Manchmal passiert es, das man in einem Opernhaus eine Stimme hört und von dieser sofort, auf zunächst nicht näher in Worten zu fassende Weise, fasziniert und angetan ist. So erging es mir als ich vor einigen Monaten im Landestheater Detmold der Premiere von Verdis LUISA MILLER beiwohnte. Auf der Bühne, inmitten einer recht ansprechenden und nachdenklich machenden Regie, eine Hauptdarstellerin, die gesanglich vom ersten Moment an präsent war. Die durch ihre warme Stimme dieser Sopranpartie sehr viel Emotionen einhauchte und die mich dabei des öfteren an die legendären Sängerinnen Leontyne Price und Marilyn Horne denken liess. Immer dann, wenn sie in tieferen Lagen ihrer Partie gesungen hat, war dieser unbeschreibliche Moment fast greifbar. Erst einige Zeit später erfuhr ich, dass sie seit Jahren Schülerin der großen Mezzosopranistin Marilyn Horne ist und sie sehr oft getroffen hat, auch in deren Haus an der kalifornischen Steilküste. Und das sie Leontyne Price, eine der bedeutendsten Sopranistinnen der letzten Jahrzehnte, so liebt und verehrt. Das sie mich an diese beiden Sängerinnen erinnerte war demzufolge kein Zufall, ohne dass sie auch nur annähernd wie eine Kopie der beiden Sängerlegenden wirkte. Nein, da war viel mehr. Sie hat eben das, was Price und Horne zu ihren Zeiten auch hatten: eine Stimme mit hohem Wiedererkennungswert, mit eben diesen beeindruckenden Höhen und dann dieser gewissen sanften und doch kräftigen Tiefe in der Stimme, die die Menschen im Opernhaus so tief zu berühren vermag. Nicht nur mich hat Megan Marie Hart begeistert und wer dann auch noch, wie ich, das Glück hatte, sie an gleicher Stelle als AIDA erleben zu dürfen, wird mir sicher beipflichten, das hier eine ganz besondere Stimme zu erleben ist, die geradezu wie erschaffen zu sein scheint, um Rollen wie die einer Luisa Miller oder einer Aida zu singen. Da wünscht man sich viel mehr von ihr zu hören. In vielen weiteren großen Partien ihres Fachs. Die Zeit wird es bringen. Absolut! Aber jetzt ist erst mal Zeit diese Sopranistin meinen Leserinnen und Lesern etwas näher vorzustellen.
Musik, Musik, Musik
Mit einem Augenzwinkern erzählt sie davon, wie sich ihre Eltern über die Musik kennengelernt hatten. In Kalifornien war das zur Zeit der Flower-Generation. Eben jener Zeit, die den Begriff „Hippies“ prägte und der für ein von Lebensfreude und Musik geprägten Lebensstil stand und steht. Ihr Vater spielte damals schon sehr gut klassische Gitarre und ihre Mutter sang dazu. Megan Marie erwähnt öfter im Gespräch, das ihre Mutter über eine ausnehmend schöne Stimme verfügte. „Musik war bei uns überall“, berichtet sie. Und auch davon, dass ihre Mutter beinahe jeder Radioübertragung aus der weltberühmten MET, dem legendären New Yorker Opernhaus, folgte und damit auch die Tochter Megan Marie begeistern konnte. Die Mutter nahm damals auch Gesangsunterricht. Die Liebe zur Oper gab sie an ihre Tochter weiter. Und sicher wird sie glücklich darüber sein zu erleben, was ihre Tochter aus dieser Liebesbeziehung gemacht hat.
Geboren wurde Megan Marie Hart in Santa Monica im „Golden State“ Kalifornien. Dort lebte sie bis zu ihrem sechsten Lebensjahr, dann zogen ihre Eltern mit ihr nach Eugene in den US-Bundesstaat Oregon um. Dort wuchs Megan Marie auf, besuchte die Schule und hatte mit 17 Jahren auch ihre ersten Gesangsstunden. Während eines Jugendprogrammes des Oregon Bach Festivals reifte in ihr der feste Entschluss, Gesang zu studieren und zu ihrem Leben und Beruf zu machen. Ab 2001 studierte sie dann bei dem amerikanischen Tenor und Gesangspädagogen Richard Miller in Oberlin (Ohio). Und alsbald folgten dann bemerkenswerte Zwischenstationen, die sie zunächst 2003 nach Salzburg brachten, wo sie an der dortigen Sommerakademie teilnahm. Ebenfalls in diesem Jahr, und im Folgejahr, war sie Teilnehmerin der Elysium-Sommerakademie in Bernried am Starnberger See. Zurück in den USA machte sie 2005 ihren Bachelor of Music an der Musikhochschule in Oberlin und bereits im Jahr darauf den akademischen Grad des Master of Music.
