DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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www.dasfestspielhaus.de

 

 

 

DER RING - DAS MUSICAL

Wiederaufnahme am 15. Oktober 2019

 

Im Oktober 2019 traf „Mythos auf Musical“, wie es das bildreiche Programmheft von Ludwigs Festspielhaus am Forggensee in Füssen formuliert. Denn man präsentierte die bereits mehrfach ausgezeichnete neue Inszenierung von „Der Ring - das Nibelungen Musical“ des ARD Fernsehpreisträgers Frank Nimsgern mit den Topstars der europäischen Musicalszene wie Jan Ammann, hier auch schon als König Ludwig II rezensiert, Chris Murray, Christopher Brose et al. Bei Nimsgern, Komponist der Produktion und auch für das Konzept verantwortlich, kann man einmal wirklich sagen, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Denn ich erlebte seinen Vater Siegmund Nimsgern des Öfteren als Wagner-Bariton, gerade auch als Wotan im „Ring“, auch in Bayreuth. Die Erstaufführung von Nimsgerns Interpretation des Kampfes der Götter mit Alberich um die Macht des Ringes fand am 16. Dezember 2007 am Theater Bonn statt. Nun kam sie also ins dafür besonders gut geeignete Festspielhaus im Allgäu, das 2015 gerade auch mit der „Ring“-Produktion aus Sofia von sich reden machte. Mehr Wagner ist hier schon für den Herbst 2020 geplant.

Rheinamazonen im Pool

Nimsgern will mit dem „Ring“-Musical eine „Story voller Ehrgeiz und Erotik, Liebe und Leidenschaft, Gier und Begierde, Himmel und Hölle, All- und Ohnmacht“ zeigen. Es ist ihm in einem musikalisch mit unkonventionelleren und bei weitem weniger eingängigen Mitteln als bei der auch in Füssen gespielten und hier besprochenen „Päpstin“ weitgehend gelungen. Bei einem Vergleich fällt jedoch auf, das bei jenem Musical viel mehr Wert auf Harmonie und Melodie gelegt wird. Beim „Ring“ überwiegt der Eindruck, dass optische und auch dramatische Effekte, ohne das saloppe Wort „Knaller“ verwenden zu wollen, im Vordergrund stehen. Das liegt sicher auch an der Inszenierung von Reinhardt Friese und der allerdings immer wieder sehr beeindruckenden und enormen dramaturgischen Raum einnehmenden Choreographie von Marvin A. Smith mit fünf Tänzerinnen, vier Tänzern und sogar einer Luftakrobatin. Marvins Choreographie wirkt allerdings öfters zu gymnastisch, es fehlt an Feinschliff und Anmut. Die szenische Einstudierung übernahm der Füssener Theaterdirektor Benjamin Sahler gemeinsam mit dem Darsteller des Siegfried, Christopher Brose, nach einer Originalinszenierung von Reinhardt Friese am Theater Hof. Sahler zeichnet auch für die Bühnenbild-Einrichtungen nach Original-Bühnenbildern von Herbert Bruckmüller verantwortlich. Das äußerst eindrucksvolle und die Handlung stark unterstützende Lichtdesign kommt von Tino Tiesler.

Alberich mit Rheinamazonen

Für den Librettisten Daniel Call ist der „Ring“ das Symbol für Verbindung und Unendlichkeit, eine in dieser Akzentuierung für die Freunde der Wagnerschein Tetralogie vielleicht nicht direkt eingängige Auffassung. Für Call ist der „Ring“, und das ist interessant und sicher zutreffend, „verbunden mit den größten Mythen der Menschheit, denn alles, was uns in Form von Worten, Klängen und Farben überliefert wurde, erzählt vom Ringen um Liebe, um Macht oder Tod. Meist von allem zugleich. Denn das sind sie - ob banal oder bedeutungsvoll in Zeilen und Lieder gegossen: Die Grundpfeiler unseres Lebens. Von Geburt an bis zum Unausweichlichen. Und … wir hoffen doch inständig, es möge die Liebe sein, die alle Kreise schließt, so zaghaft und bescheiden sie sich darstellt im Stahlgewitter des Machtgetöses. Um mehr geht es nicht im Musical „Der Ring“, aber auch nicht um weniger.“ Ein tolles Wort, wohl eine Wortschöpfung, „Stahlgewitter des Machtgetöses“. Etwas, das wir tagtäglich in den Nachrichten vernehmen, gegen das wir fast schon immun geworden sind, und das das leading team dieser Produktion sowohl musikalisch wie szenisch zu verdeutlichten suchte - und da war dann eben nicht viel Platz für wenigstens gelegentliche besinnliche musikalische Linienführung.

Siegfried und Tänzer

Dabei gibt es konzeptionell einige Änderungen zu Wagners „Ring“. Da sind statt der Rheintöchter die sicher artverwandten „Rheinamazonen“, die sich bedeutungsschwanger „Zärtlichkeit“, „Lust“ und „Schmerz“ nennen, es aber damit nicht ganz genau nehmen. Nachdem der „Ring“ bei Wotan gelandet ist, schafft Alberich, dem hier zudem noch mit dem Star Chris Murray eine viel stärkere Rolle zukommt als gewohnt, in seiner Schmiede einen Edelmenschen aus Eisen und Stahl, den jungen Siegfried. Dieser steigt, nachdem er den Ring vom Drachen gewonnen und Wotan entmachtet hat, zum Alleinherrscher der Menschheit auf. Nun versucht Wotan seine Tochter Brunhild zum Mord an ihrem geliebten Siegfried zu überreden, was auch Alberich versucht, aber Brunhild kann ihn retten und bringt nun ihrerseits ihren Vater Wotan um! Ungewohnte Kost… phantasievoll ist allerdings der Drache gestaltet, ein Ensemble aus Tänzern macht ihn zur beweglichen Gefahr - mit einem humoristischen Augenzwinkern. Die Rheinamazonen lassen sich bisweilen zu allzu albernen Aktionen hinreißen. Die Tänzer vollziehen ein engagiertes Wasserballett im Riesenpool des Festspielhauses, der einst für des Königs finalen Gang bei Berg in den Starnberger See gebaut wurde. Immerhin bekommen die Rheinamazonen am Ende von Brunhild den Ring zurück.

