DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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 (c) schwarzenberg.at

 

 

SCHUBERTIADE Juni 2022 – Teil 2

www.schubertiade.at

 

 

 

Ein Markenzeichen der Schubertiade ist auch die Präsentation weithin unbekannter Lieder und vor allem von mehrstimmigen Gesängen, die man anderswo höchst selten hören kann. So gab es am Nachmittag des 21. Juni Quartette und Duette von Franz Schubert, die mit exzellenter Qualität von Brenda Rae, Sophie Rennert, Mauro Peter und David Steffens gesungen wurden, vom versierten Helmut Deutsch am Flügel sicher unterstützt. Besonders in den Quartetten gefiel das ausgezeichnete Miteinander der vier bestens zueinander passenden Stimmen, was den Gesamtklang, aber auch die bei allen vorzügliche Textverständlichkeit betrifft. Hier drängte sich niemand unangemessen in den Vordergrund, sei es in der Hymne an den Unendlichen (Friedrich von Schiller), sei es in den Quartetten An die Sonne, Gott im Ungewitter, Gott der Weltschöpfer (Johann Peter Uz) oder im harmonischen Abschlussgesang Gebet (Friedrich de la Motte Fouqué). Ebenfalls auf anderen Podien kaum zu erleben sind die dialogischen Duette oder dramatisch zugespitzte Gesänge wie die Szene im Dom aus Goethes Faust oder Hektors Abschied von Schiller. Brenda Rae war mit volltimbriertem Sopran das Gretchen, dem der Böse Geist (David Steffens mit sonorem, hier passend dämonisch gefärbtem Bass) wirklich Angst machte; alle sangen zur Beruhigung die lateinischen Chöre. In Hektors Abschied ging es dann wahrhaft opernhaft zu, wenn Andromache (Sophie Rennert mit charaktervollem, in allen Lagen abgerundetem Mezzosopran) Hektor (hochdramatisch aufbegehrend David Steffens) vergeblich davon abbringen will, auf dem Schlachtfeld den Tod zu suchen. Ganz anders kamen Licht und Liebe (Matthäus von Collin) und Goethes Mignon und der Harfner daher: Hier zeigten Brenda Rae und der Tenor Mauro Peter ihr ausgeprägtes Vermögen, ihre charakteristische Stimmen in feiner Lyrik zu führen. Besonders anrührend gelangen die beiden Lieder Der Tod und das Mädchen (Brenda Rae und Sophie Rennert) und Der Jüngling und der Tod (Mauro Peter und David Steffens), bei denen der Tod als Freund erscheint.

Starker Beifall des begeisterten Publikums forderte Zugaben heraus, ein Wunsch, den die Künstler mit Der Tanz und Die Geselligkeit  gern erfüllten. (GE)

 

 

Für den Nachmittag des 22. Juni hatten Konstantin Krimmel und sein Begleiter am Flügel Ammiel Bushakevitz ein Programm vorbereitet, das ausschließlich Lieder von Franz Schubert umfasste, die dieser selbst zur Veröffentlichung zusammengestellt hatte. Mit den drei Liedern nach Gedichten von Johann Mayrhofer (op.21) ließ Krimmel einen gleichmäßig gut durchgebildeten Bariton erkennen, der auch in der tiefen Lage noch punkten konnte; in Auf der Donau waren die geforderten dramatischen Impulse bestens erkennbar. Die hervorragende überdeutliche Diktion des jungen Sängers erwies sich dagegen bei mehreren Liedern als Hindernis, da er die Texte teilweise sehr salopp behandelte; entweder war die Vorbereitung unzureichend oder er las die sicherheitshalber auf einem Notenständer vorhandenen Texte nicht richtig ab. Beispielsweise wurde einmal das vorgeschriebene „sieh!“ zu „sich“; dies zog sich durch fast alle Lieder, wobei Wie Ulfru fischt, Der Alpenjäger und besonders Die Erscheinung am Stärksten betroffen waren. Aber all das sind Kleinigkeiten, die dem gelungenen Vortrag vieler selten zu hörender Lieder kaum Abbruch taten, denn einer sonst so einschmeichelnd weichen Baritonstimme verzeiht man manches. Ein Höhepunkt war da die lyrische Todesmusik, die er mit den kurzen dramatischen Einschüben in bestem Legato besonnen enden ließ. Ganz stark beeindruckten auch Selige Welt und Schwanengesang aus op.23 in der Gestaltung Krimmels, wie auch die allmähliche Steigerung mit schier endlos langen Atembögen in Ganymed. Als hervorragender Liedbegleiter empfahl sich Ammiel Bushakevitz, der sich bei durchaus eigener Akzentsetzung ganz in den Dienst des Sängers stellte, ihm die Wege bereitete, Strophen elegant verband und die wenigen längeren Nachspiele fein verklingen ließ. Das erfüllte Publikum bedankte sich nach zwei Stunden mit starkem Applaus und ersten Ansätzen zu Standing Ovations bei den Künstlern, die das ihrerseits noch mit Carl Loewes Die Uhr belohnten. (ME)

 

 

Am Nachmittag des 25. Juni bescherte uns Sophie Rennert einen traumhaft schönen Liederabend mit sehr viel Unbekanntem, Melancholischem und Schmerzlichem von Franz Schubert. Am Flügel begleitete sie aus der Garde der Altmeister Graham Johnson, der sich als Schubert-Spezialist mit der 36 CDs umfassenden Lieder-Gesamtausgabe bei Hyperion einen Namen gemacht hatte. Mit ihrem vollen, durch alle Lagen bestens abgerundeten Mezzosopran überzeugte die Sängerin durchweg: Da gab es u.a. das intensive Wanderers Nachtlied II, den Nachtgesang mit herrlichen Piani in der Höhe, das Ruhe verströmende Erster Verlust oder das mit langem Spannungsbogen versehene Wehmut. Aber auch dramatische Attacke stand ihr zu Gebot wie z.B. in Auf der Bruck, wo sie das Nachspiel noch bis zum letzte Klavierton mimisch mit durchlebte, oder das sich auf die Zeile „Ewigkeit schwingt über ihnen Kreise“ hin entwickelnde Lied Gruppe aus dem Tartarus. Bei dieser Künstlerin stimmte einfach alles, so dass dieser Auftritt für mich zum Höhepunkt der in diesem Jahr von mir gehörten Liederabende wurde. Graham Johnson bereitete der Sängerin sicheren Boden, was bereits in dem lyrischen Die Sterne mit wunderbar gleichmäßigem Flimmern vom Klavier begann, sich in der Fischerweise mit bestem lautmalerischem „…plätschert…“ fortsetzte bis zum zart rieselnden Der Jüngling an der Quelle. Gelegentlich wurde die Begleitung jedoch ein wenig zu stark wie z.B. anfangs in Rastlose Liebe, bei Der Schmetterling sogar zu grob für das zarte Tier. Besonders gut gelangen Die Berge und auch der Greisengesang mit seine markigen Akkorden am Ende sowie das frische Dithyrambe im tänzerischen Dreier-Takt. Etwas störend war für mich, dass der Pianist oft schon während des letzten Klanges bereits die Noten für das nächste Lied umblätterte und damit einen fast unmittelbaren Anschluss an das jeweils nächste schuf, so dass dem Zuhörer eigentlich keine Minute zur Verinnerlichung des gerade Gehörten zugestanden wurde. Das enthusiasmierte Publikum forderte noch zwei Zugaben heraus: Das Lied der Anne Lyle und Berthas Lied in der Nacht, beide ebenfalls von Schubert. (ME)

 

 

Bei unserem letzten Konzert in der Juni-Phase der Schubertiade 2022 gab es am Abend des 25. Juni eine interessante Mischung von Kammermusik und Lied. Mit dem Pianisten Daniel Heide, der Geigerin Franziska Hölscher und dem Cellisten Jens Peter Maintz standen ausgezeichnete Instrumentalisten zur Verfügung, die im ersten Programmteil bei fünf Bearbeitungen britischer Volkslieder für Singstimme und Klaviertrio von Ludwig van Beethoven den erfahrenen Liedsänger Christoph Prégardien begleiteten. Hier hörte man gut aufeinander abgestimmtes Musizieren, so dass der Sänger den schottischen und irischen Text mit wie immer perfekter Diktion in der Originalsprache rüberbringen konnte und dabei seinen charakteristischen Tenor an den passenden Stellen auch zum Glänzen brachte. Schade, dass nur die deutsche Übersetzung und nicht der originale Text im Programmheft abgedruckt war; auch hätte man gern erfahren, wer die Übersetzung gefertigt hatte (Beispiel: Aus „Sally in our alley“ wurde „Das Bäschen aus unserem Sträßchen“ – na ja!). Am Beginn des Abends gab es mit dem Notturno ein empfindsames Adagio, das Franz Schubert in der Zeit komponiert hat, in der auch seinen beiden bekannten Klaviertrios entstanden sind. Arpeggien im Klavier und Pizzikati der Streicher suggerierten Harfenklang, der mit dem energisch akzentuierten Hauptthema abwechselte. Nach den Volksliedern erfreute unbeschwertes Musizieren in dem so genannten Gassenhauer-Trio von Ludwig van Beethoven. Der Name geht zurück auf einen damals wahren Schlager aus einer heute völlig vergessenen Oper, den Beethoven zum Thema des dritten Satzes, einem Variationssatz, gemacht hat (übersetzt: „Eh ich ans Werk geh, will ich ein wenig essen“). In dem frech-fröhlichen Trio konnte nun jeder sein hohes instrumentales Können unter Beweis stellen.

Nach der Pause stand weiter Beethoven auf dem Programm, jetzt mit seiner Cellosonate C-Dur op. 102 Nr. 1. Das zweisätzige, nicht einfach aufzunehmende Spätwerk enthält hinsichtlich der musikalischen Gestaltung und der instrumentalen Technik höchst anspruchsvolle Anforderungen, mit denen die beiden Künstler allerdings keinerlei Probleme hatten. Den Abschluss bildeten sehr bekannte Lieder von Franz Schubert, die teilweise in einer Bearbeitung für Singstimme und Klaviertrio von Wolfgang Renz, einem Spezialisten für Bearbeitung klassischer Werke, erklangen. Die sonst bei der Begleitung der Singstimme nicht beteiligten Streicher verstärkten hier die jeweilige Atmosphäre des Lieds, ohne seinen Charakter zu verfälschen. Bei Prégardien konnte man wieder die durchgehende Textverständlichkeit und die stets überzeugende Gestaltungskraft bewundern. Auch wenn man die bekannten Lieder oft gehört hat, gelang es ihm erneut, große Spannung im Erlkönig aufzubauen, den Musensohn fröhlich durch „Feld und Wald schweifen“ zu lassen oder aus dem Ständchen ein rührendes Liebeslied zu machen. Von besonderer Qualität in gesangstechnischer Hinsicht beeindruckten die ruhigen Lieder wie Die Mutter Erde, Wandrers Nachtlied II und Nacht und Träume.

Für den starken Applaus des begeisterten Publikums bedankten sich die Künstler mit dem Lindenbaum und mit der Wiederholung eines britischen Volkslieds. (GE)

 

Marion und Gerhard Eckels

Fotos: © Schubertiade

 

Nächste Schubertiaden in Hohenems 14.-17. Juli und 1.-9. Oktober 2022

Sowie in Schwarzenberg 20.-28. August 2022

 

SCHUBERTIADE Juni 2022 – Teil 1

www.schubertiade.at

Hochkarätig

Die Schubertiade, die in Fachkreisen einen geradezu legendären Ruf hat, findet bereits seit Mai 1976 im österreichischen Bundesland Vorarlberg statt, in Hohenems (im Frühjahr und Herbst) und in Schwarzenberg (im Juni und Spätsommer). Dort in traumhaft schöner Umgebung trifft sich regelmäßig eine eingeschworene Gemeinde, die in fast familiärer Atmosphäre Liederabende, Meisterkurse und Kammermusik vom Feinsten genießt – Schwerpunkt sind die Werke von Franz Schubert. Immer wieder gelingt es dem Leiter der Schubertiade Gerd Nachbauer und seinem Team, international bekannte Sängerinnen und Sänger der Spitzenklasse sowie renommierte Pianisten und Kammer-Ensembles zu gewinnen. Außerdem wird jungen, aufstrebenden Künstlern die Chance gegeben, sich zu beweisen. So konnte man auch jetzt wieder im Juni im akustisch hervorragenden Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg musikalisch Hochkarätiges erleben.

 

 

Für uns begann die Schubertiade am Abend des 18. Juni mit dem Schweizer Tenor Mauro Peter, einem der profiliertesten Liedsänger der jüngeren Generation, und dem bereits über 40 Jahre hier wirkenden Altmeister der Liedbegleitung Helmut Deutsch am Flügel. Das Konzert ist, wie alle Liederabende der Schubertiade 2022, Teil der Gesamtaufführung aller derjenigen Lieder, die Franz Schubert selbst für die Drucklegung zusammengestellt hat, etwa ein Drittel seines gesamten Liedschaffens. An diesem Abend standen Goethe-Vertonungen im Mittelpunkt, die mit wenigen thematisch passenden Vertonungen von Schiller, Samuel Friedrich Sauter und Caroline Pichler verbunden wurden.

Die Künstler bescherten mit der wahrhaft Rastlosen Liebe einen tollen Einstieg in das Programm. Schon im nächsten Lied Der Rattenfänger entwickelte Peter enorme Klangfülle, die er aber gut zu bändigen wusste; alle kleinen Verzierungen wurden elegant und deutlich ausgesungen! Allerdings geriet Der Wachtelschlag ein wenig zu opernhaft. Bereits in Schäfers Klagelied zeigte der Tenor, dass er auch genügend Attacke besitzt, was sich besonders bei dem stark deklamierten Der Pilgrim manifestierte. Nach dem intensiven Wanderers Nachtlied I spielte er in Meeres Stille meisterhaft mit klangvollen Konsonanten. Nach der Pause ging es munter mit dem Musensohn weiter. Den unterschiedlichen Charakter der drei Strophen von Auf dem See traf Peter sehr gut, wie auch den selten zu hörenden Geistes-Gruß. Die drei Lieder op.87 gehen auf eine unglückliche Liebe Schuberts zu einer jungen Komtesse Esterházy zurück. Neben Der Unglückliche und Hoffnung ist vor allem Der Jüngling am Bache interessant: Die gefällige, positiv endende Vertonung von 1815 erklang im 1.Programmteil; die von 1819 machte nun mit Moll-Wendungen den Stimmungsumschwung zu Klage und Leid deutlich, beides gelang Mauro Peter ausdrucksstark. Mit dem lyrischen An den Mond, dem humorvoll vorgetragenen Liebhaber in allen Gestalten und dem erdverbundenen Tischlied endete das Programm. Aber was sind Sänger ohne Begleitung? Helmut Deutsch bewies einmal mehr sein unglaubliches Einfühlen in die Musik und die Interpretation des jeweiligen Sängers, wodurch er das Generationen übergreifende positive gemeinsame Erlebnis ermöglichte. Schuberts variantenreiche Strophenlieder wurden von ihm differenziert mitgestaltet; seine sichere Unterstützung ließ auch das Fehlen zweier Strophen von An den Mond (absichtlich oder versehentlich) untergehen. Beide Künstler bedankten sich für den begeisterten Applaus mit der Forelle und dem jodelnden Schweizerlied, das ebenfalls eine Goethe-Vertonung Schuberts ist, wie Mauro Peter zu seinem „Gruß aus der Heimat“ anmerkte. (ME)

 

 

In diesem Jahr spielt das Quatuor Modigliani (Amaury Coeytaux, Loic Rio, Laurent Marfaing, Francoix Kieffer) während der verschiedenen Phasen der Schubertiade zwischen April und August in insgesamt fünf Konzerten sämtliche Streichquartette und das Streichquintett von Franz Schubert. Am Vormittag des 19. Juni waren die frühen Quartette D 68 und D 94 sowie das letzte Quartett D 887 an der Reihe. Es begann mit dem D-Dur-Quartett D 94, das Schubert als 14-/15-Jähriger komponiert hat. Bereits bei diesem Jugendwerk erwiesen sich die Vorzüge des noch jungen französischen Quartetts wie technische Perfektion, selbstverständliches Zusammenspiel und eine auffallende Gleichwertigkeit der vier Instrumentalisten. So stellten sie die dramatischen Passagen im Eingangssatz ebenso überzeugend heraus wie die Einfachheit des Andante, die Akzente des Menuetto mit dem hübschen Trio und die schon eigenwillige Rhythmik des Finalsatzes. Vom kompositorisch eher schlichten B-Dur-Quartett D 68 existieren nur zwei 1813 entstandene Sätze, die mit ihren bereits orchestralen Effekten einige Virtuosität forderten, mit der das Quartett natürlich keine Probleme hatte.

