DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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W.A. Mozart „Die Zauberflöte“ - Meister Habjan’s Puppenspiel

Premiere am 3. September 2022

 

Schon sechs Jahre nach der letzten Aufführung am Opernhaus Dortmund hatte dort am letzten Samstag eine Neuinszenierung der „Grossen Oper in zwei Aufzügen Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadè Mozart auf den Text von Emanuel Schikaneder durch Hausregisseur Nikolaus Habjan Premiere. Für den Musikfreund gab es aber schon vor der ersten Szene Grund zur Freude: Die Ouvertüre wurde vor geschlossenem Vorhang gespielt, ohne, dass man dabei wie heute üblich durch irgendwelche „Fisimatenten“ auf der Bühne abgelenkt wurde. So konnten die Besucherinnen und Besucher das Spiel der wie bei Mozart üblich höher platzierten Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von Motonori Kobayashi geniessen, das feierlich langsame Adagio mit den berühmten Es-Dur-Bläserakkorden, ein hurtiges Allegro mit Fugato und drei nachdrückliche Schlußakkorde – natürlich Applaus aus dem Publikum.

 

Das Bühnenbild von Jakob Brossmann, Manfred Rainer und Hannah Rosa Oellinger ermöglichte mit Hilfe der Drehbühne schnelle Wechsel von einem märchenhaft-unheimlichen Wald zu einem kalten grauen Gebäude mit einem hinteren Rundbogen und seitlichen mit Fenstern versehenen Wänden, die bei Bedarf für Mitwirkende geöffnet werden konnten, wohl der „Weisheitstempel“. Auch für die Videos, die etwa für Feuer- und Wasserprobe wenig einfallsreich entsprechend rote und blaue Projektionen auf dem Bühnenhintergrund zeigten, vor denen Tamino und Pamina silhouettenhaft auf einer Treppe standen, waren die drei verantwortlich. Die Kostüme von Denise Heschl entsprachen den Erwartungen, Priester und zum Schluß Tamino und Pamina in weiß, die drei Knaben etwas altväterlich oder die drei Damen in rauschender Vogel-ähnlicher Garderobe.

 

Vor allem geprägt wurde die Aufführung durch zwei der vielen von Regisseur Habjan gebauten Puppen, nämlich der Kontrahenten Königin der Nacht, die etwa nach ihrer ersten grossen Arie nach oben wegrauschte, und Sarastro, letzterer senil im Rollstuhl gefahren mit zitternder rechter Hand offenbar Parkinson-erkrankt. Bei beiden wurden Glieder und dem gesungenen Text entsprechend Münder so bewegt, als ob sie reale Menschen wären, Sängerin und Sänger standen jeweils dahinter. Der Sänger des Sarastro (Denis Velev mit bis in tiefe Tiefen klangvollem Baß) sang die letzte Strophe der „Hallenarie“ , zu „seiner Puppe“ hin, als wolle er deren phrasenhaften Pathos hinterfragen. Seine Kunst zeigen konnte der „Puppenbauer“ Halbjan natürlich auch bei den Auftritten der Tiere, vor allem der Schlange im ersten Aufzug. Witzig, beweglich zur Musik und exakt singend sah man die drei Damen vor allem bei ihrem Streit um Tamino im ersten Aufzug (Heejin Kim, Hyona Kim (früher Frédégonde) und Maria Hiefinger) oder die beiden Priester, die sich beim Verlassen des Tempels nicht über die Reihenfolge verständigen konnten (Mario Ahlborn und Carl Kaiser) – später beide mit grossen Masken auch als Geharnischte markant singend.

 

Aber, wie Dirigent Kobayashi im Programmheft zu Recht bemerkte „Wenn die Musik stimmt, dann stimmt alles andere auch“ – und die stimmte, auch und vor allem dank seiner überlegenen Gesamtleitung. So war Antonina Vesenina eine koloraturensichere Königin der Nacht, vor allem in der Rache-Arie. Ganz gegensätzlich fand sie im Maestoso-Teil der ersten Arie „Zum Leiden bin ich auserkoren“ lyrische Mitleid-erregende Töne. Vor kurzem noch Julia im „Vetter aus Dingsda“ in Münster ließ ließ Tanja Christine Kuhn als Pamina berückendes p hören, etwa auch im grossen Intervall bei „Ruhe im Tode“. Dramatischer klang sie in ihrem Ensemble mit den drei Knaben (von der Chorakademie Dortmund) So wurde dies zu einem Höhepunkt der Aufführung. Den Tamino legte Sungho Kim recht dramatisch an, fand aber für die „Bildnisarie“ auch die passenden lyrischen Töne, insgesamt war er nicht sehr textverständlich. Wie schon in der letzten Aufführung glänzte Morgan Moody als Papageno, der wohl menschlichsten Partie nicht nur Mozarts. Seine beiden Hits sang er mit schlanker Stimme. Witzig ließ er in der letzten Strophe von „Ein Mädchen..“ die Wirkung des vorher vom „Sprecher“ (Mandla Mndebele)  servierten Weins hören. Glaubhaft gelang seine zunehmende Verzweiflung vor der Selbstmordabsicht. Kokett und spritzig singend und spielend erlöste ihn davon dann Wendy Krikken als Papgena. 

 

Wie auch schon in der letzten Aufführung sang Fritz Steinbacher mit für diese Partie fast zu wohlklingendem Tenor den Monostatos Wieder gut gelungen war sein schnelles p bei „Alles fühlt der Liebe Freuden“, wobei er ganz auf der Höhe der Zeit „weil kein Mensch mag mein Gesicht“ statt „weil ein schwarzer häßlich ist“ singen mußte, obwohl er mit schwarzem Tigerkopf und schwarzem Mantel bekleidet war.

Der Opernchor einstudiert von Fabio Mancini sang zuverlässig und klanggewaltig, wobei ihm zu Hilfe kam, dass er meist nur würdig auf der Bühne stand, so auch im Schlußbild. In diesem starb die Königin der Nacht, Sarastro wurde vom Rollstuhl gestossen und ihre beiden leeren Puppen wurden von der Bühne, das heißt aus dem Tempel, verbracht. Pamina und Tamino zeigten sich als ihre Nachfolger, sehr passend unterstützt von Papageno und Papagena. Da war wohl gemeint, nicht verknöcherte Priester sondern lebensfrohe Menschen und deren Nachkommen sollen die Zukunft gestalten.  

