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PATRICK HAHN

Foto © Gerhard Donauer | C&G Pictures

 

Als vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass der österreichische Dirigent Patrick Hahn ab der Saison 2021/22 neuer Generalmusikdirektor des Theater Wuppertal und des Sinfonieorchesters Wuppertal sein wird, war das Interesse an seiner Person merklich gestiegen. Mit dann 25 Jahren wäre er der jüngste GMD im gesamten deutschsprachigen Raum. Und obgleich jung an Jahren, kann Hahn bereits eine höchste beachtliche Karriere als Musiker und Dirigent vorweisen. Mit Orchestern und Opernhäusern wie den Münchner Philharmonikern, den Klangkörpern des Bayerischen Rundfunks, dem Gürzenich-Orchester Köln, der Dresdner Philharmonie, der NDR Radiophilharmonie, den Symphonikern Hamburg, den Wiener Symphonikern, der Camerata Salzburg, dem Luzerner Sinfonieorchester, der Camerata Royal Concertgebouw Orchestra, der Bayerischen Staatsoper München, der Staatsoper Hamburg, der Ungarischen Staatsoper Budapest hat er bereits zusammengearbeitet, um hier nur eine Auswahl zu nennen.

In manchen Internetforen war von seinen bisherigen Erfolgen dann weniger zu lesen, als vielmehr davon, wie er aufgrund seines jungen Alters denn überhaupt eine solche Tätigkeit erhalten habe und ob er dieser überhaupt gerecht werden kann?

An solchen Spekulationen beteilige ich mich grundsätzlich nie. Da ist es besser lieber mit der entsprechenden Person zu reden als über sie zu lesen. Von daher habe ich mich gefreut, als Patrick Hahn meiner Interviewanfrage umgehend zugestimmt hat und wir beiden vor wenigen Tagen ein ausführliches Gespräch führen konnten.

In diesem Gespräch habe ich einen hochtalentierten und versierten Musiker erlebt, der mit beiden Beinen im Leben steht, der die Musik liebt und auch dafür lebt. Der selbstbewusst und offen, dabei aber auch konzentriert und überlegt, diese neue Tätigkeit in Wuppertal anstrebt und der bei allem auch noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Charakterzug besitzt: Humor. Der sich besonders auch in seinen Auftritten mit Kreisler-Chansons bestens widerspiegelt.

Detlef Obens (Hrg. DAS OPERNMAGAZIN)

 

Seine Ernennung ist weit über die Stadtgrenzen Wuppertals von Bedeutung. Wie er auch selbst in unserem Gespräch betonte, liegt ihm auch viel daran, die junge Generation für die klassische Musik und die Oper anzusprechen. Das er dabei altersmäßig auf Augenhöhe mit eben diesen kommunizieren kann, wird sich auch als eines von mehreren Argumenten für seine Ernennung zum neuen Wuppertal GMD erweisen.

 

DAS OPERNMAGAZIN/OM: Bei einem designierten GMD eines renommierten Orchesters, der bei Dienstantritt gerade 25 Jahre alt sein wird, stellt sich natürlich auch die Frage nach seiner beruflichen und künstlerischen Vergangenheit. Die ist in Ihrem Fall naturgegeben noch nicht all zu lang. War der Wunsch Dirigent zu werden schon immer bei Ihnen vorhanden oder wie hat sich das entwickelt?

 

Patrick Hahn/PH: Meine Eltern sind eigentlich nicht musikalisch vorbelastet, haben uns Kindern, ich bin der mittlere von drei Brüdern, aber ermöglicht, Musik zu machen und ein Instrument zu lernen. Bei mir war es das Chorsingen und im Laufe der Zeit auch das Klavier. Das hat mich alles in meiner Kindheit und Jugendzeit sehr begeistert und ich blieb der Musik treu. Ich erinnere mich, dass ich als 11-jähriger nach einer ZAUBERFLÖTE-Aufführung, in der ich als einer der drei Knaben mitwirkte, so von der Musik angetan war, dass ich selbst eine Oper komponieren wollte. Es wurde ein 1-stündiges Werk. Offenbar hat das damals einem meiner musikalischen Pädagogen so gefallen, dass er es mit mir, ich war dann 12, am Dirigentenpult aufgeführt hat. Ab diesem Moment war mir dann auch klar, dass die Musik meine Zukunft sein wird.