Als Reaktion auf Beethovens spätes Quartett op.130, uraufgeführt am 21. März 1826, gilt Schuberts letztes Streichquartett G-Dur D 887, das er in der unglaublich kurzen Zeit von elf Tagen zwischen dem 20. und 30. Juni 1826 komponiert hat. Es hatte in seinem Umfang, in der komplexen, nur schwer zu erschließenden Struktur auf seine Zeitgenossen irritierende und geradezu verstörende Wirkung. Das hat sich gegeben, denn das in jeder Beziehung anspruchsvolle Werk ist inzwischen bei Kritikern und dem Publikum sehr beliebt. Im Eingangssatz verdeutlichte das Quatuor Modigliani mit mehreren Soli jedes Spielers die wunderschönen echt Schubertschen melodischen Passagen und verdeutlichte mit den vielen Tremoli die Nähe zum späten Beethoven. Im Andante kam der Wechsel vom eher naiven Hauptthema (tolles Cello-Solo!) zur dunkel drohenden Dramatik wirkungsvoll zur Geltung. Das flotte Scherzo mit seinem friedlichen Mittelteil (Allegretto) leitete ins Finale über, das in rasantem Tempo präsentiert wurde. Bei aller Anerkennung des streicherischen Könnens und der großen Virtuosität der Musiker war ihnen das doch zu schnell geraten. Denn infolge der Rasanz gingen so manche Einzelheiten verloren, so dass man froh war, zwischendurch die kompositorischen Ruhepunkte genießen zu dürfen. All dies tat der Begeisterung über die insgesamt imposanten Leistungen des Quartetts keinen Abbruch, was sich auch im tosenden Beifall des enthusiasmierten Publikums zeigte. Als Zugabe gab es ein ruhiges Andante, natürlich von Schubert. (GE)

 

 

Mit dem Liederabend des 19. Juni gaben sowohl die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann als auch ihre russische Begleiterin am Flügel Tatiana Korsunskaya ihr erfolgreiches Debüt bei der Schubertiade. Die Sängerin, die sich schon länger im Opernbereich als Mozart-Sängerin einen Namen gemacht hat, bewies nun, dass sie auch die kleine Form des intimen Liedes gut beherrscht. Wirkte sie bei den Schubert-Liedern noch nicht durchweg frei und natürlich, so wurden die Schumann-Lieder nach der Pause zum reinen Genuss. Mit Schuberts Im Frühling als Einstieg zeigte Regula Mühlemann gleich, wie ebenmäßig bis in die Höhe die Stimme durchgebildet ist, wie gut sie meist artikulieren kann – was bei einer Sopranistin durchaus nicht selbstverständlich ist – und dass sie über ein sicheres Legato verfügt. Nach der entzückenden Blumensprache war mir der hoffnungsfrohe Frühlingsglaube ohne inneres Pulsieren zu ruhig genommen. In dem lebhafteren Versunken dagegen bestachen die weich und zart in leichte Bögen eingebundenen Spitzentöne. Gestalterische Höhepunkte dieser Gruppe waren Suleika I und II, sowie das selten so intensiv erlebte Gretchen am Spinnrade. Bei den Schumann-Liedern schien die Sängerin noch einmal aufzublühen mit dem aufjubelnden Er ist’s über das stark interpretierte Lied der Suleika und das innige Die Blume der Ergebung bis zu dem charmant präsentierten Singet nicht in Trauertönen. Die ebenfalls in der Schweiz lebende Pianistin und Professorin Tatiana Korsunskaya war der Sängerin mehr als nur eine unterstützende Begleiterin. Sie ging auf alle Nuancen ein, gab aber den Liedern auch eigene Impulse mit. Von ihren guten, auf den Gesang vorbereitenden Einleitungen fiel ganz besonders die zu Suleika I auf, in der sie die Fragestellung der Sängerin wunderbar vorwegnahm; die einzelnen Strophenübergänge waren passend intensiv. Auch das Tempo zu Aufträge war sicher getroffen, so dass das Lied heiter duftig vorüber zog. Beide Künstlerinnen waren offensichtlich mit Lust und Liebe zum Gesang dabei. Begeisterter Applaus des dankbaren Publikums forderte zwei Zugaben heraus: Mendelssohns Blumenstrauß und Schuberts Forelle. (ME)

 

 

Ein besonderes, wenn nicht das Highlight der Juni-Schubertiade war für mich das Oktett F-Dur D 803 von Franz Schubert. Es wurde am Nachmittag des 20. Juni vom britischen Elias String Quartet (Sara Bitlloch, Donald Grant, Simone van Giessen, Marie Bitlloch) gemeinsam mit dem Niederländer Lars Wouters van den Oudenweijer (Klarinette), den Engländern Robin O’Neill (Fagott) und Alec Frank-Gemmill (Horn) sowie dem schon seit 1982 bei der Schubertiade auftretenden Wiener Kontrabassisten Alois Posch mit offensichtlicher, überbordender Spielfreude musiziert. Mit den genannten Musikern waren durchweg vorzügliche Könner ihres Instruments am Werk; da das Streichquartett nicht ständig mit dem Bassisten und den drei bei der Schubertiade debütierenden Bläsern zusammen probt, war es höchst erfreulich, wie perfekt das gemeinsame Spiel gelang. Jede und jeder schien ständig auf die anderen zu hören und befestigte das durch Blickkontakte, so dass an diesem Nachmittag ein beglückendes Musizieren entstand. In allen sechs Sätzen gab es meisterhaft gespielte Soli von fast allen, die von den anderen mit ihren Begleitstimmen sozusagen getragen wurden. Als Beispiele für die rundum gelungenen Ausdeutungen seien genannt das in sich ruhende Adagio, das temperamentvoll gespielte Scherzo mit dem lyrisch schwelgenden Trio, das Andante mit seinen abwechslungsreichen sieben Variationen (hier wieder glänzende Soli) und das vielschichtige wirbelige Finale, das nach heftig drohender Einleitung im Andante molto zu dem im Ganzen unbeschwerten Abschluss-Allegro fand.

Das Konzert wurde mit einer gediegenen Darbietung des Streichquartetts a-Moll op. 13 von Felix Mendelssohn Bartholdy eröffnet. Das Elias String Quartet nennt sich nach Mendelssohns Oratorium und ist offenbar für dessen Werke auf besondere Weise prädestiniert. Das war der eindrucksvollen Interpretation anzumerken, wenn ständig eine wunderbar klangintensive Stimmung erzeugt wurde. So gelang im Mittelteil des serenadenhaften Allegretto die Wiedergabe des Spuks wie im Sommernachtstraum, kurz vor dem Quartett komponiert, aufs Beste. Im Schlussatz machten die Künstler deutlich, wie sehr Mendelssohn sich in diesem Quartett mit Beethovens spätem Streichquartett op. 132 auseinandergesetzt hat: Manche der Themen aus den vorangegangenen Sätze werden kunstvoll verarbeitet, bis zum Schluss der rezitativische dramatische Anfang des Quartetts, der an den Beginn von op. 132 gemahnt, wieder auftaucht, so dass das Werk in sich abgerundet schließt. Freundlicher Applaus, der sich nach dem Schubert-Oktett zu Ovationen steigerte, belohnte alle Mitwirkenden. (GE)

 

 

 

Am Abend des 20. Juni debütierte Patrick Grahl mit Schuberts Die schöne Müllerin.

Der junge Tenor präsentierte die letztlich traurig endende Geschichte vom unglücklich verliebten Müllerburschen mit den verschiedenen Stimmungslagen schon erstaunlich reif gestaltend. Mit entscheidend waren dabei seine ausgezeichnete Diktion und die technisch sauber und flexibel geführte lyrische Stimme, deren gestützte Piani bei Echo-Effekten und Höhen besonders positiv auffielen. Das begann schon gleich mit dem Wandern, das Grahl frisch und beherzt anging, und zog sich weiter durch den ganzen Zyklus. Ein besonderes Highlight war für mich der sehr lyrische Neugierige, ein Versprechen für die weitere Entwicklung der Stimme. Im innigen Morgengruß waren die Strophen sehr fein differenziert, im Tränenregen die Stimmung besonders gut eingefangen. Grenzwertig schnell im Tempo war die Deklamation des Jägers, um den Text voll zu erfassen. Dass Grahl über eine große Farbpalette verfügt, wurde speziell in Eifersucht und Stolz deutlich und beim Anschlagen extrem fahler Töne in Die liebe Farbe. Trockene Blumen gewannen in der Darbietung durch leicht wechselnde Tempi und interpretatorische Pausen.

Eindrucksvoll gelang auch das Gespräch Der Müller und der Bach, bevor Grahl mit dem todtraurigen Des Baches Wiegenlied einen weiteren Höhepunkt setzte. Kleinigkeiten wie z.B. wenige zu stark betonte Endsilben, die noch nicht selbstverständlich genug klangen, beeinträchtigten den sehr guten Gesamteindruck kaum.

Der versierte Daniel Heide am Flügel gab dem Sänger durchweg sicheren Halt. Mit Richtung und Tempo weisenden Einleitungen bereitete er den Boden für die nuancenreiche Gestaltung des Sängers, wie z.B. in Feierabend, Ungeduld oder Mein!. In Tränenregen lieferte er glänzende Übergänge zwischen den Strophen; mit dem leisen Murmeln von Wohin? über die Attacke in Mein? bis zum sanften Verklingen im Baches Wiegenlied gab Heide das gleichmäßige Fließen in der Natur variantenreich wieder.

Die lange Pause nach dem letzten verklungenen Ton zeigte, wie stark betroffen das Publikum von dieser eigenständigen Interpretation des Zyklus war: Lange anhaltender Applaus dankte beiden Künstlern für diese erfüllende gute Stunde. (ME)

Marion und Gerhard Eckels, 22. Juni 2022

Fotos: Schubertiade

 

 

 

SCHUBERTIADE August 2021 – Teil II

www.schubertiade.at

 

 

Dem in der Festspielzeit stark beschäftigten Bariton Andrè Schuen (Guglielmo in Salzburg, „Nozze“-Figaro in Aix-en-Provence) wurden in diesem Jahr bei der Schubertiade gemeinsam mit seinem ständigen Begleiter am Klavier Daniel Heide alle drei großen Lied-Zyklen von Franz Schubert anvertraut. Nach der „Müllerin“ war am Abend des 25.8. die „Winterreise“ an der Reihe; der „Zyklus schauerlicher Lieder“ (Schubert) mit seiner depressiven, oft verzweifelten Grundstimmung erfuhr eine tief bewegende Wiedergabe – eine Sternstunde der diesjährigen Schubertiade. Eine derart tiefgehende Interpretation der meist düsteren, nachdenklich machenden Lieder erlebt man wirklich nur selten. Der Südtiroler Sänger verfügt über einen in der Grundierung samtigen Bariton, dem er viele unterschiedliche Farben entlocken kann, von sanfter Lyrik bis zu dramatischem Aufbegehren. Das alles geschah mit geradezu perfekter, abgerundeter Stimmführung durch alle Lagen und einer exzellenten Textverständlichkeit, eigentlich ein „Muss“ im Liedgesang. Dazu kam die durchgehend gut nachvollziehbare Gestaltung der einzelnen Lieder, die mit dem Pianisten offenbar gründlich vorbereitet worden war, was sich besonders bei den höchst differenziert ausgedeuteten Strophenliedern bewährte. Weiter fiel positiv auf, wie Kontraste in und auch zwischen den Liedern herausgearbeitet wurden, so die lyrischen und dramatischen Gegensätze in „Letzte Hoffnung“ oder zwischen dem „stürmischen Morgen“ und der „Täuschung“. Geradezu erschütternd gerieten am Schluss die zum Tod weisenden Lieder „Der Wegweiser“ und „Das Wirtshaus“; da half auch das trotzige Aufbegehren in „Mut“ nichts, bevor die Künstler das Bild vom „Leiermann“ zeichneten. Nach einer Weile stillen Innehaltens brauste stürmischer, lang anhaltender Beifall des zu Recht enthusiasmierten Publikums auf.

Am Nachmittag des 28.8. erklang der Zyklus „Schwanengesang“, eine Reihe von sieben Liedern nach Gedichten von Ludwig Rellstab und sechs nach Heine-Gedichten, die Schubert im Herbst 1828 komponiert hat, um sie als Zyklus zu veröffentlichen. Nach Schuberts Tod am 19. November 1828 hat der Verleger Haslinger diesen Plan verwirklicht, indem er die Lieder um ein vierzehntes ergänzte („Die Taubenpost“ nach einem Gedicht von J.G.Seidl) und sie unter dem Titel „Schwanengesang“ herausgab. Andrè Schuen und der wie immer solide Pianist Daniel Heide präsentierten die dreizehn Lieder wie einen „richtigen“ Zyklus ohne Pause, so dass auch inhaltlich sehr unterschiedliche Lieder unmittelbar aufeinander folgten. Erneut zeigten sich die Vorzüge des Sängers, von guter Diktion trotz manch flotter Tempi („Frühlingssehnsucht“ oder „Abschied“) bis zu bruchlosen Registerwechseln, wenn es aus tiefer Bassgrundierung in Kopfstimmenhöhen ging. Im bekannten „Ständchen“ hörte man vollendetes Legato-Singen und in Liedern mit auffallend langsamen Tempi („In der Ferne“ oder „Der Doppelgänger) bewunderte man den wahrlich „langen Atem“. Auch die kontrastreiche Ausdeutung der unterschiedlichen Lieder gefiel ausnahmslos. Als Beispiel sei das Heine-Gedicht „Am Meer“ genannt; die eigentlich kitschige Szene, wenn der Liebende die „Tränen von deiner Hand fortgetrunken“ hat, wurde vom Sänger mit seinem warmen Bariton geradezu veredelt. Nach 55 Minuten

war das offizielle Programm beendet und das Publikum hellauf begeistert; dafür bedankten sich die Künstler mit der zum „Schwanengesang“ gehörenden „Taubenpost“, dem „Musensohn“ und mit dem wunderbar gesungenen „Du bist die Ruh“. (GE)

 

 

Der Liederabend von Sophie Rennert und ihrem Liedbegleiter Joseph Middleton, der in Schwarzenberg sein Debüt gab, war ein weiterer Höhepunkt der Schubertiade (26.8.). Der erste Teil war ganz Franz Schubert gewidmet, wobei die beiden Künstler nicht nur auf Bekanntes wie „An die Laute“, „Gretchen am Spinnrad“ oder „Der Tod und das Mädchen“ setzten, sondern auch Besonderes ausgruben, was man außer bei den Schubertiaden kaum zu hören bekommt, wie z.B. „Versunken“, „Die Spinnerin“, „Kolmas Klage“ oder „Lied des Orpheus, als er in die Hölle ging“. In ihren Interpretationen überzeugte die junge Mezzosopranistin mit ausgefeilter Technik, gleichmäßiger Stimmführung durch alle Lagen, bester piano-Kultur und mezza voce. Direkt nach dem weichen Einstieg mit der „leisen Laute“ bewies sie im „Orpheus-Lied“, dass sie auch über genügend Attacke für Steigerungen verfügt. Gestalterisch variantenreich gelang ihr das Strophenlied „Die Spinnerin“; „Kolmas Klage“ bot sie gut nachempfunden, mit dichtem Legato und messa di voce im lyrischen Teil, sowie farbenreich „Gretchen im Zwinger“. Der in fahlem, geradem Ton gehaltene „Schwesterngruß“ geriet sehr eindringlich. Joseph Middleton war ihr ein mehr als kompetenter, unaufdringlicher Begleiter, dessen auf jede Nuance der Sängerin eingehendes Spiel begeisterte.

Im zweiten Teil stand Gustav Mahler auf dem Programm: Da gab es zunächst den frisch-fröhlichen „Frühlingsmorgen“, dem die von Rennert intensiv ausgelotete „Erinnerung“ folgte. Das „Lied des Verfolgten im Turm“ gestaltete die Sängerin mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, von fast Sprechgesang des Gefangenen bis zu lyrisch-malerischen Beschreibungen des Mädchens. Als Balsam für die Stimme folgte die einfühlsame Wiedergabe von „Nicht wiedersehen!“. Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert bildeten den Abschluss des anspruchsvollen Programms: Mit viel Ruhe und Ausstrahlung kam „Ich atmet‘ einen linden Duft“ daher, das reizende „Blicke mir nicht in die Lieder!“ huschte vorüber, und „Liebst du um Schönheit“ erklang dynamisch gut gesteigert. Sehr eindringlich gelangen den beiden Interpreten „Um Mitternacht“ und vor allem „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ mit dichter Atmosphäre und unendlicher Ruhe; zu letzterem trug mit entscheidend das hinführende Vorspiel Joseph Middletons bei, der bei seinem Debüt deutlich machte, wie wichtig ein guter Pianist für das gemeinsame Musizieren mit Stimmen ist!

Nach längerer Pause brach sich der Jubel der Zuhörer Bahn und forderte damit eine Zugabe, das „Urlicht“ aus Mahlers 2. Sinfonie, heraus, die zu Recht ebenso frenetisch beklatscht wurde. (ME)

 

 

Am 27.8. abends beeindruckten erneut Violeta Urmana und Helmut Deutsch mit Liedern von Franz Schubert und Gustav Mahler. Im ersten Teil hörte man eine Reihe eher unbekannter Schubert-Lieder, die sich vor allem durch lyrisch dahinfließenden Charakter kennzeichnen lassen, wie z.B. die nachdenklichen „Herbst“, „Schwanengesang“ oder „Der Winterabend“. Hier war wieder zu bewundern, wie sehr die Sängerin, die in letzter Zeit wieder ins Mezzo-Fach zurückgekehrt ist, ihre nach wie vor im dramatischen Opernrepertoire stark geforderte Stimme völlig schlackenfrei und ruhig durch alle Lagen zu führen wusste. Dabei fiel auch bei den bekannteren Liedern wie „Im Freien“ oder „Auf der Bruck“ positiv auf, dass sie aber auch nicht einen der kleineren Notenwerte vernachlässigte und außerdem dabei stets textverständlich und intonationsrein blieb. Im zweiten Teil des Abends wirkte die Urmana deutlich gelöster als bei den Schubert-Liedern; bei den teilweise dramatischeren, ja opernhaften Liedern von Gustav Mahler war sie in ihrem Element. So waren die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ mit wunderbar ausgesungenen Aufschwüngen und dramatisch zugespitzten Passagen eine Glanzleistung, wozu der Doyen der Liedbegleiter Helmut Deutsch in partnerschaftlicher Weise wesentlich beitrug. Wie schon 2019 folgten vier Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“, in denen die Sängerin auch ihr darstellerisches Talent durch ausdrucksstarke Mimik zur Geltung brachte. Die witzig servierte „Fischpredigt des Antonius von Padua“ und der urkomische „Trost im Unglück“ machten einfach Spaß. Eindringlich gestalteten schließlich die beiden Künstler in schönem Zusammenwirken das letztlich todtraurige „Wo die schönen Trompeten blasen“ und das intensive „Scheiden und Meiden“. Für den starken Beifall bedankten sie sich mit drei Zugaben, zwei Schubert-Liedern und „Wie sollten wir geheim sie halten“ von Richard Strauss. (GE)

 

 

In diesem Jahr hatte man Brigitte Fassbaender für einen Meisterkurs in der herrlichen Umgebung von Schwarzenberg gewinnen können. Bereits vor dem ersten Konzert der Schubertiade am 21.8. fand mit ihr ein öffentliches Interview für den Österreichischen Rundfunk statt, in dem sie von ihrem Leben, ihren Plänen und über ihre Meisterkurse sprach, wobei sie die Schubertiade als letzte Oase für Liedgesang bezeichnete . Für sie sei das Ziel der Kurse, die Teilnehmer dahin zu führen, sich ihrer technischen und emotionalen Mittel für Lied-Interpretationen sicherer zu werden; technische Disziplin trotz interpretatorischer Freiheit und Sensibilität für Übergänge beim Singen der Texte war das große Credo.

Vom 23. bis 27.8. ging die inzwischen 82-Jährige ohne jegliche Ermüdungserscheinung (!) jeden Morgen für drei Stunden an die intensive Arbeit mit sechs jungen Sängerinnen und Sängern, die jeweils von eigenen schon versierten Begleiterinnen und Begleitern am Flügel unterstützt wurden. Das künstlerische Niveau der Probanden war recht unterschiedlich, so dass Brigitte Fassbaender bei einigen nur noch interpretatorische Hilfen und Anregungen geben musste, bei anderen jedoch auch noch differenziert auf Atemtechnik, Artikulation oder Arbeit des Zwerchfells einging, um zu zeigen, wie man Töne freier und ohne Druck entwickeln kann. Zu klarerer Artikulation von engen Konsonantenverbindungen wie z.B. „tr“ oder „spr“ scheute sie sich nicht, den Trick zu empfehlen, – wie anno dazumal – Texte mit Korken im Mund zu üben. Wichtig war immer wieder, dass die Vokale alle an derselben Position gesungen werden. Mehrmals wies sie bei anderen zur Gestaltung freundlich darauf hin: Habe den Mut, aus dem Tempo auszusteigen oder da steht kein Bogen drüber, das muss nicht auf einem Atem gesungen werden, das ist falscher Ehrgeiz. All dies geschah in einer freundlich gelösten Atmosphäre, bei der man spürte, dass die jungen Leute mit Begeisterung bei der Sache waren. Einige Teilnehmer konnten die Anregungen sofort umsetzen, andere brauchten entsprechend etwas mehr Übung, aber dafür war bei allen am letzten Tag eine deutliche Entwicklung ihrer Darstellung und Interpretationsansätze festzustellen. Leider gab es wieder kein Abschlusskonzert der Meisterklasse, was allseits bedauert wurde. (ME)

 

Das Kammerkonzert zum Abschluss der diesjährigen August-Schubertiade in Schwarzenberg am Vormittag des 29.8. begann mit dem Jerusalem Quartet (Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Ori Kam, Kyril Zlotnikov), das zunächst Mozarts spätes Streichquartett D-Dur KV 575 präsentierte. Die seit 1996 zusammen musizierenden israelischen Künstler präsentierten das 1. der drei „Preußischen“ Quartette mit ihrer für sie typischen akzentreichen Spielweise. Dabei trafen sie ideal den klassischen Duktus des schönen Quartetts, indem sie durchgehend für Transparenz sorgten. Die für den preußischen König Friedrich Wilhelm II. gedachten Cello-Soli im Trio des Menuetto und im abschließenden Allegretto fügten sich wunderbar in den Gesamtklang ein.