 

Da hatte das Publikum etwa im dicht gedrängten Parterre - meist ohne Masken - guten Grund für begeisterten Applaus, für Bravos für alle Mitwirkenden, besonders natürlich die Hauptpersonen, für den Chor, vor allem den Dirigenten und das Orchester sowie das Führungsteam. Der Applaus wurde verlängert dadurch, dass Intendant Germeshausen die sonst in der Premierenfeier übliche Lobeshymne auf alle Mitwirkenden jetzt auf der Bühne hielt. Zu erwähnen ist, dass unter dem Titel „Das Geheimnis der Zauberflöte“ am Sonntag-Morgen eine Bearbeitung von Paulus Hochgatterer und Nikolaus Habjan für Kinder „ab 8“ Premiere hatte mit dem Ensemble der „grossen“ Zauberflöte.

 

Sigi Brockmann, 5. September 2022

Keine Bilder!*

 

 

*Die Pressestelle der Dortmunder Oper liefert uns nicht ausnahmslos honorarfreie Bilder - was in Europa für unseren Opernfreund einmalig ist - sondern offieriert auf einer Seite teils leider honorarpflichtige Bilder. Es besteht Verwechslungsgefahr. Darüberhinaus ist es nicht Aufgabe unserer Kritiker zu recherchieren, welche Bilder nun honorarfrei sind! Wir zahlen, wie fast alle Fachzeitungen, insbesondere da  wir uneigennützig und werbefrei sind wo alle honoris causa arbeiten (!) kein Honorar für letztlich wohlwollende "Werbung für die Dortmunder Oper", die auch unser Sorgenkind ist, seit Jahren...

 

Chefredaktion P.B./M.D. 6.9.22

 

 

 

DIE LUSTIGE WITWE

Besuchte Aufführung am 14.05.22 (Premiere am 29.01.22)

"Weimarer Fassung" des Lehar-Evergreens

Was macht die Dortmunder Aufführung so besonders, zu einer herkömmlichen Aufführung des Werkes? Nun, Henning Hagedorn und Matthias Grimminger, denen wir die aktuelle Paul-Abraham-Renaissance verdanken, haben wieder einmal Quellenstudium betrieben. Bei der "Witwe" heißt das nicht den Ursprung beachten,denn der ist gut gesichert und in der normalen Aufführungstradition verankert, sondern um die legendäre Bearbeitung der Zwanziger Jahre, die für die große Operettendiva ihrer Zeit, für Fritzi Massary, mit Lehars Einwilligung vorgenommen wurde. Im Programmheft wird allerdings gleich zurückgerudert, das man zwar die Quellen dieser Aufführung benutzt habe, doch eine eigene, wahrscheinlich mit Regisseur Thomas Enzinger, Fassung erarbeitet hat. So. Doch nun einen kleinen  Exkurs zu Fritzi Massary, die zu ihrer Zeit ein echter Star war (Zigaretten und Hüte wurden nach ihr benannt!). Auf den Tonaufnahmen, die es von ihr gibt, hören wir , in historischer Qualität, zunächst keine wirklich "schöne" Stimme; etwas metallisch, manchmal fast piepsig, aber ungemein textverständlich und von einer aufreizenden Lockung im Servieren von Pointen und bewußtem Gefühl. Da werden Konsonanten als erotische Kommata genutzt, es gurrt, kichert und spielt mit dem Gehalt von "ich könnte jetzt sehr ordinär sein", wird es jedoch nie wirklich. Massary hatte halt das gewisse "je ne sais quoi". Auf Bildern sehen wir auch eigentlich keine wirkliche "Schönheit", sondern eine reizvoll weibliche Frau, die sich sehr bewußt und vorteilhaft in Szene setzen kann. Man versteht warum Oscar Straus "Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will, ich habe mein Tempo, ich hab`meinen Stil" auf den Leib komponiert hat. Für diese Künstlerin wurden eben Ausnahmen gemacht, Texte aktueller und neu geschrieben; sie hatte die freie Wahl welche der Nummern von ihr gesungen werden, so eigentlich Valenciennes "Ich bin eine anständ`ge Frau" oder das Grisettenlied. Der Choreograph Erik Charell hatte die Aufführung mit vielen Tänzerinnen und Glamour revuehaft vergrössert.
 
Wenn man den Regisseur Thomas Enzinger kennt, rechnet man auch mit dem wunderbaren Ausstatter Toto, die beiden bilden wirklich einen Garant für gekonntes Unterhaltungstheater in abgestaubten Bildern: hier sehen wir die Weimarer Republik vor uns, so ein bißchen an der erfolgreichen Serie "Berlin Babylon" angelehnt und auch ein bißchen an das Musical "Cabaret"; denn wir haben da noch die herzuerfundene Figur Adàn, die wie ein Conferencier das Stück begleitet, Morgan Moody macht diesen Ausflug in ein anderes Genre (vom Opernsänger aus gesehen!) ganz famos, textverständlich mit angenehmem Bariton, noch einen Schuss mehr Gustav Gründgens in "Tanz auf dem Vulkan", also etwas mehr Furor, dann wäre es grandios. Evamaria Mayer hat die nicht leichte Aufgabe, das ganze Geschehen choreographisch die ganze Zeit zu begleiten, es kommt nicht ganz an Otto Pichlers Arbeiten an der Komischen Oper heran, aber schon verdammt nah, was allein hervorragend ist, was da an tänzerischem Zauber mit acht Tänzerinnen, den Solisten und dem Chor auf der Bühne entfaltet wird.
 
