AXEL KOBER
So vielseitig wie möglich
31.01.2019
Axel Kober, seit zehn Jahren Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf/Duisburg, war Stadtgespräch unter Wiens Opernfreunden, als er ohne eine einzige Orchesterprobe an der Wiener Staatsoper den „Ring des Nibelungen“ übernahm. Nun steht für ihn eine „Arabella“-Serie an, auf die er sich sehr freut.
Herr Kober, was bedeutet Ihnen „Arabella“?
Es ist für mich eine wunderbare Sache, diese Oper hier in Wien zu dirigieren, in der Stadt, wo sie hingehört – vor allem weil ich mit Wolfgang Bankl eine „urwienerische“ Besetzung habe – aber die anderen Österreicher wie Daniela Fally, Jörg Schneider oder Raffael Fingerlos zählen wohl auch noch zu den „Originalen“. Sonst sind die Sänger so international bunt gemischt, wie es in der Opernwelt heute üblich ist, auch bei mir daheim in Düsseldorf / Duisburg. In Wien hat man für „Arabella“ aber doch das Flair des „Authentischen“, allein von dem her, was aus dem Orchesterraum kommt. Und Strauss ist ein Komponist, dessen Werke ich häufig dirigiert habe, ob „Rosenkavalier“ oder „Ariadne“, „Salome“ oder „Frau ohne Schatten“.
Das hat Ihnen neben Ihrer starken Wagner-Affinität wohl auch das Markenzeichen eines „Dirigenten für das deutsche Fach“ eingebracht… in Wien hat man Sie ja auch zuerst für „Hänsel und Gretel“ geholt.
Und genau dieser Fixierung versuche ich zu entkommen, indem ich immer wieder auch einen Verdi, einen Puccini, slawisches Repertoire oder Modernes dirigiere. Ich lege Wert darauf, ein möglichst vielseitiger Dirigent zu sein.
Aber um Wagner kommen Sie nicht herum. Gibt es eigentlich eines seiner Werke, das Ihnen fehlt? Und gibt es eines, das Sie am liebsten mögen?
Ich habe sie alle schon dirigiert, inklusive „Die Feen“ und „Das Liebesverbot“. Und ich könnte kein Lieblingswerk bei Wagner nennen, es gibt aber ganz besondere Stellen, die mich sehr berühren. Für mich ist beispielsweise die Erda-Szene zu Beginn des dritten Akts „Siegfried“ eine solche…
Womit wir bei dem „Ring des Nibelungen“ wären. War es ein Wagnis, den ganzen Zyklus in Wien erstmals und ohne Orchesterprobe zu leiten?
Ganz ehrlich, das kommt ja im Repertoirebetrieb immer wieder vor, dass ein Dirigent ohne Orchesterprobe in die Abendvorstellung gehen muss. Ich hatte in Wien ausführliche Vor-Proben mit den Sängern – es war eine ausgezeichnete Besetzung! – und am Klavier, teilweise auch als Bühnenproben. Ich habe mir selbstverständlich die Videos der Wiener Aufführung angesehen, um zu wissen, was optisch zu erwarten ist. Und das Wiener Orchester „kann“ ja seinen „Ring“. Das war ein wirklich inspirierendes Erlebnis, aufeinander zuzugehen und auch die Wagner-Tradition des Opernorchesters zu spüren…
Dazu muss man den „Ring“ aber schon sehr intus haben, um das zu wagen.
Ich beschäftige mich schon seit meiner Jugend intensiv mit dem Werk. Dazu kommt, dass wir in den vergangenen zwei Jahren den „Ring“-Zyklus in der Regie von Dietrich Hilsdorf in Düsseldorf herausgebracht haben. Derselbe „Ring“ läuft auch – nur das Orchester ist ein anderes – im Parallel-Haus in Duisburg. Dort hatte ich eben „Siegfried“-Premiere, und nach der „Götterdämmerung“ werde ich in jedem der beiden Häuser einen gesamten „Ring“-Zyklus dirigieren: Das sind dann für mich drei komplette „Ringe“ in der ersten Hälfte des Jahres 2019.
