme erkennen können. Dabei hat sich der französische Dirigent als Puccini-Interpret in Köln bei „Tosca“, „Bohéme“ und „Madame Butterfly“ durchaus schon überzeugt. Bei der „Turandot“ jedoch präsentiert er eine weichgespülte Interpretation ohne Ecken und Kanten und wird so Puccinis letzter, reifster und schroffster Arbeit nur bedingt gerecht.

Das jedoch tut der Begeisterung im bis auf den letzten Platz besetzten Haus keinen Abbruch. Aus dem Häuschen ist das Publikum, Klagen hört man nur über die hohen Temperaturen, standing ovations und Klatschmarsch goutieren die Leistung aller Mitwirkenden. Wenn Sie also die Gelegenheit haben, an ein Ticket für eine der verbliebenen vier Aufführungen in dieser Spielzeit zu kommen, nutzen Sie sie!

 

Jochen Rüth 14.10.2018

Die Fotos stammen von Bernd Uhlig und zeigen die Protagonisten der Spielzeit 2016/17.

 

 

The Rape of Lukretia

Wiederaufnahme-Premiere: 22.5.2018

 

Sollte man nicht versäumen

Nach der Neuinszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ ist für die Interimsspielstätte der Oper Köln, das „Staatenhaus“, neuerlich hervorzuheben, daß seine prinzipiell zwar „provisorischen“ und fraglos nüchternen Räume für eine individuelle Bühnenkonzeption durchaus von Vorteil sein können. So auch bei Tobias Flemmings Ausstattung für die nach knapp anderthalb Jahren wiederaufgenommene „Rape of Lukretia“ von Benjamin Britten. Der Saal im oberen Stockwerk hat eine besonders große Ausdehnung. Zu weitläufig für eine Kammeroper, könnte man denken. Aber Fleming nutzt die Raumgegebenheiten für eine brillante Ausstattungsidee. Er installiert ein riesiges Wasserbecken, in welchem sich, wie auch auf einem umlaufenden „Sandstrand“, die Handlung abspielt. In der Mitte ist ein Podest für die Harfenistin Saskia Kwast installiert. Die Konzeption für dieses aparte Bild erschließt sich vielleicht nicht auf Anhieb und zur Gänze, wie auch die Inszenierung von Kai Anne Schumacher (Neueinstudierung: Eike Ecker) in manchen Details etwas rätselhaft wirkt. Doch das Ungewöhnliche bei diesem ungewöhnlich starken Abend: man sucht mitnichten à tout prix nach Erklärungen, empfindet die optischen Einfälle jederzeit als stimmig. Und noch ein anderes … Die Regisseurin sorgt zwar durchaus für Aktion, liefert jedoch vorrangig Bilder mit langsamem Duktus, was jedoch nie zu Leerlauf führt. Die wenigen echten Stillstände sind immer gut plaziert und bieten sogar besondere Dringlichkeit und emotionale Tiefenwirkung. Zur bestechenden Optik tragen auch die einfallsreichen Kostüme von Valerie Hirschmann bei.

 

Beim zentralen Thema (die für die Titelheldin Lukretia nicht aushaltbare Vergewaltigung) ergaben kurz vor der Premiere (Januar 2016) die sexuellen Übergriffe auf der Kölner Domplatte einen aktuellen Hintergrund, mittlerweile könnte man auf die #MeToo-Debatten vergleichend heranziehen. Aber auch ohne solche Bezüglichkeiten wirkt das Sujet der Oper realistisch, selbst wenn durch die beiden Chorprotagonisten das archetypische Klima eines griechischen Drama beschworen wird. Die Anrufung von Jesus Christus, welcher das Leid der Menschen durch seinen Kreuzestod zu lindern versuchte, ist gewißlich ein reichlich plakativer Finalakzent, aber den betont die Regie nicht.

