AUDREY LUNA
Mit dem Sturm in höchste Höhen
Aus Anlass der Derniere der Premierenserie luden unsere Freunde vom Merker-online die Sängerin und Darstellerin des Ariel, die amerikanische Sopranistin AUDREY LUNA zu einem Interview, welches am 25.Juni 2015 in der Wiener Staatsoper stattfand.
Sie war als einzige aus der MET-Besetzung der dortigen Erstaufführung nach Wien gekommen und begeisterte Presse und Publikum gleichviel. “Als Zerbinetta zum Quadrat”, als “Clou der Produktion” mit einer Art “Helium Tessitur” bezeichnete man sie auf den Kulturseiten, man bewunderte sie ob ihrer “stimmlichen Turnübungen” auf dem dreigestrichenen G und wegen ihrer “begeisternden Souveränität”. Und sogar in unserem gestrengen OnlineMERKER war die Rezensentin von diesem “Über-Drüber-Wahnsinn” hingerissen.
Mit einem stimmlichem Drahtseilakt in der Wiener Staatsoper zum Erfolg: AUDREY LUNA
Vom Wiener Stehplatz in höchste Höhen !
Frau Luna, sind Sie das erste Mal in Wien ?
Ich war schon einige Male hier, das letzte Mal 2011 für ein Vorsingen. Aber als ich 19 Jahre alt ware habe ich ganze 3 Monate hier verbracht, im Zuge eines Musikstudienprogramms, dass von meiner Universität in Oregon organisiert wurde. Erst vor ein paar Tagen habe ich meine Gastfamilie von damals wieder besucht, sie waren auch gestern in der Vorstellung.
Ich erinnere mich, dass ich damals bei meinem Aufenthalt sehr viel herumgekommen bin, wir machten Ausflüge nach Salzburg … usw. In der restlichen Zeit bin ich fast jeden Tag in die Staatsoper gekommen und habe mir auf Stehplatz alles angesehen. Das war großartig für mich, denn ich war noch so jung und hatte noch viele offene Fragen in meinem Leben; ich wusste zwar, dass ich singen wollte, war aber unsicher, ob ich genug Talent haben würde, um daraus eine Karriere zu machen. Hier, auf dem Stehplatz der Wiener Staatsoper konnte ich 3 Monate lang jeden Abend Leuten zusehen, die es geschafft hatten und ich lernte viele Opern kennen. Ich war im Herbst/ Winter hier, ich erinnere mich, dass ich sehr viel Wagner gesehen habe, unter vielem Anderen auch eine Tosca-Produktion und eine Zauberflöte und vieles mehr.
Es war natürlich sehr surreal nach diesem Einstieg jetzt mit einem Engagement an das Haus zurückzukehren – ich habe auch noch niemanden hier davon erzählt (lacht).
Wo in den U.S.A. sind sie aufgewachsen ?
Ich bin in Oregon geboren und aufgewachsen, habe dann in Ohio studiert und wohne nun seit ungefähr 8 Jahren in Hawaii … das ist nun mein Zuhause für mich.
Wie sind sie mit Musik in Berührung gekommen ?
Bei mir in der Familie ist niemand wirklich musikalisch, aber meine Mutter, die als Kindergärtnerin arbeitet, hat sehr früh erkannt, dass ich ein gewisses Talent in diese Richtung hatte – ich war schon immer gerne im Mittelpunkt (lacht.) Sie förderte mich schon früh und ich absolvierte eine Reihe ausserschulischer Aktivitäten – Violine, Flöte, Piano, Gesang, Ballett – und nach und nach zeichnete sich ab, dass das, was mich am meisten interessierte, eben der Gesang war. Ich bin meiner Mutter da wirklich sehr dankbar, sie war Alleinerzieherin und hat mir mit ihrem kleinen Lehrergehalt all diese Ausbildungen ermöglicht. Ich wusste schon sehr früh dass ich auf einer Bühne stehen wollte, mit ungefähr 16 Jahren wurde mir dann klar dass ich Opern singen wollte. Dann kam aber eine lange Phase in der ich nicht wusste, ob mein Wunsch in Erfüllung gehen würde.
Wie sah ihre Ausbildung dann aus ?
Als ich zehn Jahre alt war begann ich private Gesangsstunden zu nehmen und studierte dann ziemlich lange am Cincinnati Conservatory of Music weiter Gesang. Meine Gesangslehrerin damals war Barbara Honn, mit der ich bis heute zusammenarbeite.
Wann war der Moment, bei dem Ihnen klar wurde, dass eine Karriere in der Oper für Sie möglich wäre ?
