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GEWANDHAUS LEIPZIG

(c) Gewandhaus.de

 

 

 

Herbert Blomstedt ehrt Václav Neumann mit einer Sinfonie seines Landsmanns Jan Václav Vořišek

Im frühen 18. Jahrhundert besiedelten eine Reihe wackerer böhmischer Musiker die Musikmetropolen Europas. Einer der profiliertesten Vertreter dieser Emigres war Jan Václav Vořišek. 1791 in der ostböhmischen Kleinstadt Vamberg als Sohn eines Lehrers und Organisten geboren, erhielt er seit seinem dritten Lebensjahr strengen Klavierunterricht. Als Zehnjähriger begann er zu komponieren und vertrat bereits mit sieben Jahren einige Monate einen erkrankten, ihm verwandten Kirchen-Organisten.

Mit dem Vater unternahm Jan Vaclav meist zu Fuß kleinere Musikreisen durch Böhmen bis nach Prag. Die verwitwete Gräfin Kolowrat-Liebsteinský erkannte, dass die von Spitzen-Manufakturen geprägte Kleinstadt kein Nährboden für die Entwicklung eines musikalischen Wunderkindes sei. Sie nahm das junge Talent mit nach Prag, verschaffte ihm ein Stipendium für das Prager Jesuiten Gymnasium und ein anschließendes Jura-Studium. Daneben erhielt er 1804 bis 1805 Unterricht bei Václav Tomášek (1774-1850), dem „musikalischem Papst Prags“ seiner Zeit. Bereits 1809 komponierte er als erste größere Arbeit, ein leider verschollenes Requiem. Wahrscheinlich über Tomášeks Vermittlung als Musiklehrer der Familie Lobkowitz, kam Vořišek als 22-Jähriger nach Wien, nannte sich Jan Hugo Worzischek, und entwickelte sich unter Anleitung von Johann Nepomuk Hummel (1778-1837) bald zu einem brillanten Phänomen der Wiener Musikszene. Bei der „Gesellschaft der Musikfreunde“ war er unmittelbar nach deren Gründung ab1814 als Korrepetitor, Organist sowie Dirigent tätig, mischte die Salons auf und lernte auch Beethoven kennen. Vořišek vergötterte Beethoven und versuchte ihn nachzuahmen. In Wien komponierte er als erfolgreicher Virtuose vor allem Klaviermusik sowie Werke für Klavier und Orchester. Für die Wiener Musikfreunde schuf er 1822 bis 1823 seine einzige Sinfonie als Opus 23 und eine „Missa solemnis“ in B-Dur. Nach Abschluss des Jurastudiums und einem Jahr Dienst als Beamter im Hofkriegsrat wurde er 1822 zunächst zum zweiten Hoforganisten berufen. Zwei Jahre später erhielt er noch die Ernennung zum ersten Hoforganisten. Aber bereits im November 1825 verstarb Jan Václav Vořišek an den Folgen einer Tuberkulose-Erkrankung.

Die recht selten gespielte D-Dur-Sinfonie Vořišeks war Bestandteil des Konzertexamens des späteren 17. Gewandhauskapellmeisters Václav Neumann (1920-1995) im Jahre 1945 in Prag.

Neumann war 1964, zwei Jahre nach dem Tode Franz Konwitschnys sowie einem Interregnum, zum Gewandhauskapellmeister und, was in der Historie des Leipziger Musiklebens selten ist, in Personalunion auch zum Generalmusikdirektor der Oper berufen worden.

Nach meinen Erinnerungen hatte mich die Gewandhauskapellmeistertätigkeit Václav Neumanns nicht außergewöhnlich beeindruckt. Ich stand in seiner kurzen Amtszeit noch immer unter den Eindrücken der Konzerte Franz Konwitschnys, dem ich letztlich meine Bindung an die klassische Musik verdanke. Seine ETERNA-Einspielung der Beethoven-Sinfonien aus den Jahren 1959 bis 1961 hat noch immer einen Ehrenplatz in unserer Sammlung. Etwas irritierend war nach meinen Erinnerungen, dass der Chef des Orchesters in der Stadt eine Wohnung zur Verfügung hatte, aber häufig nach Prag pendelte. Dem Vernehmen nach, soll er weniger mit dem Orchester gearbeitet haben. Mit den Interpretationen der Musik seiner Landsleute und seinen Mahler-Versuchen fand er allerdings beim Leipziger Publikum hohe Anerkennung.