Das 2007 gegründete Novus String Quartet (Jaeyoung Kim, Dayoon You anstelle des wegen Corona verhinderten Young-uk Kim, Kyuhyun Kim und seit 2020 neu Wonhae Lee) aus Südkorea, das auf gutem Weg in die erste Reihe der Quartette ist, spielte Schuberts frühes Streichquartett g-Moll D 173 mit passendem jugendlichem Schwung. Das einleitende Allegro con brio kam geradezu leidenschaftlich daher, während das besinnliche Andantino deutlich mit dem energischen Menuetto kontrastierte; rasant beschloss das Allegro das kammermusikalisch wertvolle Werk.

 

 

J. Kim, D. You, S. Bresler, A. Pavlovsky, K. Kim, O. Kam, W. Lee, K. Zlotnikov

 

Nach der Pause spielten beide Quartette das Streichoktett Es-Dur op.20 des 16-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy, das mit seinen frühen Streicher-Sinfonien zahlreiche Ähnlichkeiten aufweist. Mit seinen romantisierenden Elementen geht das Oktett weit über die klassische Komponierweise hinaus und verlangt eine hohe streicherische Kompetenz, die die Künstler aus Israel und Südkorea überzeugend unter Beweis stellten. Unter Führung des jungen Primgeigers des Novus String Quartet, der durch sichere Ausführung der vielen virtuosen Passagen imponierte, gelang eine begeisternde Interpretation des vielschichtigen Werks. Im 1. Satz, dem Allegro moderato con fuoco, verfielen die Streicher trotz des sinfonischen Charakters der Komposition niemals in zu starkes Spielen der typisch orchestralen Begleitfiguren und des durchgehenden Tremolos, was den beiden führenden Geigen doch akustische Probleme bereitet hätte. Im Andante gefiel der schön gewebte Streicherklang-Teppich, der der solistischen 1. Violine bereitet wurde. Die streicherischen Finessen wie Springbögen, Pizzikati und Triller-Verzierungen im dahin huschenden Scherzo, einer Vorwegnahme der Elfenklänge aus dem „Sommernachtstraum“, leiteten über in das Schluss-Presto mit seiner Fülle von Themen und einem Fugato wie einem Perpetuum mobile; hier gelang mit irrwitzigem Tempo ein hinreißender Abschluss des Oktetts und damit der diesjährigen Schubertiade Schwarzenberg. (GE)

 

Fotos: © Schubertiade

 

Marion und Gerhard Eckels 30.8.2021

 

Weitere Schubertiaden: 30.9.-5.10.2021, 28.4.-4.5. + 1.-9.10.2022 in Hohenems und 18.-26.6. + 20.-28.8.2022 in Schwarzenberg

 

 

SCHUBERTIADE August 2021 – Teil I

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Wieder Herausragendes

Mit dem üblichen Hinweis auf weitere Konzerte in der Zukunft endeten unsere Besprechungen der Schubertiade in Schwarzenberg 2019 mit den Worten Weitere Schubertiaden…..wieder 2020 in Hohenems und Schwarzenberg. Doch daraus wurde bekanntlich nichts, weil es die Pandemie im vorigen Sommer verhinderte. Da war die Freude der Liebhaber von hochkarätiger Kammermusik und herausragenden Liederabenden groß, als bekannt wurde, dass die Konzerte im beschaulichen Schwarzenberg (Bregenzerwald/Vorarlberg) im atmosphärereichen Angelika-Kaufmann-Saal mit der phänomenalen Akustik nun wieder stattfinden konnten, hier in Österreich sogar ohne Kürzung der möglichen Besucher-Zahl.

Für uns begann es am Nachmittag des 21.8. mit einem wahren Schmuckstück der Kammermusik, dem Septett Es-Dur op. 20 von Ludwig van Beethoven. Instrumentalisten von hoher Qualität, die Klarinettistin Sabine Meyer, der Hornist Bruno Schneider, der Fagottist Dag Jensen sowie Antje Weithaas, Violine, Veronika Hagen, Viola, Mischa Meyer, Violoncello, und Christine Felsch am Kontrabass deuteten das Werk intensiv und zugleich sehr differenziert aus. Dabei fiel die auf das Publikum überspringende Spielfreude der profilierten Instrumentalisten auf, was sicher auch damit zusammenhing, dass man endlich wieder vor Zuhörern musizieren durfte. Außerdem beeindruckte das exzellente Zusammenspiel der Musiker – und das, obwohl sie nicht ständig in dieser Besetzung zusammen musizieren. Das serenadenhafte Stück mit seinen sechs Sätzen enthält durchgehend solistische, geradezu konzertierende Elemente, die von jeder und jedem nun wirklich meisterhaft präsentiert wurden. Wunderbar ausgespielt wurden die fließenden Kantilenen des Adagio cantabile; auch die humoristischen Züge des Scherzo kamen wirkungsvoll zur Geltung. Im letzten Satz, einem rasanten Presto, gab es eine von Beethoven wohl eher parodistisch gemeinte Solo-Kadenz der präsenten Violinistin, die zur Reprise des Presto überleitete, das zu einem in die Pause führenden Rausschmeißer wurde.

 

 

Weithaas, Hagen, M. Meyer, Felsch, Schneider, Jensen, Wehle, S. Meyer, Lieberknecht

 

Im zweiten Teil des Konzerts kamen die Flötistin Andrea Lieberknecht und der Klarinettist Reiner Wehle hinzu – fast alle neun Künstler des Konzerts sind Hochschulprofessoren ihres Instruments. Es erklang die Serenade D-Dur op. 11 von Johannes Brahms in der Rekonstruktion der Urfassung für Nonett, die der langjährige Dozent für Dirigieren am Salzburger Mozarteum Jorge Rotter hergestellt hat. Beide auch in der Orchesterfassung leider viel zu selten zu hörenden Serenaden entstanden zwischen 1857 und 1860, als Brahms am Detmolder Fürstenhof tätig war. In diese Phase fiel auch sein intensives Studium der Werke Haydns und Mozarts, der mit seinen großen Bläser-Serenaden die Grenzen der üblichen Unterhaltungsmusik überschritten hatte. Für Brahms waren die zunächst für nur wenige Instrumentalisten konzipierten Serenaden wichtige Etappen auf dem Weg zur Sinfonie. Besonders den ersten drei Sätzen der D-Dur-Serenade merkt man den sinfonischen Anspruch an, weil sie breiter gestaltet sind als die drei letzten Sätze. Dies wurde auch in der jetzt gespielten Urfassung als Nonett sehr deutlich, wenn es beispielsweise im einleitenden Allegro molto zwar eine große Klangentfaltung gab, aber ohne dass die Bläser, nun zahlenmäßig in der Überzahl, die Streicher etwa zudeckten. Dem etwas melancholischen ersten Scherzo und Trio – hier wurde echte Wiener Walzerseligkeit genüsslich ausgekostet – und dem zentralen, stimmungsvollen Adagio non troppo folgte das eher konventionelle Menuetto, in dem Hornist und Kontrabassistin pausierten. Umso effektvoller wurde das zweite Scherzo mit einem großen Horn-Solo eröffnet, wie überhaupt das ganze Werk mit technischen Schwierigkeiten für alle Instrumentalisten gespickt war, die sie scheinbar mühelos meisterten. All das zuvor Geschilderte kam im abschließenden Rondo-Allegro noch einmal zur Geltung: Perfektes Zusammenspiel, solistischer Glanz sowie überbordende Spielfreude. Das Publikum belohnte dies mit jubelndem Applaus, für den sich die Künstler mit dem Da-Capo-Teil des zweiten Scherzos bedankten. (GE)

 

 

Den bunten Reigen der Liederabende eröffneten am Abend die junge, in Kirgistan geborene Sopranistin Katharina Konradi und Wolfram Rieger, ein genialer Altmeister der Liedbegleitung am Flügel. Das Programm hatten sie sehr geschickt zusammengestellt, so dass je eine Gruppe von Schubert-Liedern eine ebensolche von Mozart, Strauss und Fauré einrahmte. Wirkte die junge Sängerin zu Beginn ein wenig gehemmt, was sich in ihrer noch zu statischen Haltung ausdrückte, wurde sie zunehmend gelöster und freier. Mit natürlichem Charme und ausdrucksstarker Mimik wusste sie mit ihrer sehr gut durchgebildeten Stimme von Beginn an für sich einzunehmen. So wurde Schuberts „Alinde“ zu einem gelungenen Auftakt, der von Riegers einfühlsamem Spiel unterstützt wurde. Etwas Besonderes waren auch Riegers Nachspiele, wie z.B. der lange Nachhall der Glocke im „Zügenglöcklein“. Sehr intensiv gestalteten beide das kontrastreiche Seelengemälde „Im Haine“ und das frische „Lied im Grünen“.

Bei Mozart kamen die Vorzüge der Sängerin noch mehr zum Tragen: Unendlich scheinender Atem (u.a. „Abendempfindung an Laura“), saubere Tonansätze in allen Lagen, Flexibilität bei Verzierungen und unangestrengte Spitzentöne. Bei Richard Strauss schien sie sich ebenso wohl zu fühlen: Da glänzte wirklich der „lieben Augen Schein“ in dem seltener zu hörenden, ausdrucksstark gesungenen „Leises Lied“ und auch Humor kam nicht zu kurz („Hat gesagt – bleibt’s nicht dabei“), während „Heimliche Aufforderung“ mit gewaltiger Steigerung zu einem der Höhepunkte des Abends wurde. In den Liedern von Gabriel Fauré trafen die beiden Künstler den elegant-französischen Stil gut: Der Walzer „Le papillon et la fleur“ und „Chanson d’amour“ gelangen sehr gelöst wie auch das wunderbar gesteigerte „Notre amour“. Das Programm wurde mit drei Mignon-Liedern beendet, aus denen „Heiß mich nicht reden“ als tolles piano-Lied mit sanften Einsätzen gestaltungsintensiv herausragte; bei „Suleika I und II“ kamen saubere Intervallsprünge und dichtes Legato der Sopranistin und die hohe Begleiterkunst des Pianisten erneut zum Tragen. Das Publikum bedankte sich begeistert für den tollen Abend und wurde mit zwei Zugaben belohnt, wobei der nach dem langen Programm immer noch vorhandene immense Atemstrom, den Schuberts „Nacht und Träume“ braucht, Bewunderung verdiente. (ME)

 

 

Am Nachmittag des 22. August gestalteten André Schuen und Daniel Heide Schuberts Lied-Zyklus „Die schöne Müllerin“ im voll besetzten Konzertsaal der Schubertiade. Die beiden Künstler stellten von vornherein klar, dass es keine langweilige Wanderung geben würde: Mit rasantem Tempo und voller Kraft voraus stiegen sie in „Das Wandern“ ein, wobei Differenzierung noch etwas zu wünschen übrig ließ. Das Bächlein in „Wohin?“ plätscherte dann im Klavier weiter unruhig, aber passend dahin, während Schuen seinen abgerundeten Bariton mit weichem Legato gut einsetzte und wunderbare piano-Passagen hören ließ. Herrliche dynamische Abphrasierungen gelangen ihm z.B. im „Morgengruß“ und in „Pause“ sowie ein besonders dichter Spannungsbogen mit „Der Neugierige“; meisterhaft war die Dynamik innerhalb des einen fragenden Wörtchens „nass?“ in „Trockene Blumen“. Durch die teilweise grenzwertig flotten Tempi blieben allerdings trotz grundsätzlich ausgezeichneter Diktion und klangvoller Konsonanten die Texte etwas auf der Strecke (z.B. „Ungeduld“, „Der Jäger“). In „Mein“ zeigte Schuen, dass er auch siegesgewisse Attacke beherrscht. Daniel Heide am Flügel unterstützte versiert; ich hätte mir an manchen Stellen noch mehr Zurückhaltung gegenüber den piano-Phrasen des Sängers gewünscht (z.B. „Die böse Farbe“, „Trockne Blumen“). Besonders eindrücklich waren die Nachspiele wie z.B. in „Pause“ die musikalische Ausdeutung der letzten Gesangsfrage „Soll es das Vorspiel neuer Lieder sein?“. Insgesamt war der Liederkreis eine interessante, ja auch anrührende Wiedergabe der fortlaufenden Handlung zwischen Wanderbursche, Bächlein und Müllerin, die das Publikum – nach längerer Ruhepause als gewöhnlich nach dem letzten Ton – mit starkem Applaus und teilweise Standing Ovations feierte. (ME)

 

 

Maria Ehmer, Anna Knopp, Leonhard Roczek, Lars Anders Tomter, Milan Milojicic

 

Am Abend des 22.8. standen mit dem Streichquintett g-Moll KV 516 von Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schuberts „Rosamunde“-Streichquartett a-Moll D 804 zwei beliebte Werke aus der Kammermusik auf dem Programm. Die Tonart g-Moll bevorzugte Mozart dann, wenn Trauriges charakterisiert werden sollte, so z.B. in den großen Arien von Pamina und Konstanze oder in seiner berühmten vorletzten Sinfonie Nr. 40 KV 550. Im Quintett herrscht eine solche nachdenkliche, ja oft sogar traurige Stimmung in den ersten drei Sätzen vor, bis es im letzten Satz nach einer langsamen, noch einmal melancholisch wirkenden Einleitung zu heiterer Gelassenheit in fröhlichem 6/8-Takt kommt. Diese unterschiedlichen Stimmungen gab das österreichische, 2003 gegründete Minetti Quartett (Maria Ehmer, Anna Knopp, Milan Milojicic, Leonhard Roczek) aus Wien gemeinsam mit dem norwegischen Bratscher Lars Anders Tomter in ausgezeichneter, delikat  kammermusikalischer Spielweise wieder. Die dramatischen Elemente, die sich in die verhaltenen Stimmungen eindrängen, wie beispielsweise die schroffen Akkordschläge im Menuetto oder die sich geradezu aufbäumende Durchführung des Eingangs-Allegro, gaben die versierten Musiker ebenso gekonnt wieder wie die ruhigeren Passagen im deutlich zurückhaltenden Adagio non troppo. Im fröhlichen Finale kamen die Vorzüge aller Instrumentalisten in ausgeprägter Gestaltungskraft positiv zur Geltung.

Nach der Pause erklang Schuberts 1824 uraufgeführtes „Rosamunde“-Quartett , dessen Name auf das bekannte Thema im Andante zurückgeht, das der Zwischenaktmusik zum Schauspiel „Rosamunde“ entnommen ist. In der gelungenen Interpretation des Minetti Quartetts fiel besonders die erfolgreiche Bemühung um Schönklang auf, ohne dabei zu vernachlässigen, dass es in den dramatischen Phasen auch einmal schroff klingen darf. In allen Sätzen zeigte sich das hohe streicherische Können der Musiker, die sich ja längst in die Spitzenklasse der Streichquartette gespielt haben; so waren die vielen virtuosen Stellen kein Problem für sie, indem sie diese präzise in die Interpretation der einzelnen Sätze einbrachten. Dass perfektes Zusammenspiel durch permanentes Aufeinander-Hören selbstverständliche Voraussetzung des Erfolgs ist, war bei dem immer noch jung wirkenden Quartett jederzeit spürbar. Aber auch die Ausdeutung des musikalischen Gehalts des Rosamunde-Quartetts konnte gefallen: So gab es im Andante einige passend fahle Klänge und im Menuetto eine ausgesprochen geheimnisvolle Stimmung, die sich im Trio in schwingende Kantilenen auflöste. In den allgemeinen Schönklang des Finales passten sich die virtuos servierten Triolenläufe der 1. Violine und der Viola bestens ein – insgesamt eine klug durchdachte und bestens präsentierte Interpretation. Für den starken Beifall bedankte sich das Minetti Quartett mit dem äußerst spritzig präsentierten Finale aus Antonin Dvoraks „amerikanischem Quartett“. (GE)

 

 

Schon seit 1993 sind der Kölner Gesangsprofessor Christoph Prégardien und sein Begleiter am Klavier Michael Gees sozusagen Stammgäste bei der Schubertiade. Am 23.9. präsentierten sie gemeinsam mit dem hier debütierenden Schweizer Hornisten Olivier Darbellay ein hochinteressant zusammengestelltes Liedprogramm. Am Anfang stand eine Gruppe von bekannten Schubert-Liedern, bei denen sich das differenzierende Ausdrucksvermögen des Tenors erwies; die äußerst schwungvoll präsentierten „Willkommen und Abschied“ sowie „Auf der Bruck“ standen den wunderbar ruhigen, tief empfundenen „Im Abendrot“ und „Die Sterne“ gegenüber. Danach folgte mit Liedern aus dem Zyklus „The Heart of the Matter“ nach Gedichten der englischen Dichterin Edith Sitwell von Benjamin Britten ausgesprochen harte Kost. Der englische Komponist vertonte 1954 für Tenor, Horn und Klavier Sitwells Gedicht „Still falls the rain“, das die deutschen Luftangriffe auf London im zweiten Weltkrieg beschreibt. Nach der Uraufführung 1955 zeigte sich die Dichterin so begeistert, dass in der Folgezeit ein Zyklus entstand, der ein Jahr später beim Aldeburgh Festival erklang. Erst 1983 wurde er wieder nach kleineren Änderungen von Peter Pears in London aufgeführt. Der thematisch düstere Zyklus führt mit weiteren Versvertonungen, Hornfanfaren und Rezitations-Passagen auf das zentrale Gedicht hin. Diese Komposition ganz eigener Art war auch deshalb nicht einfach aufzunehmen, weil die englischen Texte aus rechtlichen Gründen weder im englischen Original noch in deutscher Übersetzung im Programmheft abgedruckt werden durften. Auch wenn man die Texte nur bruchstückhaft verstand, so beeindruckten doch die von Prégardien prononciert vorgetragenen Rezitationen, die teilweise lyrisch ausgesungenen Liedverse und die martialischen Fanfarenrufe des Horns, jeweils unterstützt vom sicheren Pianisten.

Nach der Pause ging es hochromantisch zu, als in sehr selten zu hörenden Liedern von Franz Lachner, einem Zeitgenossen Schuberts, nach Gedichten von Heinrich Heine von „Seejungfern“, einem „wunden Ritter“ und der „Meerfrau“ die Rede war. Die gefälligen Lieder erfuhren wie das ebenfalls unbekannte „Mühlrad“ von Conradin Kreutzer stimmige Wiedergaben durch den gesangstechnisch nach wie vor perfekten Sänger, in zwei der Liedern gemeinsam mit dem Instrumentalisten, der schöne Horn-Kantilenen und im „Mühlrad“ markante Reiter-Rhythmen beitrug. Stets den Vorgaben des Sängers und des Hornisten folgend bewährte sich auch hier Michael Gees am Klavier. Schließlich erklangen zwei balladenartige Lieder von Franz Schubert, der berühmte „Erlkönig“ und die schaurige Geschichte um den „Zwerg“, beide immer wieder tief beeindruckende Glanzstücke aus Prégardiens Repertoire. Den etwas versöhnlichen Abschluss bildete Schuberts „Auf dem Strom“, an dem alle drei Künstler beteiligt waren.

