MASSIMO GIORDANO
Der romantische Liebhaber

Diesmal ist er wirklich nicht leicht zu erreichen, denn auch eine konzertante „Norma“ wird geprobt, und es geht sich nur eine kurze halbe Stunde mit Massimo Giordano aus. Aber er hat so manches über neue Pläne zu berichten.
Die verlorene Norma Er ist ein Pollione, der seine Norma verloren hat, noch dazu eine, die er gut kennt, denn er hat Bellinis Oper mit Edita Gruberova schon in Nizza und in Paris gesungen: Massimo Giordano weiß, was sie dem Wiener Publikum bedeutet, „sie ist doch eine Ikone hier!“ Und er betont: „Bitte, sagen Sie ausdrücklich, wie entsetzlich leid es mir tut, dass sie sich das Bein gebrochen hat, und dass ich ihr das Allerbeste zur Genesung wünsche.“
Immerhin ist er galant genug, um nach den Proben viel von der jungen Kollegin Maria Pia Piscitelli zu erwarten, die mit ihm nun in „Norma“ in Wien auf der Bühne der Staatsoper stehen wird. Und auch von dem jungen Dirigenten Andriy Yurkevych und dessen Sensibilität ist er sehr angetan.
Den Pollione singt er gern, obwohl man ihn als hochdramatische Partie betrachtet, „ja, man hat Corelli und del Monaco im Ohr“, räumt er ein – aber das sei nicht so schlimm, meint Giordano: „Bedenken Sie – es ist Bellini. Bellini! Belcanto!“ Und da fühlt er sich schon sehr zuhause.
Das Wiener Wetter… Wie neuerdings auch in Wien, wo er sehr viel beschäftigt ist – wenn ihm die Stadt im Moment durchaus Sorgen bereitet, das Wetter nämlich: „Einmal warm, einmal kalt, das ist für einen Sänger verheerend, abgesehen davon, dass man gar nicht weiß, was man anziehen soll.“
Puccini, die Leidenschaft Massimo Giordano hat in dieser Spielzeit schon die „Adriana Lecouvreur“-Premiere mit Angela Gheorghiu gesungen, und wenn er vor der großen Partnerin auch die erwartete Verbeugung macht („Sie war sehr nett, und wir sind sehr gut miteinander ausgekommen“), so gibt er sich doch selbstkritisch, was seine Leistung betrifft: „Ja, es war einigermaßen okey, aber es ist einfach nicht meine Rolle. Vielleicht habe ich diesen Charakter nicht wirklich verinnerlicht. Und, ehrlich gesagt – Cilea ist eben auch kein Puccini.“
Puccini, jener Komponist, den er vielleicht am meisten liebt, natürlich ohne Verdi hintanzustellen. Aber er spricht vor allem ganz begeistert über die Aufführung der „Manon Lescaut“, die er kürzlich in Baden Baden an der Seite von Eva-Maria Westbroek unter der Leitung von Sir Simon Rattle absolvierte. „arte“ hat übertragen, und sich selbst in der Aufzeichnung zu sehen, war dann doch ein seltsames Erlebnis… „wenn man sich zuschaut, wie man so sehr in einer Rolle steckt.“
Mit Anna Netrebko in “Carmen”/ Foto: Wiener Staatsoper
„Anna war einfach wunderbar“ Es ist vor allem diese Rolle, die es ihm angetan hat: „Ich bin nach Rom geflogen, mir die ‚Manon Lescaut’ unter Muti anzuhören. Anna war einfach wunderbar“ – Kunststück, war Anna Netrebko doch mehrfach seiner Traumpartnerin, er hat in Wien mit ihr in der Massenet’schen „Manon“ und in „Carmen“ zusammen gesungen. Aber es ging ihm darum, die Rolle des Des Grieux auf der Bühne zu erleben – „und als ich das gesehen habe, wusste ich, dass ich das kann.“ War der Vertrag nicht längst unterzeichnet? „Natürlich, seit Jahren. Trotzdem ist man sich nicht ganz sicher, wenn man eine Rolle noch nie gesungen hat. Aber dann habe ich mich mit dem Des Grieux ganz besonders wohl gefühlt: Ich empfinde doch eine besondere Leidenschaft für – die Leidenschaft von Puccini.“