Am 1. September 1968 dirigierte er noch im Opernhaus die Premiere einer „Jenufa-Neuinszenierung“, kündigte aber dann dem Leipziger Oberbürgermeister mit der Begründung, er wäre aus politischen Gründen nicht mehr in der Lage, ein Leipziger Podium zu betreten, seine Verträge und verließ die Stadt. Bei der Auflösung seiner Verträge bezog er sich auf den Einmarsch von militärischen Einheiten einiger Staaten des Warschauer Paktes in der ČSSR am 21. August, wobei aus guten Gründen, Truppen der Nationalen Volksarmee der DDR gar nicht einbezogen waren. Bereits am 1. Oktober 1968 ließ sich Václav Neumann zum Chefdirigenten der Tschechischen Philharmonie wählen.

Deutlich prägender für das Konzertleben der Stadt waren die 26 Jahre Kapellmeistertätigkeit Kurt Masurs und vor allem das Wirken Herbert Blomstedts als Künstler und Mensch.

Anlässlich des einhundertsten Geburtstags von Václav Neumann dirigierte der wohl profilierteste Nachfolger Neumanns, der 19. Gewandhauskapellmeister Herbert Blomstedt, in einem Gedenkkonzert die D-Dur-Sinfonie Jan Václav Vořišeks.

Ich habe das Werk über viele Jahrzehnte nicht mehr im Konzertsaal hören können und war nicht sonderlich begeistert von der Komposition, aber doch sehr angetan von Blomstedts Bemühungen um das Werk. Die Beethoven-Verehrung Vořišeks ist mit der thematischen und rhythmischen Gestaltung der Sinfonie unverkennbar. Auch wenn sie lediglich mit der mittleren Schaffensperiode des Vorbilds vergleichbar ist, denn Beethoven arbeitete 1823 bereits an seiner 9. Sinfonie.

Die beiden kraftvoll-feierlichen Ecksätze der Vořišek-Komposition umschließen ein romantisch-bewegendes Andante sowie ein sprudelnd-federndes Scherzo und weisen auf einen Versuch des Komponisten, etwas Originelles zu schaffen.

Für mich ist faszinierend, wie nach den vielen mit dem Maestro erlebten Konzerten die Persönlichkeit Herbert Blomstedts auf dem Podium immer wieder beeindruckt. Das ist nicht nur die Wirkung seiner Dirigate mit ihren sparsamen Bewegungen und der tiefen Durchdringung der gespielten Werke. Auch sein unterschiedlicher Umgang mit den Orchestern, sei es das Gustav-Mahler-Jugendorchester, ein Profi-Orchester der Mittelklasse beim Kissinger Sommer oder eines unserer sächsischen Spitzenorchester sowie bei erlebter Probenarbeit zeugen immer wieder von seiner beeindruckenden Menschlichkeit. Auch ist seine disziplinierte Lebensweise bekannt, seine Anspruchslosigkeit an materiellen Dingen und seine Bescheidenheit.

Für den zweiten Teil des Konzertes hatte Herbert Blomstedt Mozarts 38. Sinfonie in D-Dur, die „Prager“, ausgewählt und damit das Konzert auf das Wirkungsvollste abgerundet. Besonders imponierte, wie der Dirigent und das ausgedünnte Orchester mit den Corona-bedingten Abständen zurechtkamen. Das Klangbild der Mozart-Sinfonie unterschied sich zwar von früher gehörten Aufführungen der „Prager“, erwies sich aber als durchaus stimmig.

Fast überflüssig, noch zu erwähnen dass Herbert Blomstedt mit stehenden Ovationen vom Publikum und Orchester langanhaltend gefeiert wurde.

 

Thomas Thielemann, 20.9.202

Autoren der Bilder: Marianne Thielemann (Blomstedt mit Orchester)

Jens Gerber  (Pressebilder des Hauses)

 

Anmerkungen zu den Spielstätten des Gewandhausorchesters Leipzig

Eine Pressemitteilung des Gewandhauses zu Leipzig über die Weiterführung der Modernisierung des Konzertpodiums in der Zeit vom 18. Mai bis zum11. September dieses Jahres war Anregung, einige Aspekte der früheren Spielstätten des Traditionsorchesters zu betrachten.