Sie bedankten sich für den Applaus des Publikums mit zwei weiteren Liedern für die ungewöhnliche Besetzung mit Tenor, Horn und Klavier, Heines „Fischermädchen“ von Carl Kossmaly, ebenfalls einem Zeitgenossen Schuberts, und Rellstabs „Herbst“ von Karl Lachner. (GE)

 

 

Einen Liederabend ganz besonderer Art gab es am 24.8. im ausverkauften Angelika-Kaufmann-Saal. Zu Katharina Konradi (Sopran) und Sophie Rennert (Mezzosopran), die jeweils einen eigenen Abend während der laufenden Schubertiade bestreiten, kamen noch Julia Kleiter (Sopran) und Ida Aldrian (Mezzosopran) hinzu. Wolfram Rieger unterstützte und verband die Stimmen mit seiner einfühlsamen Klavierbegleitung bei Duetten, Terzetten und Quartetten.

Der erste Teil des Abends war Schubert vorbehalten, wobei es thematisch eher um die traurige Seite der Liebe und entsprechende Klagen ging: Zwei „geistliche“ Quartette umrahmten zehn weitere Kompositionen, die jeweils unterschiedlich besetzt waren. „Der 23.Psalm“ zu Beginn zeigte aber sofort, wie gut die vier Frauenstimmen in Klang und Agogik aufeinander abgestimmt waren und mit dem Begleiter harmonierten, was sich bei „Gott in der Natur“ mit gewaltiger Steigerung zum Ende hin bestätigte, wobei Konradis Stimme das Ensemble passend locker überstrahlte. Solistisch waren alle vier Sängerinnen einmal eingesetzt: Katharina Konradi stellte mit „Die Liebende schreibt“ Schuberts Versuch vor, ein Sonett zu meistern; ausdrucksstark gestaltete die junge Sopranistin die beiden ruhigen Vierzeiler und die inhaltlich in positiv-flotteres Tempo umschwenkenden Dreizeiler. Mit „Die Gebüsche“ führte Julia Kleiter in ein mystisches Naturgedicht, das ganz den leisen Tönen verhaftet war; bei dem Lied kamen „leises Blätterrauschen“ und „Meeres Brausen“ in der feinfühligen Klavierbegleitung Riegers besonders zum Tragen. Eine intensive Wiedergabe „Des Mädchens Klage“ steuerte Sophie Rennert mit bestens durchgebildetem Mezzo bei, und Ida Aldrian bewies mit sicher geführtem Mezzo mit dem „Lied der Anne Lyles“, dass sie ein hochwertiger Ersatz für die ausgefallene Tara Erraught war. Von den Kombinationen seien noch herausgehoben die interessante Fassung des Duetts „Nur wer die Sehnsucht kennt“ (Rennert/Aldrian), die passende Aufteilung von „Der Tod und das Mädchen“ (Konradi/Aldrian) und die eine heitere Note in die Thematik bringende „Klage um Ali Bey“, das bis zur letzten Note todernst vorgetragen wurde, bis sich die Spannung im „Krokodil“ entlud (Konradi/Kleiter/Rennert).

Mit drei Terzetten von Robert Schumann begann der zweite Teil des Abends: Katharina Kleiter, Sophie Rennert und Ida Aldrian stellten die selten zu hörenden Lieder vor, wobei das sanft schmeichelnde „Nänie“ und „Spruch“ sehr intensiv gelangen. Die folgenden sechs Duette von Felix Mendelssohn-Bartholdy waren Katharina Konradi und Sophie Rennert anvertraut, deren Gestaltung von „Ich wollt‘, meine Lieb‘ ergösse sich“ und „Herbstlied“ bei großer Klangausgewogenheit stark berührte. Julia Kleiter und Sophie Rennert boten gekonnt vier Duette von Johannes Brahms, darunter das bekannte Lied „Die Schwestern“ und vor allem „Die Boten der Liebe“ mit gewaltigem Aufschwung zum Ende. Den Abschluss bildeten vier Quartette von Robert Schumann, bei denen klar wurde, wie viel Freude auch die Sängerinnen an diesem Programm hatten und offenbar auch gerne ihre Solostimmen in den Dienst der Gemeinschaft stellten ; „Schön ist das Fest des Lenzes“ und „Ich bin geliebt“ wurden ausgewogen und bestens aufeinander abgestimmt elegant präsentiert. Wolfram Rieger wurde all diesen pianistischen Anforderungen wieder mehr als gerecht, hielt alles beisammen, begleitete sicher und tragend mit seinen ausgezeichneten Vor- und Nachspielen.

Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus, dem mit Schuberts „Ständchen“ eine ganz besondere Zugabe folgte, die als Überraschung der nach seinem Liederabend noch vor Ort weilende Christoph Prégardien mitgestaltete. (ME)

 

Fotos: © Schubertiade

Marion und Gerhard Eckels 25. August 2021 

 

 

 

SCHUBERTIADE August/September 2019 Teil II

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Konzerte vom Feinsten

Eine Sternstunde war der Liederabend mit Violeta Urmana und Helmut Deutsch am 28.8., die mit Schubert, Strauss und Mahler ein klassisches Programm gewählt hatten. Im Schubert-Block des ersten Teils stellte die Mezzosopranistin wieder einmal unter Beweis, wie man eine große Opernstimme durch vermehrten Liedgesang schlank und locker halten kann. Kleine elegante Wendungen (u.a. in „Auf dem See“ und „Die Perle“) gelangen ganz exakt und wirkten wie zufällig hingestreut; große Ruhe strömten z.B. „An die Musik“, „Auf den Tod einer Nachtigall“ und das beeindruckende „Der blinde Knabe“ aus. Bekanntes und seltener Gehörtes wurde geschickt gemischt und durchgehend äußerst textverständlich dargeboten. Mit Helmut Deutsch stand ihr einer der ganz großen Begleiter unserer Zeit ebenbürtig zur Seite, der stets mit der Sängerin atmete und auch eigene Impulse einbrachte. Das Nachspiel von „Das Zügenglöcklein“ mit seinen ersterbenden Glockenschlägen gelang ebenso gut wie die flotte Hinführung zu „Bei dir allein“, bei der man den Eindruck hatte, die Sängerin trieb ihn zum opernhaft gesteigerten Schluss hin noch an. Der erste Teil gipfelte in einer farbenreichen Interpretation beider Künstler mit „Der Zwerg“.

Bei den sechs Strauss-Liedern nach der Pause entwickelte Violeta Urmana aus piano-Phrasen opulenten Klang („Nur Mut“), zeigte üppige Höhen („Mit deinen blauen Augen“) und fließende Klänge („Befreit“). Beim getragenen „Wer hat’s getan?“ bewies Deutsch abermals sein Gespür für längere Ausklänge eines Liedes; gelungene, Strophen-verbindende Zwischenspiele kamen z.B. in Mahlers „Des Antonius von Padua Fischpredigt“ bestens zu Geltung. In der Mahler-Gruppe stellte die Sängerin auch ihr darstellerisches Talent heraus: Nach dem ausdrucksstarken „Wo die schönen Trompeten blasen“ kamen urkomisch „Trost im Unglück“ daher und das intensive „Scheiden und Meiden“.

Mit einem Schubert-Lied, zwei Strauss-Liedern und einem melancholischen litauischen Volkslied bedankten sich die Künstler für den enthusiastischen Beifall.  (ME)

Vier junge Damen begeisterten am Nachmittag des 29.8. in einem Kammerkonzert von besonderer Güte: Die lettischen Schwestern Lauma Skride (Klavier) und Baiba Skride (Violine) musizierten gemeinsam mit Lise Berthaud (Viola) sowie Harriet Krijgh (Violoncello) Klavierquartette von Schubert, Suk und Brahms. Nach Schuberts gefälligem, schwungvoll präsentierten Adagio e Rondo concertante D 487 erklang das Werk eines 17-Jährigen, das als Abschlussarbeit seines Studiums bei Antonín Dvorak komponierte Klavierquartett a-Moll op.1 von Josef Suk. Die bereits erstaunlich ausgereifte Komposition enthält viele spätromantische, geradezu schwelgerische Passagen, die ineinander verwoben sind und die in angenehm süffigem Klang präsentiert wurden. Nach der Pause bewunderte man in dem sehr ausgedehnten, teilweise sinfonisch anmutenden Klavierquartett A-Dur op.26 von Johannes Brahms durchweg spannungsvolles, in der Intensität nie nachlassendes Musizieren. Das Zentrum des Quartetts, das Adagio, in dem Brahms das eher depressive Lied „Die Stadt“ von Franz Schubert („…wo ich das Liebste verlor.“) zitiert, erfuhr eine tief beeindruckende Interpretation. Nach dem kontrastreichen Scherzo  kostete das Quartett die Effekte des mit seinem „all’ongarese“-Thema fast schon witzigen Finales genüsslich aus und servierte sie mit Bravour. Wieder gab es zu Recht begeisterten Applaus. (GE)

Am Abend des 29.8. gab es mit Rossinis „Petite messe solennelle“ ein bei der Schubertiade ganz seltenes Chorkonzert im Schwarzenberger Angelika-Kaufmann-Saal. Die Leitung hatte Benjamin Lack, Leiter des Orchesters und Chores des Vorarlberger Landeskonservatoriums Feldberg, der daneben als Domkapellmeister in Feldkirch und Künstlerischer Leiter des Bregenzer Festspielchores sowie des Kammerchores Feldkirch wirkt. Mit letzterem gestaltete er eine intensive Wiedergabe dieser erst 1863 geschriebenen Messe Rossinis für Chor, Solisten, Klavier und Harmonium. 1866 hatte er sie noch selbst orchestriert, damit sie nicht nach seinem Tod von einem Anderen bearbeitet würde, die womöglich durch zu starke Orchestrierung „meine Singstimmen totschlagen.

Zur instrumentalen Begleitung standen herausragende Solisten zur Verfügung: Igor Levit stellte sein hohes pianistisches Können ganz in den Dienst der Begleitung der Solisten; kraftvolle Akkord-Attacken und weiche Legato-Phrasen standen ihm gleichermaßen zu Gebote bei Einleitung und Übergängen der Messe-Teile. Sobald der Chor dazukam, verstärkte Ryoko Morooka am Harmonium das Klavier mit passender Registrierung, so dass stets ausgewogene Klänge erzielt wurden. Im rein instrumentalen Offertorium hatte vor allem Ryoko Morooka Gelegenheit, viele Farben dieses besonderen Instrumentes herauszuarbeiten. Der Kammerchor Feldkirch war ausgesprochen exakt einstudiert, sang textverständlich, klanglich ausgewogen und sehr intonationsrein, was besonders positiv im a-cappella-Sanctus auffiel. Das Solisten-Quartett war mit den kurzfristig eingesprungen Simona Saturová (Sopran) und Ilker Arcayürek (Tenor) sowie der Mezzosopranistin Tara Erraught und dem Bariton Andrè Schuen gut zusammen passend besetzt. Die Soli der Sopranistin waren recht unterschiedlich: Im Crucifixus störten viele unsaubere und von unten angesungene Töne die angestrebte Gestaltung, während O salutaris hostia lupenrein und intensiv gelang. Tara Erraught nutzte ihre Chance im Agnus Dei, ihre gut sitzende, opulente Stimme opernhaft zu präsentieren. Ilker Arcayürek und Andrè Schuen wollten anfangs bei kleinen Soli im Gloria zu sehr auftrumpfen, fügten sich aber schnell dem Gesamtklang ein. Benjamin Lack hielt durchweg alle Fäden sicher in der Hand und animierte alle Beteiligten zu einer insgesamt gelungenen Wiedergabe dieser schönen Messe.

Das Publikum verfolgte den Abend gebannt und dankte allen Mitwirkenden mit reichem Applaus. (ME)

Mit einem nun wirklich außergewöhnlichen Programm, das Diana Damrau und der Harfenist Xavier de Maistre bereits bei den Salzburger Festspielen präsentiert hatten, kamen sie nun nach Schwarzenberg zur Schubertiade. Es begann am Abend des 30.8. sozusagen klassisch mit fünf bereits romantisch anmutenden Liedern von Felix Mendelssohn Bartholdy auf Texte von u.a. Heine, Eichendorff und Schiller. Dabei rührte „Des Mädchens Klage“ besonders an, während bei „Der Mond“ (Emanuel Geibel) die zarten Höhen in berückender Klarheit beeindruckten. Von Anfang an nahm Diana Damrau, die – auf allen großen Opernbühnen der Welt zu Hause – so gar nichts von einer Operndiva hat, durch ihre freundlich zugewandte Ausstrahlung für sich ein. Dazu kam gleich bei den ersten Liedern ihre gesangstechnisch über jeden Zweifel erhabene Singweise mit wunderbaren piani und geradezu vollendeter Legato-Kultur zum Tragen, was für die späteren fremdsprachigen Lieder in gleichem Maße gilt. Natürlich war der Zusammenklang des Soprans mit den rauschenden Harfen-Arpeggien zunächst ungewohnt, aber wenn die beiden „Stimmen“ so aufeinander abgestimmt sind, wie es bei den beiden zu erleben war, vergaß man doch schnell, dass es nun eben andere Begleitung als das übliche Klavier gab. Der Franzose Xavier de Maistre, der sich 2010 seit seinem Ausscheiden bei den Wiener Philharmonikern ganz seiner Solistentätigkeit widmet, spielte in jedem Programmteil ein Stück für Harfe solo, das jeweils mit Henriette Renié (1975-1956), einer Pariser Harfenistin und Komponistin, zu tun hatte. Zuerst erklang ihre Bearbeitung des Liszt-Klavierstücks „Le Rossignol“ und später mit „Legende“ eine eigene Komposition. Bei beiden Werken bewunderte man die hohe Virtuosität des Harfenisten, der den gesamten Umfang seines Instruments auskostete und die spieltechnischen Höchstschwierigkeiten mit Bravour meisterte..

Nach dem ersten Harfen-Solo erklangen Liedern von Sergeij Rachmaninow, deren sehnsuchtsvolle, aber auch traurige Stimmungsbilder beide Künstler eindringlich gestalteten. Zum Abschluss des ersten Programmteils gab es – ebenfalls auf Russisch gesungen – „Die Brunnen von Bachtschyssaraj“ des Opernkomponisten Wladimir Wlasow (1902-1986), der ein Gedicht über den „Brunnen der Liebe“ von Puschkin vertont hatte. Hier konnte die Damrau zu aufrauschenden Arpeggien einige Operndramatik einbringen.

Nach der Pause wurde es französisch, zunächst mit Liedern von Reynaldo Hahn (1875-1947), die manchen Charme ausstrahlten, aber auch teilweise tieftraurig („Mai“/“Nachtstück“) waren. Mit eingängigen, keineswegs atonalen Liedern von Francis Poulenc (1899-1963) ging der hochinteressante Liederabend zu Ende: Es erklang der Liederkreis „La courte paille“ (Der kurze Strohhalm), der einiges Besinnliche („Die Herz-Dame“ oder „Aprilmond“) sowie allerlei Skurriles enthält, von der Damrau mit Esprit und Witz rübergebracht. Wenn z.B. von einem Floh die Rede ist, der einen kleinen Elefanten in einem Wagen zieht („Quelle aventure“), und von einer Karaffe, die sich dringend eine Baby-Karaffe wünscht (und auch bekommt) oder wenn vom Gestiefelten Kater erzählt wird („Ba, Be, Bi, Bo, Bu“). Ganz am Schluss stand „Les chemins de l’amour“ (Die Wege der Liebe), ein schwelgerisches Walzer-Lied auf ein Gedicht von Jean Anouilh.

Das Publikum feierte beide Künstler mit starkem Beifall, wofür diese sich mit zwei Strauss-Liedern („Nichts“ und „Wiegenlied“) bedankten. (GE)

Auch in diesem Jahr gab es während der Schubertiade einen Meisterkurs für Gesang, den die gefeierte Sopranistin und ehemalige Professorin an der Wiener Musikuniversität Edith Mathis leitete. Als Kursbegleiter brachte sie den Pianisten Dieter Paier mit, der bis 2006 ihr Assistent in den Liedklassen der Universität war. Vom 26.-30. August arbeiteten die beiden Künstler nun täglich von 10 bis 13 Uhr mit sechs ausgewählten jungen Damen im Alter von 22 bis 35 Jahren. „25 bis 30 Minuten täglich für jede sind viel zu kurz“, befand Frau Mathis gleich zu Beginn; da möchte sie „vor allem inspirieren. So ein offener Kurs mit Publikum ist für die Teilnehmer natürlich ungewohnt, und dementsprechend rücksichtsvoll ging Edith Mathis mit den fünf Sopranistinnen und einer Mezzosopranistin um, als sie merkte, wie aufgeregt manche waren, andere dagegen betont lässig nach außen. In täglich unterschiedlicher Reihenfolge stellten die Sängerinnen zunächst jeweils ein gut vorbereitetes Lied vor, dann ging es an die Feinarbeit und Interpretation einzelner Zeilen und Wörter. Dabei forderte Frau Mathis die Einzelnen liebevoll ihren Fähigkeiten und ihrem Ausbildungsstand gemäß mehr oder weniger. Es gab Angebote und Hilfen zur jeweiligen Lied-Interpretation, wobei besonders herausgearbeitete musikalische Phrasen sowie abphrasierte Bögen und Endsilben im Fokus standen. Auf exakte Beachtung von Pausen und genaue Ausführung von Vorschlägen und musikalischen Angaben wie piano, forte, crescendo und decrescendo wurde immer wieder hingewiesen.

Ein heikles Thema war die Aussprache der Vokale, die nicht nur für die Damen aus Japan, Hongkong und Spanien naturgemäß schwierig war, sondern auch für die deutschsprachigen Teilnehmerinnen. Das Singen klingender Konsonanten sowie das schnelle Artikulieren von Konsonantengruppen wurde angesprochen und ausprobiert, um z.B. dichtes Legato zu erreichen, sozusagen „die Phrase auf ein Gleis zu setzen“. Es wurden auch unterschiedliche Wege zu einer Interpretation aufgezeigt und akzeptiert: „Wenn Ihnen meine Interpretation nicht gefällt, versuchen Sie einfach, mich von Ihrer zu überzeugen“.

Viele gute Anregungen kamen von Dieter Paier, z.B. zum rechtzeitigen Vorbereiten des Einsatzes der Singstimme, zum Atmen, zu weichen Einsätzen, zum Singen der Konsonanten vor dem Schlag, damit der Vokalklang pünktlich auf den Schlag kommt, und viele andere für einen Sänger wichtige Kleinigkeiten.

