Jan Ammann

In der letzten Woche hatten wir die Gelegenheit mit dem bekannten Musical-Darsteller Jan Ammann ein Interview zu führen. Er zählt in Deutschland wohl zu den bekanntesten und auch bei vielen Zuschauern beliebtesten Darstellern, wie die diversen gewonnen Zuschauerpreise der letzten Jahre belegen. Im letzten Sommer feierte er in Tecklenburg große Erfolge als Jurij Schiwago, in Kürze ist er aber erstmal wieder in zwei großen Konzertprojekten zu erleben. Nach dem Galakonzert „When Musical meets History“ am 09. Februar 2020 in Essen ist Jan Ammann ab dem 12 März 2020 auch Teil der großen Deutschland-Tour „This is the Greatest Show“ mit den aktuellen Highlights aus den großen Musical- und Filmerfolgen. Für uns nahm er sich einen Moment Zeit, um uns einige Fragen zu beantworten.
OF: Du hast deine Ausbildung sowohl in Deutschland wie auch zu großen Teilen in den USA absolviert. Gibt es hierbei grundlegende Unterschiede in diesen beiden Ländern?
Jan Ammann: Ja durchaus, die Sprache macht den Unterschied aus. Tatsächlich ist die englische/amerikanische Sprache, was Gesangstechnik angeht, sehr präzise. Die deutsche Sprache kommt manchmal nicht so auf den Punkt – wahrscheinlich, weil es die Sprache der Dichter und Denker ist. Im Englischen geht der Ton entweder auf oder zu, so etwas wie zum Beispiel „einen Ton abdunkeln“ gibt es da gar nicht, deshalb ist es die Sprache, die dort die Gesangstechnik etwas einfacher macht, weil das Deutsche komplexer ist.
OF: Neben Rollen in die du immer wieder schlüpfst, wie z. B. Ludwig II oder Graf von Krolock, besetzt du auch immer wieder ganz neue Rollen. Was macht dir mehr Spaß?
Jan Ammann: Das ist sehr schwer zu sagen: Ich liebe den Ludwig einfach, nach Füssen fahren, in diese Rolle schlüpfen, das ist für mich fast wie nach Hause kommen. Und auch der Graf von Krolock ist mir sehr ans Herz gewachsen, auch wenn ich ihn schon länger nicht gespielt habe, bleibt es schließlich die Rolle, mit der ich den Durchbruch geschafft habe. Bei Konzerten dürfen die Lieder aus dem „Tanz der Vampire“ deshalb auch nicht fehlen. Auf der anderen Seite ist es mehr als spannend eine ganz neue Rolle – wie beispielsweise den Dr. Schiwago – zu kreieren. Die Probenzeit in Leipzig war eine der aufregendsten Arbeiten im meinem künstlerischen Leben, die ich nicht missen möchte.
OF: Bei „Dr. Schiwago“ hast du sowohl bei der DSE in Leipzig (inzwischen ja auch auf CD erhältlich) sowie in Tecklenburg die Titelrolle verkörpert. Ist es schwierig in so kurzer Zeit von der Rolle in einer Inszenierung auf dieselbe Rolle in einer anderen Inszenierung zu wechseln? Nimmt man da viel mit hinüber aus der ersten Produktion?
Jan Ammann: Das Gute ist, dass man die Lieder schon alle drauf hat und sich deshalb gut auf die Ideen des neuen Regisseurs konzentrieren kann. Aber natürlich bleibt es nicht aus, dass man etwas mitnimmt, immerhin schlüpft man ja in die gleiche Rolle. Der grundsätzliche Charakter von Dr. Schiwago hat sich ja nicht verändert. Aber es ist in der Tat auch eine Herausforderung, sich immer wieder auf die neuen Regieanweisungen einzulassen.
OF: Nochmal zu Tecklenburg, die Festspiele sind ja bei vielen Darstellern sehr beliebt, was ist das Besondere an den Auftritten im Tecklenburger Land?
Jan Ammann: Das ganze Umfeld in Tecklenburg ist unglaublich familiär und sehr nett, deshalb ist ein Aufenthalt dort immer schön. Außerdem bin ich ganz in der Nähe – in Billerbeck – aufgewachsen, bin durch und durch Landmensch und kann es genießen, dann auch mal meine Eltern zu besuchen. Und auch das Publikum ist besonders: Viele bringen ihr Picknick mit, machen ihren Musicaltag in Tecklenburg zum Event und das schwappt natürlich auch auf die Bühne über.
OF: Was mich aber auch noch interessiert, wie geht man als Darsteller damit um, wenn man bei Temperaturen zwischen 15 und 35 Grad spielt?
Jan Ammann: Man nimmt es, wie es kommt. Wir können es ja nicht ändern, deshalb hofft man, wenn man Jurj Schiwago im sibirischen Winter und dem entsprechende Mantel spielt, dass es öfter 15 Grad hat als 35. Am Ende geht es irgendwie immer, aber wenn das Make up anfängt sich in Wohlgefälligkeit aufzulösen, weil es eigentlich zu heiß ist, um sich überhaupt zu bewegen, dann ist das schon hart. Aber da man ja nie allein auf und hinter der Bühne ist und geteiltes Leid, halbes Leid ist, geht es irgendwie immer. Es schweißt sozusagen zusammen…
OF Wie sehen eigentlich die letzten 60 Minuten vor Vorstellungsbeginn bei einem Musicaldarsteller aus?