Drachenkampf

Jan Ammann ist ein imposanter Wotan mit respektabler großer Erscheinung und einem klangvollen Bariton, der über entsprechende Phrasierung und Ausdrucksmöglichkeit verfügt. Er ist der beste unter den Protagonisten. Chris Murray ist ein drahtiger und zäh seine Ziele verfolgender Alberich, was bisweilen etwas zu Lasten der Stimme geht, was aber mit der Boshaftigkeit der Figur durchaus zu vereinbaren ist. Er legt ein schauspielerisches Meisterstück an den Tag, mit toller Mimik und einem die Rolle klar konturierenden Ausdruck. Christopher Brose, ja auch am leading team beteiligt, spielt ebenfalls äußerst engagiert, allerdings kommt seine vokale Leistung von der Diktion her etwas zu kurz. Dem Sopran von Anke Fiedler als Brunhild fehlt es an stimmlicher Rundung, Volumen und auch an Höhensicherkeit, die gelegentlich zu scharf erklingen. Aber auch sie hat ihre Rolle bestens drauf und löst diesen Part bestens ein. Kathy Savannah Krause als „Zärtlichkeit“, Kristin Backes als „Lust“ und Stefanie Gröning als „Schmerz“, die übrigens auch die Produktionsleitung innehat, machen ihre Sache bei großen Bewegungsherausforderungen -naturgemäß auch im Swimming Pool - sehr ansprechend. Folgende Tänzerinnen und Tänzer halten das Ganze in beständigem Schwung: Ann Kathrin Wurche, Julie Martin, Marlou Düster, Stephanie Tampu, Lea-Katharina Krebs, Vera Horn, die auch die Ring-Akrobatikerin ist; Sebastian Wunder, Michael Fiech und Gregor Continanza.

Alberich in der Schmiede

Frank Nimsgern hat die musikalische Leitung der Band bestehend aus Marcel Jahn, Stefan Engelmann, Stephan Schuchardt und ihm selbst.

Damit zeigte das Team des Festspielhauses einmal mehr, wie sehr es sich mit einer Truppe von außerhalb integrieren kann. Dieses ganz bestimmt sehenswerte „Ring“- Musical wird in Füssen in diesem Jahr wieder aufgeführt werden. Es lohnt sich nicht nur für die Freunde des Wagnerschen Werks, einmal dabei zu sein. Es gibt weitere Aufführungen von Ende Juli bis Anfang August 2020.

  

Klaus Billand/3.1.2020

www.klaus-billand.com

Bilder: Michael Böhmländer / Ludwigs Festspielhaus Füssen

                                                                          

 

 

 

 

DIE PÄPSTIN

WA am 12. April 2019

 

Ein Gewinn wäre es, wenn endlich Fähigkeiten und Charakter den Wert eines Menschen ausmachen würden und nicht Abstammung oder Geschlecht (Päpstin Johanna)

 

Dies mit dem Musical Die Päpstin, welches auf dem Bestseller-Roman von Donna Woolfolk Cross beruht und von Dennis Martin komponiert wurde zu zeigen, ist dem Regisseur und Theaterdirektor in Ludwigs Festspielhaus Füssen, Benjamin Sahler, unter der musikalischen Leitung von Kristin Backes eindrucksvoll gelungen. 2011 wurde es in Fulda uraufgeführt, 110 Mal in Folge gespielt, und hat bisher etwa 73.000 Zuschauer begeistert. Gespannt wartete man nun auf die WA durch eine weitgehend als Neuinszenierung zu bezeichnende Produktion Sahlers in Ludwigs Festspielhaus, wo Die Päpstin um Ostern sieben Mal aufgeführt wurde.

Und das ist gemäß Programmheft die Geschichte des Stücks, die vielleicht nicht jedem bekannt ist: Im Jahre 814 anno Domini kommt als Tochter eines Dorfpfarrers und einer sächsischen Heidin ein Mädchen zur Welt, Johanna. Das Kind ist außergewöhnlich klug und lernt heimlich und gegen den Willen seines Vaters lesen und schreiben. Durch eine Verkettung von Zufällen bekommt Johanna die Gelegenheit, die Klosterschule in Dorstadt zu besuchen. Doch als junge Frau hat sie es dort nicht leicht. Immer größer werden die Anfeindungen von allen Seiten.

Einen grausamen Normannenüberfall überlebt Johanna als einzige. Vom Schicksal sich selbst überlassen, trifft sie eine einsame Entscheidung. Sie verlässt Dorstadt, legt ihre Frauenkleider ab, schneidet sich das Haar und gibt sich fortan als Mann aus. Aus Johanna wird Johannes Anglicus, der als Mönch ins Kloster Fulda eintritt. Es beginnt ein jahrzehntelanges Versteckspiel, das Johanna zur Gejagten macht.

Von Fulda führt ihr Weg nach Rom, ins Zentrum der Macht. Feinde bedrohen die Stadt. Und am Hofe des Papstes spinnen mächtige Gegner ihre Intrigen. Doch Johanna geht ihren Weg weiter und steigt auf zum Leibarzt des Papstes. Als ihr jedoch plötzlich und unerwartet der einzige Mann, den sie jemals geliebt hat, in Rom begegnet, muss sie sich entscheiden zwischen Liebesglück und Unabhängigkeit. Ihre schwerste Aufgabe steht ihr dann noch bevor: Als der Papst stirbt, wählt das Volk sie zu dessen Nachfolger und stellt sie vor eine fast unlösbare Aufgabe. Johanna muss ihr Geheimnis wahren. Niemand darf wissen, wer sie wirklich ist…

Schon aus diesem Inhalt wird verständlich, worum es eigentlich geht, und was die Romanautorin Cross so formuliert: Jede Frau, die einmal versucht hat, sich als Mann auszugeben, wird zwangsläufig allein, ja tief einsam sein. Immer wird sie ihr wahres Ich, ihr Inneres verbergen müssen. Das ist der bittersüße Preis, den diese Frauen zahlen. Sie opfern ihr Geschlecht, ihre Kinder, ihre Ehemänner, die Sicherheit ihres Zuhauses, um voll und ganz ihrem Geist und Wissen, ihrem Herz und ihrer Seele Ausdruck geben zu können.“ Jeanne D’Arc ist wohl das bekannteste Beispiel in dieser Hinsicht. Regisseur Benjamin Sahler hält Die Päpstin für ein emanzipiertes Stück im Kampf und Glaube, Liebe und Hoffnung, und er hat es entsprechend in Szene gesetzt.