Das Hauptaugenmerk der Aufführung liegt natürlich auf dem Paar Hanna und Danilo: Penny Sofroniadou und Matthias Störmer sind schon optisch eine Augenweide. Doch Penny Sofroniadou ist eben keine Fritzi Massary; stimmlich ist sie der Diva mit strahlendem Sopran und allein gesangstechnisch überlegen, doch es fehlt an Textverständlichkeit und selbstsicherer Entspanntheit, über ein ordentliches Niveau kommt es bei ihr nicht. Matthias Störmer ließ sich allergiebedingt entschuldigen, nutzte oktavieren und Sprechgesang bestens aus ,das Manko zu verdecken. Er ist ein im besten Sinne echter Theaterroutinier und sein Danilo punktet mit jungenhaftem Charme und hält sich oft nahe die Interpretation von Johannes Heesters( natürlich in seinen guten Jahren). Sungho Kim gehört zu den gesanglich besten Rosillons, die ich gehört habe; tenorale Geschmeidigkeit vereint mit sanglichem Schmelz. Sooyeon Lee singt die sopranfrische Valencienne dazu. Beide kommen, szenisch von der Regie als Folie von oberflächlichen Zwanziger-Jahre Flapper serviert, nicht über ein Abziehbild heraus, ihre Liebesgeschichte findet nicht wirklich statt. Eine Freude ist das Wiedersehen mit Hannes Brock als Baron Zeta. Steffen Schortie Scheumann macht , als mehr berlinesker, denn balkanesker Njegus gute, komische Figur. Der Dortmunder Opernchor überzeugt durch spürbare Spielfreude. Philipp Armbruster gelingt es hervorragend, sich  mit den Dortmunder Philharmonikern den leicht veränderten Lehar-Sound durch die vertrackten Anschlüsse des Abends mit Musiknummer, Begleitmusik, Melodram und Ballett zu finden, höchsten Respekt dafür!
 
Fazit: Ein sicher sehr interessanter Abend für die Spezialisten, doch die "Original-Witwe" finde ich in ihrer psychologischen Anlage schlüssiger. Weil die Ausführung im Großen und Ganzen gelungen ist und dem Auge bei schöner Musik viel geboten wird, ist das gut besetzte Auditorium des Jubels voll. Alles was ein Operettenabend soll , wird erreicht.
 
Martin Freitag, 27.5.22
 
 

Spontini:

Fernand Cortez oder Die Eroberung von Mexiko

Premiere 7. April 2022   - besuchte Aufführung 24. April 2022

Begleitend zur Aufführung von Richard Wagner´s „Ring des Nibelungen“, die im Mai 2022 mit dem ersten Tag des Bühnenfestspiels „Die Walküre“ beginnt, führt man in Dortmund Opern auf, die als Anregung oder Nachwirkung von Wagner´s Werk verstanden werden können, „Wagner-Kosmos“ genannt. Das waren bisher nur französischsprachige Opern, nämlich „Die Stumme von Portici“ und „Frédégonde“ Jetzt folgte Gaspare Spontini´s Oper in drei Akten „Fernand Cortez oder Die Eroberung von Mexiko“ (Fernand Cortez, ou la conquête du Mexique) auf das Libretto von V.-J. Étienne de Jouy und J.-A. d´Esménard, in Dortmund aufgeführt in der dritten durch M.E.G. Théaulon de Lambert veränderten Fassung, die in 1824 in Berlin, allerdings in deutscher Übersetzung eines J.C.. May, uraufgeführt wurde. Dort war Spontini zu der Zeit GMD. In Dortmund erklang diese Fassung nun erstmalig in Deutschland mit dem französischen Original-Text. Die musikalische Leitung hatte Christoph JK Müller, Regie führte Eva-Maria Höckmayr.

 

 

Gemeinsam ist den drei erwähnten Opern auch, dass eine Frau im Mittelpunkt steht, bei den beiden ersteren geht das aus dem Titel hervor, bei Spontini ist es die mexikanische Prinzessin Amazily, darüber wohl auch die Verbindung zu Wagner. Als Schwester des mexikanischen Feldherrn Télasco und zum Christentum übergetretene Geliebte des spanischen Feldherrn Cortez will sie zwischen den feindlichen Mexikanern und Spaniern vermitteln, wobei mit Mexikanern hier Azteken gemeint sind. Auf der Bühne wurde das symbolisiert durch ein Kreuz und einen Hund, bei den Azteken ein heiliges Tier. Sie bietet sich sogar dem bösen mexikanischen Oberpriester als Opfer an, um noch mehr Blutvergiessen zu verhindern.

Die Mexikaner haben Alvar, einen Bruder von Cortez, gefangen genommen. Er soll zusammen mit zwei anderen Gefangenen hingerichtet werden. Dies regte Spontini zu einer grossen Arie Alvars über Abschied von Heimat und Leben an, in der Sungho Kim mit helltrimbrierten lyrischen Tenor sehr beeindruckte. Das folgende a-capella-Terzett mit den beiden anderen Gefangenen (Jorge Carlo Moreno und Ian Sidden) wurde zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends.

 

 

Aber auf Befehl des verhandlungsbereiten Königs Montézuma (wie immer mit ausdrucksstarkem Bariton Mandla Mndebele) sollen sie als Geisel gegen den Abzug der Spanier ausgetauscht werden. Darauf würden die kriegsmüden spanischen Soldaten gern eingehen, auch wegen versprochener Goldgeschenke, aber Cortez – das ist historisch – regt ihre Kampfeslust wieder an und läßt die zur Heimkehr erforderlichen Schiffe verbrennen. In der Aufführung verpuffte diese gewaltige Szene fast wirkungslos – es wurde ein Papierschiffchen angezündet.

 Letztlich erobern Cortez und seine Soldaten die Hauptstadt der Azteken, Amazily wird gerettet und verbindet sich nun endgültig mit Cortez, der allen seinen Gegnern verzeiht und als der grosse Held gefeiert wird.

Dieses recht plötzliche happy end oder „lieto fine“ wollte die Regisseurin so nicht darstellen, Cortez heiratete eine Doppelgängerin (ist ja heute Mode!), während die wirkliche Amazily die Bühne über den Zuschauerraum verließ.