 

Die Regisseurin läßt die Zentralfigur der Oper, Lukretia nämlich, nicht als Heilige erscheinen, sondern zeigt sie als erotisch durchaus empfängliche Frau, welche die Avancen des Prinzen Tarquinius nicht über Gebühr abwehrt. Gleichwohl bleibt das moralische Gesetz der Reinheit für ihr Tun bestimmend, und so wählt sie nach der Schandnacht (in einem aus dem Wasser hochgehievten Zelt lediglich angedeutet) den Freitod. Die besondere Qualität der Inszenierung sind überhaupt die Zwischentöne. Nichts Plakatives, sondern feingestimmte psychologische Details.

 

Die Aufführung erzeugt wohl nicht zuletzt deswegen Gänsehaut. Sie ist ein echtes Schmuckstück im Repertoire der Oper Köln, auch musikalisch. Rainer Mühlbach entlockt dem Gürzenich-Orchester Klangreize sonder Zahl und bringt die Musik zu intensiver, bohrender Wirkung. Es ist reizvoll, die sicher kaum avantgardistisch zu nennende Klangsprache Benjamin Brittens mit der entschieden krasseren Partitur von Zimmermanns „Soldaten“ zu vergleichen.

 

Das Programmheft bildet noch die Sänger der Premiere 2016 ab. Geblieben ist Judith Thielsen als würdevolle, mezzoleuchtende Lukretia, Matthias Hoffmann als ihr Gatte Collatinus (mit seit damals machtvoll gewachsenem Baßvolumen) sowie Insik Choi als Verführer Tarquinius, dessen intensive Bühnenpräsenz umwerfend ist. Unter den Rollenneubesetzungen ist Stefan Wolfgang Schwaiger als sarkastischer Junius ein besonderer Gewinn. Kaum minder beeindruckend: Helena Köhne als wohllautend singende Amme Bianca und Maria Kublashvili, welche die heitere Kontrastfigur Lucia mit zauberhaften Waldvogel-Tönen ausstattet. Mit tragischem Nachdruck gibt Ivana Rusko den Femal Chorus, aus dem Male Chorus macht Dino Lüthy ein heldentenorales Ereignis.

 

In summa: diese ausgefeilte, in allen Momenten stimmige Aufführung ist für das Kölner Haus ein Glücksfall sondergleichen. Es sei noch daran erinnert, daß das Werk seine Deutsche Erstaufführung 1948 in der Domstadt erlebte, so wie Zimmermanns „Soldaten ihre Uraufführung 1965.

 

Christoph Zimmermann (23.5.2018)

 

 

Rigoletto

Wiederaufnahme: 17. Dezember 2017

(Premiere 2012)

Sängerisch nahe der Glückseligkeit

Die Kölner Oper hatte in der laufenden Saison nicht eben viel Glück mit ihren Produktionen, jedenfalls aus der Sicht des hier zeichnenden Rezensenten. Umso erfreulicher ist es, mit der Wiederaufnahme von Verdis „Rigoletto“ einen Abend zu bilanzieren, der in vieler Hinsicht echtes Weltklasse-Niveau besitzt. Von „Trovatore“ wurde einmal gesagt, für eine stimmige Wirkung genüge die Verfügbarkeit von optimalen Sängerprotagonisten. Das läuft der Auffassung des Theatermenschen Verdi freilich zuwider und würde im Falle des Kölner „Rigoletto“ auch die Qualitäten von Katharina Thalbachs Inszenierung verkleinern. Aber es ist tatsächlich so, dass für die Hauptpartien Künstler zur Verfügung stehen, wie sie besser auch an der Met, der Scala oder am Bolschoi kaum geboten werden könnten.