Im Bühnenbild von Andreas Arneth und mit der Choreografie von Stefanie Gröning sowie der Co-Choreografie von Vera Horn kommt das Stück in einer unglaublich packenden, optisch aufregenden und alle Facetten der komplexen Geschichte auslotenden Fassung auf die Riesenbühne von Ludwigs Festspielhaus. Mit einer detailliert ausgearbeiteten Personenregie findet Sahler zunächst starke, aber ruhige Momente, um die innere Zerrissenheit Johannas zu zeigen und wie sie erkennt, dass sie falsch in der sie umgebenden, völlig frauenfeindlichen Welt ist. Brachial wird der Vater (Christoper Brose) gezeigt, aber auch die exaltierte Mutter (Stefanie Kock) kommt kaum besser weg. Von Beginn an vermag die auf dieser Bühne schon als Sisi reüssierende Anna Hofbauer als unglaublich wandlungsfähige Darstellerin der Johanna das Publikum zu verzaubern. Man nimmt ihr jede noch so kleine Regung und Erregung im Hinblick auf das Geschehen um sie herum ab, die am Ende in ihrer großartig gemimten Tragik als Verzichtende auf die Liebe zugunsten ihres vermeintlichen Gewinns ultimativer Unabhängigkeit durch die schicksalhafte Ernennung zum Papst gipfeln. Ihr Lied Ich bin allein… wird zu einem musikalischen und emotionalen Höhepunkt des Abends. Hinzu kommt Hofbauers gutes Aussehen, ihre schöne Stimme mit guter Phasierung und exzellenter Diktion – ein wahrer Volltreffer für diese spannende Rolle! Leider wird sie die Johanna in Füssen nicht weiter verkörpern, aber andernorts weiter in der Rolle zu erleben sein.

Jan Ammann als Gerold, der hier auch schon König Ludwig II in der Neuinszenierung Ludwig 2 von Benjamin Sahler gespielt hat, ist ihr absolut ebenbürtig in Spiel und Stimme. Die beiden wären ein ganz tolles Paar im Leben, wenn da nicht der unbesiegbare Wille Johannas zu einem völlig selbst gestalteten Leben wäre. Frank Bahrenberg spielt einen Respekt gebietenden und stimmlich eindrucksvollen Aeskulapius, mit samtenem Bass, der dritte im Bunde der ausgezeichneten ersten Protagonisten.

Jens Rainer Kalkmann gibt eine erschütternde Rollenstudie des völlig verkommenen und den allzu weltlichen Genüssen verschriebenen Papstes Sergius, bei dessen Tod man regelrecht aufatmet. Dennis Henschel ist ein guter Anastasius, Alexander Kerbst spielt Aurelius, Kevin Tate Rabanus, Manuel Scherer Lothar, Raffaele Bonazza Ratgar, die Choreografin Stefanie Gröning Richild, Alva Kist die Kleine Johanna und Noah von Rom den Kleinen Johannes. Marlow Düster & die Co-Choreografin Vera Horn agieren interessant als die beiden Raben. Diese tauchen wie Hugin und Munin bei Wotan in Richard Wagners Ring immer wieder in schicksalhaften Momenten auf und beleben enorm die Szenerie durch fantasievolle Bewegungen großer Flügel. Sie bringen sogar Johannas bösen Vater um!

Der Musical-Charakter des Stücks kommt jedoch ganz entscheidend durch die großartige und vielseitige Choreografie der Tänzer zum Ausdruck, die mit fantasievollen Formationen und dynamischer Prägnanz immer wieder Zwischenszenen gestalten, die nicht unbedingt zum Transport der eigentlichen Geschichte beitragen, aber für auflockernde Unterhaltung sorgen. Hinzu kommt ihre effektvolle Beleuchtung durch 16 grelle Punktstrahler aus dem Schnürboden mit den entsprechenden, vielfach variierenden Lichtsäulen im Raum. Das wirkte alles wie aus einem Guss.

Das Musical Die Päpstin ist in dieser Inszenierung in Füssen ein Plädoyer für Freiheit und Gerechtigkeit. Wem an diesem Thema liegt und was Frauen dabei geschehen kann, der möge es sich in Stuttgart ansehen, wo es im Theaterhaus vom 10. August bis 1. September 2019 laufen wird, oder im Theater Hameln, das es vom 13. bis zum 29. Dezember 2019 zeigen wird. Aber Die Päpstin wird auch wieder nach Füssen kommen.            

 

Klaus Billand 7.7.2019

 

 

Ludwig²

Besuchte Aufführung: 17.08.2016

(Premiere: 11.08.2016)

Der König kommt zurück

Als Resultat des erfolgreichsten Crowdfunding-Projektes in der europäischen Musik- und Theatergeschichte, so die Angaben des Veranstalters, konnte das Musical „Ludwig²“ von Konstatin Wecker, Nic Raine, Christopher Franke (Musik) und Rolf Rettenberg (Buch und Liedtexte) vor Kurzem erneut seine Premiere im wunderschönen Füssener Festspielhaus feiern. Bereits im Jahr 2005 feierte dieses Werk an diesem Ort seine Welturaufführung und konnte in knapp zwei Jahren Laufzeit über 350.000 Zuschauer zählen. Im vergangenen Jahr wurden nun über besagtes Crowdfunding über 800 finanzielle Unterstützer gefunden, die mit insgesamt 165.000 Euro den Grundstein in der Finanzierungsphase für diese Neuauflage legen konnten. So ging und geht der Traum vieler Menschen in Erfüllung, dieses Werk mit der wunderbaren Musik noch einmal in der traumhaften Kulisse direkt am Forggensee mit Schlossblick erleben zu dürfen.

Da die Original-Bühnenbilder aus 2005 von Gerd Friedrich und Michael Curry noch komplett erhalten sind, kann Regisseur Benjamin Sahler hierauf zurück greifen und hiermit eine gelungene Version auf die Bühne bringen, die sich in weiten Teilen an die Aufführungen aus dem Jahr 2011 in Kempen orientiert und die Geschichte chronologisch erzählt. Im Mittelpunkt steht hierbei der Traum des Königs von einer besseren Welt ohne Kriege, wobei insbesondere die Musik und die Kunst die Menschen zu einem friedvollen Miteinander animieren sollen. Hierbei wird auch seine Seelenverwandtschaft mit Elisabeth, Kaiserin von Österreich, stark in den Mittelpunkt des ersten Aktes gestellt. Doch die Waffenlobby ist stark und der Krieg mit Frankreich unausweichlich. Nachdem Ludwigs Bruder Otto nach seinem Kriegseinsatz stark traumatisiert in die Anstalt von Dr. Gudden gebracht wird, flüchtet sich der König von den Schrecken der realen Welt in seine Träume und die Baupläne seiner Schlösser nehmen Gestalt an. Doch seine Gegner bleiben rücksichtslos und lassen den König schließlich unter Mithilfe von Dr. Gudden nach Schloss Berg „abführen“. Auch wenn die genauen Umstände bis heute historisch nicht gänzlich geklärt werden konnten, für die Macher des Musicals ist eins klar: Der König wurde ermordet.

