MIZGIN BILMEN

(c) ETA Hoffmann Theater Bamberg
Einen ungewöhnlichen Erfolg einer zeitgenössischen Oper kann das Theater Bielefeld mit der deutschen Erstaufführung von Marc Andre Dalbavies Oper „Charlotte Salomon“ verbuchen. Für die Inszenierung zeichnet die Duisburgerin Mizgin Bilmen verantwortlich, die mit dieser Arbeit ihr Operndebüt gab. Unser Mitarbeiter Rudolf Hermes traf die Regisseurin zum Gespräch.
Opernfreund: Frau Bilmen, „Charlotte Salomon“ in Bielefeld ist ihre erste Operninszenierung. Wie kam es zu diesem Engagement?
Mizgin Bilmen: Ich komme ja eigentlich vom Schauspiel und habe an der Essener Folkwang-Universität Regie studiert. Während meiner Zeit am Regiestudio des Schauspiels Frankfurt habe ich auch eigene Projekte selbst inszeniert. Ein besonders großer Erfolg bei Publikum und Presse war „Exit: Lulu“. Und ausgerechnet diese Produktion hat sich der Ehemann der Bielefelder Operndirektorin Sabine Schweitzer angeschaut. Er empfahl mich seiner Frau und so kamen wir in Kontakt.
Opernfreund: Wie war Ihr Verhältnis zur Oper bisher?
Mizgin Bilmen: Ich höre gerne klassische Musik, bin aber auch kein richtiger Opernfan. Ich habe Sabine Schweitzer auch gleich gesagt, dass ich weder ein Instrument spielen, noch singen, noch Noten lesen kann. Sie sagte gleich, das sei alles kein Problem. Aber es war schon sehr mutig, mich für diese Inszenierung zu wählen, da ich noch nie Oper inszeniert hatte.
Opernfreund: Wie haben Sie sich auch „Charlotte Salomon“ vorbereitet?
Mizgin Bilmen: Ich habe mich sehr intensiv mit dem Stück beschäftigt und mich in die Musik eingehört, zum Glück gab es einen Mitschnitt von der Salzburger Uraufführung. Um der historischen „Charlotte Salomon“ kennen zu lernen haben mein Team und ich uns intensiv mit ihrer Bildersammlung „Leben? oder Theater?“ beschäftigt. Sie ist ja 1939 mit gerade einmal 22 Jahren vor den Nazis nach Südfrankreich geflüchtet. Dort sind ihre Bilder entstanden, in denen sie ihr bisheriges Leben verarbeitet. 1943 wurde sie dann von Nazis verhaftet und in Auschwitz ermordet.
Um ihrer Person näher zu kommen habe ich dann auch noch den Roman „Charlotte“ von David Foekinos gelesen, und sogar das Haus in Berlin-Charlottenburg besucht, in dem sie geboren wurde, aufgewachsen ist und bis zu ihrer Flucht gelebt hat.
Opernfreund: Mit der Schauspielerin Jana Schulz, die gerade erst mit dem Gertrud Eysoldt-Ring ausgezeichnet wurde, haben Sie bei „Charlotte Salomon“ eine prominente Hauptdarstellerin. Wie verlief die Zusammenarbeit mit ihr?
Mizgin Bilmen: Ich kannte Jana vorher nur als Darstellerin von der Bühne des Bochumer Schauspielhauses. Vor unserem ersten Treffen haben mir die Knie gezittert, aber diese Angst war dann in Sekunden verflogen. Wir haben schnell festgestellt, dass wir in vielen Dingen ähnlich denken. Ich habe sie als eine weiche und zarte Frau kennen gelernt, weshalb es mir leicht fiel, diese Farbe auch der Charlotte in der Oper zu geben. Die Arbeit mit Jana kann man einfach nur als zauberhaft beschreiben.
Eine ganz besondere Situation ist dann bei der dritten Vorstellung eingetreten. Die Sängerin, die Charlottes anderes Ich singt und spielt, war erkrankt und ich stand vor der Frage, ob ich die Rolle spielen soll, während eine Sängerin die Partie von der Seitenbühne singt. Jana sagte zu mir: „Du willst mich doch nicht um das Vergnügen bringen, gemeinsam mit der Regisseurin auf der Bühne zu stehen.“ Natürlich habe ich ihr diesen Wunsch erfüllt. Und so haben wir gemeinsam in meiner Inszenierung gespielt.
Opernfreund: „Charlotte Salomon“ hat sich in Bielefeld zu einem echten Erfolgsstück entwickelt. Haben sie damit gerechnet?
Mizgin Bilmen: Solch einen Erfolg kann man nicht planen, sonst würde ich mich bei jeder Idee fragen, was das Publikum davon hält. Ich muss bei einer Inszenierung das machen, was ich für den richtigen Stil für dieses Stück halte. Durch die Videoeinspielungen von Malte Jehmlich hat man bei „Charlotte Salomon“ den Eindruck, dabei zu sein, wenn die Bilder entstehen. Durch Kostüm und Maske sehen die Darsteller zudem aus wie die Figuren in Charlotte Salomons Bildern. Wir haben da vom Haus einiges verlangt, wussten aber auch, dass wir dem Theater mit unserer Arbeit ganz viel zurückgeben müssen. - Weil die Aufführungen dauernd ausverkauft sind, hat die Theaterleitung sogar eine Zusatzvorstellung am 1. Mai angesetzt, und das bei einer zeitgenössischen Oper!
Opernfreund: Was steht als nächstes bei Ihnen an?
Mizgin Bilmen: Ich kehre jetzt erst einmal zum Schauspiel zurück. Am Bamberger ETA-Hoffmann-Theater inszeniere ich die „Antigone“ von Sophokles und nächste Saison folgt eine Bühnenfassung von Ingeborg Bachmanns Roman „Malina“. Auch der Oper bleibe ich treu: Im März 2018 bringe ich Wagners „Das Rheingold“ in Bielefeld auf die Bühne, aber nicht als Teil eines ganzen „Ring des Nibelungen“, sondern als Einzelstück.
23.4.2017