Nur technische Fehler bei Atmung und Haltung wurden kaum aufgezeigt, da die Zeit nicht auch noch für eine intensive Behandlung gereicht hätte. Einige Sängerinnen nahmen die vielen Anregungen sehr gut auf und konnten sie sofort umsetzen, manche brauchen sicher noch etwas länger, um das Beste daraus zu machen. Insgesamt waren es höchst interessante Vormittagsstunden, die auch dem Laien im Publikum einiges an Erklärung zum Gesang als „Hochleistungssport“ enthüllten. Schade war, dass es kein Abschlusskonzert des Kurses gab, in dem die Probanden sich noch einmal mit ihren veränderten Lied-Interpretationen einem größeren Publikum hätten präsentieren können. (ME)

Ein höchst anspruchsvolles Liedprogramm hatte die Mezzosopranistin Sophie Rennert für den Konzertnachmittag des 31.8. ausgewählt. Gemeinsam mit Helmut Deutsch präsentierte sie Schubert-Vertonungen von ausschließlich Schiller-Gedichten, dabei die Ballade „Der Taucher“. Von Anfang an beeindruckte die junge Sängerin durch in jeder Beziehung ausgefeilte Gestaltung der inhaltlich nicht einfachen Lieder. Das erreichte sie durch beispiellose Artikulation und damit hohe Textverständlichkeit, durchweg intonationsreines Singen sowie gute Führung ihres hellen, ausdrucksstarken Mezzos durch alle Lagen ohne zu forcieren. Dazu kam die Unterstützung durch ihre Mimik, der man den jeweiligen Inhalt nachvollziehbar ablesen konnte. Zu Beginn gab es Lieder aus der Frühzeit Schuberts, wie das leicht und locker servierte „An den Frühling“, das anrührende „Des Mädchens Klage“ oder das hoffnungsfrohe „Der Jüngling am Bache“. Bereits bei diesen ersten Liedern zeigten sich die hohen Qualitäten des versierten Liedbegleiters Helmut Deutsch, der wieder zeigte, wie er mit Sängern mitatmet, und so ein zuverlässiger partnerschaftlicher Mitgestalter war. Das bewährte sich sodann in der fast halbstündigen Ballade „Der Taucher“. Diese erfuhr durch die beiden Künstler eine mitreißende Wiedergabe, wobei Helmut Deutsch die vielen pianistischen Finessen mit Bravour meisterte, und Sophie Rennert durch die Schilderung des durchweg hoch spannenden Geschehens das Publikum in ihren Bann schlug. Nach der Pause setzte sich das kluge, stets einleuchtende Gestalten der Lieder fort: Da erklangen die mit unterschiedlichen Naturbeschreibungen durchsetzte „Erwartung“, die inhaltlich nicht von vorherein zu erfassenden, hier aber schön verdeutlichten Lieder „Der Flüchtling“ und „Gruppe aus dem Tartarus“ sowie das wie im „Taucher“ tonmalerisch durchsetzte. jubelnde „Elysium“, aber auch die abschließende im sängerischen Ausdruck dem Titel gerecht werdende „Sehnsucht“. Mit drei weiteren Schiller-Vertonungen Schuberts bedankten sich die Künstler beim sie mit „standing ovations“ feiernden Publikum – insgesamt war es ein wunderbarer Abschluss unseres Konzert-Marathons bei der Schubertiade. (GE)

 

Fotos: © Schubertiade/Peter Mathis

Marion und Gerhard Eckels 31. August 2019

 

Weitere Schubertiaden: 20./21.9. + 2.-9.10.2019 (Hohenems) und wieder 2020 in Hohenems und Schwarzenberg

 

 

SCHUBERTIADE August/September 2019 – Teil I

www.schubertiade.at

Hochkarätig

Der 8. Mai 1976 gilt als Gründungstag der „Schubertiade“, weil an diesem Tag im Rittersaal des Palastes Hohenems ein Liederabend des damaligen künstlerischen Leiters Hermann Prey mit Leonard Hokanson stattfand. Dieses kleine, aber sehr feine, hochkarätige Festival mit Kammermusik- und Liederabenden hält sich also schon seit unglaublichen 43 Jahren. Das ist in erster Linie dem Geschäftsführer und künstlerischen Leiter Gerd Nachbauer zu verdanken, dem es Jahr für Jahr gelingt, Spitzenkräfte aus aller Welt im Frühjahr und Herbst nach Hohenems sowie im Juni und Spätsommer nach Schwarzenberg zu holen. Sie treffen hier auf ein internationales, äußerst fachkundiges Publikum, das neben den musikalischen Glanzpunkten auch die wunderbare Alpenlandschaft im österreichischen Vorarlberg genießen kann.

Für uns begann es in diesem Jahr im ästhetisch ansprechenden und vor allem akustisch hervorragenden Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg am Nachmittag des 24.8. mit ausgezeichnet interpretierter Kammermusik. Das 1996 gegründete Jerusalem Quartet (Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Ori Kam, Kyril Zlotnikov), inzwischen kontinuierlich zu einem Spitzen-Ensemble gereift, deutete zunächst Schuberts Quartettsatz c-Moll D 703 und Beethovens Streichquartett Es-Dur op. 74 aus, wegen der zahlreichen Pizzikati vor allem im Eingangssatz auch „Harfenquartett“ genannt. In beiden Werken wurde das für das Quartett typische kontrastreiche Spiel deutlich, indem die dramatischen Tremoli starken Drive erhielten, um im Gegensatz dazu dem schönen echt Schubertschen Melos Raum zu geben. Die Neigung zum Herausstellen der Kontraste setzte sich bei Beethoven fort: Nach dem ausgedehnten Eingangssatz mit einigen virtuosen Soli des Primarius strahlte das Adagio schön abgewogene Ruhe aus, als könnte nichts das harmonische, friedliche Musizieren stören, bis sich der Satz dann doch schmerzhaft eintrübte, aber schließlich sanft ausklang. Das Presto mit seinen wilden Triolen-Schlägen und den zerklüfteten Fugati blieb trotz stürmischen Tempos stets gut durchhörbar. Das gilt auch für das Finale, ein abwechslungsreicher Variationssatz, das mit einer furios dargebotenen Coda zu Ende ging.

Nach der Pause kam mit Elisabeth Leonskaja eine der „Grandes Dames“ der Pianistenzunft hinzu, die bereits seit 1985 immer wieder bei der „Schubertiade“ auftrat, nachdem sie 1978 ihre russische Heimat verlassen hatte und seitdem in Wien lebt.  Das Klavierquintett A-Dur op. 81 von Antonín Dvorák erfuhr eine nahezu vollendete Wiedergabe, indem man perfektes Zusammenspiel aller und gleichmäßigen Klang bewunderte, durchaus keine Selbstverständlichkeit beim Aufeinandertreffen von Klavier und Streichern. So konnte man die Vorzüge des bedeutenden Klavierquintetts genießen, seien es die weichen Kantilenen in allen Stimmen oder den süffigen Klang im Eingangssatz, den Gegensatz von Melancholie und verhaltener Fröhlichkeit in der volkstümlichen Dumka oder den flotten Furiant. Im Finale gab es choralartige Ruhe vor dem wirbeligen Schlussspurt. Jubelnder Beifall belohnte die Musiker, die sich mit dem langsamen Satz aus Brahms‘ Klavierquintett bedankten – ein verheißungsvoller Start unseres Konzert-Marathons in Schwarzenberg. (GE)

Am Abend erlebte man Ian Bostridge und Julius Drake, die das Schubertiade-Publikum mit einem intelligent zusammengestellten Programm mit Liedern von Franz Schubert, Hans Werner Henze und Gustav Mahler, vorwiegend nach Texten von Friedrich Rückert, begeisterten. Seit 1999 treten beide Künstler regelmäßig mit Liedprogrammen hier auf und sind dementsprechend bestens aufeinander eingespielt. Bostridge, derzeit im Zenit seiner sängerischen Kunst, führt seinen schlanken, vibaratoarmen Tenor gekonnt mit satter Tiefe und sicherer Höhe durch alle Register. Störend an seinem Vortrag ist noch immer eine gewisse körperliche Unruhe, die den Zuhörer durch übertriebene Bewegungen und häufiges Blicken in die Texte auf dem Flügeldeckel ablenkt; das passte gerade zu Beginn bei Schubert nicht.

Dazu litt der differenzierte „Greisengesang“ an Textverständlichkeit, während z.B. „Lachen und Weinen“ allzu gekünstelt rüberkam, ohne ein Augenzwinkern erkennen zu lassen. Sehr interessant waren die zwei Henze-Lieder aus „Sechs Gesänge aus dem Arabischen“, in denen Henze dem Gesangsduo gewidmete weitgehend eigene Gedichte vertont hatte, zu denen er durch Besuche auf der ostafrikanischen Insel Lamu inspiriert worden war. Da war vor allem „Cäsarion“ – ein Gedicht von Henze über den Sohn Kleopatras und möglicherweise Cäsars – auch für den Pianisten mit Höchstschwierigkeiten gespickt, die Julius Drake glänzend meisterte. Bostridge zeigte hier seine hohe technische Kunst bei aberwitzigen Tonsprüngen und trotzte erfolgreich dem sinfonisch aufrauschenden Klavier. Bei „Paradies“ von Hafis, übersetzt von Rückert, überzeugte der Sänger durch elegante kontrastreiche Interpretation.

Im 2. Teil des Abends überraschte Bostridge mich positiv mit eigenwilliger, intensiver Wiedergabe von vier Wunderhorn-Liedern, wobei „Revelge“ der Höhepunkt war; da passte der bewusst plärrige Ton ideal zu „Ach Bruder, jetzt bin ich geschossen…“ wie auch das verzagte „Ach Brüder, Ihr geht ja mir vorüber, als wär’s mit mir vorbei!“. Und alles zu dem unausweichlichen Marschrhythmus, den Drake nach gewaltigem Aufbäumen sehr gut abphrasierte. Die beiden Künstler schlossen mit vier Rückert-Liedern von Mahler, wobei Drake den zarten Gesang von Bostridge in „Ich atmet` einen linden Duft“ locker unterstützte; dieser bewies äußerste Beherrschung seiner Technik mit extrem ruhiger Stimmführung in „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, obwohl er noch während der pianistischen Einführung den Text in seinen Noten suchte, also nicht voll auf das Lied konzentriert war.

Mit zwei Zugaben (Mahler/Schubert) bedankten sich die Beiden für den begeisterten Applaus. (ME)


Wie immer bei den Schubertiaden gab es auch diesmal wieder die berühmten Liederkreise von Franz Schubert zu hören. Dabei wird hier gern jüngeren Sängerinnen und Sängern die Chance gegeben, diese  Meisterwerke zu interpretieren. Am 25.8. waren es der Südtiroler Sänger Andrè Schuen und sein Begleiter Daniel Heide, die die „Winterreise“ in hinreißender Manier ausdeuteten. Schuen verfügt über einen ausgesprochen farbenreichen Bariton, den er mit bester Diktion und Internationsreinheit sowie verblüffend sicherer Stimmtechnik  einzusetzen wusste. Da, wo es nötig ist, hatte die Stimme dramatische Attacke, wie z.B. bei „Ob’s unter deiner Rinde wohl auch so reißend schwillt?“ in „Auf dem Flusse“ oder in „Mut“ („Sind wir selber Götter!“). Eine ganz große Stärke des Baritons sind die vielen lyrischen Passagen, die er mit wunderbaren Legato-Bögen absolvierte und dabei trotz einer gewissen Neigung zu langsamen Tempi durchgehend in Spannung hielt. Die eindringliche Gestaltung der unterschiedlichen Stimmungen der „schauerlichen Lieder“ (Schubert) durch die beiden Künstler war bereits erstaunlich ausgereift. Das führte dazu, dass die Gesamtinterpretation gemeinsam mit dem vorzüglichen, stets mitgestaltenden Pianisten von Beginn an in jeder Phase derart packend war, dass man mit dem zu Tode unglücklichen, durch die Winterlandschaft Wandernden in jeder Phase mitfühlen konnte. Nach längerem Innehalten am Schluss nach dem „Leiermann“ brach lang anhaltender Applaus des enthusiasmierten  Publikums aus, der sich zu „Standing Ovations“ steigerte. Wie Daniel Heide erläuterte, gibt es normalerweise nach der „Winterreise“ keine Zugabe; dennoch sei es angebracht, „heute einen Gruß in den Himmel“ zu schicken; so erklang in ergreifender Ausdeutung Schuberts „Im Abendrot“. (GE)

Einen rundum beglückenden Liederabend bescherten Tara Erraught und Malcolm Martineau den Schubertiade-Liebhabern am Nachmittag des 26.8. Die irische Mezzosopranistin mit Sopranhöhen, deren Stammhaus die Bayerische Staatsoper in München ist, zog die Zuhörer vom ersten Ton an mit starker Ausstrahlung und Bühnenpräsenz in ihren Bann. Sie begann mit fünf Mörike-Lieder von Hugo Wolf, dessen „Er ist’s“ in ihrer Interpretation mit farbenreicher Stimme und passender Mimik und Gestik den furiosen Auftakt bildete. Malcolm Martineau bereitete der Sängerin mit seiner reichen Erfahrung gekonnt den Teppich, auf dem sie ihre Lieder ausrollen konnte, ein sehr gutes Duo, das in dieser Kombination debütierte und hoffentlich häufiger zu hören sein wird. Es folgten vier Schubert-Lieder, u.a. „Gretchen am Spinnrade“, wobei sich Pianist und Sängerin durch differenzierte Interpretation wunderbar ergänzten. Besonders gelungen war auch „Nacht und Träume“, dessen lange Spannungsbögen sanft und ruhig im piano geführt wurden.

Ein Highlight war dann „Der Hirt auf dem Felsen“, zu dem sich Jörg Widmann als Dritter gesellte. Da entstand ein herrliches, intensives Zwiegespräch zwischen Stimme und Klarinette über dem tragenden Klaviergrund. Nebenbei bewies Tara Erraught, wie gut sie auch weich laufende Koloraturen und lockere Sopranhöhen beherrscht.

Von Mahlers „Liedern eines fahrenden Gesellen“ gefiel mir die dichte Wiedergabe von „Ich hab‘ ein glühend‘ Messer“ besonders gut; bei bester Textverständlichkeit und Legatokultur der Sängerin wurden die eruptiven Elemente von beiden Künstlern nahezu ideal herausgearbeitet. Zum gelungenen Abschluss des Konzertes präsentierte das Duo die acht „Zigeunerlieder“ von Johannes Brahms mit viel Esprit; offen blieb für mich, warum man sich entschieden hatte, bei „Wißt ihr, wann mein Kindchen“ die zweite vor der ersten Strophe zu singen?

Das Publikum spendete den Künstlern jubelnden Applaus, die sich dafür mit zwei englischsprachigen Zugaben bedankten. (ME)

Seit seiner Gründung 1989 hat sich das Artemis Quartett schnell in die Weltspitze gespielt; diesen Stand hat das Quartett trotz einiger Neubesetzungen immer gehalten. Zu Beginn der Saison 2019/20 steht nun mit dem Ausscheiden des letzten Gründungsmitglieds, des Cellisten Eckart Runge, und der Geigerin Anthea Kreston  ein fundamentaler Wechsel an: Neu im Quartett sind die holländische Cellistin Harriet Krijgh und die Geigerin Suyoen Kim, die an die Seite von Vineta Sareika (seit 2012 dabei) tritt, um die Tradition des Quartetts fortzusetzen, dass die Geigerinnen an der ersten Violine alternieren; seit 2007 gehört Bratschist Gregor Sigl dem Quartett an. Am Nachmittag des 27.8. musizierte das verjüngte Quartett zunächst Peter Tschaikowskys selten aufgeführtes Streichquartett F-Dur op. 22. Das mit streicherischen Höchstschwierigkeiten gespickte Quartett erfuhr eine Wiedergabe auf hohem Niveau. Die Musiker waren verblüffender Weise bestens aufeinander eingestellt, als ob sie schon jahrelang zusammen spielen. Die unterschiedlichen Stimmungen des etwas zerklüfteten Quartetts mit teilweise geradezu sinfonischen Klangballungen fanden eine intensive, tiefgehende Ausdeutung. Nach der Pause erklang Schuberts berühmtes Streichquartett d-Moll D 810 „Der Tod und das Mädchen“. Auch hier fiel das ausgezeichnete Zusammenspiel auf. Besonders beeindruckend war der Variationssatz über das „Todesthema“, bei dem die Künstler passend fahle Tongebung fanden, indem sie dieses im piano vibratolos spielten. Wie allgemein üblich ließ das Finale mit irrwitzigem Tempo keine Zweifel am tragischen Ende der Hetzjagd. Das Publikum war begeistert, wofür sich die Künstler mit dem Scherzo aus Schuberts G-Dur-Quartett D 887 bedankten. (GE)

Eine insgesamt etwas unausgewogene Interpretation von Schuberts Liederkreis „Die schöne Müllerin“ ließen am Abend des 27.8. Martin Mitterrutzner und Gerold Huber hören. Das populäre Eingangslied vom „Wandern“ kam recht behäbig mit schweren Schritten in Klavier und Gesang daher, was nur zu den „Steinen, so schwer sie sind“ passte. Bei „Wohin“ war das Klavier teilweise noch zu laut, so dass man den sonst bis auf wenige Vokalverfärbungen (vor allem bei a und ü) gut artikulierten Text des Sängers nicht immer verstehen konnte. Vom dritten Lied an waren dann die beiden Künstler besser aufeinander eingestimmt. Da konnte Mitterrutzner zeigen, wie technisch fundiert und bruchlos er seinen kernigen Tenor führen kann, wenn er auch gelegentlich zu sehr opernhaft auftrumpfte, wie bei „Ungeduld“ oder „Die böse Farbe“. Weit über das geforderte Tempo hinaus gingen auf Kosten der Textverständlichkeit dagegen „Mein!“ mit Gerold Hubers sieghafter Einleitung und mit wildem Vorspiel „Der Jäger“. Besonders eindringlich gestaltet waren u.a. „Am Feierabend“, „Eifersucht und Stolz“ sowie die beiden letzten todtraurigen Lieder „Der Müller und der Bach“ und „Des Baches Wiegenlied“. Insgesamt trug der versierte Pianist, der seit 1999 bei der Schubertiade anzutreffen ist, den jungen Sänger sicher durch die Lieder, so dass es insgesamt doch ein weithin abgerundeter Liederkreis wurde, der vom Publikum sehr positiv aufgenommen wurde. (ME)

 

Fotos: Schubertiade

Marion und Gerhard Eckels 28. August 2019

 

 

 

Eine Chance für junge Musiker

25. Bis 28. Oktober 2018

Andrei Ioniţă als Intendant in Residence

Mit den zyklischen Alpenarte-Konzertreihen wird jungen Musikern die Möglichkeit geschaffen, sich als Intendant in Residence mit den Tücken der Organisation von Musik-Events vertraut zu machen. Als Intendant in Residence der Herbst-Alpenarte hatte der rumänische Cellist Andrei Ioniţă junge aufstrebende, aber durchaus bereits gestandene Musiker in das Österreicher Schwarzenberg eingeladen, um mit seinen Gästen in dem wundervollen Angelika-Kauffmann-Saal vier Themen-Kammerkonzerte zu gestalten.Der schlichte, komplett aus Tannen- und Buchenholz errichtete Saal bietet für die Kammermusik perfekte akustische Bedingungen. Nicht ohne Grund gilt der Saal als einer der besten Kammermusiksäle Österreichs.

Der „Schuhschachtel-Konzertsaal“ ist mit einem offenen Flach-Satteldach abgedeckt, so dass die Leimbinder-Stützkonstruktion sichtbar bleibt. Seitlich vom Podium sind schräge Holzreflexwände angeordnet und hinter den Musikern war ein den Schall reflektierender Paravent aufgestellt. Interessanterweise haben auch die Panorama-Doppelglasfenster keinen gravierenden Einfluss auf die Klangentwicklung. Außerdem verfügt der Saal über eine ausgezeichnete Belüftungsanlage und im hinteren Bereich über eine Galerie.