Lesen Sie Kritiken? Bedeuten sie Ihnen etwas? Geben sie Ihnen manchmal zu denken?
Natürlich lese ich die Kritiken, aber man muss auch darüber reflektieren. Die Frage ist auch, wie ehrlich Kritiken sind, ob sie wirklich versuchen, die Atmosphäre eines Abends wiederzugeben, oder ob sie gedankenlos dahin geschrieben werden. Man gibt schließlich alles, was man hat, und wenn der ganze Einsatz dann oberflächlich abgetan wird, kann man das auch beiseite legen. Aber gerade die Kritiken zum Wiener „Ring“ waren sehr fundiert, da nimmt man schon etwas mit.
Herr Kober, Sie leiten nun als Generalmusikdirektor seit bereits zehn Jahren zwei relativ große Häuser, und Ihr Vertrag wurde um weitere fünf Jahre verlängert. Wie ist das – lernt man als Dirigent so einfach „Intendant“ sein?
Erstens hatte ich durch meine früheren Engagements Erfahrungen auch mit dem „Betrieb“ gewonnen – ob in Dortmund, Mannheim oder Leipzig. Ich war also nicht ganz unbeleckt in diesen Dingen. An der Deutschen Oper am Rhein bin ich „nur“ Generalmusikdirektor, aber tatsächlich entscheiden Generalintendant Christoph Meyer, mit dem ich gemeinsam angetreten bin, alles gemeinsam. Natürlich ist es auch meine Sache, nicht nur viel an den eigenen Häusern zu dirigieren, sondern auch den Spielplan mitzugestalten, das Ensemble zu pflegen und mich um den Nachwuchs zu kümmern. Und ich kann sagen, dass man beiden Häusern ein hohes Niveau attestiert.
Ganz begreift es ein Außenstehender ja nicht: Da liegen zwei Städte gerade 25 Kilometer auseinander, und jede leistet sich ein großes Opernhaus mit jeweils rund 1200 Plätzen und einem eigenen Orchester. Wäre es nicht einfacher, einen „Opernzug“ zu kreieren und das Publikum von Duisburg in die Oper nach Düsseldorf zu bringen?
Da muss man die Verhältnisse kennen, um zu wissen, dass es nicht geht. Erstens gehen die Duisburger nicht gerne nach Düsseldorf ins Theater und umgekehrt, das ist erwiesen. Außerdem spielen Oper und Orchester für beide Städte eine enorme Rolle: nicht nur im Kulturleben, sondern auch im Kulturverständnis der Stadt. Sie sind gewissermaßen ein vom Publikum geliebter Mittelpunkt. Der Zusammenschluß unter einer Leitung, wobei man die Inszenierungen hin- und herschiebt – die Bühnen sind weitgehend kompatibel – existiert schon an die 70 Jahre. Nur die beiden Orchester, die daneben auch Konzerte spielen, bleiben getrennt. Ich darf also den „Ring“ mit den Musikern in jeder Stadt einstudieren.
Erfüllt man sich da, wenn man als GMD einige Entscheidungsfreiheit hat, auch eigene Wünsche?