Die 16 musik-beflissenen Leipziger Kaufleute, die 1743 den Konzertverein „Großes Concert“ gründeten, warben zunächst 16 Musiker für ihre Veranstaltungen im Gasthaus „Drey Schwanen“ am Brühl an. Wegen des großen Zuspruchs ließ die Stadt 1780-1781 in der zweiten Etage des im 1498 in der Altstadt erbauten Zeughauses einen Konzertsaal für zunächst 500 Zuhörer einbauen. Wegen der Nutzung des ersten Stockwerks als Messehaus der Tuch- und Wollwarenhändler war das Gebäude im Sprachgebrauch als Gewandhaus benannt worden. In der ehemaligen größeren Tuchhalle erbauten „Schuhschachtel“ befand sich an der Schmalseite ein 63 Quadratmeter großes Podium. Längs zum Podium waren die gegenüberliegenden Sitzreihen und quer an der Rückwand die Galerie mit den Stehplätzen angeordnet. Die nahezu ausschließliche Verwendung von Holz und die Konstruktion auf Holzstützen ließen einen Resonanzraum von lediglich 1800 m³-Raumvolumen mit einer ausgezeichneten Akustik mit recht kurzem Nachhall, man schätzt 1,2 Sekunden, entstehen, „so dass man die zartesten Töne der Musiker in der weitersten Entfernung des Saales vernehmen konnte“.

Nach einer Erweiterung 1842 konnte der Saal 1000 Zuhörer aufnehmen.

Mit einem qualifizierterem und auf 33 Musiker vergrößerten Orchester wurden in diesem Raum zahlreiche Werke, die heute zum Standartrepertoire gehören, unter anderem auch vom Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy uraufgeführt.

Der Nachlass des unverheiratet verstorbenen Kaufmanns und Leipziger Originals Franz Dominic Grassi (1801-1880) machte 1882 den Neubau des zweiten Gewandhauses am Rande der Innenstadt, dem späteren Musikerviertel, mit einem großen Saal für 1700 Plätzen möglich, das am 11. Dezember 1884 eröffnet wurde. Trotz des erheblich größeren Raumvolumens von 10.600 m³ wurden die Proportionen des langgestreckten Rechtecks mit abgerundeten Ecken übernommen. Auch wurde der Raum mit einer Konzert-Orgel der Firma Walcker ergänzt. Trotzdem blieb die Nachhallzeit mit durchschnittlich 1,6 Sekunden begrenzt. Der im Neubau zusätzlich untergebrachte Kammermusiksaal für 500 Besucher war dann sogar ein nahezu exakter Nachbau des Saales aus dem Jahre 1781 mit vergleichbarer Klangentfaltung.

Bei Luftangriffen im Dezember 1943 und im Februar 1944 wurde das zweite Gewandhaus schwer beschädigt. Bautechnisch gesichert und mit einem Notdach versehen, war zunächst ein Wiederaufbau vorgesehen.

Als Interim-Spielstätte der Gewandhauskonzerte diente von 1946 bis 1981 die im Jahre 1900 als Gesellschaftshaus des Leipziger Zoos eingeweihte „Kongreßhalle“, nach dem dort extra eine Jehmlich-Orgel eingebaut worden war. Obwohl die Akustik des Raumes etwas staubig, die Klangentfaltung recht distanziert war und die Geräusche der Straßenbahn die Veranstaltungen auflockerte, verdanke ich den Konzerten mit Franz Konwitschny und Yehudi Menuhin sowie David Oistrach meine frühen intensiven Musikerlebnisse.

Bei der Konzeption des Gewandhausneubaus gab es zunächst unterschiedliche Auffassungen. Während die Akustiker in Anlehnung an das zweite Gewandhaus einen „Schuhkarton“ anstrebten, wünschte Kurt Masur eine weitgehende Anlehnung an den Weinberg der Berliner Philharmonie, die in den 1970er Jahren noch als akustisch unausgereift galt. Als Kompromiss wurde dann die vom Amphitheater abgeleitete terrassenartige Form mit den hinter den Orchester-Emporen schräg angeordneten Wänden, die mit variablen Schallreflektoren bestückt wurden, ausgeführt. Das Raumvolumen für die 1900 Sitzplätze ist mit 21.000 m³ bemessen.

Um die Akustik-Bedingungen des Raumes mit Publikum zu optimieren, war der Saal mehrfach mit NVA-Soldaten besetzt worden, die sich stundenlang das rosa-rote-Rauschen anhören durften.

Im Ergebnis ist aber ein Saal entstanden, der leicht trocken, aber über Nachhallzeiten, die wenig von den Frequenzen zwischen 1,9 und 2,0 Sekunden abhängig sind, verfügt. Dabei ist der Saal für Musik eines breiten Stilspektrums geeignet.