Nicht nur das Ende, auch den Beginn der Vorstellung bestritt Amazily, indem sie während der zwischen Marschrhythmen und lyrischen Phrasen wechselnden Ouvertüre blutrote Worte auf das viereckige goldene Einheitsbühnenbild zeichnet, auf dessen Hintergrund eine grosse Stadt angedeutet wurde. Es wurde überhaupt viel auf diesem Bühnenbild gekritzelt, was der Zuschauer kaum nachvollziehen konnte. (Bühne Ralph Zeger).

Etwas verwirrend waren gleichartige Kostüme für Spanier und Mexikaner, die Anführer in blauen heutigen Anzügen, die der Mexikaner erkennbar an grossen Federkronen, die übrigen Krieger in Unterwäsche ähnlichen Alltagsklamotten. (Miriam Grimm).  Historisch wie zu ihrer Zeit gekleidet traten nur auf Cortez und sein Vertrauter Moralès, hier als katholischer Priester. Diese Partie sang Morgan Moody mit gewohnter klangvoller Stimme und Präzision. Zusätzlich mußte er noch das grosse Holzkreuz hin- und herschleppen.

 

 

Eigentliche Handlung spielte sich auf der Bühne wenig ab, dafür gab es eindrucksvolle Bilder, etwa im Sinne der Grand-Opéra, von denen zwei erwähnt werden sollen: Nach der Pause tauchten auf einem Hubpodium Soldaten in Uniformen vieler Länder und Zeiten auf mit einem Papst in der Mitte, schwarze Fähnchen schwenkend, um diese und kommende Eroberungen vorzubereiten.

Zum zweiten reckte etwa der mexikanische Oberpriester vor dem erwähnten grossen Holzkreuz mit einem der von ihm nach alter aztekischer Tradition vom lebendigen Körper eines Besiegten extrahierten Herzen in der Hand seinen Arm nach oben – beide Religionen konnten grausam sein. Im dritten Akt wurden gleich noch mehrere dieser Operationen angedeutet, dafür sang Yevhen Rakhmanin die Partie dieses verbrecherischen Haßpredigers bis in tiefe Tiefen fast zu wohlklingend.

Was den Besuch der Aufführung vor allem lohnte, war die musikalische Seite und hier vor allem die Amazily von Melody Louledjian. Ob sie im Streit mit ihrem Bruder Télasco (James Lee), der ihr Verrat vorwarf, ihre Liebe zu Cortez verteidigte, ob sie letzteren in süssestem lyrischen Legato anhimmelte, oder ob sie verzweifelte innere Zerrissenheit ausdrückte, immer gelang ihr das mit passender Stimmfärbung, stimmlicher Präsenz gegenüber Chor und Orchester und für einen Sopran weitgehend textverständlich. Mit ihrem geliebten Cortez hatte sie nur ein verhältnismässig kurzes Liebesduett. Hier mit Legato-Kantilene und in seiner grossen kämpferischen Arie mit heldentenoraler Wucht überzeugte Mirko Roschkowski als auch das französische Idiom treffender Titelheld.

Zu ganz grosser Form und in grosser Besetzung trumpfte der Opernchor des Theaters Dortmund auf, praktisch ohne Ungenauigkeiten, in der Einstudierung von Fabio Mancini. Passend für eine Grand Opéra konnte er in allen geforderten Stimmungen wie Verzweiflung angesichts drohender Niederlagen, Kampfesmut und Siegeswillen überzeugen. Da der eine Chor gleichzeitig beide Parteien verkörperte, mußte man manchmal raten, welches Kriegspartei gerade gemeint war. In pompöser Abendkleidung versuchte der Damenchor als Mexikanerinnen, die Spanier zu verführen. Daß man dadurch Männer zur Abreise motivieren wollte, ist neu.

Umsichtig, präzise und inspiriert leitete Chrisoph JK Müller das vielfältige und aufwendige musikalische Geschehen mit gewaltigen vorwärtsdrängenden Märschen aber auch französisch-intimen Partien. Auffällig war der häufig fliessende Übergang von ariosen Rezitativen zu Arien. Die Dortmunder Philharmoniker liessen hören, wie abwechslungsreich in Klangfarben und Instrumentation die Partitur Spontinis teilweise ist. Auch für die Entstehungszeit harmonische Kühnheiten glaubte man zu hören.

Zum Schluß kamen vom Publikum zwar Bravos für die beiden Hauptpersonen und den Chor, aber der Beifall blieb besonders angesichts des Aufwands und der musikalischen Qualität der Aufführung eher bescheiden. In Gesprächen hörte man, besonders im dritten Akt sei man verwirrt gewesen, wer denn nun von wem als Geisel genommen, ermordet oder begnadigt wurde. Hier und auch bezüglich der plötzlich doppelten Amazily konnte nur zum vorherigen Lesen des Programmhefts geraten werden.

 

Sigi Brockmann 26. April 2022

Fotos Björn Hickmann

 

 

Guiraud Dukas Saint-Saëns

 „Frédégonde“

Oper als Stummfilm mit Sologesangs- Chor- und Orchesterbegleitung

Premiere am 20.11.2021 auch als Live-Stream über takt 1

Bei Musicals wundert es nicht, wenn mehrere Komponisten und Textdichter ein Werk gemeinsam schaffen. Bei Opern ist das selten, meistens aus der Not bedingt: Von seinem „drame lyrique“ „Frédégonde“ auf einen Text von Louis Gallet konnte Ernest Guiraud bis zu seinem Tod 1892 nur die ersten drei Akte und die nur unvollständig komponieren, die dann Paul Dukas instrumentierte. Camille Saint-Saëns komponierte dann den vierten und fünften Akt. In Zusammenarbeit mit dem Palazetto BruZane, Venedig, – Zentrum der französischen Musik der Romantik – wurde diese Oper als Deutsche Erstaufführung am vergangenen Samstag im Opernhaus Dortmund aufgeführt und als live-stream von takt 1 übertragen.

Allerdings war es nicht die erste literarische Bearbeitung des Stoffs, 1715 brachte die Oper am Gänsemarkt in Hamburg „Fredegunde“ von Reinhard Keiser zur Aufführung, Felix   Dahn – mehr bekannt durch seinen „Kampf um Rom“ - schrieb einen Roman „Fredegundis“, nach dem Franz Schmidt eine Oper komponierte (UA Berlin 1922) Peter Hacks schrieb ein Drama über diesen Stoff, das 1989 am Staatstheater Braunschweig aufgeführt wurde – die Geschichte einer durch weibliche Reize und skrupellos gesellschaftlich aufsteigenden Frau ist für Männer häufig interessant!