 

OM: Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Theater Wuppertal, resp., dem Sinfonieorchester Wuppertal, zustande? Und wann beginnt Ihre Tätigkeit dort genau?

 

PH: Tatsächlich war ich im Januar dieses Jahres (2020) das erste Mal auf Einladung des Sinfonieorchester Wuppertals dort. Die Zusammenarbeit mit dem Orchester gestaltete sich für beide Seiten, also das Orchester und auch für mich, höchst befriedigend. Da sprühten die Funken, wie man so sagt und die Chemie stimmte vom ersten Moment zwischen uns. Umso mehr hat es mich dann gefreut, dass auch der Aufsichtsrat dem Wunsch des Orchesters und der Empfehlung der Findungskommission folgte und die einstimmige Zustimmung dazu gab, dass ich ab der Saison 2021/22 als neuer Wuppertaler GMD tätig sein darf.

 

OM: Wissen Sie bereits jetzt, wo Ihre künstlerischen Schwerpunkte als GMD in Wuppertal liegen werden und haben Sie sich vielleicht sogar auch schon Gedanken zu Opernaufführungen gemacht, die Sie leiten werden oder die Sie gern leiten würden?

 

PH: Da ist natürlich noch vieles in der Planung, auch gedanklich. Sei es bei der Oper als auch im sinfonischen Programm. Aber ich habe mir unter anderem die Wuppertaler Spielpläne der letzten 20 Jahren genauer angesehen und plane, hier den ein oder anderen Komponisten, der vielleicht ein wenig vernachlässigt wurde, in meine Planungen mit aufzunehmen. Aber wie gesagt, es ist noch alles in der Planung.

 

OM: Sie haben an der Bayerischen Staatsoper zusammen mit Kirill Petrenko Opern- Einstudierungen von SALOME und DIE TOTE STADT (beide 2019, d.Red.) geleitet. Wie denken Sie an diese Zeit zurück?

 

PH: An diese Zeit denke ich sehr gern zurück. Ich habe Kirill Petrenko erstmalig 2017 kennengelernt. Wir hatten sofort ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander. Überhaupt vermittelt er den Menschen, die mit ihm arbeiten, viel Vertrauen in das was sie tun. Ob es die Musiker im Graben sind, aber auch die Sänger auf der Bühne. Petrenko arbeit sehr akribisch und keine künstlerische Arbeit scheint ihm zu viel zu sein. In München habe ich, wie gesagt, mit ihm an den Neuinszenierungen von SALOME und DIE TOTE STADT zusammengearbeitet. Ich durfte Marlis Petersen bei ihrer ersten Salome begleiten und mit ihr an dieser facettenreicher Rolle feilen. Seither verbindet uns eine enge persönliche wie auch musikalische Freundschaft. In Korngolds Oper habe ich mit Jonas Kaufmann die Rolle des Paul einstudiert. Kaufmann ist ein hochprofessioneller und bestens vorbereiteter Künstler, mit dem es wirklich eine Freude war, in dieser Produktion zusammenzuarbeiten.

 

OM: Trotz Ihres noch jungen Alters können Sie bereits eine Reihe von Preisen Ihr Eigen nennen. Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen in der Kunst?

 

PH: Irgendwie kamen diese Preise mehr oder weniger unbeabsichtigt zu mir. Ich freue mich natürlich darüber, aber für mich sind Preise nicht so entscheidend. Oftmals sind es Momentaufnahmen, aber natürlich gibt es auch Preise, die mich sehr gefreut haben. Wie meine Preise für Jazzmusik, die ich während meiner Zeit in den USA erhalten habe.