Ich war 2007/2008 die Zweitbesetzung der Königin der Nacht an der Pittsburgh Opera in Pensylvania. Als die Erstbesetzung krank wurde wurde ich gebeten die ganze Aufführungsserie zu singen. Diese Abende bekamen einige Aufmerksamkeit in der Presse und sehr bald danach wurde ein Agent auf mich aufmerksam und nahm mich unter Vertrag. Mein nächstes Engagement führte mich dann nach Hawaii, wo ich eben heute noch lebe … ein weiterer Meilenstein war dann 2009 der Renata-Tebaldi Wettbewerb in San Marino, wo Leonore Rosenberg, die Castingbeauftragte der Metropolitan Opera, in der Jury saß. Sie meinte, ich müsse unbedingt für diese Rolle in Thomas Adès neuer Oper vorsingen – so kam ich zu „Ariel“ ! Ich hatte fünf Wochen Zeit, um mich auf die Rolle vorzubereiten. Als ich die Musik das erste Mal in den Händen hielt erschien es mir unmöglich, so etwas zu singen, aber natürlich wollte ich es ausprobieren, immerhin ging es um die Metropolitan Opera (lacht). Also ging ich zu einer Korrepetitorin und wagte einen Versuch – und tatsächlich traf ich alle hohen Töne. Die Wochen der Vorbereitung waren dann ein langsamer Prozess in der ich mehr und mehr Sicherheit in der Rolle gewann und immer überzeugter davon wurde, dass mir das gelingen könnte. Es ging weniger darum meine Technik zu ändern, als mir langsam mehr und mehr zuzutrauen.
Das Vorsingen war dann auch gleichzeitig das erste Mal dass ich auf der Bühne der Met stand, ich sang fast die gesamte Rolle vor – am Ende engagierten sie mich für die Aufführungserie, die dann erst drei Jahre später – 2012 – standfand. Davor gab man mir aber die Gelegenheit, mich in anderen Rollen an der Met vorzustellen, 2010 machte ich dort mit der Königin der Nacht mein Debüt, 2011 sang ich die Nayade in „Ariadne auf Naxos“ und 2012 dann den Ariel im „Tempest“.
Bevor ich an der Met als Ariel debütierte, stand ich in dieser Rolle aber zuerst in einer konzertanten Aufführung in Rom auf dem Podium. Geleitet wurde sie ebenfalls von Thomas Adès ; dann war ich in Quebec und schlussendlich an der Met zu hören.
Die Rolle ist ja sehr herausfordernd – müssen Sie da anders mit ihrer Stimme umgehen als sonst ?
Nein, eigentlich nicht, ich brauche keine speziellen Aufwärmübungen oder Ähnliches, ich muss die Stimme nur etwas höher „platzieren“. Was ich aber bemerkt habe ist, dass meine Stimmbänder in dem Zeitraum, in welchem ich den Ariel singe oder probiere, an Kraft gewinnen – es fällt mir danach viel leichter, andere hohe Partien zu singen (lacht). Auf mich kommen manchmal nach der Vorstellung Leute zu, die sich große Sorgen um meine Stimme machen, weil sie sich nicht vorstellen können, dass man die Partie des Ariel unbeschadet übersteht, dabei ist es tatsächlich so, dass Ariel meine Arbeit leichter gemacht hat, meine Stimme war nie besser (lacht) !
An Aufführungstagen schone ich mich natürlich, aber das liegt daran, das Ariel ein so aktiver Charakter ist und den halben Abend über die Bühne läuft, das fühlt sich oft wie ein Halbmarathon an …
Die Choreographie ist ja wirklich aussergewöhlich, wie lange dauerte da die Vorbereitung ?
Oh, ich war nie besonders sportlich, ich wusste also absolut nicht ob ich dem gewachsen sein würde. Aber die Zusammenarbeit mit dem Choreograph und seiner Assistentin in Quebec war großartig, sie brachte mir Yoga und Pilates näher, was mir für die physische Aneigung der Rolle von großem Nutzen war. Auch hier war es ein Prozess der langsamen Annäherung: ich musste erst begreifen dass dieser „Opernsängerkörper“ auch tanzen konnte ! Dieser neue Umgang mit meinem Körper tat mir wirklich sehr gut, es war toll meine eigenen Grenzen neu zu definieren und kennenzulernen.
Sie singen sehr viel Zeitgenössisches …
Ja, seit meinem Engagement als „Ariel“ scheinen mich die Leute vor allem in Modernem zu sehen, davor habe ich aber ausschließlich klassische Sachen gesungen. Ich mag die zeitgenössischen Opern sehr, die Rolle der Miss Mao in „Nixon in China“, die ich in Kansas City und Dublin gesungen habe, ist eine meiner Lieblingsrollen, sie ist eine so grausame schreckliche Person, aber sie hat einfach die beste Musik! Aber ich singe daneben auch sehr viele klassiche Konzerte, es ist doch einfach wichtig für die Stimme, auch weiter Repertoirw des Belcanto zu singen.