Schicksalhafte Begegnung
2005 dann traf sie während eines Meisterkurses in Oberlin das erste Mal auf die Frau, die ihre weiteren Jahre als Opernsängerin prägen sollte und der sie bis zum heutigen Tage als Schülerin und auch menschlich verbunden ist. Marilyn Horne. Ein Jahr später traf sie dann in New York ein zweites Mal auf ihre künftige Gesangslehrerin. Und im Jahre 2010 gewann sie den nach Marilyn Horne benannten Wettbewerb Song Competition.
Gleichzeitig war dies der Beginn der dauerhaften und prägenden Zusammenarbeit mit der großartigen Mezzosopranistin als Lehrerin und der Sopranistin Megan Marie Hart als ihrer Schülerin.
Marilyn Horne, die im anspruchsvollen und zu ihrer Zeit fast schon vergessenen Fach eines Koloratur-Mezzosoprans Massstäbe für womöglich alle folgenden Generationen von Sängerinnen gesetzt hat, wurde nach ihrer äußerst erfolgreichen Weltkarriere zu einer gefragten Gesangspädagogin. Ihre Meisterklassen sind berühmt. Aber auch ebenso ist sie für ihre humorvolle und menschliche Art bekannt und bei ihren Gesangsschülern beliebt. Ihre eindrucksvolle Stimme ist auf vielen Aufnahmen für alle Zeiten festgehalten worden und sie ist schon zu Lebzeiten eine Opernlegende von Weltruf. Sie fing einst in Gelsenkirchen ihre internationale Karriere an und gab auch Megan Marie den Rat, den Sprung nach Deutschland und seinen Bühnen zu wagen.
Wenn Megan Marie Hart über „die Horne“ spricht, ist ihre Bewunderung, ihr Respekt, aber auch ihre Zuneigung zu dieser Sängerin aus jedem Wort herauszuhören. Marilyn Horne wird sicher auch sehr schnell erkannt haben, welch stimmliches Talent ihre Schülerin vorzuweisen hat und wie ihr die Höhen, aber auch die tiefen Lagen ihres Soprans, so ausdrücklich lagen. Die Zusammenarbeit mit der großen US-amerikanischen Sängerin ist für Megan Marie eine Herzenssache geworden. Und das sie von den Erfahrungen und Kenntnissen Marilyn Hornes partizipiert, ist auch bei ihr deutlich herauszuhören.
2012 dann der Aufbruch nach Deutschland. Zunächst Station in München, später dann lebte sie in Frankfurt, wo sie auch intensiv an VHS-Deutschkursen teilgenommen hat. In Frankfurt lernte sie auch ihren Ehemann kennen. Doch zuvor debütierte sie noch im Januar 2012 an der Carnegie Hall und wirkte in den folgenden Jahren vermehrt als Konzertsängerin mit verschiedenen deutschen Orchestern mit.
Vis-à-vis mit einem Engel
In der laufenden Spielzeit 2014/15 trat Megan Marie Hart ihr Engagement als Ensemblemitglied des renommierten Landestheater Detmold an. Und das gestaltete sich zunehmend erfolgreich. Erst in diesem Sommer erhielt sie dort den Detmolder Theaterpreis, wie auch schon im Vorjahr, diesmal besonders für ihre eindringliche Leistung als Luisa Miller in Verdis gleichnamiger Oper. Die Intendanz und die musikalische Leitung des Detmolder Landestheaters haben viel kenntnisreiches Gespür und Weitsicht bewiesen damit, dass sie der jungen Sopranistin diese Partie, die gesanglich doch wie maßgeschneidert auf Harts Stimme und Stimmumfang zu sein scheint, anvertraut hatten. Eine Partie, die nicht so oft auf deutschen Opernbühnen zu erleben ist. Im Oktober wird die Detmolder LUISA MILLER mit Megan Marie Hart wieder aufgenommen werden. Ein Besuch kann meinerseits nur empfohlen werden. Die Termine sind HIER hinterlegt.
Im Verlaufe unseres Gespräches, welches in der besonderen Atmosphäre der Detmolder Landestheaterkantine stattfand und wo ein ständiges – aber keinesfalls störendes – Kommen und Gehen von Darstellern der Maria Stuart-Theaterprobe stattfand, kamen wir auf die Partien zu sprechen, die Megan Marie bereits erfolgreich gesungen hat und auch über jene, die sie unbedingt bald angehen möchte. Eine Rolle war dabei mehrfach Thema: „Die Butterfly. Ich liebe diese Partie. Ich möchte sie unbedingt bald mal auf der Bühne singen“, verriet sie mir. Ganz sicher eine Partie, die ihrer Stimmlage- und Stimmfärbung sehr liegen wird. Denn Megan Marie Hart verfügt auch über das Talent, große menschliche Emotionen über ihren Gesang zu transportieren und den Zuhörern vermitteln zu können.