 

OM: Sie haben bereits mit vielen namhaften und internationalen Orchestern zusammengearbeitet. Wie ist das Gefühl für einen jungen Musiker vor einem Klangkörper zu stehen, es zu leiten und zu wissen, dass beinahe jedes Orchestermitglied älter ist, als Sie, der Dirigent selbst? Spielt das Alter in diesem Fall für Sie überhaupt eine Rolle?

 

PH: Ich glaube, dass ich jemand bin, der kein Defizit an Selbstbewusstsein hat. Immerhin stehe ich seit meiner Kindheit auf der Bühne und bin förmlich in alles herein gewachsen. Bisher hatte ich mit meinem Alter in meinem Beruf keine Probleme. Es geht doch alles über die Musik. Über die Musik kommuniziere ich mit den Orchestern und da werde ich verstanden. Da hatte auch bislang kein Orchester ein Problem damit, mit mir als jungen Dirigenten zu arbeiten- ganz im Gegenteil. Ich würde mir ja auch nie anmaßen, die unglaublich reichhaltigen Erfahrungen und Wissensschätze der einzelnen Orchestermusiker zu ignorieren und stur mein Ding durchzuziehen.

 

OM: Bei Bekanntwerden Ihrer neuen künstlerischen Tätigkeit als Wuppertaler GMD gab es auch Stimmen, besonders in den sozialen Medien, die sich fragten, ober „er“ nicht zu jung für so eine Position ist und „er“ über das künstlerisch-musikalische hinaus, einen ganzen Orchester-Apparat zu managen und zu leiten in der Lage ist. Was entgegnen Sie solchen kritischen Einwürfen?

 

PH: Ich kann es verstehen. Aber die meisten kennen mich ja nicht persönlich und urteilen aus dem, was sie meinen zu wissen. Es ist ja auch nicht so, dass ich alles im Alleingang machen werde. Natürlich bin ich im Theater Wuppertal auch von Menschen umgeben, die mir mit Rat und Tat zur Seite stehen, worüber ich sehr dankbar bin. Und zusätzlich erhalte ich auch viel Unterstützung und Feedback durch meine Agentur und meinen Mentor, Jasper Parrott. Letztlich würde ich mich aber auch als „junges Input“ für das Theater Wuppertal sehen und freue mich auf meine neue Tätigkeit.

 

OM: Bei der Recherche zu Ihrer Person bin ich auch auf Ihre Liebe zu Georg Kreisler gestoßen. Seine kunstvollen und stets geistreichen Chansons begeistern Sie und Sie stehen mit diesem Programm sogar selbst auf der Bühne. Kreisler zu interpretieren ist mit Sicherheit keine „Kleinigkeit“. Was ist schwerer an Kreislers Liedern – das Erlernen seiner Texte und das Setzen der jeweiligen Pointe oder der Part am Klavier? Oder eben doch beides zusammen?

 

PH: Eigentlich bin ich nur zufällig auf Kreisler gekommen. Mich faszinieren seine klugen Chansons, der besondere Humor, der ihnen innewohnt und zudem ist Georg Kreisler auch ein großartiger Musiker. Bei ihm muss (kann) man viel bei der eigenen Klavierbegleitung improvisieren. Eigentlich immer. Das kommt mir sehr entgegen. Ich war nie jemand, der gern viel und lang Klavier geübt hat, vielmehr habe ich das Talent förmlich „schnell etwas fressen zu können“. Also im übertragenen Sinne von schnell verstehen, lernen und dann umzusetzen. Und ja, ich werde diese Kreisler-Programme auch in Zukunft sehr gern fortführen, wenn ich die Zeit dazu habe.

 

DAS OPERNMAGAZIN dankt Patrick Hahn für das Gespräch und wünscht ihm schon jetzt einen guten Start, viel Erfolg und Freude und eine glückliche Hand in seinem Amt als neuem Generalmusikdirektor der Stadt Wuppertal.

 

Detlef Obens, 7.8.2020

Mit besonderer Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN

 

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de