Die Handlung spielt in Frankreich gegen Ende des 6. Jahrhunderts, als auf dem Gebiet der früheren Römischen Provinz Gallien die fränkischen Merowinger Königreiche errichteten, deren Herrscher alle miteinander verwandt waren und deshalb sich dauernd zwecks Vorherrschaft über die anderen bekriegten. So herrschte in Neustrien König Hilpéric mit seiner Frau Frédégonde, die durch Verführung, Intrigen und Anstiftung zum Mord an seiner ersten Frau und deren Kinder von der Leibeigenen zur Königin aufgestiegen war. Diese beiden besiegten dann die verwitwete Königin von Austrasien namens Brunhilda. Hilpéric beauftragte seinen Sohn Mérowig, die besiegte Brunhilda in ein Kloster zu verschleppen. Mérowig verliebte sich auf dem Weg in sie, heiratete Brunhilda und rief sich zum König beider Reiche auf. Hildéric besiegte ihn aber wiederum, verbannte Mérowig wegen Verrat an seinem Vater zusammen mit Brunhilda in ein Kloster. Dies reichte Frédégonde nicht, sie überredete den verliebten König, den Sohn wegen dieses Verrats anzuklagen und aus dem Land jagen zu lassen. Dem kam Mérowig durch Selbstmord zuvor, sodaß nun die Kinder von Frédégonde alleinige Thronanwärter wurden.

 

 

Regisseurin Marie-Eve Signeyrole hatte nun für Dortmund während des ersten Corona-Lockdowns eine dieser Situation angepaßte Fassung erarbeitet. Die Dortmunder Philharmoniker als emotionaler Träger der Handlung spielten auf der Bühne unter einer grossen Kinoleinwand, auf der die Handlung als farbiger oder schwarz-weisser Stummfilm mit allen kriegerischen, erotischen und gesellschaftlichen Facetten einschließlich Folterszenen gezeigt wurde, alles aufgenommen im Schloß und Park Bodelschwingh bei Dortmund. Das paßte zwar nicht in die Zeit der Merowinger, aber auch die teils prächtigen Kostüme, extravaganten Frisuren der Damen und Kronen auf den königlichen Häuptern (Kostüme Yashi) entsprachen eher der Entstehungszeit der Oper. Als Rahmenhandlung des Films sah man, wie die beiden Königinnen bei einem Schachspiel noch immer um Überlegenheit kämpften – Brunhilda als Verliererin gealtert, Frédégonde als Gewinnerin jung geblieben.

Der Opernchor Dortmund begleitete platziert im Parkett die Handlung mit aufmunternd kriegerischen Gesängen, Huldigungen für die jeweiligen Herrscher, aber auch einem langen katholisch anmutenden Vermählungszeremoniell von Brunhilda und Mérowig zum Ende des dritten Aktes, hier auch teils a-capella singend, dann auch vorbereitend auf die kommende Schlacht gegen Hilpéric (wie bei Lohengrin, abends Hochzeit am nächsten Morgen Kampf) Obwohl Sängerinnen und Sänger den Dirigenten nur in Monitoren sahen, klappte das zumeist erstaunlich gut (Choreinstudierung Fabio Mancini) 

Das Publikum war auf die Ränge verbannt, von wo aus man den Film gut sehen konnte, der damit die Aufführung beherrschte, weniger wohl die Solisten, die vor Orchester und Filmleinwand an einer langen Tafel speisend in corona-passendem Abstand ihre Partien sangen, dabei auch szenisch die im Film zu sehende Handlung ein wenig verdoppelten. (Bühne Fabien Teigné)

 

 

Gesungen wurde wie eigentlich gewohnt an der Oper Dortmund auf hohem Niveau. Die ersten drei Akte handelten vor allem von der entstehenden und dann in Heirat endenden Liebe zwischen Brunhilda und Mérowig. Die erstere gestaltete Anna Sohn mit dramatischem, höhensicherem der jeweiligen Gefühlslage angepaßtem Sopran und dazu passender Mimik. Unklar blieb, ob sie wie ihre Rivalin die Liebe zu Mérowig nur als Mittel der Wiedereroberung der Macht einsetzte. Letzteren sang Sergey Romanovsky mit für französische Oper passendem Timbre und lyrischem Legato-Schmelz in den Kantilenen. So wurde das Liebesduett im dritten Akt zu einem Höhepunkt der Aufführung. Der weitere Höhepunkt war das Duett zwischen Frédégonde und König Hilpéric im vierten Akt – also des „bösen“ Paares. Hier gelang es Hyona Kim mit verführerischem bis zu tiefen Tönen ausdrucksstarkem Mezzo und dabei textverständlich den liebestollen König zum Prozess und letztlich damit zur Verurteilung seines eigenen Sohns zu überreden. Mandla Mndebele machte mit sicher geführtem Bariton ausdrucksstark diesen Stimmungswechsel des leicht verführbaren Mannes deutlich. Als Bewunderer und Begleiter von Brunhilda erfreute Sungho Kim als Dichter Fortunatus mit lyrischem besonders im Legato sicher geführtem Tenor. Mit gewaltigem Baß wenn auch wenig textverständlich warnte Denis Velev als Bischof Prétextat Mérowig bei seiner Hochzeit vor der Rache seiner Stiefmutter und verteidigte vergeblich gegenüber Hilpéric sein Kloster als Zuflucht der Geflüchteten, im Stimmcharakter doch erinnernd an den Oberpriester bei „Samson und Dalila“ Über einen profunden Baß verfügte auch Demian Matushevsky als Landéric, einem Vertrauten des Königs Hilpéric.