Ich empfand die Klangentfaltung allerdings als etwas trocken. Aber das mag ein individueller Eindruck sein.

Das Konzert des ersten Abends war der Deutschen Romantik gewidmet. Der 1. Preisträger des Cello-Tschaikowskiwettbewerbs 2015 Andrei Ioniţă eröffnete den Abend mit dem spanischen Pianisten und Gewinner des Kissinger Klavier-Olymp 2018 Juan Pérez Floristán mit drei Fantasiestücken op.73 von Robert Schumann. Danach komplettierte der spanische Klarinettist Pablo Barragán die Musiker, um gemeinsam mit beeindruckender Podiumpräsenz das Trio in a-Moll op. 114 von Johannes Brahms zu bieten.

Als drittes Werk spielten dann Ioniţă, Floristan , der außergewöhnliche albanisch-griechische Violinist Jonian Ilias Kadesha ,sowie Karolina Errera aus Moskau eine frische Interpretation des Brahms-Klavierquartetts Nr. 1, op. 25. Alle vier Musiker haben bereits hochrangige Wettbewerbe gewonnen.

Der zweite Konzertabend war einer Auswahl aus der Vielfalt der Musik „Europas“ gewidmet. Mit einer expressiven Darbietung von Jörg Widmanns „Fantasie für Klarinette solo“ eröffnete Pablo Barragán das Programm. Die britische Cellistin Vashti Hunter verfügt bereits über solistische Erfahrung. Sie und Pablo Barragán begeisterten mit einer für ihre Instrumente arrangierten Auswahl zweistimmiger Inventionen von Johann Sebastian Bach und als Gegenstück das „Off Pist“ des Schwedischen Komponisten Svante Henryson. Danach brillierte Juan Pérez Floristan mit der „Fantasia Betica“ für Klavier solo seines Landsmanns Manuel de Falla. Das Europa-Programm ergänzte das Klavierquintett in A-Dur, op. 81 von Antonin Dvorak. Es spielten die Geiger Jonian-Ilias Kadesha und die koreanisch-kanadische Preisträgerin des Sibelius-Musikwettbewerbs 2015 Christel Lee. Die in Antalya ausgebildete Bratschistin Nilay Özdemir, die Cellistin Vashti Hunter sowie der Pianist Floristan aus Sevilla komplettierten die höchstsensible Darbietung. Als Zugabe wurde ein Medley der Europa-Hymne, der Österreicher Nationalhymne und Beethovens „Lied an die Freude“ intoniert.

Das dritte Konzert hatte Andrei Ioniţă der Musik seiner Rumänischen Heimat gewidmet: „Dor:Rumänischer Traum“.

Das „Dor“ gilt als Hauptwesenszug des rumänischen Nationalcharakters und umfasst die rumänische Mentalität mit ihrem „Weltschmerz“, ihrer Sehnsucht, Nostalgie und Melancholie.Andrei hatte ausschließlich Werke rumänischer Komponisten, bzw. im heutigen Staatsgebiet Rumäniens geborener Komponisten, wie Bela Bartok, in das Programm dieses Konzerts aufgenommen. Mit seiner bereits gebotenen Intensität und Virtuosität begann Pablo Barragán mit einer Sonate für Klarinette solo von Tiberiu Olah (1928 bis 2002). Als eine unbedingte Bereicherung der Musikerschar stellte sich die aus Ploiești stammende Pianistin Daria Tudor vor. Sie ist mehrfache Musikpreisträgerin und häufige Kammermusik-Partnerin Andrei Ioniţăs. Eine Toccata von George Enescu war ihr fulminanter Einstieg in das Programm. Danach folgten von George Enescu „Carillon Nocturne“ und von Radu Paladi sein „Rondo a capriccio“.

Aus einer Auswahl der Duos für zwei Violinen, Sz. 98 des Béla Bartok spielten Jonian-Ilias Kadesha und Christel Lee. Danach folgten, unkonventionell für zwei Bratschen bearbeitete Stücke aus gleicher Quelle, von Karolina Errera und Nilay Özdemir routiniert dargeboten.Beschwingt beendeten Andrei Ioniţă und Daria Tudor den ersten Teil des Programms mit Rumänischen Volkstänzen von Béla Bartok.

Die Tochter des Komponisten Radu Paladin (1927-2013), die Musikwissenschaftlerin und Publizistin Irina Paladi, führte danach mit dem vom Komponisten geförderten Andrei ein informierendes und auch emotionales Podiumsgespräch über das Leben und das Werk des bedeutendsten Komponisten Rumäniens der jüngsten Vergangenheit. Beide führten das Publikum zu einem der musikalischen Höhepunkte des Viertage-Zyklus, einer berührenden Interpretation des Streichquartetts Nr.1 in c-Moll von Radu Paladi.

Neben Andrei Ioniţă, Karolina Errera und Jonian-Ilias Kadesha übernahm die Enkelin des Komponisten Alexandra Paladi einen Violinen-Part. Als Orchester- und Kammermusikerin sowie als Solistin verfügt sie bereits über reiche künstlerische Erfahrungen.

Das Abschlusskonzert widmete der Intendant der ihm besonders nahestehenden russischen Musik.

Das Konzert wurde mit dem Klaviertrio élégiaque Nr.1 in g-Moll von Sergej Rachmaninow eröffnet, das dieser im Alter von 19 Jahren komponierte. Als Solisten erfreuten mit einer frischen unkonventionellen Darbietung Alexandra Paladi, Vashti Hunter und die phantastische Daria Tudor

Mit Dmitri Schostakowitschs schmerzbeladenem Klaviertrio Nr. 2 in e-Moll folgte der für uns emotionale Höhepunkt des Festivals. Mit höchster Sensibilität von Daria Tudor, Christel Lee und Andrei Ioniţă musiziert, hätten wir uns das Trio eigentlich als Abschluss der Alpenarte 2018 gewünscht.

Den Schluss bildete Peter Tschaikowskis Streichsextett „Souvenir de Florence“ in d-Moll, mit dem die sechs Streicher der vier vergangenen Konzerte noch einmal ihre glückliche Kombination aus Virtuosität, Jugendfrische und sich entwickelnder musikalischer Reife zur Geltung bringen konnten.

Mit der Zugabe, einer Bearbeitung des Andante aus Tschaikowskis Streichkonzert Nr. 1 für das gesamte Alpenarte-Ensemble und dem Solopart mit Andrei Ioniţă, wurde dem Auditorium noch ein Ohrwurm zum Abschluss geboten, was auch mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.

Für uns, aus dem doch recht entfernten Dresden Angereiste und durchaus musikverwöhnte Hörer, war das Festival ein unwahrscheinliches Erlebnis. Die noch sehr jungen, hoch talentierten Musiker hinterließen einen unvergesslichen Eindruck, so dass bei uns der Wunsch entstanden ist, mehr davon zu erleben.

Die nächste Alpenarte findet vom 9. bis zum 12. Mai 2019 mit der Intendanz in Residence der Flötistin Eva-Nina Kozmus in Schwarzenberg statt.

 

Thomas Thielemann 27.3.2019

Bilder (c) Schwarzenberg / Andreas Domjanic

 

 

 

 

SCHUBERTIADE Juni/Juli 2018

Teil II

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Im Rahmen der Reihe der kompletten Kammermusik von Johannes Brahms, die in den verschiedenen Phasen der Schubertiade zwischen März und Oktober 2018 erklingt, waren am 27.6. nachmittags die beiden Streichquintette op. 88 und op. 111 zu hören. Renaud Capucon und Guillaume Chilemme (beide Violine), Adrien La Marca und Gérard Caussé (beide Viola) sowie der Cellist Edgar Moreau fanden mit ihren kostbaren Instrumenten eine Ausdeutung, die das Publikum tief berührte. Nun hätte man ja bei diesen Individualisten, die nicht in einem festen Ensemble spielen, annehmen können, dass es Probleme im Zusammenspiel geben würde – keine Spur! Es wurde eine ausgesprochen gut ausgewogene Klangfülle erzielt, die zu den aufgeführten Werken aufs Beste passte. Im 1882 entstandenen F-Dur-Quintett erzeugten die Musiker im Eingangssatz eine Stimmung, die, um mit Hugo Wolf zu sprechen, „die Natur so geheimnisvoll, so feierlich still, so selig verklärt“ erscheinen ließ. Dem süffigen Grave mit den beiden fast tänzerischen Unterbrechungen folgte das stets gut durchhörbare, energiegeladene Finale, das das Quintett mit einer furios dargebotenen Coda abschloss. Acht Jahre später komponierte Brahms das G-Dur-Quintett, dessen Allegro mit wunderbar präsentierten Bratschen- und Geigen-Duos durchsetzt ist. In den beiden Mittelsätzen, im nachdenkliche Adagio und dem Allegretto anstelle eines Scherzos, gaben die Musiker die eher dunkle Stimmung mit spannungsreicher Ruhe wieder. Am Ende stand das mit blendender Virtuosität dargebotene Vivace, das das Quintett mit einem nun wirklich feurig zu nennenden Csárdás abschloss. Begeisterter Beifall. (GE)

Am Abend stellten Marlis Petersen und Stephan Matthias Lademann das Programm ihrer neuen CD mit dem Titel „Welt“ vor. Da konnte man nun vorwiegend selten zu hörende Kompositionen mehr und weniger bekannter Meister kennenlernen. Wer kennt denn schon „Das Los des Menschen“ von Sigurd von Koch (Text von Hans Bethge), Lieder von Hans Sommer („Herbstabend“, Text: Nora Gräfin von Strachwitz, oder „Gesang des Lebens“, Text: Otto Erich Hartleben), Schuberts „Cora an die Sonne“ (Text: Gabriele von Baumberg) oder Schumanns „Die Hütte“ (Text: Gustav Pfarrius)? Marlis Petersen besitzt einen durch alle Lagen ausgeglichen vollen Sopran, der sich mühelos bis in höchste Höhen schwingt; beeindruckend war daher besonders ihre Interpretation von Beethovens „Abendlied unter gestirntem Himmel“. Aber auch in der tieferen Lage trägt die Stimme gut. Große Intervall-Sprünge absolvierte sie höchst erfolgreich, z.B. in Sommers „Erinnerung“ oder von Kochs „Das Los des Menschen“). Das im Vorjahr so störend laute Atemholen hat sie inzwischen weitgehend abgestellt; geblieben sind allerdings nachlässige Intonationsfehler in der Mittellage und bei kleinen Notenwerten (z.B. Brahms‘ „Dämmerung senkte sich von oben“), das Kleben an den Noten und die körperliche Unruhe, die bei ruhigen Liedern (vor allem bei Schumanns „Mondnacht“ und Brahms‘ „Feldeinsamkeit“) die Spannungsbögen deutlich störte. Besonders gut gelangen u.a. Schuberts „Am See“, Clara Schumanns „Mein Stern“ und Brahms‘ „Serenade“. Insgesamt ließ ihr Gesang jedoch ziemlich kalt; da sprang kein Funke über. Und der versierte Pianist Stephan Matthias Lagemann begleitete unaufdringlich; da fehlten doch manchmal eigene Impulse. Mit Mozarts „Abendempfindung an Laura“ bedankten sich die Künstler für den freundlichen Beifall. (ME)

Es ist schon gute Tradition, dass während einer Schubertiade ein öffentlicher Meisterkurs für Liedgesang stattfindet. Diesmal boten Thomas Hampson und Wolfram Rieger jungen Sängern vom 25. bis 28. Juni die Gelegenheit, sich neben grundsätzlichen Verbesserungsmöglichkeiten Tipps und Schliff für Liederabende zu holen und ihre Fortschritte in einem kleinen Konzert dem Publikum vorzustellen. Da wurde an vier Vormittagen (und wie man hörte auch privat nachmittags weiter) wirklich hart gearbeitet an Körperhaltung, mentaler Einstellung, Aufeinanderhören, Textarbeit und, und, und. Jeder der zehn Teilnehmer (sechs Sänger und Sängerinnen sowie 4 Pianisten und Pianistinnen), die teilweise bereits ein sehr hohes Niveau aufwiesen (zwei sind schon in Festengagements), wurde zunächst mit Fragen konfrontiert wie „Warum habt ihr das Lied gewählt? Was sagt euch schon das Notenbild allein? Warum hat der Dichter dies geschrieben? Was für Vorstellungen habt ihr von dem Lied?“ Da ging es also gleich an handfeste Interpretation, nachdem eine aufrechte, entspannte Haltung und freiere Tongebung durch einfache Übungen erreicht worden waren. „Ihr müsst die Phrasierung vorausdenken, mindestens zwei bis zu acht Takte voraushören, erst dann wird konzentriert mit Spiel oder Gesang begonnen.“ Da waren sich die beiden Meister einig; ebenso war klar, dass sie natürlich in so wenigen Tagen nur Denkanstöße zu technischer Verbesserung oder anderer interpretatorischer Auffassung geben können. Was die einzelnen Teilnehmer dann daraus letztendlich machen, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.

Am 29.6. war es dann soweit: Fünf der Sängerriege (ein vielversprechender Bariton musste wegen eines Konzerttermins vorher abreisen) präsentierten die hart erarbeiteten Lieder. Da konnte man gleich bei Isabel Pfefferkorn (Mezzo) und Hanna Bachmann eine Entwicklung innerhalb der wenigen Tage erkennen, bei zwei Schubertliedern, aber vor allem bei Strauss‘ „Epheu“, das deutlich an Aussage und Klang gewonnen hatte. Die Schweizerin Flurina Stucki begeisterte mit ihrem voll timbrierten Sopran, der in zwei „Mignon“-Liedern (Wolf) große Ruhe ausstrahlte und bei „Malven“ (Strauss) große Flexibilität bewies; Alena Sojer begleitete sicher. Die übrigen Sänger wurden alle von dem hoch einzuschätzenden Pianisten Daniel Gerzenberg unterstützt: Der Bassbariton Matthias Hoffmann bestach durch Schuberts „Kriegers Ahnung“ mit großer Steigerung bis zum ruhigen Schluss und den gelungenen großen Spannungsbögen in Mahlers „Urlicht“. Aus Mahlers „Scheiden und Meiden“ und Strauss‘ „Himmelsboten“ machte Susan Zarrabi mit ihrem charakteristischen, farbigen Mezzo jeweils gelungene kleine Geschichten mit passender Mimik und Gestik. Schuberts „Die Nebensonnen“ und „Der Leiermann“ gestaltete der amerikanische Bariton Sean Michael Plumb mit schöner Tongebung intensiv und setzte mit Strauss‘ „Heimliche Aufforderung“ einen gelungenen Schlusspunkt. Das Publikum war zu Recht begeistert.

Als Dank aller Aktiven an das Publikum wegen seiner Ausdauer während der insgesamt fünf Tage gab es, von allen gesungen sowie Rieger und Gerzenberg vierhändig gespielt, Schuberts „Kantate zur Genesung der Irene Kiesewetter“, ein wunderbarer Abschluss des Kurses. (ME)

Fester Bestandteil aller Schubertiaden sind die berühmten Liederkreise von Franz Schubert. So gab es am 30.6. „Die schöne Müllerin“ in einer durchgehend fesselnden Interpretation von Christoph Prégardien und Malcolm Martineau – eine Sternstunde des Liedgesangs. Der seit 1993 regelmäßig bei der Schubertiade auftretende, erfahrene Liedsänger gab die letztlich unendlich traurige Geschichte vom unglücklich verliebten Müllerburschen in allen unterschiedlichen Stimmungslagen mit einer unglaublichen Spannungsdichte wieder. Dazu trugen ganz wesentlich auch die ausgezeichnete Textverständlichkeit und die technisch sichere Führung seines lyrischen Tenors mit den wunderbaren Piani in den Höhen bei. Kleine Gesten und passende Mimik unterstützten den beinahe schon vollendet zu bezeichnenden Vortrag. Im ersten Teil des Liederkreises, wenn Hoffnung und Sehnsucht des Müllerburschen noch das Geschehen bestimmen, erlaubte sich Prégardien einige zusätzliche Verzierungen, die vor allem die vielen variantenreich präsentierten Strophenlieder bereicherten. Dass der Liederabend von so besonderer Güte war, lag auch an der prägenden Mitgestaltung durch den bewährten Liedbegleiter Malcolm Martineau, der mit vollendeter Technik alle Nuancen der Darstellung durch den Sänger nicht nur erfasste, sondern durch eigene Impulse zum das Publikum begeisternden Gesamtergebnis beitrug. Eine inhaltlich passende Zugabe war Schuberts „Der Jüngling und der Tod“. (GE)

Es ist erstaunlich, dass es Intendant Gerd Nachbauer und seinem Team immer wieder gelingt, Weltklasse-Künstler – auch der jüngeren Generation – für die Schubertiade zu gewinnen. So waren es am Vormittag des 1.7. zum Abschluss der von uns besuchten Schubertiade der Pianist Igor Levit, der Geiger Ning Feng und der Cellist Daniel Müller-Schott, die beide Klaviertrios von Franz Schubert ausdeuteten. Von Beginn an wurde schnell deutlich, dass man wirklich Kammermusik vom Feinsten erleben durfte. Es drängte sich kein Instrument nach vorn, vor allem nicht das Klavier – stets eine große Gefahr bei Klaviertrios. Nein, Igor Levit passte sich glänzend an und stellte seine hohe Kunst auf „seinem“ Instrument in den Dienst des Ensembles. Das gilt in gleichem Maße für die ausgezeichneten Streicher, die gemeinsam mit dem Pianisten durch fein abgestimmte Dynamik, sensible Tempo-Übergänge und überhaupt für eine in jeder Phase stimmige Wiedergabe der beiden Trios sorgten. Sie folgten in ihren Deutungen durchaus der Charakterisierung von Robert Schumann, der das Trio Es-Dur D 929 „mehr handelnd, … dramatisch“ und das B-Dur-Trio D 898 „dagegen leidend, … lyrisch“ bezeichnet hat. Da gab es im B-Dur-Trio die charakteristischen sehnsuchtsvollen Aufschwünge im Eingangssatz, „seliges Träumen“ (wieder Schumann) im Andante oder im Es-Dur-Trio Hochdramatisches im variantenreichen Andante con moto, Spritziges im Scherzando mit einem passend schroff servierten Trio sowie der Gestaltung dienende hohe Virtuosität im begeisternden Finale. Beifall, der sich zu Ovationen steigerte. (GE)                                      

 

Fotos: © Schubertiade

Marion und Gerhard Eckels 2. Juli 2018

 

Weitere Schubertiaden in Schwarzenberg: 25.8.-1.9.2018

und in Hohenems: 12.-15.7.2018 + 3.-9.10.2018

 

 

SCHUBERTIADE 2018

Juni/Juli 2018 – Teil I

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Hohes Niveau

Wie schon seit über 40 Jahren konnte man nun erneut im akustisch hervorragenden Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg/Vorarlberg Liederabende und Kammermusik vom Feinsten sowie einen Meisterkurs erleben.