Jan Ammann: Das kommt tatsächlich auch darauf an, welche Rolle man gerade spielt. Als Graf von Krolock sitzt man da längst in der Maske und hat sehr festgelegte Abläufe, bis man wirklich aussieht wie ein Vampir. Bei „Dr. Schiwago“ dauert die Maske nicht so lang, da entwickelt man automatisch seine eigenen kleinen Rituale: Wann man noch eine Kleinigkeit isst, den letzten Schluck Wasser nimmt, sich nochmal zurückzieht, um dann konzentriert auf die Bühne zu gehen. Das ist natürlich bei jedem Kollegen anders, ich bin eher entspannt und muss nicht immer ganz genau dasselbe machen, Hauptsache ich kann diese 60 Minuten lang bei mir sein.
OF: Nächsten Sommer spielst du in Brunn am Gebirge in Österreich bei „Into the Woods“, darüber hinaus bist du in Füssen auch wieder als Lugwig II zu sehen. Darfst du schon verraten in welchen Rollen wir dich zukünftig noch sehen werden?
Jan Ammann: Erstmal freue ich mich auf diese Rollen, bin wahnsinnig glücklich, bei „Into the Woods“ dabeizusein, weil ich die Musik von Sondheim so mag. Es ist ein Ritterschlag für mich „Ludwig²“ und Füssen sind immer eine gute Kombination für mich, welche Pläne es sonst noch gibt, darf ich aber leider noch nicht verraten.
OF: Auch im Konzertbereich bist du ja immer wieder stark vertreten, neben deinen Solo-Projekten auch immer wieder in den großen Galas. Was ist das Besondere für dich an solchen Abenden und macht es einen großen Unterschied ob man vor 300 oder 2.000 Menschen auftritt?
Jan Ammann: Ja, es stimmt, der Konzertbereich hat sich immer weiter entwickelt, worüber ich sehr froh bin, weil es etwas anderes ist, ob man in einer Musical-Produktion eine Rolle spielt oder in einem Konzert einfach als Jan Ammann dabei ist. Ich liebe beides. Und bei der Saalgröße ist es genauso: Es ist wunderbar, die intime Atmosphäre eines 300-Leute-Hauses zu erleben, aber natürlich auch vor 2.000 Leuten zu stehen und singen zu dürfen.
OF: Anfang Februar findet zum zweiten Mal „Musical meets History“ in Essen statt, welche Stücke dürfen wir von dir erwarten? Mal abgesehen vom zuvor bereits erwähnten bayrischen König, nehme ich an.
Jan Ammann: Der Ludwig ist natürlich dabei, dass wir bei der Show am Ende die drei Musicals „Ludwig²“, „Elisabeth“ und „Rudolf – Affäre Mayerling“ kunstvoll miteinander verweben, macht es besonders spannend. Außerdem bin ich bei „Titanic“ und bei „Les Miserables“ dabei.
OF: Das Konzert findet im wunderschönen Colosseum Theater in Essen statt. Hier steht der endgültige Verkauf und damit ggf. auch das Ende des Theaterbetriebs in diesem Gebäude kurz bevor. Ist dies insbesondere bei einer so großen Besetzung wie am 09.02. auch hinter den Kulissen ein Thema unter den Kollegen oder eher nicht?
Jan Ammann: Klar ist das ein Thema, wir haben schon beim „Mitternachtsball“ Ende Oktober, das war ein paar Tage nachdem die Meldung raus war, darüber geredet. Es ist mehr als bedauerlich, wenn dieses Haus am Ende tatsächlich gar kein Theater mehr sein sollte. Es ist eines der schönsten Musical-Theater überhaupt.
OF: Alexander Klaws hat seinerzeit zur Schließung des Metronom Theaters in Oberhausen durch Stage Entertainment deutliche Worte gefunden, die auch vielen Zuschauern aus der Seele gesprochen haben. Auch du hast in diesem Theater bereits gespielt. Was denkst du hierüber?
Jan Ammann: Es ist sehr, sehr schade und unglaublich. Genauso wie die Erklärung, dass die Menschen aus dem Ruhrgebiet lieber nach Hamburg ins Musical fahren, als vor ihrer eigenen Haustür eines anzusehen. Das ist hanebüchen. Als Musicaldarsteller sieht man mit jedem Haus, das wegfällt, auch wieder Arbeitsplätze schwinden, kein gutes Gefühl. Es ist so bedauerlich, ich erinnere mich wahnsinnig gern an meine Zeit im Metronom Theater und hoffe, dass dort auch nach „Tanz der Vampire“ irgendwann wieder Musiktheater mit Herz gemacht wird.
OF: Wie siehst du denn die Entwicklung des Musicals in Deutschland aus heutiger Sicht?
Jan Ammann: Die sehe ich sowohl positiv als auch kritisch: Es hat sich gerade im Bereich der Sommer-Freilichtspiele, aber auch in den Stadttheatern sehr viel entwickelt, das dem Publikum ganz viel bietet und uns Künstlern Mut für die Zukunft macht. Ich hoffe, dass Musical in Zukunft mit mehr Mut gesehen wird, vor allem mit mehr Mut produziert wird. Denn Mut braucht man für Kunst und er wird oft mit Erfolg belohnt. Dass die Theater einer ganzen Region aus kommerziellen Gründen geschlossen werden, macht natürlich nachdenklich. Kunst und Kommerz sollten nicht so wahnsinnig verwandt sein, doch wir werden sehen, wo das hinführt.
OF: Vielen Dank für das Gespräch, der Opernfreund wird selbstverständlich auch bei „Musical meets History“ dabei sein und über diesen Abend berichten.
Jan Ammann: Dann viel Freude dabei, meine vielen wunderbaren Kollegen und ich werden alles tun, damit es ein schöner, unterhaltsamer und berührender Abend für Euch wird.
Markus Lamers, 19.01.2020
Bilder: © Stephan Drewianka für Sound of Music-Concerts