Wie gewohnt zuverlässig und überlegen leitete Motonori Kobayashi die Aufführung und ließ die Dortmunder Philharmoniker klanggewaltige Effekte auskosten etwa zur Einleitung der Hochzeitsfeier oder musikalische Feinheiten der Partitur aufzeigen. Betreffend letztere würde man anmerken, wenn man es nicht anders gewußt hätte, dass der Komponist sich in den beiden letzten Akten musikalisch gesteigert hätte, was Farbigkeit, süffige Harmonien und dramatische Effekte des Orchesterklangs betraf oder dass die Sänger sowohl melodiösere als auch längere ausdrucksvollere Gesangslinien singen konnten. Dies lag ja wohl an der doch grösseren kompositorischen Meisterschaft von Saint-Saëns.

Aufgeführt wurde diese mehr als hundert Jahre vergessene Oper nicht nur zum 100. Todestag von Saint-Saëns, sondern, wie Intendant Germeshausen in einem Interview in der Pause betonte, auch im Rahmen des die Aufführung des „Ring des Nibelungen“ begleitenden Wagner-Kosmos,  nicht nur, weil eine „Brunhilda“ vorkommt, sondern weil alle drei beteiligen Komponisten in unterschiedlicher Weise vom nach Wagners Tod in Frankreich verbreiteten „wagnérisme“ beeinflußt waren.

Das corona-bedingt in die Ränge verbannte Publikum spendete zur Pause trotz der vorangegangenen grossen Hochzeitsszene etwas mässigen Applaus, nach dem dramatischen Schluß dafür aber umso mehr und andauernd.

 

Der live-Mitschnitt ist noch bei takt 1 zu erleben

 

Sigi Brockmann 22. November 2021

 

Fotos Björn Hickmann stage picture

 

 

Spielplanänderungen 2020/21 zum VVK-Start

Dortmund stellt wegen aktueller Corona-Situation den Spielplan um

Das Theater Dortmund hat am gestrigen Tag den Vorverkauf für die Monate September und Oktober für die Oper, das Ballett sowie die Dortmunder Philharmoniker gestartet. Hierbei bietet das Opernhaus Platz für 262 Zuschauer pro Vorstellung, teilweise werden daher Vorstellungen am Nachmittag und am Abend desselben Tages angeboten. Der Vorverkauf für die weiteren Monate startet demnächst, die Stücke des Schauspiels sind ab Ende August buchbar. Allerdings kommt es zu diversen Änderungen im Vergleich zum ursprünglich geplanten Spielplan die für die Bereiche Oper und Ballett nachfolgend kurz zusammengefasst werden sollen:

„Carmen“ wird durch Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ ersetzt (Premiere: 04. September; Regie: Nikolaus Habjan).

 

„Cabaret“ wird durch das Musical „Songs For A New World“ ersetzt (Premiere: 27. September; Regie: Gil Mehmert). „Cabaret“ wird ab Oktober 2021 nachgeholt.


„Nixon in China“ wird durch das Barock-Pasticcio „Sehnsucht“ ersetzt (Premiere: 22. November). „Nixon in China“ wird in der Spielzeit 2022/23 nachgeholt.

 

Die Operette „Die Fledermaus“ entfällt, dafür werden „Im weißen Rössl“ (Premiere: 06. Dezember) und „Jekyll & Hyde“ (Premiere: 28. Februar 2021) wiederaufgenommen.

 

„Die Walküre“ wird durch eine Neuinszenierung von Strauss' „Ariadne auf Naxos“ ersetzt (Premiere: Mai 2021). Der Beginn für den Dortmunder Ring ist nun der Mai 2022.

 

„Die Entführung aus dem Serail“ wird hierbei als Verbindung von Oper und Puppenspiel aufgeführt. In einer rund 80minütigen eigens konzipierten Fassung bringt der neue Dortmunder Hausregisseur Nikolaus Habjan Mozarts beliebtes Singspiel mit seinen liebevoll gestalteten Puppen auf die Bühne des Opernhauses. Wer dabei an klassisches Marionettentheater denkt, der irrt jedoch, denn laut Aussage des Theaters sind „Habjans Figuren äußerst menschlich: vielschichtig, charaktervoll, hoch artifiziell und jede einzelne ein Unikat.“

 

Auch im Ballett wird es zu einigen Änderungen kommen: Die Internationale Ballettgala XXXI wird am 12. und 13. September unter dem Titel „Only Soloists!“ stattfinden. Es folgt die Uraufführung „Fordlandia“ mit Lucia Lacarra und Matthew Golding (Premiere: 19. September). Mit der Uraufführung „Abstand“ thematisiert Ballettintendant Xin Peng Wang in seiner Neukreation die verordneten 1,5 Meter als neue Nähe, die Premiere findet am 17. Oktober statt. Im November folgt die Wiederaufnahme von Alexander Ekmans „Ein Mittsommernachtstraum“. Die Premiere „StrUawinsky!“ und die Wiederaufnahme „Der Traum der Roten Kammer“ werden auf die folgenden Spielzeiten verschoben.


Hingewiesen sei noch auf die neuen Terrassenkonzerte der Dortmunder Philharmoniker, die ab dem 13. Juni auf der Terrasse des Opernhauses stattfinden sollen. Bis zum 28. Juni 2020 werden die Dortmunder Philharmoniker auf der Terrasse des Dortmunder Opernhauses an insgesamt zehn Tagen 17 Konzerte anbieten. Im Zentrum steht Kammermusik von Mozart über Tschaikowsky bis Elgar. Der Eintritt ist hierbei frei, allerdings sind für den ungetrübten Konzertbesuch in diesen Zeiten Zählkarten notwendig, die kostenlos ausschließlich im Vorverkauf an der Theaterkasse oder über die Tickethotline des Theaters erhältlich sind. Weitere Einzelheiten sind der komplett neu gestalteten Homepage des Theaters unter www.theaterdo.de zu entnehmen.

Markus Lamers, 11.06.2020

 

Der Spielplan 2020/21 der Oper Dortmund

wird elf Premieren, drei Uraufführungen, zwei Deutsche Erstaufführungen und zwei Festivals beinhalten.  

In der ersten Spielzeithälfte bis Weihnachten stehen drei Klassiker des Musiktheaters auf dem Programm. Mit George Bizets CARMEN wird Nikolaus Habjan als neuer Hausregisseur der Oper Dortmund debütieren.