Wie ist die Arbeit mit Thomas Adès – es geschieht doch selten, einen Dirigenten zu haben, der auch der Komponist der Musik ist ?
Im Grunde macht das keinen Unterschied. In meinem Kopf denke ich natürlich die ganze Zeit, dass das hier seine eigene Musik ist – aber Adès selbst ist so entspannt und vermittelt so eine angenehme ruhige Präsenz, dass sich die Zusammenarbeit nicht sonderlich von jener mit anderen Dirigenten unterscheidet …
Empfinden Sie einen Unterschied in der Arbeit hier in der Staatsoper und der Metropolitan Opera ?
Nun, die Staatsoper ist kleiner, sonst sehe ich aber keine Unterschiede. Die Mitarbeiter hier sind großartig, die Damen im Kostüm und in der Maske sind wirklich wundervoll, ich fühle mich sehr wohl.
Wie sieht ihr nächstes Saison aus ?
Im Oktober werde ich die Wiederaufnahme des Tempest hier in Wien singen, 2016 bin ich dann in Oslo für die Rolle “The Wife“ in der Oper “Elysium” von Rolf Wallin unter der Regie von David Pountney, darauf freue ich mich natürlich sehr.
Und dann werde ich mit Thomas Adès neuer Oper „The Exterminating Angel“ unterwegs sein, die im Sommer 2016 in Salzburg Premiere hat.
Gibt es eine Verbindung zu dem Film von Bunuel ?
Ja, es ist eine Adaptation des Filmstoffes. Ich bin auch schon sehr gespannt.
Und welche Musik hören Sie privat ?
Ich bin beruflich so von Musik umgeben, dass ich privat eigentlich die Stille sehr schätze. Ich höre also kaum Musik sondern höre eher Podcasts … ansonsten recherchiere ich viel auf YouTube, aber ich höre eher zeitgenössiche Kollegen an als alte Aufnahmen.
Gibt es Rollen, die sie in den nächsten 10 Jahren noch gerne singen würden ?
„La Fille du Regiment“ würde mich sehr interessieren, ebenso die Elvira in den „Puritani“. Und dann noch die Ophelia.
Haben Sie eine Lieblingsrolle ?
Ich liebe „Lakmé“, die ich in Montréal gesungen habe, ebenso die Giulietta aus „I Capuleti e i Montecchi“. Leider werden diese Stücke nicht sehr oft gespielt, aber die beiden würde ich wirklich gerne wieder singen.
Und welche Hobbies haben Sie ?
Meine Kleine hier ist mein Hobby (lacht und zeigt auf ihr Hündchen). Roxy ist drei Jahre alt und begleitet mich überall hin, wir entdecken gemeinsam die Orte an denen wir gerade sind .
Haben Sie einen Lieblingsort in Wien ?
Ich habe viel Zeit in Oberlaa verbracht, dort ist es herrlich, sich zu entspannen. Und ganz besonders mag ich die Parks in Wien, ich liebe es in Ihnen spazierenzugehen.
Und zu Hause ist es am schönsten! Audreys Wohnsitz ist Hawaii !
Gibt es schon Pläne, die sie wieder an die Staatsoper zurückbringen ?
Wir sind im Gespräch, aber dazu kann ich noch nichts Konkretes sagen.
Und in welchem Sternzeichen sind Sie geboren?
Ich bin eine Waage-Geborene, aber ich glaube nicht an Astrologie.
In den letzten Jahren sind sie unglaublich viel herumgekommen – ist da manchmal der Wunsch nach mehr Ruhe ?
Nein, ich liebe diesen Beruf und habe sehr früh gewusst, was damit verbunden ist. Außerdem fühle ich mich sehr schnell an verschiedenen Orten daheim und mach auch das Unstete an diesem Leben. Meine Freunde und Familie sind in Hawaii, aber es gibt ja Gott sei Dank Skype !
Wir bedanken uns bei Frau Luna für das Gespräch und wünschen ihr auch in der letzten Vorstellung der Premierenserie viel Erfolg.
Das Gespräch mit der Künstlerin führte Ella Gallieni
Für die Gestaltung des Interviews verantwortlich: Peter Skorepa
Das Interview fand in den Räumen der Wiener Staatsoper und in englicher Sprache statt
Hinweis auf weitere Auftritte in Wien:
Frau AUDREY LUNA wird in der zweiten Serie von IL TEMPEST am 12., 16. und 18. Oktober 2015 wieder den ARIEL verkörpern, Christopher Maltmann ist in diesen Aufführungen als Prospero angesetzt.