Wie bereits 2011 schlüpft Matthias Stockinger erneut in die Rolle des König Ludwig, der eine wahre Glanzleistung ablegt. Sehr genau bringt der die verschiedenen Stufen in Ludwigs Leben auf die Bühne. Ganz stark gespielt, die Unsicherheit bei seiner Krönung oder die verzweifelte Wut bei seiner Abschiebung nach der Übernahme der Amtsgeschäfte durch Prinzregent Luitpold. Auch gesanglich eine perfekte Besetzung, sein „Kalte Sterne“ sorgt für große Gänsehautmomente und vereinzelt Tränen bei den Zuschauern. Bleibend in Erinnerung bleibt auch das Bruder-Duett „Wann kommst du wieder?“ mit Julian Wejwar in der Rolle des Prinz Otto, der hier nicht nur ganz stark singt sondern auch eindrucksvoll zeigt, welche traumatischen Schrecken der Krieg mit sich bringt. Einen kleinen Heimvorteil hat die gebürtige Allgäuerin Anna Hofbauer in der Rolle der Kaiserin Elisabeth, die vor allem bei ihrem Solo „Rosen ohne Dornen“ überzeugen kann, in den Duetten dagegen leider etwas blass bleibt. Gleiches gilt auch für Oedo Kuypers in der Rolle des Graf Dürckheim, dessen Stimme zwar sehr schön aber für diese Rolle etwas zu dünn klingt. Alles andere als dünn dagegen die Stimmgewalt von Suzan Zeichner in der Rolle des Kindermädchens Sybille Meilhaus. Dr. Gudden wurde in der besuchten Vorstellung von Alexander Kerbst übernommen (Erstbesetzung: Uwe Kröger), eine Rolle die er souverän ausfüllt, allerdings ohne einen so bleibenden Eindruck zu hinterlassen, wie in seiner eigentlichen Rolle als Freiherr von Lutz. Durch diesen Wechsel übernahm André Bauer den Freiherr von Lutz, auch hier wie beim gesamten Ensemble eine sehr sehens- und hörenswerte Leistung. Allgemein ist die starke Besetzung ein großer Pluspunkt dieser Produktio. Erwähnswert hier auch noch Harald Tauber als Graf Rettenberg, der durch eine große Ausstrahlung auf der Bühne in Erinnerung bleibt.

Die vielleicht etwas undankbare Rolle des Schattenmann, die lediglich aus der „Schattenarie“ besteht, wurde von Sven Fliege übernommen. Großen Applaus bekam auch Colin Götz, einer von 9 Jungen die sich die Rolle des jungen König Ludwig teilen. Auch der Chor weiß zu gefallen und dank weiterer passender Besetzungen in allen anderen Rollen wird u. a. auch die Nummer „König Technik“ zu einer amüsanten und keinesfalls peinlichen Nummer zur Aufheiterung zwischendurch. Gerade diese Szene ist auch ein gelungenes Beispiel für die schöne Choreographie von Till Nau und Stephanie Gröning. Letztere überzeugt auch mit ihrem „Schwanentanz“ im See.

Trotz einiger dramaturgischer Schwächen insbesondere im ersten Akt kann das Stück vor allem durch den sehr starken zweiten Akt überzeugen. Ziehen sich die ersten 20 Minuten noch sehr in die Länge kann erst der Krönungschor „das Eis brechen“. Die anschließende Thronrede ist ein gelungener Aufruf für mehr Menschlichkeit in einer kriegerischer Welt, die man sich auch heute noch in dieser Form von einem Staatsoberhaupt wünschen könnte und ein sehr emotionaler Moment im Musical. Stark auch am Ende des ersten Aktes, eine Szene wo Ludwig2 durch sein jüngeres Ebenbild aus Kindertagen daran erinnert wird, dass von seinen alten Träumen und Zielen derzeit nicht viel übrig geblieben ist. Hierbei wird durch Licht, Laser und Nebel eine Art Zeittunnel geschaffen, durch den der junge Ludwig auf den erwachsen Ludwig zuschreitet. Zu Beginn des zweiten Aktes werden durch den Einsatz von Lichteffekten die Kriegsschrecken bildlich stark auf die Bühne gebracht. Allgemein sind Licht- und Lasereffekte ein elementarer Bestandteil dieser Inszenierung. Besonders beeindruckend ist allerdings auch die Bühnentechnik, bietet das Festspielhaus in Füssen immerhin eine der größten Drehbühnen in Europa mit einem großen versenkbaren Wasserbassin, welches mehrfach sehr schön eingesetzt wird.

Auf Grund der kurzen dreiwöchigen Spielzeit entschied sich der Veranstalter aus Kostengründen auf ein Liveorchester zu verzichten und statt dessen ein wenn auch qualitativ sehr gutes Playback zu verwenden. Dies war allerdings bereits bei den bisherigen Aufführungen des Werkes weitestgehend ebenfalls der Fall. Der Blick in der Pause oder nach der Vorstellung über den nächtlichen See zum beleuchteten Neuschwanstein sorgt hier für den positiven Ausgleich für die Sinne. Da vor kurzem ein erneuter Insolvenzantrag für das Festspielhaus gestellt wurde, bleibt abschließend zu hoffen, dass einem der schönsten Theaterbauten in Deutschland auch weiterhin eine positive Zukunft bestimmt sein möge.

Markus Lamers, 21.08.2016
Fotos © BIG Dimension GmbH

 

SIEGFRIED und GÖTTERDÄMMERUNG

15.-17.9.2015

Wunsch nach Wiederholung…

erweiterte und ergänzende Kritik von Klaus Billand

Nach einer „Walküre“, die das Publikum zu begeistertem Applaus insbesondere für die herausragenden Leistungen von Martin Tsonev als Wotan und Yordanka Derilova als Brünnhilde motivierte, begann der „Siegfried“ mit einem von Regisseur Plamen Kartaloff immer wieder eingesetzten dramaturgischen Stilmittel – er zeigt die Vorgeschichte, bevor die eigentliche Handlung beginnt. So sehen wir Mime, wie er das Siegfried-Baby von der gebärenden und unmittelbar nach der Entbindung sterbenden Sieglinde übernimmt und wie der immer jugendlicher werdende Jung-Siegfried (insgesamt drei junge Statisten) über die Bühne hetzt. Erst dann beginnt Mime vergeblich und genervt das Schwert zu schmieden. Krasimir Dinev spielt den Zwerg mit nickeligen Bewegungen, ganz so wie Wagner es wollte, und ist auch stimmlich mit seinem Charaktertenor überzeugend. Kostadin Andreev gestaltet den Siegried mit viel Empathie, immer wieder mit menschlichen Zügen, und brilliert mit einem kräftigen Heldentenor, der jedoch noch eines Feinschliffes bedarf. Sein Deutsch hat sich seit seinem Siegfried 2013 erheblich verbessert. Viel Emotion legt er in seinen Gesang zum Waldweben - er wird in diesem „Siegfried“ sofort zum Sympathieträger.