Anzufangen ist mit der Gilda von Nina Minasyan. Die junge Armenierin hat ihre einschlägigen Partien im Koloraturfach an den größten Häusern gesungen, so etwa die Lucia in München. Diese Rolle dürfte die für sie derzeit beste sein, weil sie dem deutlich vorhandenen jugendlich dramatischen Potential ihrer Stimme optimal entgegen kommt. Wenn man in der Gilda ein pubertierendes Mädchen sieht, könnte man das Timbre von Nina Minasyan als bereits zu starkfarbig, zu wenig mädchenhaft empfinden. Eine geringfügige Einschränkung, wenn überhaupt eine. Die Sopranistin offeriert gerundete Töne bis in die höchsten Lagen hinauf, dazu einen vokalen Ausdrucksreichtum, welcher nachgerade fassungslos macht. Mirakulöse Pianissimi! Der Gilda-Gesang von Nina Minasyan ist mehr als lediglich superb, er dringt wahrhaft „in die Tiefe des Herzens“.

Ebenfalls aus Armenien stammt Liparit Avetisyan, welcher in Köln mit Verdis Fenton in der vorigen Spielzeit sein Deutschland-Debüt gab. Sein nicht zuletzt in der Höhe überaus potenter Tenor vermittelt Jugendlichkeit, erotisches Ungestüm (für den Herzog von Mantua ein wichtiger Akzent) und ein überaus reizvolles Timbre. Weitere Vorteile sind ein gutes Aussehen und darstellerische Verve.

Auch Nicholas Pallesen war schon in Köln zu hören (Ford). Sein Rigoletto erfüllt sämtliche Belcanto-Erfordernisse. Vielleicht könnte die Stimme hier und da ein mehr an Zerrissenheit spiegeln, aber das kompensiert der amerikanische Bariton mit intensivem Bühnenspiel.

Die restlichen Gesangspartien sind musikalisch und szenisch plausibel besetzt. Zu nennen sind zumindest Marta Wryk (Maddalena), Lucas Singer (Sparafucile), Michael Mrosek (Monterone), Insik Choi (Ceprano) und Judith Thielsen (als Giovanna überaus präsent). Am Pult des ausgezeichnet spielenden Gürzenich-Orchesters steht Gabriel Feltz, dem Klangkörper aus früheren Produktionen (vor allem mit Werken des 20. Jahrhunderts) bereits vertraut. Aber auch im klassisch-romantischen Repertoire leistet er mit seiner präzisen, heißblütigen Zeichengebung Vorzügliches, wie immer wieder auch an seinem Stammhaus Dortmund erlebt.

Katharina Thalbachs Inszenierung hatte 2012 im Opernhaus am Offenbach-Platz Premiere, wo immer noch – mehrfach war davon schon die Rede – die Sanierungsarbeiten in vollem (?) Gange sind. Man fasst sich ja immer wieder an den Kopf: frühestens 2022 soll die Rückkehr in das alte Domizil erfolgen.

Bei Ezio Toffoluttis Rigoletto“-Dekor sticht ins Auge, dass die Architektur auf den Kopf gestellt scheint. Die Welt aus den Fugen? Ein logischer Fingerzeig, interpretatorisch vielleicht schwerlastig, aber doch sehr prägend. Die Ausstattung des zweiten Aktes erreicht diese Wirkung nicht ganz, und das Schlussbild besitzt etwas Puppenstubenhaftes. Dass die Kulisse jetzt nicht wie in der Premiere in den Hintergrund gezogen werden kann, um Rigoletto und Gilda einsam auf einem Boot zurückzulassen, ist optisch zwar nachteilig, aber tolerabel.

Stark gibt sich Katharina Thalbachs Regie (von Eike Ecker aufgefrischt) im ersten Bild mit den Ausschweifungen am Hof von Mantua (riesiger Gummi-Penis als Blickfang). Danach überzeugen namentlich die Begegnungen von Gilda und Rigoletto, auch wenn eine möglich zu denkende Entfremdung zwischen Tochter und Vater erst bei der Wiederbegegnung nach der Entführung angedeutet wird. Mit der Chorführung hapert es ein wenig. Insgesamt jedoch besitzt die Inszenierung ein stichhaltiges Konzept und vermag über weite Strecken zu fesseln.

Christoph Zimmermann 18.12.207

 

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