Das Musical CABARET nimmt die 1920er und 1930 er Jahre ins Visier. Unter der Regie von Gil Mehmert werden u.a. Bettina Mönch und Angelika Milster in Dortmund zu sehen sein. Mit der FLEDERMAUS von Johann Strauß (Sohn) wird ein Meisterwerk der goldenen Phase der Wiener Operette auf dem Spielplan stehen.

John Adams NIXON IN CHINA leitet zu den zahlreichen Novitäten und Raritäten der zweiten Spielzeithälfte über. Wenige Tage nach der US-Präsidentenwahl im November 2020 wird NIXON IN CHINA in der Regie von Martin G. Berger im Dortmunder Opernhaus Premiere feiern.

Den inhaltlichen Schwerpunkt der zweiten Spielzeithälfte bildet der WAGNER-KOSMOS II. Mit dem Wagner-Kosmos verfolgt die Oper Dortmund das Ziel, im Festivalformat Richard Wagners Werk in den Kontext seiner Zeit zu setzten und die Neuinszenierung einer Wagneroper mit historisch wichtigen, heute vergessenen Werken von Vorläufern, Zeitgenossen, Antipoden und Nachfolgern zu kombinieren. So war der wegen dem Coronavirus abgesagte Wagnerkosmos I als Verbindung einer Neuinszenierung von LOHENGRIN mit Neuinszenierungen von Aubers DIE STUMME VON PORTICI und Spontinis FERNAND CORTEZ konzipiert

Ab dem WAGNER KOSMOS II bildet eine Neuinszenierung von DER RING DES NIBELUNGEN das konzeptionelle Rückgrat. Der Dortmunder „Ring“ beginnt mit DIE WALKÜRE in der Inszenierung von Peter Konwitschny.

Der WAGNER KOSMOS II (13.-16. Mai) steht unter dem Stichwort „Macht und Manipulation“ und verbindet DIE WALKÜRE mit der Deutschen Erstaufführung von FREDEGONDE und der Uraufführung von DER HETZER.

FREDEGONDE ist Zeugnis des faszinierenden Zusammenwirkens dreier Komponisten: Ernst Guiraud, Paul Dukas und Camille Saint-Saëns. Sie findet anlässlich des Gedenkens an den 100. Todestag von Saint-Saëns statt und wird von Marie-Eve Signeyrole inszeniert.

Als Auftragswerk der Oper Dortmund komponiert der renommierte österreichische Komponist Bernhard Lang DER HETZER, eine Otello-Überschreibung, die sich auf Wagners Antipoden Verdi ebenso wie auf Shakespeare und die aktuelle politische Situation bezieht. Regie führt  Kai Anne Schuhmacher.

Die letzte Premiere der Spielzeit gilt einer weiteren Deutschen Erstaufführung. FIN DE PARTIE, von György Kurtág. Die Uraufführung an der Mailänder Scala wurde 2019 zur Uraufführung des Jahres gewählt. In der Regie von Ingo Kerkhof wird die Oper Dortmund die Deutsche Erstaufführung und Zweitinszenierung, also die erste Neuinszenierung nach der Uraufführung präsentieren.

In der Jungen Oper werden zwei Uraufführungen des Hauskomponisten Thierry Tidrow präsentiert. KIRSAS MUSIK, eine mobile Produktion für unser Publikum ab 4 Jahren und PERSONA, eine in Zusammenarbeit mit der Akademie für Theater und Digitalität entstehende Oper für Jugendliche ab 12 Jahren.

Als großes Finale zum Ende der Spielzeit startet das zweite Festival (19.-27. Juni). Mit BEYOND OPERA 21 wir die Öffnung der Kunstform Oper in diverse Stadtgesellschaft des 21. Jahrhundert gefeiert, u.a. mit der Werkschau von We DO Opera!, der Dortmunder Bürger_innen-Oper.

Zu den hochkarätigen Gastsängern zählen Shooting Star Pene Pati, (Mérowig in Frédégonde), Marie Karall (Titelrollen in Carmen und Frédégonde) sowie Derek Welton (Wotan in Die Walküre). In FIN DE PARTIE werden mit Frode Olsen und Hilary Summers zwei Protagonisten aus dem Cast der Mailänder Scala mitwirken.

Der aktuelle Stand entspricht dem, wie er vor dem Lockdown geplant war. Da die weitere Entwicklung der Corona-Krise noch nicht prognostizierbar ist, kann es ggf. zu Anpassungen kommen.

Der Termin für den Vorverkaufsstart wird gesondert bekanntgegeben.

Die Printversion des Spielplans finden Sie unter www.tdo.li/tdo2021

 

Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN für diese Zusammenstellung

 

 

Lohengrin

Elsa´s Liebestraum gescheitert

Premiere am 30. November 2019

 

Kaum hatten Streicher der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von GMD Gabriel Feltz  Richard Wagners romantische Oper Lohengrin  einfühlsam mit dem Grals-Motiv begonnen, wurde man von diesem einzigartig instrumentierten Vorspiel wie heute üblich durch Bebilderung abgelenkt. (Inszenierung Ingo Kerkhoff) Man sah Elsa auf der ansonsten dunklen Bühne ( Dirk Becker) in einem beengten Zimmer auf dem Bett sitzend durch ein von aussen beleuchtetes Fenster blicken und vom Helden träumen, der sie aus dieser Enge erlösen soll. Diesen sieht man dann auch gleich, nämlich Lohengrin als Video (Philipp Ludwig Stangl). So träumend war sie fast während der ganzen Vorstellung auf der Bühne zu sehen. Im Verlauf der Handlung verwechselte sie Traum und Realität, denn der häufig gemütlich Zigaretten rauchende König Heinrich sowie Telramund und Ortrud betraten dieses Zimmer. Wie alle Mitwirkenden waren sie in schwarz-weisse Allerweltsklamotten gekleidet (Kostüme Jessica Rockstroh) mit Ausnahme des Heerrufers ,der marionettenhaft die Wünsche seines Königs verdeutlichte – stimmlich wie gewohnt großartig Morgan Moody. Nur im Brautgemach durfte Elsa jungfräuliches Weiß tragen. Der von Fabio Mancini erfolgreich einstudierte Opernchor sang im ersten und dritten Aufzug von den oberen Rängen her, was dessen Vielstimmigkeit und dynamische Abstufungen (etwa pp der Herren bei wie wunderbar oder des ganzen Chors bei welch holde Wunder) akustisch sehr deutlich werden ließ. Das galt auch für die hinten platzierten Trompeten, deren meist gutes Zusammenspiel überwältigenden Stereo-Effekt ergab.