Das Bühnenbild von Nikolay Panayotov besteht diesmal im Wesentlichen aus dem in zwei Hälften geteilten Ring. Die beiden Stücke werden über den Abend immer wieder zu neuen Konstellationen verschoben, sodass der Vorhang nie fallen muss. Nebeneinander stehend, stellen sie zunächst Mimes Schmiede dar. Das Zusammenspiel zwischen ihm und Siegfried ist äußerst intensiv und verlangt von Krasimir Dinev einmal, von Siegfried auf den Boden gezerrt und auf dem Rücken liegend gezogen zu singen… Intensiv wird vor allem aufgrund des wohlklingend sonoren Bassbaritons von Nikolay Petrov als Wanderer die Wissenswette. Er meistert die Partie bis zum Schluss im 3. Aufzug auch in den Höhen bestens, wirkte allerdings in seiner Darstellung gegenüber Tsonev an den beiden Abenden zuvor etwas zu behäbig.

Im zweiten Aufzug sehen wir einen aus einem Aluminiumgerüst eindrucksvoll nachgebildeten Wald. Alberich lauert im Geflecht auf den Fortgang der Ereignisse. Biser Georgiev kann zwar durch eine intensive Charakterstudie beeindrucken, singt bei begrenzter Klangbildung in der Höhe und nicht allzu großer Tiefe den Nibelungenfürst aber nicht ganz ausgewogen. Die mit viel Wohlklang und beeindruckenden Spitzentönen zwitschernde Milena Gyurova singt den auf einem Schaukelbrett in der Höhe des Hintergrundes den herein schwebenden Waldvogel. Sie wurde zu einem Erlebnis für Auge und Ohr. Der Drachenkampf findet wieder in dem nun fast vertikal gestellten Ring statt. Nicht nur hier vermag das Multimedia-Design von Georgi Hristov und Vera Petrova subtile und fantasievolle Effekte zu erzielen. Angel Hristov, auch Hunding und Hagen in diesem „Ring“, verkörpert den Wurm mit seinem eher hellen and voluminösen Bass eindrucksvoll. Nachdem der Wanderer im 3. Aufzug noch eine letzte Vereinigung mit Erda vollzieht – Blagovesta Mekki-Tsvetkova singt die Urmutter mit einem etwas verquollenen und wenig verständlichen Mezzosopran – gibt es ein intensiv gespieltes Finale mit Siegfried und Brünnhilde. Radostina Nikolaeva singt die Wotanstochter mit einem flexiblen, leuchtenden Sopran, mit dem sie im Februar auch schon die Isolde in Sofia meisterte. Ihr Spiel wirkt jedoch gegenüber der darstellerischen Kunst von Kostadin Andreev etwas zu verhalten.

Die „Götterdämmerung“ beginnt mit einer im Dunkel und viel Bewegung gestalteten Nornenszene als Prolog. Klar und klangvoll singen Ina Pertova und Lyubov Metodieva die Zweite und Dritte Norn, während Tsveta Sarambelieva mit der Ersten Norn und später mit der Waltraute aufgrund ihres verhältnismäßig unstabilen und ungeschmeidigen Mezzos stimmlich zu wünschen übrig lässt. Ein erster Höhepunkt ist das Vorspiel mit Martin Iliev als Siegfried und Yordanka Derilova als Brünnhilde. Beide sind wieder in Hochform und können an ihre großartigen Leistungen als Siegmund und Brünnhilde in der Walküre anknüpfen. Kartaloff bedient sich hier eines großen Tuches, um die Gemeinschaft der beiden auch optisch besser darzustellen. Auf der Mandorla reitet Siegfried sodann zu neuen Taten, begleitet von der Rheinfahrt aus dem Graben – optisch eine beeindruckende Umsetzung der Musik in szenische Entsprechung.

Gunther hat nichts anderes zu tun als mit diversen Fernrohren ins All zu schauen, anstatt sich um seine eigenen Probleme zu kümmern, die ihm Hagen sogleich vor Augen führt. Der junge Atanas Mladenov ist mit seinem kultivierten und technisch bestens geführten Bariton ein sehr guter Gunther, und auch Tsvetana Bandalovska, die Sieglinde dieses „Ring“, kann darstellerisch, optisch sowie stimmlich überzeugen. Biser Georgiev ist als Alberich immer wieder zusehen, wenn es um den Ring geht – ein interessanter Einfall des Regisseurs, auch um eine Klammer um die vier Abende zu schaffen. Angel Hristov ist ein in der Tat finsterer Hagen und bleibt der Rolle mit seinem klar verständlichen und in allen Lagen ansprechenden Bass nichts schuldig. Ein paar Textaussetzer, die auch immer mal den anderen Protagonisten passieren, sollte man verzeihen können. Man muss bedenken, dass alle ihre jeweiligen Rollen in diesem Ring seit 2010-13 zum ersten Mal verkörpern. Festspielreif singen die drei Rheintöchter im 3. Aufzug. Irina Zhekova als Woglinde, Silvia Teneva als Wellgunde und Elena Marinova als Flosshilde, dürfen dabei auch wieder auf ihren Tramponlinen springen. Sie machen es mit viel Fantasie und äußerst graziös. Der etwas zu weit hinten stehende Chor ist stimmstark und folgt durch seine Bewegungen mit einer Art hochgehaltenen dunklen Fledermäusen intensiv der Handlung.

Nach einem fulminanten Schlussgesang der Yordanka Derilova fährt sie mit Grane in das Feuer der fiktiven Gibichungenhalle. Daraufhin sieht man die Götter noch einmal herankommen, Wotan mit den Speeresstücken, und sie verschwinden beim Anblick des spektakulär in die Luft gehenden Walhalls mit den beiden Ring-Teilen im Off. Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt ein Lichtkegel, der wirkungsvoll zum Mutterliebe-Motiv der Sieglinde auf die völlig leere Bühne fällt. Das Spiel kann von Neuem beginnen…

Frenetischen Applaus bekam wieder die alle anderen überstrahlende Yordanka Derilova als Brünnhilde, die in der Tat sängerisch wie darstellerisch eine international beachtliche Leistung bot. Aber auch Martin Iliev und Tsvetana Bandalovska bekamen wieder starken Applaus. Erich Wächter hatte unter den gegebenen, nicht gerade idealen Bedingenden eines für ein Musical-Theater gebauten Grabens mit dem Orchester der Nationaloper Sofia ein gutes klangliches Ergebnis erzielt. Eindrucksvoll gelangen Wächter u.a. die großen Orchesterzwischenspiele in diesen „Ring“. Auch er bekam mit dem ganzen Orchester auf der Bühne starken Applaus.