Für uns begann es am 23.6. mit dem seit seinem Debüt in Schwarzenberg 2012 als junger Lied- und Opernsänger steil Karriere machenden Schweizer Tenor Mauro Peter und dem bereits fast 40 Jahre hier wirkenden Altmeister Helmut Deutsch am Flügel. Die Beiden hatten eine interessante Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem von Franz Schubert sowie bekannte Gedichte in relativ unbekannter Vertonung von Franz Liszt zusammengestellt. Mauro Peter begeisterte sofort durch seine technisch nahezu perfekt geschulte, samtweiche Stimme, die er mit bester Legato-Kultur, reiner Intonation und sehr guter Diktion zu führen versteht. Ausdrucksstark gelang die Rückert-Vertonung „Daß sie hier gewesen“; erste dramatische Akzente setzte Peter mit „Über Wildemann“ (Schulze) und dem Aufschrei des „Herzens“ in „Die Liebe hat gelogen“ (von Platen). Er genoss sichtlich das Spiel mit der Sprache, u.a. in „Hoffnung“ (Schiller) und „Fischerweise“ (von Schlechta); einziger kleiner Wermutstropfen des Abends war bei letzterem die stellenweise ein wenig zu laute Begleitung für die verhältnismäßig tiefen Stellen des Liedes. Interessant waren dann die Liszt-Lieder: Der spannungsgeladene „König in Thule“ (Goethe) wurde zu einem Höhepunkt des Abends; die einführenden, fast schrägen Klavierakkorde in „Vergiftet sind meine Lieder“ (Heine) führten auch den Tenor zu höchster Dramatik, während er in „Die drei Zigeuner“ (Lenau) die unterschiedlichen Typen gut herausarbeitete. Besonders schienen Peter die abschließenden „Tre Sonetti del Petrarca“ zu liegen, in denen er nochmals seine sicheren, traumhaft sanft aus dem piano anschwellenden Höhen zur Geltung bringen konnte. Aber erst durch die stets aufmerksame und versierte Begleitung von Helmut Deutsch wurden alle Lieder zu einem Generationen übergreifenden gemeinsamen Erlebnis. Den variantenreichen Strophenliedern Schuberts wurde er ebenso gerecht wie den höchst anspruchsvollen Vor- und Zwischenspielen bei Liszt. Beide Künstler bedankten sich für den begeisterten Applaus mit Schuberts „Nachtviolen“ und „Liebhaber in allen Gestalten“. (ME)

Am Vormittag des 24.6. erlebte man das seit seinem Ersten Preis im ARD-Wettbewerb 2012 weltweit erfolgreiche Armida Quartett (Martin Funda, Johanna Staemmler, Teresa Schwamm, Peter-Philipp Staemmler). Das junge Berliner Quartett nennt sich nach der Oper „Armida“ des „Vaters des Streichquartetts“ Joseph Haydn. Das Programm der Matinee enthielt allerdings kein Haydn-Quartett, sondern begann mit der „Sonata à quattro Nr. 4 d-Moll“ von Alessandro Scarlatti. Dessen barocke „Quartettsonaten“ sind ausdrücklich für vier Streicher ohne eine Continuo-Gruppe konzipiert und können deshalb als Vorläufer des klassischen Streichquartetts angesehen werden. Bereits bei diesem kurzen viersätzigen Werk wurde deutlich, dass das Quartett bei schöner Transparenz im fugierten Eingangssatz durchweg über eine exquisite Klangbalance verfügt. Anschließend gab es das Klarinettenquintett B-Dur op.34 von Carl-Maria von Weber, in dem Jörg Widmann bestechende Virtuosität zeigte, ohne die Streicher zu dominieren. Obwohl von Weber offensichtlich darauf bedacht war, die Klarinette in den kammermusikalischen Satz einzubinden, stand das Blasinstrument dann doch naturgemäß im Vordergrund. So konnte man sich an unbeschwertem, fröhlichem Musizieren erfreuen, ohne dass es für die Musiker mit den aberwitzigen Tempi in den Ecksätzen und im Scherzo irgendwelche technischen Probleme zu geben schien. Im Gegenteil, wie Widmann die vielen chromatischen Auf- und Abgänge meisterte, das hatte ganz hohes Niveau. Den zweiten Teil des Kammerkonzerts füllte Schuberts letztes Streichquartett G-Dur D 887 aus, das wegen seiner Ausdehnung – es dauert fast 60 Minuten – und der enormen technischen Schwierigkeiten sehr hohe Anforderungen stellt. Das nicht leicht aufzunehmende Quartett, in dem die Grenzen der kammermusikalischen Möglichkeiten bis ins Letzte ausgelotet werden, erfuhr eine technisch nahezu vollkommene, durchgehend spannungsreiche Interpretation der jungen Musiker, denen man eine bereits reife Durchdringung des Quartetts attestieren kann. Überaus eindrucksvoll waren beispielsweise die in allen Sätzen immer wieder ausbrechenden Klangwellen geradezu sinfonischen Ausmaßes. Im Gegensatz dazu gab es friedliche, fein abgestimmte piano-Passagen wie im Trio des Scherzos. Schließlich forderte das rasante Finale zu Begeisterungsstürmen heraus, mit dem sich das Publikum bei den Künstlern bedankte. (GE)

Seit 1986/1990 konzertieren immer wieder Thomas Hampson und Wolfram Rieger in Schwarzenberg, so auch am Abend des 24.6. mit einem anspruchsvollen Lied-Programm. Im ersten Teil erklangen nach „An die Leier“, wo dem Sänger statt Heldenliedern immer nur Liebesgesänge gelingen, nicht so häufig zu hörende Schubert-Lieder, die sich mit Gedichten von Johann Mayrhofer und Friedrich von Schiller aus dem Bereich der griechischen Mythologie befassen. In diesen tiefernsten, inhaltlich eher schwierigen Liedern zeigte der vielseitige Bariton seine hohe Gestaltungskunst und sein ausgeprägtes Ausdrucksvermögen in bestechender Weise. Sein perfektes Legato-Singen, seine Textgenauigkeit und die technische Vollkommenheit – alles Mittel seiner vollendeten Darstellung – machten die Lieder in ihrem jeweiligen Stimmungsgehalt zu künstlerisch herausragenden Erlebnissen. Dazu trug Wolfram Rieger am Klavier in vollendeter Weise bei, indem er auf jede Nuance des Sängers einging und so mit ihm zusammen die geschilderte Wirkung erzielte. Die beiden Künstler sind in ihrer gemeinsamen Durchdringung der zu interpretierenden Lieder dermaßen eng miteinander verbunden, dass dies auch den nach der Pause erklingenden spätromantischen „Sieben frühen Liedern“ von Alban Berg zugutekam. Diese Lieder aus dem Jahr 1907 stellen durch ihre meist freie Tonalität mit komplizierten Intervallsprüngen und weit ausholenden Melodiebögen hohe Anforderungen, die Hampson und Rieger exzellent meisterten. Hier fiel besonders auf, dass der Bariton die sängerische Gestaltung mehr als sonst bei ihm üblich mit Gesten unterstützte. Völlig zu Hause fühlte er sich dagegen bei den vier abschließenden Rückert-Liedern von Gustav Mahler, von denen das großartige „Um Mitternacht“ und das ergreifende „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ tiefe, nachhaltige Eindrücke hinterließen. Für den jubelnden, wie in der Oper mit Bravo-Rufen durchsetzten Beifall dankten die bedeutenden Künstler mit dem Rückert-Lied „Liebst du um Schönheit“ und dem „Wunderhorn“-Lied „Wer hat dies Liedlein erdacht?“. (GE)

Am Nachmittag des 25.6. überzeugte das 1996 gegründete Jerusalem Quartet (Alexander Pavlovsky, Sergei Bresler, Ori Kam, Kyril Zlotnikov) mit eindrucksvollen Interpretationen des Streichquartetts B-Dur KV 458 „Jagdquartett“ von Wolfgang Amadeus Mozart und des Streichquartetts Nr. 1 „Kreutzersonate“ von Leos Janácek. Das Mozart-Quartett wurde keineswegs zum Einspielen missbraucht, sondern vom namensgebenden Hornmotiv des frischen Eingangssatzes an mit allen Feinheiten ausmusiziert. Das hochdramatische Janácek-Quartett, in dem es um die tödlich endende Dreiecksgeschichte in Tolstois Novelle geht, spielten die Musiker mit einer Eindringlichkeit, die Ihresgleichen sucht. Sie stellten die sehr unterschiedlichen Stimmungen krass gegeneinander, was besonders im 3.Satz, wenn die Eifersucht hochkocht, erschütternde Wirkungen zeigte. Man meinte förmlich zu spüren, dass die „handelnden“ Personen an ihren Gefühlen zu zerbrechen drohten, was noch durch das vorgeschriebene extensive „sub ponticelli“-Spiel (nah am Steg) unterstrichen wurde, bei dem mehr Geräusche als Töne erzeugt werden. Dass ausgerechnet jetzt eine Cello-Saite riss, tat der Intensität des Musizierens keinen Abbruch. Nach kurzer Unterbrechung ging die hochdramatische Entwicklung unvermindert bis zur Tötung weiter, bis das Quartett mit dem reuigen „Monolog“ des Täters fast versöhnlich mit einem Klang „wie eine Orgel“ (Janácek) zu Ende ging. Nach der Pause gab es dann Schuberts großes Streichquintett C-Dur D 956, bei dem der Cellist Gary Hoffman das Klangbild erweiterte. Auch bei diesem ausgedehnten Werk konnte man bewundern, mit welch kluger Ausgewogenheit die Musiker die unterschiedlichen Klangfarben in allen Sätzen auszumalen wussten. Sie zeichneten die „himmlischen Längen“ des Adagio mit enormer, anhaltender Spannungsdichte nach, bis sie das Quintett nach dem schroffen Presto mit dem beruhigenden Trio in das lebendige Finale mit dem furios gesteigerten Schluss führten. Starker, jubelnder Applaus. (GE)

Abends waren die vor allem im Opernbereich herausragende Anja Harteros und der hochkarätige Wolfram Rieger als Begleiter mit einem Liedprogramm von Schubert und Brahms zu erleben. Die Sopranistin mit der sympathischen Ausstrahlung überzeugte durch intensive Gestaltung der kleinen Form „Lied“, wobei in nur wenigen Strophen ganze Operndramen abgehandelt werden müssen. Leider traten dabei aber auch kleine Fehler zutage, die im Opernalltag überhaupt nicht auffallen. Es ging um das Anschleifen einiger Töne von unten, besonders wenn es sich um mit Konsonanten anlautende Wörter handelte; dazu kam gelegentliche Unsauberkeit in der Mittellage (z.B. bei Schuberts „Die Liebe hat gelogen“ oder Brahms‘ „Wie rafft ich mich auf in der Nacht“). Neben ausgezeichneter Artikulation und profunder Technik verfügt ihre Prachtstimme über eine interessant timbrierte Mittellage und glasklare Höhen, die sie mit vielen Nuancen einsetzte. Besonders gut gelangen ihr die Brahms-Lieder wie „Liebestreu“, in dem sie das Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter mit starkem Aufschwung versah, das intensive „Auf dem Kirchhofe“ oder der schelmische „Gang zum Liebchen“. Für mich war das „Ereignis“ des Abends Wolfram Rieger, der mit seinem unglaublichen Gespür für musikalische Zusammenhänge wunderbare Teppiche für die Sängerin ausbreitete wie z.B. bei Brahms‘ „Es träumte mir“ oder Schuberts „Der Jüngling an der Quelle“, zwischen den Strophen Stimmungswechsel vorweg nahm z.B. bei Schuberts „Suleika I“ das kommende „Flüstern“ im Text, und traumhafte Vollendungen aller Lieder bot. Das war meisterhaft. Das versierte Publikum applaudierte stark, aber nach einer Zugabe (Brahms: „Dein blaues Auge“) verlangte es nicht nach mehr. (ME)

Das war am nächsten Nachmittag (26.6.) bei Anne Sofie von Otter und Kristian Bezuidenhout am Hammerklavier ganz anders. Die beiden hatten einen bunten Liederstrauß von Mozart über Schubert bis zu Lindblad und Berwald gebunden. Die erfahrene Mezzosopranistin begann mit Mozart, wobei sie ihre nach wie vor schlanke Stimmführung bestens präsentierte. Mit besonderer Emphase kam u.a. „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“ daher, mit starker Mimik und fein variiert „An Chloe“. Bei den 19 (!) Strophen von Schuberts „Viola“ gelang dem Duo ein großer Spannungsbogen, der bis zu den abschließenden, schwächer werdenden Wiederholungen im Klavier anhielt. Das im Klang zarte Hammerklavier passte zu den Liedern und der nie forcierten klaren Stimme hervorragend. Dazu kam, dass Kristian Bezuidenhout sehr gut auf die Sängerin einging, aber durchaus auch eigene Impulse setzte, besonders bei „Viola“. Bei Schuberts „Die Sterne“ ließ von Otter diese ausdrucksvoll blitzen, aber auch sanft schweben; den Schlusspunkt im Programm bildete „Im Walde“, bei dem sich die stürmische Melodie bis zu hymnischen Klängen steigerte, die beide Künstler mit Überzeugung darboten. Zu Recht erklangen vier Lieder von Adolf Fredrik Lindblad im schwedischen Original, das volksliednahe „Sommardag“, die „Nattviolen“ mit großer innerer Entwicklung, das ruhig geführte „Swanvits Sang“ und „En ung flickas morgonbetraktelse“ („Eines Mädchens Morgengedanken“) mit lockeren Koloraturen. Von Franz Berwald steuerten sie das eingängige „Lebt wohl ihr Berge“, eine differenziert gesungene „Romanze“ im schwedischen Original und das temperamentvoll im französischen Original dargebrachte „En parcourant les doux climats“ bei. Kristian Bezuidenhout hatte über die Liedbegleitung hinaus noch drei kürzere Schubertstücke dabei: Da gab es zunächst das Allegretto c-Moll D 915 und das Adagio G-Dur D 178, die dem Pianisten Gelegenheit boten, seine technischen und interpretatorischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Bis dahin stand ich dem Hammerklavier etwas skeptisch gegenüber, aber Bezuidenhout hat mich mit seinem intensiven Ausdruck, aber auch variantenreichen Anschlag überzeugt. Besonders im Adagio kamen die ruhige Gelassenheit, der lebhafte Mittelteil mit kräftigen Akkorden und Arpeggien sehr gut zur Geltung. Im Andante molto aus der Klaviersonate Es-Dur D 568 nutzte er diese Gegensätze sinnvoll aus. Mit drei Zugaben bedankten sich die Künstler bei den begeisterten Zuhörern: „An Silvia“, „Leise, leise, kleine Laute“ und der Melodie „Life is neither good nor bad“ aus Bernsteins „Candide“. (ME)

Fotos (c) Schubertiade

Marion und Gerhard Eckels 27. Juni 2018

 

 

 

Schwarzenberg (Bregenzerwald)

SCHUBERTIADE 2017

August/September 2017 Teil II

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Am Nachmittag des 30.8. erlebten wir Marlis Petersen und Camillo Radicke mit Liedern von Schubert, Schumann und Strauss, die sich vor allem um Blumen und im Mittelteil unter dem Motto „Kleine Pastorale“ um Sennerinnen und Schäfer drehten. Da durfte natürlich der beliebte „Hirt auf dem Felsen“ nicht fehlen; dazu kam Paul Meyer auf die Bühne des akustisch für Liederabende und Kammermusik einmaligen Angelika-Kaufmann-Saals und servierte wunderbar geschmeidige Kantilenen auf seiner Klarinette. Nicht nur im virtuosen, den Beifall des Publikums zwangsläufig provozierenden Schlussteil, sondern auch im elegischen Mittelteil korrespondierten Sopranistin und Klarinette aufs Feinste miteinander. Und das gelang, obwohl die Sängerin hier wie überhaupt im ganzen ersten Teil des Konzerts etwas verkrampft wirkte. Das mag auch daran gelegen haben, dass sie allzu sehr an den Noten klebte. Besonders störte die sonst so kluge Gestaltung der Lieder das ständige, hörbare Atemholen; das gilt auch für das wiederholte, nervöse Haare-aus-dem-Gesicht-Streifen. Einige technische Nachlässigkeiten äußerten sich z.B. in leichten Unsauberkeiten bei den vermeintlich unwichtigen Tönen. Bei Strauss‘ Blumenliedern im 2.Teil wirkte Marlis Petersen wie ausgewechselt und geradezu gelöst, nachdem sie nach den ersten beiden Liedern das Notenpult demonstrativ zur Seite gestellt hatte. Bravourös meisterte sie schwierigste Intervall-Sprünge à la Zerbinetta und andere sängerische Finessen; jetzt kam auch das zur Geltung, womit die als Lulu oder Violetta gefeierte Sopranistin überall so begeistert, ihre leuchtenden Höhen. Zur insgesamt angemessenen Ausdeutung der Lieder trug auch der sensibel und mitfühlend spielende Pianist bei, der in den starken Beifall des Publikums einbezogen wurde. (GE)

Mit einem reinen Schubert-Programm glänzten Michael Volle und Helmut Deutsch am 1.9. nachmittags. Vier klug ausgewählte Lieder nach Gedichten von Friedrich von Schiller als Einstieg klärten gleich, dass die große Bassbariton-Stimme durch den Hans Sachs in Bayreuth noch vor einer Woche für den Liedgesang nicht beeinträchtigt war; mit „Gruppe aus dem Tartarus“ loteten beide Künstler die ganze Bandbreite der Tongebung differenziert und mit stufenweise ansteigender Entwicklung aus. Unter vier Liedern nach Texten von Johann Mayrhofer ragte „Uraniens Flucht“ nicht nur wegen seiner Länge (27 Strophen, ca. 18 Min.) heraus: Da wurde die Götterwelt der Mythologie mit breiter Farbpalette als große Opernszene deutlich charakterisiert und absolut textverständlich dargebracht. Mit solchen Raritäten wird das Publikum an normalen Liederabenden meist nicht konfrontiert, so etwas gibt es eben (fast) nur bei der Schubertiade. Nach der Pause stand eine Gruppe „Wasser- oder Schifferlieder“ an, darunter das köstliche, das Fischergewerbe besingende „Fischerlied“, der „Schiffer“, bei dem Helmut Deutsch den Kahn ordentlich ächzen ließ, und „Der Strom“ mit durchgängiger Wellenbewegung, vom Pianisten dynamisch raffiniert phrasiert. Mit vier italienischen Gesängen, in denen Volle nicht nur zeigte, dass er auch elegante Verzierungen beherrscht („L’incanto degli occhi“), sondern auch sein darstellerisches Talent noch einmal unter Beweis stellen konnte („Il modo di prender moglie“), endete der eindrucksvolle Lieder-Nachmittag. (ME)