Ein ähnlich großer Wunsch von ihr ist es, die Violetta (LA TRAVIATA) endlich einmal interpretieren zu können. Aber auch die exponierten Partien, wie die einer Abigaille (NABUCCO) oder einer ELEKTRA, stehen auf ihrem inneren Rollenplaner. Die ebenfalls von ihr in der Vergangenheit so ersehnte – aber auch ein wenig gefürchtete – Partie der AIDA hat sie ja nun in Detmold zum ersten Male singen dürfen. Und wie sie das tat!
In den vergangenen Jahren debütierte sie bereits erfolgreich u.a. als TOSCA, als Donna Anna (DON GIOVANNI), als Gilda (RIGOLETTO) oder auch als Mimì (LA BOHÈME). Und ELEKTRA war sogar auch schon dabei – da sang sie die Chrysothemis.
Hört man Frau Hart auf der Bühne in ihren derzeitigen Verdi-Partien Luisa Miller und Aida zu, ist der Wunsch sofort präsent, sie in weiteren Partien des italienischen Meisters erleben zu dürfen. Eine Amelia (BALLO IN MASCHERA) und besonders auch eine Leonore (LA FORZA DEL DESTINO) klingen mir augenblicklich im geistigen Ohr, wenn ich an diese, ihre, Stimme denke.
Das Detmolder Landestheater ist architektonisch ein kleines Schmuckstück. Das 1825 von Fürst Leopold II. errichtete und eröffnete Theater mit seinen roten Zuschauersesseln und den für die damalige Theaterbauweise typischen Seiten- und einer Fremdenloge, hat noch immer seinen ganz besonderen Flair erhalten können und hat seinen bedeutenden Ruf, insbesondere im Opernbereich, über all die Jahre immer wieder bestätigt. Wenn die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne agieren, gleich ob Oper oder klassisches Theater, schauen sie direkt vor sich auf die größte Loge des Zuschauerraums. Die Fremdenloge. Von dort ist auch der Blick auf die Bühne ein ganz besonderer. Die Wände des Theaters sind reich verziert und unterhalb der Loge befindet sich ein Engel.
„Immer wenn ich auf der Bühne stehe, blicke ich zu diesem Engel“, erzählt mir Megan Marie. Und dieser kleine Engel scheint ihr die Sicherheit und Ruhe zu geben, die sie in anstregenden Partien sicher auch benötigt. Es ist von vielen Sängern/-Innen bekannt, dass sie oftmals einen Fixpunkt im Theater anvisieren. Bei Megan Marie ist es ein Engel. Wie ich finde, eine sehr berührende Anekdote aus unserem Gespräch.
Neben den bereits erwähnten Verdi-Partien wird sie in der noch laufenden Detmolder Saison an zwei weiteren Opernproduktionen teilnehmen. Da ist zum einen die Königin in dem Musikmärchen von Ernst Toch DIE PRINZESSIN AUF DER ERBSE, welches am 20. März 2020 Premiere haben wird, und ab dem 15. Mai 2020 hebt sich der Vorhang für Mozarts DON GIOVANNI, mit Megan Marie Hart als Donna Anna, eine ihrer Paraderollen.
„Oper ist mein Leben!“
Ein Satz von ihr, der einfach aus tiefster Überzeugung kommt und Ausdruck ihrer Liebe zu dem ist, was sie beruflich machen darf. Und dieser Satz fiel oft. Sie, die Opernsängerin, ist auch selbst ein glühender Opernfan. Dies konnte auch ihr Mann, der sie zum Interview begleitet hatte, mehrfach bestätigen. Die Oper, diese wundervolle Kombination aus Musik, Gesang, Darstellung und Gefühlen, ist im täglichen Leben der Megan Marie Hart stets präsent. Und das nicht nur auf der Bühne. Auch im privaten Leben spielt die Oper eine sehr herausragende Rolle. Ihre Begeisterung, auch und gerade für die großen Stimmen der vergangenen Zeit, ist so ehrlich, wie authentisch und mitreißend zugleich. Und irgendwie ist dieser Satz von ihr auch ihr ganz persönliches Credo.
Mir bleibt nur noch dieser sympathischen Künstlerin viel Glück und viel Erfolg zu wünschen. Verbunden mit den Wünschen, das sie ihre selbst gesteckten Ziele baldmöglichst erreicht und sich ihre Begeisterungsfähigkeit erhält. Ich zweifele nicht daran.