Nachdem es während des 1. Aufzugs der „Götterdämmerung“ geregnet hatte, nach Sonnenschein noch am Morgen, erleuchtete in der einstündigen ersten Pause just über dem Schloss Neuschwanstein gegenüber des Forggensees ein farbintensiver Regenbogen, der die im Garten vor dem Festspielhaus stehenden Zuschauer zu großer Bewunderung hinriss. Er entsprach im übrigen genau dem Design auf dem Programm-Cover und den Postern von Gudrun Geiblinger, die vom Schloss Neuschwanstein einen goldgelben Bogen zum Festspielhaus zog, assoziativ zum Ring… Es sah so aus, als würde der "Märchenkönig" Ludwig II. vom Schloss aus mit dieser Wettererscheinung dem gewagten und schließlich gelungenen Unternehmen, den „Ring“ von Sofia nach Füssen zu bringen, seine Bewunderung zollen. Und der „Kini“ wäre sicher mit der Aufführung zufrieden gewesen.

Am Rande der Aufführung hörte man Stimmen im Publikum, die regelrecht bedauerten, dass diese „Ring“-Woche nun zu Ende sei und man doch daran denken solle, den „Ring“ aus Sofia 2016 erneut zu zeigen. Schon jetzt wurde mit einer etwa 70-prozentigen Auslastung eine beachtliche Antwort auf ein solches in dieser Region nicht gerade zu erwartendes Wagner-Festival erzielt. Im Gegensatz zu den zyklischen „Ring“-Aufführungen in Sofia von 2013 bis 2015, bei denen die Richard Wagner Verbände aus allen Kontinenten der Opernwelt zugegen waren, blieben diese in Füssen unverständlicherweise weitgehend aus. Mit den vielen „Botschaftern“, die nun über entsprechende Mundpropaganda werbend aktiv werden könnten, wäre bei einer Wiederaufnahme wohl ein noch höherer Publikumsandrang zu erwarten. Mit anderen Wagner-Werken, die alternativ gespielt werden könnten, entwickelte sich dann vielleicht so etwas wie ein „Allgäuer Bayreuth“. Interesse an einer Fortführung besteht bereits bei der Stadt Füssen und der Nationaloper sowie beim Kultusminister in Sofia. Die Zuständigen sollten sich jedenfalls darüber weitere Gedanken machen, wie auch über einen Umbau des derzeit zu begrenzten Orchestergrabens. In dieser vom wichtigsten Förderer Richard Wagners gekennzeichneten Region könnte die Weiterführung des Wagner-Festivals bzw. Opernfestivals eine interessante Option darstellen, zumal auch das touristische Potenzial hier mit weltbekannten Sehenswürdigkeiten aufwartet. Mal sehen „…wie das wird“…!                                                                                                                                     

Klaus Billand  6. Oktober 2015

Copyright: Svetoslav Nikolov

 

 

DIE GÖTTERDÄMMERUNG

17.9.15

Das Gastspiel aus Sofia ist zu Ende. Kurzbericht

(brandaktueller Kurzbericht aus Füssen)

Am Donnerstagabend ging das Gastspiel der Nationaloper Sofia mit ihrer sehenswerten „Ring“-Produktion von Plamen Kartaloff im Festspielhaus Füssen mit einer fulminanten „Götterdämmerung“ zu Ende. Das zum Teil von weither angereiste Wagnerpublikum, aber auch die Allgäuer, welche in großer Zahl den „Ring“ zum ersten Mal überhaupt erlebten, waren begeistert von der Produktion sowie den sängerischen und musikalischen Leistungen des Orchesters unter Erich Wächter. Und nachdem es während des 1. Aufzugs der „Götterdämmerung“ geregnet hatte, nach Sonnenschein noch am Morgen, erleuchtete in der einstündigen ersten Pause just über dem Schloss Neuschwanstein gegenüber des Forggensees ein farbintensiver Regenbogen, der die im Garten vor dem Festspielhaus stehenden Zuschauer zu großer Bewunderung hinriss. Es sah so aus, als würde der „Märchenkönig“ Ludwig II. vom Schloss aus mit dieser Wettererscheinung dem gewagten und schließlich voll gelungenen Unternehmen seine Bewunderung zum Ausdruck bringen. Und der „Kini“ wäre sicher mit der Aufführung zufrieden gewesen.

Die sehr lebendige und aus der Partitur heraus entwickelte Produktion von Plamen Kartaloff in den Bühnenbildern und Kostümen von Nikolay Panayotov und dem fantasievollen und farbintensiven Multimedia Design von Georgi Hristov wirkte wie in Sofia äußerst lebendig und unterhaltsam. Frenetischen Applaus bekam die alle anderen überstrahlende Yordanka Derilova als Brünnhilde, die in der Tat sängerisch wie darstellerisch eine international beachtliche Leistung bot. Aber auch Martin Iliev als Siegfried und Tsvetana Bandalovska als Sieglinde bekamen starken Applaus. Erich Wächter hatte unter den gegebenen Bedingenden eines für ein Musical-Theater gebauten Grabens mit dem Orchester der Nationaloper Sofia ein gutes klangliches Ergebnis erzielt. Auch er bekam mit dem ganzen Orchester auf der Bühne starken Applaus.

Am Rande der Aufführung hörte man Stimmen im Publikum, die regelrecht bedauerten, dass diese „Ring“-Woche nun schon wieder zu Ende sei und man doch daran denken solle, den „Ring“ aus Sofia 2016 erneut zu zeigen. Bei schon jetzt mit einer etwa 70prozentigen Auslastung beachtlichen Antwort auf ein solches in dieser Region nicht gerade zu erwartendes Wagner-Festival wäre mit den vielen „Botschaftern“, die nun über entsprechende Mundpropaganda werbend aktiv werden könnten, ein wohl noch höherer Publikumsandrang zu erwarten. Mit anderen Wagner-Werken, die zusätzlich gespielt werden könnten, entwickelte sich dann vielleicht so etwas wie eine „Allgäuer Bayreuth“. Die Zuständigen sollten sich jedenfalls darüber Gedanken machen, wie auch über einen Umbau des derzeit zu begrenzten Orchestergrabens. In dieser vom wichtigsten Förderer Richard Wagners gekennzeichneten Region könnte die Weiterführung des Wagner-Festivals eine interessante Option darstellen, zumal auch das touristische Potenzial hier mit weltbekannten Sehenswürdigkeiten aufwartet. Mal sehen „…wie das wird“…!