Also ja, den „Ring“ habe ich mir gewünscht. Aber es ist vieles zu bedenken, man muss auch Stücke für die Sänger ansetzen, die man hat – immerhin ist eine Persönlichkeit wie Linda Watson bei uns im Ensemble –, und man muss schauen, wann man sich Weltstars leistet: Bo Skovhus und Camilla Nylund haben bei uns in einer Inszenierung von Stefan Herheim in „Wozzeck“ gesungen; man muss an den Nachwuchs denken, der Erfahrung sammeln muss; man muss ein Kinderopern-Programm entwickeln; und man muss dem Publikum auch zeigen, dass es außer der geliebten „Zauberflöte“ noch Musik von heute gibt. Ich bin auch sehr offen für neue Inszenierungen, die etwa auf Grund einer ungewöhnlichen Ästhetik neue Fragen stellen…
Womit wir schon bei dem Bayreuther „Tannhäuser“ von Regisseur Sebastian Baumgarten wären, den Sie dirigiert haben und der für mich der Inbegriff einer sinnlosen Inszenierung war…
Also ich kenne Leute, die sich sehr beeindruckt zeigten. Mein Sohn beispielsweise mochte die Biogas-Szenerie sehr – aber gut, der studiert auch Chemie. Sicher, auch ich konnte nicht gleich etwas mit dem Ambiente anfangen, als ich den Abend übernommen habe, aber mich hat sofort die ausgefeilte Personenregie beeindruckt. Nach und nach habe ich mich – auch durch die Erklärungen des Regisseurs – für diese Inszenierung, die den Kreislauf des Lebens zeigt, begeistern können – und ist es nicht spannend, sich darüber zu streiten oder angeregt darüber zu diskutieren? So bleibt ein Werk oft auch nachhaltig in Erinnerung.
Sie haben auf dem grünen Hügel in Bayreuth den „Tannhäuser“ und den „Fliegenden Holländer“ dirigiert, wo Jan Philipp Gloger eine Ventilatorenfabrik auf die Bühne gestellt hat – gibt es Bayreuther Zukunftspläne?
Konkrete Pläne für mich gibt es im Moment keine, aber wir sind im Gespräch. Und glauben Sie mir, ich bin auch froh, einmal einen freien Sommer zu haben und in den Urlaub fahren zu können…
Und weil auch allgemein so viel über Bayreuths Zukunft gesprochen wird: Können Sie sich die Festspiele ohne die Familie Wagner vorstellen – wenn Katharina eines Tages nicht mehr an der Spitze stehen sollte?
Bayreuth nicht mehr in den Händen der Familie Wagner scheint schwer vorstellbar, aber es ist ein normaler Prozeß, dass sich alles weiterentwickelt. Denken Sie nur, wie Bayreuth sich von Wolfgang zu Katharina verändert hat.
Darf ich Sie zum Abschluß bitten, uns noch etwas zu Martin Schläpfer zu sagen, den die Wiener Ballettfreunde ja ab Herbst 2020 erleben werden.
Martin Schläpfer hat gleichzeitig mit Christoph Meyer und mir an der Deutschen Oper am Rhein begonnen, und er führt die Ballettschiene des Hauses hervorragend und erfolgreich. Für unsere vertanzte Form des „Deutschen Requiems“ haben wir den Theaterpreis „Faust“ bekommen, und unser Ballettensemble wurde mehrfach zur „Kompanie des Jahres“ gewählt. Ich finde großartig, was er macht, ich habe auch seinen „Schwanensee“ dirigiert. Es ist mir klar, dass eine Produktion wie diese nicht die konventionellen Erwartungen eines traditionellen Ballettpublikums erfüllt, aber ich denke, er erzählt die Geschichte auf neue, anregende und unglaublich schlüssige Art. Es tut uns leid, dass er uns verlässt, aber wir wünschen ihm in Wien das Beste. Was er an der Staatsoper vor hat, weiß ich natürlich nicht, aber ich bin sicher, dass er sich auch auf das dortige Publikum einstellen und es begeistern kann.
Haben Sie weitere Pläne für Wien, Herr Kober?
Die Wiener Staatsoper ist für mich etwas ganz besonderes. Ich arbeite einfach unglaublich gerne hier, fühle mich sehr wohl in der Stadt und freue mich, dass wir in guten Gesprächen über die Zukunft sind.
Dann wünschen wir Erfolg für die Wiener „Arabella“ und weiterhin viele tolle Jahre in Düsseldorf und Duisburg! Danke für das Gespräch.
Renate Wagner 3.2.2019
Bilder (c) Susanne Diesner