Im Zusammenhang mit den Neubau-Maßnahmen 2019 und 2020 werden akustisch vor allem Optimierungen vorgenommen, dass die Musiker beim Konzert sich gegenseitig besser hören können. Ansonsten werden vor allem die inzwischen veralteten, seit der Hauseröffnung in Betrieb befindlichen, Hubbühnen im hinteren Podest Bereich erneuert, der vordere Teil der Bühne neu mit Hubpodien ausgestattet und mit zwölfzusätzlichen „Ausgleichspodien“ ergänzt. Damit lässt sich das Konzertpodium bei Bedarf um 15 m² vergrößern.

Außerdem wird die seit vierzig Jahren genutzte, mit Halogenstrahlern ausgestattete, Beleuchtungsanlage durch eine Ausrüstung mit dimmbaren LED-Leuchtmitteln ersetzt und damit auch das für die Besucher störende Streulicht ausgeschlossen.

Das Haus legt auf die Aussage wert, dass die Maßnahmen ausschließlich der Verbesserung des Konzertbetriebes dienen und nicht an Erfordernissen von Mieter-Veranstaltungen orientiert sind.

 

Bildquellen:

Jens Gerber:  Saal und Gebäude des heutigen Hauses                                            

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig:

-Saal im Zeughaus nach dem Umbau -Saal des „Neuen Gewandhauses von 1884

 

Thomas Thieölemann 31.5.2020

 

 

Konzert am 4. Oktober 2019

Johannes Brahms – Tragische Ouvertüre op. 81

Johannes Brahms – Akademische Festouvertüre op. 8

Johannes Brahms – Sinfonie No. 2 D-Dur op. 73

 

Gewandhausorchester Leipzig

Dirigent: Herbert Blomstedt

So und nicht anders!

Beethoven, Bruckner und Brahms, das sind die Hauptkomponisten, die Dirigent Herbert Blomstedt sein ganzes Musikerleben mit der ihm eigenen Hingabe musiziert hat. Bei seinem Gastspiel im Leipziger Gewandhaus entschied sich Blomstedt für ein Programm ganz im Zeichen von Johannes Brahms. Und wie immer lagen die Taschenpartituren geschlossen auf dem Notenpult. Auswendig dirigierend spürte der meisterliche Dirigent jeder Note mit Herz und Seele nach.

„Die eine lacht, die andere weint“, so sinnierte Brahms über seine beiden Konzertouvertüren. Und düster, schroff ist die „Tragische Ouvertüre“, ein sehr deutlicher Kontrast zum lichten Dur der danach gegebenen Festouvertüre. Deutlich in ihrer Form gleicht diese Ouvertüre eher einem symphonischen Satz. Dies kommt nicht von ungefähr, denn Brahms verstand diese Komposition zunächst als symphonische Skizze. Interessant sind dabei die unterschiedlichen Wechsel im Tempo, so dass diese Komposition fast wie eine Kurz-Sinfonie wirkt. Herbert Blomstedt traf absolut sicher die vielfältigen Anforderungen dieses kontrastreichen Stückes. Bereits der energische Auftakt wirkte dramatisch und zupackend. Deutlich arbeitete er die Akzente heraus, um dann wieder der Melodielinie den Vortritt zu überantworten. Besonders eindrücklich wirkten Posaunen und Tuba, die dieser Komposition eine besondere Aura angedeihen ließen. Blomstedt und das Gewandhausorchester zeigten sich hier, wie überhaupt im gesamten Abend, als harmonische, perfekte Symbiose.

Danach stand seine „Akademische Festouvertüre“, die Brahms im Jahr 1880 in Bad Ischl schrieb, zeitgleich mit seiner „Tragischen Ouvertüre“. Das Werk entstand anlässlich der Ehrendoktorwürde, die Brahms im Jahr zuvor in Breslau erhielt.

Seine Festouvertüre ist ein Meisterstreich der Kontrapunktik und verarbeitet thematisch vier bekannte Studentenlieder. Und natürlich zeigte das großartig eingestimmte Gewandhausorchester unter Leitung von Herbert Blomstedt seine Meisterschaft an allen Pulten. Wunderbar warm der Streicherklang, dazu vorbildlich intonationssichere Bläser und das rhythmisch prägnante Schlagzeug. Letzteres hatte vor allem im beschließenden Maestoso-Teil seinen großen Auftritt. Die tiefe Verbundenheit des Klangkörpers mit dem bescheidenen, hellwachen Maestro, der von 1998 – 2005 Gewandhauskapellmeister war, war jederzeit spürbar. Dieser gestaltete die Komposition mit einer Begeisterung und Neugierde für Details, als würde er sie erstmals dirigieren. Dabei vermied er jegliche Plakativität, sondern suchte vielmehr den großen Bogen in der Phrasierung. Gleichzeitig tönte der Orchesterklang immer licht und aufgefächert.