(Detailliertere Rezension von „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ wird folgen).

Klaus Billand 19.9.15

Copyright: Svetoslav Nikolov

 

 

DAS RHEINGOLD

DIE WALKÜRE

Gastspiel der Nationaloper Sofia am 12.-13. September 2015

Der Hort ging auf…!

Das könnte man bereits nach der Mitte des Gastspiels der Nationaloper Sofia mit ihrer Produktion der Wagnerschen Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“, dem viertägigen opus magnum des Bayreuther Meisters, im Festspielhaus Füssen am schönen Forggensee sagen. Denn die ersten beiden Abende, „Das Rheingold“ und „Die Walküre“, zeugten auch im Allgäu wie schon in Sofia seit ihrer Entstehung von 2010/11 von einer fantasievollen und dramaturgischen Qualität, die der Regisseur und Generaldirektor der Sofioter Oper, Prof. Plamen Kartaloff, Mitglied der bulgarischen Akademie der Wissenschaften, mit einem sog. Story Board direkt aus der Partitur heraus entwickelte.

Kartaloff ist als Visionär dieses großen Projekts, dem ersten „Ring“ auf dem Balkan überhaupt, aber nicht nur für die Inszenierung verantwortlich. In einer schier unglaublichen Zeit von nur einem Jahr Vorbereitung stellte er mit seinem kompetenten Team diese Produktion auf die Bühne des Füssener Festspielhauses, welches ursprünglich für das König Ludwig Festival gebaut wurde, nach dem Vorbild des Bayreuther Festspielhauses und den Entwürfen von Gottfried Semper für das einmal geplante Wagner-Festspielhaus am Münchner Isarufer. Neben dem Finden von über 30 Sponsoren in Bulgarien und Deutschland stellte das Projekt enorme logistische Anforderungen, auch für die Sofioter Oper, die auf viele Tourneen gegangen ist und allein schon sechs Mal in Japan war. Sechs große Container-LKWs für die Bühnenbilder, Kostüme und technisches Gerät, sieben Busse für etwa 220 Personen, bestehend auf 75 Musikern, 34 Sängern, 37 Choristen, 17 Tänzern, 50 Technikern und dem Management mit 7 Personen mussten über fast 2.000 km nach Füssen transportiert werden. Und auf dem Weg zeigte man beim Slowenischen Opernfestival in Ljubljana gewissermaßen en route auch noch die neueste Wagner-Produktion aus dem vergangenen Februar „Tristan uns Isolde“, übrigens mit großem Erfolg.

In Füssen angekommen, musste jedes Team in einem anderen Hotel untergebracht werden, sieben an der Zahl. Mit 15.000 Einwohnern verfügt Füssen klarerweise über keine großen Hotels. Dafür ist es die deutsche Wiege des Lautenbaues und auch seit langem eine bedeutende Stadt im Geigenbau. Dann waren aufgrund des knappen Zeitfensters im Festspielhaus von nur zwei Wochen ab dem 6. September - am 5. September lief dort noch die alljährliche König Ludwig Gala zum Geburtstag des Märchenkönigs - nur sechs Tage zu Proben und Gewöhnung des Teams an die ihm unbekannte Bühne zur Verfügung - es reichte im Prinzip gerade einmal für die vier Generalproben und einen freien Tag! Hinzu kommt, dass man für die Nibelungen und für die Rheintöchter-Doubles Kinder und drei junge Damen aus Füssen engagierte, die auch noch eingewiesen werden mussten.

So ist es ein kleines Wunder, vielleicht auch ein großes, dass dieser Sofioter „Ring“ pünktlich und mit beeindruckenden Leistungen am Forggensee beginnen konnte, Gott sei dank bei „Kaiserwetter“. Die Spannung war natürlich groß. Alle Wagnerverbände waren angeschrieben worden, und eine Reihe von Delegationen fand sich zum „Ring“ ein, auch aus Übersee. Zur Premiere des „Rheingold“ erschien auch einige Politpominenz aus Bulgarien und Bayern. Wieder können der große und im wesentlichen aus zwei bühnenbreiten Hälften bestehende und damit beliebig variationsfähige und begehbare Ring, sieben kegelförmige Konusse in verschiedenen Größen, und eine Art Mandorla bei der Dramaturgie Kartaloffs überzeugen. Es sind minimalistische Elemente, geschaffen vom Bühnenbildner Nikolay Payanotov, der auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, reduziert auf wesentliche symbolische Bedeutungen, die aber eine Vielzahl von Inhalten, Visionen und Assoziationen ermöglichen. Kartaloff setzt sie in ständiger Variation dramaturgisch ein, wobei das Multimedia Design von Vera Petrova und Georgi Hristov sowie die exzellente Lichtregie von Andrej Hajdinjak und Emil Dinkov eine ganz entscheidende Rolle spielen.

So symbolisieren die sieben Konusse immer wieder die Zinnen von Walhall, sie erhellen das Rheingold oder symbolisieren in der Walküre die Köpfe der Luftrosse, auf denen die Walküren in einem umwerfend lebendigen und stimmungsintensiv gestalteten Walkürenritt reiten, der sogar Szenenapplaus provozierte - bei Wagner eher eine Seltenheit. Dabei hilft eine beachtliche Bühnenhydraulik, die Bild- und Szenenwechsel - leider nicht immer ganz geräuschfrei - in wenigen Augenblicken ermöglicht, ohne dass sich der Vorhang schließen muss. Auch so werden ständig Spannung und Dynamik aufrecht erhalten, ebenso wie durch eine ausgefeilte Personenregie. Mit den fantasievollen, bisweilen an fantastischen Realismus bis Pop-Art erinnernden Figurinen Payanotovs und dem facettenreichen Multimedia-Design gelingen ein „Rheingold“ und eine „Walküre“ mit großem Unterhaltungswert, der dennoch sowohl Anfängern wie Kennern der Tetralogie die von Wagner beabsichtigte Aussage bzw. Kapitalismuskritik nahebringt.

