SPOLETO

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SPOLETO
– berühmt für sein Festival dei due Mondi, hat aber noch mehr zu bieten
Der Opernfreund kennt natürlich das von Gian Carlo Menotti zusammen mit Thomas Schippers 1958 gegründete Festival. Bekannt ist die Stadt auf musikalischem Gebiet auch durch das sogenannte Teatro Sperimentale, einen Gesangswettbewerb, dessen Sieger mit einem Stipendium ausgestattet und zwei Jahre lang in der Stadt auf die Bühnenlaufbahn vorbereitet werden. Namen wie Ruggero Raimondi, Renato Bruson, Leo Nucci und viele andere haben diese Möglichkeit in Anspruch genommen.
Die Stadt, die auf das 8. vorchristliche Jahrhundert zurückgeht, hat eine 62 Hektar umfassende Altstadt, innerhalb derer es auf steilen Gässchen große Höhenunterschiede zu bewältigen gilt. Ein Problem, denn das Zentrum leerte sich immer mehr, weil die Menschen oft keine Lust mehr hatten, sich ständig der mühsamen Kletterei auszusetzen.

Nun wurde hier eine Lösung gefunden, die ideal ist für mittelitalienische historische Städte, die sich typischerweise in dieser Situation befinden. 24 Meter unter dem Erdboden wurde ein Tunnelsystem angelegt, das in drei verschiedenen Linien die Höhenunterschiede überwindet: Es handelt sich um Laufbänder, wie wir sie aus Flughäfen kennen, die von Aufzügen flankiert sind, die man je nach der Stelle in der Stadt, die man erreichen will, nimmt. Ergänzend gibt es auch ein paar Rolltreppen. Wer unter Klaustrophobie leidet, braucht sich nicht zu fürchten, denn die Tunnel wurden mit freundlichen Farben ausgemalt, die den Eindruck der ohnedies schon gegebenen Weite noch verstärken. Diese Lösung führte dazu, dass es nun wieder Interessenten für handwerkliche Berufe wie Hutmacher, Schneider oder Erbauer von Musikinstrumenten gibt. Durch die Verbannung der Autos auf (erschwingliche) Parkplätze, die maximal 200 Meter außerhalb der Altstadt liegen, konnten 670 Tonnen Treibstoff pro Jahr eingespart werden, wobei die Parkplatzgebühren die Ausgaben für den Betrieb des gesamten Systems abdecken.
Spoleto war nach der Einheit Italiens eine Zeit lang die Hauptstadt der Region Umbrien (heute ist das Perugia), und damals wurden Straßen angelegt, die die Stadt dem Verkehr anpassen sollten. Nun ist hier der Verkehr der Stadt angepasst, wie der Architekt Giuliano Macchia, die treibende Kraft hinter dem gigantischen Projekt, nicht ohne Stolz feststellt.
Als ich Gelegenheit hatte, mir dieses geniale System anzusehen, hatte das Festival noch nicht begonnen, aber Spoleto ist immer voller künstlerischer Aktivitäten. So konnte man auf der Festung, der Rocca Albornoziana, Mitgliedern des Ensembles Micrologus lauschen, die Renaissancemusik spielten, zu der Carole Magnini eindrucksvolle Tanzbewegungen ausführte.

Später fand in der Casa Menotti, dem Haus in welchem der 2007 verstorbene Komponist gewohnt hatte (das an der Treppe liegt, die zum malerischen Domplatz hinabführt und in dem sich heute das Dokumentationszentrum des Festivals befindet), ein Klavierkonzert mit wunderbar romantischen, von seiner Heimat Umbrien inspirierten, Kompositionen von Egidio Flamini statt, die der Künstler selbst interpretierte.
Abends gab es dann im wunderschönen Teatro Nuovo Gian Carlo Menotti (1864 eröffnet, mit seinen 800 Plätzen das größte Theater der Region Umbrien) eine Tanzgala, in der die jungen Künstler auftraten, die den diesjährigen internationalen Wettbewerb der Stadt (der seit 1992 besteht) gewonnen hatten.
In Spoleto ist musikalisch immer etwas los, und für Besucher fällt nun auch das mühsame Erklettern der Stadt, in der man wegen der Enge der Gassen auch mit dem Auto nur schwer weiterkam, weg. Eine echte Entdeckung!
Eva Pleus 25.4.17
Bilder: Paolo Capaldini