Am Abend gab es ein Kammerkonzert mit Weltklasse-Niveau: Das Belcea Quartet (Corina Belcea, Axel Schacher, Krysztof Chorzelski, Antoine Lederlin), derzeit „Ensemble in Residence“ im Pierre-Boulez-Saal in Berlin, hält sich schon längere Zeit in der ersten Reihe der Streichquartette weltweit. Es bewies seine Klasse zunächst mit einer packenden Interpretation von Schuberts düsterem d-Moll-Quartett D 810 „Der Tod und das Mädchen“. Im besonders dunklen 1.Satz betonte das seit 2011 in der genannten Besetzung spielende Ensemble die beruhigenden Aufhellungen, um anschließend den berühmten Variationssatz mit dem Lied-Thema mit großen dynamischen Gegensätzen auszudeuten. Über das Totentanz-ähnliche Scherzo mit dem versöhnlichen Trio ging es in das rasend schnelle Schluss-Presto mit furios gespieltem Finale. Nach der Pause kam der Cellist Jean-Guihen Queras hinzu, um mit dem Belcea Quartet das ausgedehnte Streichquintett C-Dur D 956 zu musizieren. Im Eingangs-Allegro wurden die wunderschönen Kantilenen mal von den beiden Geigen, mal von Bratsche und Cello I oder auch von beiden Celli, jeweils von den anderen delikat begleitet, genüsslich ausgekostet. Das Zentrum des Quintetts, das Adagio, erhielt durch die Musiker mit unglaublich leise beginnenden dynamischen Steigerungen und geradezu ins Nichts zurückgehenden Abschwüngen eine selten zu erlebende Intensität. Dass sich hierbei das wie selbstverständlich perfekte Zusammenspiel zeigte, sollte man ebenso erwähnen wie die technische Brillanz, über die alle verfügen. Auf das mit hoher Virtuosität dargebotene Scherzo folgte das fast fröhliche Finale mit einem fulminant servierten Schluss, der den jubelnden Beifall des enthusiasmierten Publikums herausforderte. Nebenbei sei noch bemerkt, dass die digitale Welt nun auch die Konzertpodien erreicht hat: Alle hatten anstelle der Papiernoten ein kaum merkbar zu bedienendes Tablet auf ihren Pulten. (GE)

Am Abend des 2.9. gab es den für uns in diesem Jahr die Schubertiade abschließenden Liederabend mit Julia Kleiter und Christoph Prégardien, die gemeinsam mit Michael Gees am Klavier das „Italienische Liederbuch“ von Hugo Wolf aufführten. Und wie sie dies taten! Sie beschränkten sich nicht darauf, die vielen kostbaren Musik-Miniaturen nur zu singen, sondern sie machten die Inhalte durch kleine szenische Andeutungen, besonders in der Mimik deutlich – auch und gerade dann, wenn die andere oder der andere sang. Von ersten gegenseitigen Liebeserklärungen ging es über nicht durchweg ernst gemeinten Streit („Ich hab‘ in Penna einen Liebsten wohnen“) bis zur anrührenden Versöhnung („Nun lass uns Frieden schließen, geliebtes Leben“). Das wurde in allen Teilen, den witzigen und nicht wenigen ernsten so überzeugend ausgespielt und so glaubhaft musikalisch gestaltet, dass man fast hätte annehmen können, es steht ein echtes Liebespaar auf der Bühne, wenn man nicht wüsste, dass es sich bei den beiden Künstlern um Nichte und Onkel handelt. Für beide gilt, dass sie mit perfekter Textverständlichkeit ihre ausgeprägte Gesangstechnik stets in den Dienst der Gestaltung stellten, die Sängerin mit ihrem ausdrucksvollen, in den höheren Lagen schön aufblühenden Sopran und der Sänger mit seinem prägnanten, in allen Lagen ausgeglichenen Tenor. Er gefiel besonders in den lyrischen Passagen, während die dramatischen Höhen nicht mehr ganz mühelos gelangen. Das „Italienische Liederbuch“, dem im Titel eigentlich „…der Liebe“ hinzugefügt werden müsste, wirkte auch deshalb so überzeugend, weil der Pianist ebenbürtiger Partner bei der erfolgreichen Ausdeutung war. Das Publikum war begeistert und bekam zwei Duette als Zugaben, Schumanns „Er und Sie“ und Schuberts „Licht und Liebe“. (GE) 

Für alle, denen die vielen Liederabende nicht reichten, gab es vom 31.8. bis 1.9. an jedem Vormittag die Möglichkeit, einen Meisterkurs zu begleiten, der am 2.9. mit einem Abschlusskonzert endete, bei dem man sich davon überzeugen konnte, dass an guten Nachwuchssängern kein Mangel ist. Thomas Quasthoff und Justus Zeyen berieten junge Sänger mit ihren Pianisten über die Tage, wobei sie nicht in deren Technik eingreifen wollten („…dafür ist die Zeit viel zu kurz“), sondern darauf Wert legten, „mehr Emotionen rauszulassen“: „Ich muss in Ihren Gesichtern lesen können, was Sie singen“ (Quasthoff). Quasthoff und Zeyen gaben sich unendlich viel Mühe mit den Einzelnen, um aus jedem das Beste heraus zu holen; teils behutsam, teils sehr direkt wurde immer wieder auf grundlegende Nachlässigkeiten wie z.B. schlechte Haltung, zu starkes Vibrato oder unausgeglichene Vokale hingewiesen, wobei beide Professoren immer darauf achteten, zum Ausgleich durch Scherze und viel Lob ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Sechs Duos hatten sich angemeldet, eines fuhr nach dem ersten Tag ab, da es den Anforderungen einer Meisterklasse doch noch nicht gewachsen war. Die anderen fünf Paarungen arbeiteten hoch konzentriert, so dass man als passiver Teilnehmer des Kurses tatsächlich zum Abschlusskonzert eine deutliche Verbesserung der jeweiligen Schwächen feststellen konnte. Dabei waren bei den Sängern außer Deutschland Spanien, USA und China vertreten, bei den Pianisten Polen und die USA. Falls Deutsch zur Verständigung nicht ausreichte, ging man nahtlos ins Englische über. Besonders eindrucksvoll waren die Unterschiede, die bei den Begleitern heraus gearbeitet wurden; da merkte man erst, wie wichtig und absolut ebenbürtig der Pianist gegenüber dem Sänger sein muss, um ihn zu tragen und schon mit den einleitenden Takten auf den richtigen Weg zu bringen, nicht nur im Tempo, sondern auch in Bezug auf die geistige Vorbereitung für die musikalische Gestaltung des Textes. Wenn eine Übereinstimmung beider nicht erreicht ist, kann es sonst passieren, dass divergierende Tempi, nicht passende Phrasierungen oder Agogik den Fluss eines Liedes total zerstören.

Fidelus/Ware/Walsh/Fischer/Zhang/Merk/Pertz/Gómez Ruiz/Rollinson

Im Abschlusskonzert gelangen Julia Katherine Walsh (Sopran) und Clarin Merk „Wanderers Nachtlied II“ am besten, Manuel Gómez Ruiz (Tenor) und Jonathan Ware „Der Musensohn“ sowie Nina-Maria Fischer (Sopran) mit demselben Pianisten „Die junge Nonne“. Ein Versprechen für die Zukunft waren der blutjunge Bassist Gabriel Rollinson und Elenora Pertz mit Brahms‘ „Sapphischer Ode“; die ausgereifteste Leistung boten die Mezzosopranistin Yajie Zhang und Piotr Fidelus mit dem eindrucksvollen „Der Tod und das Mädchen“ sowie Mahlers „Urlicht“. Nach starkem Applaus bedankten sich alle Kursteilnehmer bei ihren Lehrern mit der als Überraschung einstudierten „Nachtigall“ aus Brahms‘ Liebeslieder-Walzern. Es war eine spannende Woche, in der die vielen Zuhörer gern auch ein paar Sonnenstunden drangaben. (ME)

Marion und Gerhard Eckels, 4. September 2017

Fotos: Schubertiade

 

 

 

SCHUBERTIADE August/September 2017 Teil I

www.schubertiade.at

Spitzenklasse

Die bereits seit Mai 1976, also seit mehr als 40 Jahren, in Schwarzenberg und Hohenems im österreichischen Bundesland Vorarlberg stattfindende Schubertiade hat in Fachkreisen einen geradezu legendären Ruf. Dort in traumhaft schöner Umgebung trifft sich regelmäßig eine eingeschworene Gemeinde, die in fast familiärer Atmosphäre Liederabende, Meisterkurse und Kammermusik vom Feinsten genießt – und es sind schon lange nicht mehr nur Werke von Franz Schubert zu erleben. Immer wieder gelingt es dem Leiter der Schubertiade Gerd Nachbauer, international bekannte Sängerinnen und Sänger der Spitzenklasse sowie renommierte Kammer-Ensembles zu gewinnen.

Den Auftakt bildeten für uns am 25.8. René Pape und der Pianist Camillo Radicke. Man war sehr gespannt, wie der hervorragende Wagner-Sänger sich bei seinem Schwarzenberg-Debüt als Liedsänger schlagen würde. Die Antwort: Ausgezeichnet. Er setzte seinen großvolumigen Prachtbass stark differenzierend ein; dabei bestach er durch beste Textverständlichkeit und traumhaft klingendes Aussingen der Konsonanten. Im ersten Teil des Programms kamen die Klassiker Mozart (Kantate KV 619), Beethoven (Gellert-Lieder) und Schubert (Heine-Lieder) zu Wort und Ton. Nachdem in Beethovens „Die Liebe des Nächsten“ die Spitzentöne noch etwas aus der Linie fielen, strahlte das folgende „Vom Tode“ eine große Ruhe aus, indem Pape nach zartem Piano-Beginn zu gleichmäßig fließender Steigerung fand. Bei Schubert schien er sich dann noch mehr zuhause zu fühlen; besonders anrührend gelang das intensive „Ihr Bild“. Interessant war der zweite Programmteil, der mit Liedern von Roger Quilter (1877-1953) und Jean Sibelius äußerst selten zu Hörendes bot. Bei den im englischen Original gebrachten Quilter-Songs konnte der Bassist seine gestalterischen Fähigkeiten weiter ausspielen: Die eingängigen Melodien wurden weich ausgesungen; ein traumhafter pianissimo-Schluss bei „O mistress mine…“ gelang ebenso gut wie ‚starker‘ Wind in „Blow, blow, thou winter wind“. Die sich anschließenden sechs Sibelius-Lieder in deutscher Übersetzung kamen geschmeidig mit großem Legato, langem Atem, aber auch kraftvollen Ausbrüchen daher. Den Abschluss bildete „Be still, my soul“, eine Hymne nach einem Thema aus „Finlandia“, die der Sänger ausdrucksstark präsentierte. Großen Anteil an dem Abend hatte Camillo Radicke am Flügel, der mit leichter Hand z.B. die perlenden Läufe in „Die Stadt“ glitzern ließ, ebenso kraftvolle Akkorde zu „Die Ehre Gottes in der Natur“ beisteuerte und stets die sichere Grundlage für die kleinen unterschiedlichen Szenen bot. Das kundige Publikum war begeistert und klatschte drei Zugaben heraus, darunter Schuberts interessantes Melodram „Abschied von der Erde“. (ME)

Seit ihrem Abschied aus dem Musiktheater-Bereich im April 2015 macht Elisabeth Kulman mit ambitionierten, außergewöhnlichen Lied-Programmen von sich reden – so auch am 26.8. Der erste Teil des Liederabends mit dem Pianisten Eduard Kutrowatz war Robert Schumann gewidmet. Es erklangen in gewöhnungsbedürftiger Reihenfolge bekannte Lieder wie Goethes „Nachtlied“ oder Eichendorffs „Mondnacht“; eingestreut waren fünf der acht Lieder aus „Frauenliebe und –leben“ sowie weitgehend selten zu hörende Vertonungen von Gedichten der Namensvetterin Elisabeth Kulmann (1808-1825), einer deutsch-russischen Dichterin. Außerdem hörte man für Klavier solo zwei Stücke aus den „Kinderszenen“ sowie „Warum?“ aus den Fantasiestücken. Der letztgenannte Titel stand unausgesprochen über dem ersten Konzert-Abschnitt, denn ein Zusammenhang der einzelnen Kompositionen ließ sich nur mühsam herstellen. Die in Österreich beliebte Mezzosopranistin verfügt über eine in allen Lagen gut ansprechende, klare Stimme ohne besondere Charakteristika; man vermisst das sonst oft in dieser Stimmlage zu hörende satte Mezzo-Timbre, was weiter nicht verwunderlich ist, hat sie ihre Karriere doch als Sopran begonnen. So erreichte sie gemeinsam mit ihrem pianistischen Partner viel über die Gestaltung, wobei ihr die ruhige Stimmung von „Süßer Freund“ oder „Kinderwacht“ besonders lagen, während ihr „An meinem Herzen, an meiner Brust“ allzu verhalten geriet. Einige Manierismen in „Nun hat du mir den ersten Schmerz getan“ und vor allem in der berühmten „Mondnacht“ waren bei aller ruhigen Stimmführung doch störend. Der zweite Konzertteil überzeugte trotz der überraschenden Zusammensetzung der Lieder mehr als der erste. Hier waren Liedern von Franz Schubert, dabei Schillers „Dithyrambe“, deren drei Strophen über den Konzertteil verteilt erklangen, Vertonungen von Erich-Kästner-Gedichten des 1941 geborenen österreichischen Komponisten Herwig Reiter gegenüber gestellt. Jetzt kam die Ruhe in Schuberts „Am Tage Aller Seelen“ oder „Wehmut“ wie von selbst, ohne in das eher aufgesetzte Gestalten des ersten Teils zurückzufallen. Bei Goethes lustigem „Schweizerlied“ und den ironischen, mitfühlenden Alltagsbeobachtungen Kästners, kongenial durch die Komposition unterstützt, ging die Sängerin deutlich mehr aus sich heraus, sodass „Sachliche Romanze“ und „Für die Katz“ geradezu witzig rüberkamen. Das begeisterte Publikum schloss den anwesenden Komponisten in den starken Beifall mit ein. (GE)

Als bestens aufeinander eingestimmt präsentierten sich am 27.8. Piotr Beczala und Helmut Deutsch mit einem Programm des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Teil 1 war italienischen Kompositionen vorbehalten: Nach drei Arien aus „Arie di Stile Antico“ von Stefano Donaudy, die Beczala die Möglichkeit boten, die ganze Bandbreite und vielfarbige Palette seines warmen Tenors vorzustellen, folgten zunächst vier echte Volkslieder von Ermanno Wolf-Ferrari (u.a. das rhythmisch-flotte „O si che non sapevo“). In den sechs sich anschließenden Ottorino-Respighi-Lieder trumpfte der Sänger in „Lagrime“ zunächst passend opernhaft auf mit strahlenden Höhen, schier endlosen Bögen und einem traumhaften Wechsel von forte zu piano auf dem letzten Wort „… morta“; mit solchen Finessen zeigte er sein großes Können in gesanglicher Gestaltung. Helmut Deutsch breitete Beczala jeweils den entsprechenden Klangteppich einfühlsam aus, auf dem dieser mit bester Diktion und gesangstechnisch auf voller Höhe, mit eleganten Übergängen und lockeren Verzierungen spielte. Durch sein sensibles Eingehen auf den Sänger, gute Tempo- und Agogik-Vorgaben bei den Vorspielen sowie die Lieder passend zu Ende führenden Nachspielen trug der Altmeister der Klavierbegleitung entscheidend zum großen Erfolg des Abends bei, der im zweiten Teil polnischen Komponisten gewidmet war: Sechs Lieder von Karol Szymanowski, sieben von Mieczyslaw Karlowicz und vier von Stanislaw Moniuszko stellten die beiden Künstler im polnischen Original vor. Dabei musizierten sie die Steigerungen innerhalb der Lieder von Szymanowski absolut einheitlich; von Karlowicz‘ Liedern gefiel besonders „Vor der ewigen Nacht“ mit dramatischem Anklang. Sehr unterhaltsam waren Moniuszkos „Die Spinnerin“, deren „Arbeit“ man in den flinken Klavier-Rotationen hörte, bis „der Faden riss“, und die Vertonung des „Heidenröslein“ mit Nonensprung (?), die Beczala mit Augenzwinkern sang. Mit stilistisch unterschiedlichen Zugaben bedankten sich die Künstler für den stürmischen Beifall; manche Zuhörer waren „enttäuscht“, da es nicht „wie in Zürich“ sieben – so hörte man aus dem Publikum -, sondern wie bei der Schubertiade üblich nur drei Zugaben gab. (ME)

Anders als bei den wenigen Kammermusik-Abonnements, die es noch gibt, kann man bei der Schubertiade immer wieder Werke für besonders zusammengesetzte Kammer-Ensembles hören. So erklangen am Nachmittag des 29.8. Antonin Dvoraks Streichquintett op.77 und Schuberts Oktett F-Dur D 803. Das Streichquintett ist insofern ein Unikat, als zu dem Streichquartett nicht wie sonst eine weitere Viola oder ein weiteres Cello tritt, sondern ein Kontrabass. Das ergibt ein „echtes“ Bassfundament, das allerdings dem Cello mehr als sonst im Quartett melodische Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet. Davon machte Clemens Hagen dann auch Gebrauch, ohne dass sich durch ihn und den versierten Kontrabassisten Roberto di Ronza gegenüber den Geigerinnen Gergana Gergova und Baiba Skride sowie der Bratscherin Veronika Hagen eine unpassende Basslastigkeit entwickelte. Obwohl die beiden Geigerinnen nicht ständig mit den beiden Mitgliedern des Hagen-Quartetts zusammen musizieren, wurde in dem teilweise geradezu sinfonisch anmutenden Quintett ausgezeichneter Zusammenklang erreicht. Die bei Dvorak üblichen slawischen Elemente kosteten die technisch über jeden Zweifel erhabenen Musiker ebenso wie die sinfonischen Ausbrüche temperamentvoll aus. Nach der Pause kamen mit Paul Meyer (Klarinette), Marco Postinghel (Fagott) und Alejandro Núnez (Horn) hochkarätige Solisten hinzu, die alle Schuberts Oktett mit nie nachlassender Spielfreude präsentierten. Besonders beeindruckte bei ihrem Schubertiade-Debüt die bulgarische Geigerin Gergana Gergova, die wie schon im Dvorak-Quintett die 1. Violine spielte, durch souveräne Führungskraft und sichere Virtuosität, die allerdings bei allen anderen ebenso zu bewundern war. Im ausgedehnten Variationssatz kam jeder einmal solistisch an die Reihe, bis sich alle zum wirbeligen Finale verbanden, mit dem die Musiker Beifallsstürme des begeisterten Publikums hervorriefen. (GE)

Am Abend beglückten Violeta Urmana und Helmut Deutsch mit einem klassischen Programm: Schubert, Mahler und Strauss. Vom zupackenden Vorspiel des Pianisten an disziplinierte Violeta Urmana ihren zum Sopran neigenden Opern-Mezzo gekonnt; sie offerierte die zehn Naturbilder Schuberts mit größter Natürlichkeit, so dass schon zur Pause emphatischer Jubel aufbrandete. Das lag auch am letzten Lied, an der ausdrucksstarken Gestaltung des „Erlkönigs“, die der Begleiter besonders hart mit stets Unruhe suggerierendem Pochen anging, während die Sängerin die verschiedenen Personen hervorragend charakteristisch herausarbeitete. In „Erlafsee“ beispielsweise „kräuselten“ beide kongenial das „Gewässer“ durch „frische Winde“. Die fünf Rückert-Lieder von Gustav Mahler wurden von dem Duo sehr spannend teils mit viel Ruhe („Ich atmet’ einen linden Duft“), teils mit dramatischen Aufschwüngen („Um Mitternacht“) bestens dargeboten. Die Strauss-Lieder und überhaupt den ganzen Abend könnte man unter dem Aspekt der Schlusszeile des Liedes „Wie sollten wir geheim sie halten“ sehen: „…bis in die tiefsten Falten sei allen unser Herz enthüllt“. Wie immer in Schwarzenberg belohnten drei Zugaben den stürmischen Applaus. (ME)

Marion und Gerhard Eckels, 30. August 2017

Fotos: Schubertiade

 

 

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