Auch die Sängerriege, von Richard Trimborn seit Jahren auf gutes Deutsch trainiert, konnte weitgehend überzeugen, und einige von den Protagonisten brachten international bemerkenswerte Leistungen. Es beginnt schon mit den drei festspielreif singenden, Trampolin springenden und damit waghalsig agierenden Rheintöchtern Milena Gyurova (Woglinde), Silvia Teneva (Wellgunde) und Elena Marinova (Flosshilde). Ihr Verführungsspiel mit Alberich gelingt zu einem bewegten und fantasievollen Höhepunkt des „Rheingold“. Martin Tsonev singt und spielt nun einen noch engagierteren und stimmlich beeindruckenderen Wotan als 2013 in Sofia. Er verfügt über einen gut geführten Bassbariton mit exzellenter Höhe und ausreichender Tiefe sowie einem sehr guten Deutsch, welches er mit großer Wortdeutlichkeit zu vermitteln weiß. Das Finale der „Walküre“ mit der in Dessau engagierten Jordanka Derilova gestaltet er auch emotional mit großer Intensität in Mimik und Ausdruck, sodass der dritte Aufzug der „Walküre“ der Höhepunkt der bisherigen Abende wurde. Jordanka Derilova, die erst im Juni alle drei Brünnhilden in Dessau gesungen hatte, ist weiterhin unter die ersten ihres Fachs einzureihen. Mit welcher stimmlichen Intensität sie die Höhen und langen Bögen der Partie meistert und dabei auch darstellerisch gestaltet, ist äußerst beeindruckend. Hinzu kommt ein gutes und jugendliches Aussehen, sodass man ihr die „reisige Maid“ auch optisch sofort abnimmt. Sowohl Tsonev als auch Derilova könnten diese Rollen auf größeren bis großen Bühnen in Europa ohne Bedenken singen. Eigentlich muss man sich fragen, warum das nicht längst geschieht...

Große Emotionalität kann das Wälsungenpaar vermitteln. Martin Iliev singt einen stimmlich sicheren und in der Höhe ebenfalls voll überzeugenden Siegmund, mit einem baritonal gefärbten, stets ein wenig melancholisch klingenden und damit zur Rolle passenden Tenor. Erst im Februar hatte er einen guten Tristan in Sofia gesungen und wird in Füssen auch der Siegfried der „Götterdämmerung“ sein. Seine Partnerin Tsvetana Bandalovska ist mit einem für die Rolle vielleicht etwas leichten aber dennoch stimmlich und noch mehr durch ihre emphatische Gestaltung gute Sieglinde. Eine ganz ausgezeichnete stimmliche und darstellerische Listung bietet Daniel Ostretsov als Loge, der auf einem Surfbrett hereinschwebt und schon damit seine de facto Nichtzugehörigkeit zu dem „übel trauenden Tross“ bekundet. Er zieht die Strippen im „Rheingold“ effektvoll und stets souverän. Alexander Nosikov singt den Fasolt mit einem klangvollen tiefensicheren Bass, ebenso wie Angel Hristov einen starken Hunding mit beängstigendem Zombi-Outfit. Giorgi Kirof fällt als Fafner gegenüber Nosikov stimmlich etwas ab, vermittelt aber den düsteren Charakter der Rolle sehr gut. Plamen Papazikov ist einen starker, gequälter Mime und Silvana Pravcheva eine stimmlich sichere, exaltierte Freia. Hrisimir Damyanov singt den Froh mit einem hellen lyrischen Tenor etwas unscheinbar. Svetozar Rangelov führt als Donner die Reinigung der Lüfte mit guter Stimme herbei.

Biser Georgiev spielt einen unglaublich intensiv agierenden und präsenten Alberich, dessen Stimmer aber nicht immer stabil ist und der zu oft zum Outrieren neigt. Hier wäre etwas weniger und eine besseres Singen auf Linie mehr. Dennoch kann er bei einigen Szenen, wie dem Fluch, überzeugen. Wenn Rumyana Petrova im „Rheingold“ als Fricka noch relativ gut bei Stimme war, so ist ihr etwas verquollener Mezzo in der „Walküre“ doch einer überzeugenden Rollengestaltung im Wege. Hier fehlt es auch an Stimmkultur. Ebenso klingt der Mezzo von Blagovesta Mekki-Tsvetkova verquollen und allzu guttural, um als Erda einen wirklichen - und den notwendigen - Eindruck zu machen. Das Walküren-Oktett singt bis auf zwei Ausnahmen mit kräftigen Stimmen und ist im Chor sehr druchschlagskräftig. Dafür gab es eben auch Szenenapplaus.

Das Festspielhaus in Füssen ist für das König Ludwig Festival konzipiert worden. Daher wurde hier kein großer Orchstergraben eingebaut, und die Öffnung des ohnehin recht begrenzten Grabens ist auch unverhältnismässig schmal. Umso mehr ist es dem u.a. auch in Sachen Wagner sehr erfahrenden Dirigenten Erich Wächter hoch anzurechnen, was er aus den immerhin etwa 75 in diesem Graben engst beieinander sitzenden Musikern an Klangfülle und Präzision heraus holt. Das wurde insbesondere in der „Walküre“ evident. Durch die wie in Bayreuth muschelartige Abdeckung des Orchestergrabens, durch die konsequenterweise der Klang erst auf die Bühne geht und dann in guter Balance mit den Stimmen in den Saal kommt, entsteht ähnlich wie in Bayreuth eine pastoser Mischklang, der niemals zu laut ist und damit auch nie die Sänger zudeckt. In den Pianostellen kann es dafür auch einmal etwas zu leise werden, was aber die Ausnahme bleibt, ebenso wie einige Wackler in den Hörnern oder ein paar Übergänge. Man hatte den Eindruck, dass Wächter und das Orchester der Nationaloper Sofia in der „Walküre“ genau die richtige Dosierung gefunden hatten. Es wurde offenbar, dass das Verständnis zwischen Dirigent und Orchester sehr gut ist und damit die Klippen der physischen Gegebenheiten sicher umschifft wurden.

Es gab nach dem „Rheingold“ immerhin zehn Minuten starken Applaus, besonders für Tsonev und Ostretsov. Nach der „Walküre“ war das Publikum schier begeistert, denn es trampelte sogar auf den Boden bei Tsonev, Derilova, Iliev und Bandalovska -  dezidierter kenntnisreicher als das Bayreuther Publikum, welches praktisch bei jedem Sänger auf den Holzboden trampelt - der pawlowsche Bayreuther Applaus… Heute geht es mit „Siegfried“ weiter.

Klaus Billand 15.9.2015

Bilder: Nationaloper Sofia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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