Demnächst neu: Chenier und Faust An neuen Partien hat Massimo Giordano zwei ziemlich dramatische Rollen vor sich: Den „Andrea Chenier“, den er im Februar 2015 erstmals in Wien singen wird („die Rolle ist eine ganz große Herausforderung“), und den „Faust“, der schon vorher in Berlin kommt (und den er bisher nur einmal konzertant in Wexford gemacht hat). Den Chenier-Kollegen Botha hat er sich in Wien nicht angesehen – „ich habe so viel im Kopf, worauf ich mich konzentrieren muss.“ Er kennt die Chenier-Arien, „Come un bel di di maggio“ hat er auf seiner CD eingespielt. Er ist ein schneller Lerner, „wenn ich mich dahinter klemme, kenne ich eine Oper in einem Monat. Aber die wahre Arbeit beginnt erst danach und dauert vielleicht Jahre.“
Die Stimme elastisch halten Dennoch will er sich nicht ganz auf das „heroische“, nur dramatische Fach verlegen: „Eigentlich möchte ich noch eine zeitlang leichtere Partien singen, das hält die Stimme elastisch.“ Er sieht sich selbst in den romantischen Rollen. Sein geliebter Puccini-Des Grieux kommt im Oktober in Berlin wieder (mit Hui He als Partnerin). Auch will er seine Stimme, die er immer „fragt“, was sie will und kann, zu nichts zwingen. Nicht zuletzt, weil er immer Pavarotti im Ohr hat: „Ich liebe ihn, dieser Tenor in seiner Schönheit war ein Gottesgeschenk.“ Dass er dem großen Kollegen nie begegnet ist, ihn nur von Ferne sah, als er einmal bei einem seiner Wettbewerbe teilnahm, schmerzt ihn noch heute. „Dafür kenne ich Placido“, tröstet er sich.
Mit Placido Domingo in Los Angeles / Foto: Website Giordano
„Ich liebe Europa“ Giordanos Repertoire umfasst Italiener und Franzosen, nichts sonst? Giordano erinnert sich besonders gern an den Lenski, den er in Glyndebourne gesungen hat. Tschaikowsky würde er gerne wieder machen. Sonst fühlt er sich in seinem Repertoire zuhause, mit dem er die großen Bühnen Europas abgrast. In den USA ist er selten. „Es ist eine andere Welt dort. Amerika ist schwierig, auch wird dort kurzfristiger disponiert, wenn sie fragen, ist man meist schon besetzt.“
Trotzdem wird er nächste Saison wieder einmal an der Met singen, den Cavaradossi, nach dem er so viel gefragt wird. Aber sonst singt er „am liebsten in Wien, in Paris, in London, in Deutschland, in Italien: Ich mag Europa.“ Schließlich lebt er in Triest, aber über Gattin und Kinder will er nicht sprechen. Privates hält er aus den Medien heraus.
Keine CD Tournee Zeit für die letzte Frage, seine CD. Er hat die 14 Arien, die er unter dem Titel „Amore e Tormento” präsentiert, selbst ausgesucht. Niemand hat ihm dreingeredet, es ist sozusagen ein Selbstbekenntnis zwischen Puccini, Verdi und den Veristen.
Ist er zufrieden damit? „Als Künstler ist man nie zufrieden, ich bin es jedenfalls nicht, man könnte es immer noch besser machen.“
Es ist auch seine Entschluss, das Erscheinen der CD nicht mit der üblichen Tournee zu verbinden, wie es viele Kollegen tun: „Ich denke, es war eine richtige Entscheidung. Ehrlich – das Publikum bekommt ja immer dieselben Arien vorgesetzt. Warum soll man das wiederholen?“ Nun, vielleicht ändert er bei der nächsten CD seine Meinung…
Und nochmals Puccini Nicht vergessen, nächste Saison hat Massimo Giordano in Wien noch etwas vor: erstmals wird er den Tenorpart in Puccinis „Messa di Gloria“ singen, Bertrand de Billy dirigiert die Wiener Symphoniker, 16. und 17. April 2015 im Musikverein, Giordano-Fans: bitte notieren…
Renate Wagner 21.7.14
Das Gespräch fand im Mai 2014 statt