Nach der Pause dann stand mit der D-Dur Symphonie No. 2 von Johannes Brahms eines seiner erfolgreichsten Werke auf dem Programm. Die 1877 uraufgeführte Symphonie war von Anfang an ein großer Erfolg beim Publikum. Ihr Überschwang und das Heitere waren von jeher stets Quell größter Beliebtheit. Die große Natürlichkeit und das Pastorale sind von besonderer Wirkung. Und doch ist das so dominante D-Dur keinesfalls so ungetrübt, wie es klingt. Dunkle Bläserakkorde und Paukeneinsätze geben dieser Symphonie einen besonderen Subtext, was durchaus dem Charakter des Komponisten entsprach, der zu Lebzeiten nicht mit Ironie und Sarkasmus geizte.

Herbert Blomstedt war auch hier in seinem Element. Sein überragendes Können, sein untrüglicher Sinn für Proportionen und die dynamische Ausgewogenheit wirkten beispielhaft. Seine ganze Energie gab er unermüdlich in das Orchester und achtete dabei darauf, der Symphonie eine auf Transparenz abzielende Gestalt angedeihen zu lassen. Auch im hohen Alter hat Blomstedt nichts von seiner Vitalität eingebüßt. Sein Empfinden der Musik geht beständig mit dem Puls nach vorne.

Getragen, dabei schlank im Tonfall begann die Einleitung des ersten Satzes, um dann durch harmonisch entwickelte Accelerandi hinreißend belebt zu werden. Dazu gab es manchen besonders markanten, ja scharfen Bläsereinwurf. Im einleitenden ersten Satz war es eine Wonne zu erleben, wie sauber und präzise die Hörner agierten. Ein echtes Miteinander zeigte dann die große Gruppe der Streicher, die geradezu schwerelos in leichten Wellenbewegungen das Hauptthema vorgaben. Die Celli und Kontrabässe des Gewandhausorchesters sorgten mit ihrem überaus warmen Klang für eine passende Grundierung. Die Pauke sekundierte pointiert mit harten Holzschlägeln den Rhythmus.

Wie deutlich Herbert Blomstedt der melodischen Linie verpflichtet ist, zeigte er besonders im zweiten Satz. Kantabel formulierte er die Themen in deren Verlauf aus. Die Melancholie blieb auch hier eher leicht und wirkte niemals bleiern. Auch hier war wieder der aufgefächerte, lichte Orchesterklang bestechend, der es zudem ermöglichte die chromatischen Farben klar zu vernehmen. Dann jedoch wieder die deutlichen Kontraste, etwa in der Solo-Posaune oder in den elegisch gefärbten Holzbläsern.

Reizend und unwiderstehlich in seiner Leichtigkeit dann der dritte Satz. Hier waren vornehmlich die Holzbläser stark gefordert, vor allem die Oboe. Ob solistisch oder im Zusammenspiel, es war eine Freude, der hohen Spielkultur des Gewandhausorchesters zu folgen.

Furios dann das beschließende „Allegro con spirito“, das Herbert Blomstedt sehr wörtlich nahm und somit das Orchester stets nach vorne trieb. Und vor allem die Blechbläser konnten in der mitreißenden Schlusscoda begeistern. In schmetternden Oktaven mobilisierte das Gewandhausorchester alle Reserven und so gab es eine überragende, brillante Schlusswirkung der sich keiner entziehen konnte.

Herbert Blomstedt wirkte in seiner menschlichen Güte und Klarheit so zeit- und alterslos. Wie herrlich, diesen großen Musiker in seiner unermüdlichen Begeisterungskraft zu erleben. Unter seiner Leitung atmete die Musik des großen Hanseaten Brahms eine unwiderstehliche Frische und Natürlichkeit. Wunderbar! Und das Gewandhausorchester Leipzig spielte mitreißend im harmonischen Miteinander in den Stimmgruppen. Großartige Soli durch Flöte, Oboe und vor allem im viel geforderten Solo-Horn. Dieses wunderbare Orchester ist in seinem einzigartigen Klang ein besonderes Erlebnis.

Die vielen Konzertbesucher im Gewandhaus waren sich dieses so besonderen Ereignisses bewusst und feierten einen glücklich wirkenden Herbert Blomstedt lange mit stehenden Ovationen.

Viele freudige Gesichter im sehr gut besuchten Gewandhaus.

 

Dirk Schauß,

05. Oktober 2019

 

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