Auf der anderen Seite führte das Fehlen des Chors dazu, daß die Protagonisten auf der bis auf ein paar angedeutete Schilfstoppel leeren und meist dunklen Bühne einsam vor sich hin sangen, was der Aufführung einen konzertanten Eindruck verlieh. Verstärkt wurde dies dadurch, daß natürlich ein Schwan nicht einmal zu ahnen war und Lohengrin ebenfalls unscheinbar gekleidet trotz der großartigen sängerischen Vorbereitung seines Auftritts durch den Chor unvermittelt aus dem Dunkel auftauchte. Während der Kampfvorbereitungen im ersten und den Kriegsgesängen im dritten Aufzug sah man durch Video vergrössert Gottfried und Elsa als Kinder Suppe löffeln. Durch auf die Bühne eingeblendeten und im Programmheft nachzulesenden Hinweis erfuhr der Opernbesucher, daß es eine märchenhafte Parallele zu Gebrüder Grimm´s Brüderchen und Schwesterchen dargestellt werden sollte. Das sind schlechte Inszenierungen, die erst durch schriftliche Nachhilfe verständlich werden. Es wird sogar auf eine eventuelle frühere inzestuöse Beziehung zwischen Elsa und Gottfried hingewiesen, das hat in keinem Vers und keiner Note der Oper die geringste Grundlage.. Konzertant endete dann auch der erste Aufzug, in dem die sechs Protagonisten unter einer vielleicht adventlichen Girlande mit den vielen Heil – Rufen zusammen mit dem unsichtbaren Chor gesanglich mächtig auftrumpften..

Im zweiten Aufzug erfuhren wir – im Zimmer vom ersten Aufzug – manches vom Sex-leben zwischen Telramund und Ortrud. Für letztere begann er mit der Zigarette danach, für Telramund mit Ankleiden. Hier war Elsa einmal nicht anwesend, vielleicht hätte sie sonst etwas über eheliche Freuden lernen können. Szenisch besser gelungen wurde das Ränkespiel der raffinierten Ortrud gegen Elsas Unbedarftheit dargestellt. So konnte der Aufzug beim letzten Frageverbot-Motiv mit einer am Boden liegenden Elsa und einer hoch aufgerichteten stolzen Ortrud enden, etwa weibliches Gegenstück zu Jago und Otello am Ende des dritten Akts von Verdi´s Oper.

Im zweiten Aufzug war der Chor auf der Bühne platziert, wieder eigentlich nur konzertant aber sehr gelungen singend, was hier natürlich besonders für den Herrenchor galt – etwa im pp bei gesegnet soll sie schreiten. Einige Kerzen der Chordamen konnten bei deren häßlichen Kostümen nicht für die geringste feierliche Atmosphäre sorgen.

Zum Schluß des dritten Aufzugs sah man dann Elsa mit den anderen Protagonisten im jetzt zerstörten Zimmer des ersten Aufzugs hocken – ihr Traum vom Glück war gescheitert, weshalb, macht die Inszenierung nicht genügend deutlich. Gescheitert war auch Ortrud, die sich vorher nach dem letzten Ruf an ihre alten Götter vergiftet hatte..

Versöhnen mit dieser Inszenierung konnte zum Glück die musikalische Seite der Aufführung. Das galt vor allem und besonders für Daniel Behle in der perfekten stimmlichen Darstellung der Titelpartie. Lyrisches Legato gelang ihm ebenso wie kräftige Spitzentöne, die er unangestrengt ohne jedes Forcieren sicher traf. Dabei war er immer, nicht nur in den Rezitativen ähnlichen Passagen, völlig textverständlich. Seine Gralserzählung war in ihrer Steigerung mitreissend, etwa vom pp bei Taube bis zum ff bei Gral.

Über lyrische Legatos verfügte auch Christina Nilsson als Elsa, etwa bei der Traumerzählung im ersten oder Euch Lüften im zweiten Aufzug. So wurde zusammen mit Lohengrin der intime Beginn der Brautgemachs-Szene ein musikalischer Höhepunkt des Abends. Bei hohen Spitzentönen sollte Frau (Christina) Nilsson vielleicht etwas weniger forcieren. Letzteres galt auch für die Ortrud von Stéphanie Müther. Dabei verfügte sie über genügend Stimmkraft, um auch im zweiten Aufzug die Entweihten Götter gegen „Alle Bläser“, wie Wagner vorschreibt, hörbar zu machen.

Einen hervorragenden Eindruck mit kräftigem, kernigen Bariton, dabei sehr textverständlich, hinterließ Joachim Goltz in der undankbaren Rolle des Telramund. Sein Durch dich mußt ich verlieren zu Beginn des zweiten Aufzugs hatte fast italienischen Schwung,

Shavleg Armasi strahlte stimmlich, auch er sehr textverständlich, als König Heinrich die Autorität aus, die ihm die Regie verwehrte. Die vier brabantische Edlen und die vier Edelknaben ergänzten stimmlich passend das Ensemble.

GMD Gabriel Feltz leitete überlegen das musikalische Geschehen, was angesichts der hinter ihm platzierten Chöre und seitlich platzierten Trompeten-Spielern besondere Fähigkeiten der Koordination erforderte. Die Dortmunder Philharmoniker zeigten sich von ihrer besten musikalischen Seite. Erwähnt seien neben dem elegischen Klang der hohen Streicher für die Darstellung der Grals-Atmosphäre die hohen Holzbläser zu Elsa´s Begleitung, die Celli bei Einleitung des zweiten Aufzugs oder Fagott, Englisch-Horn und Baßklarinette für die wiederkehrende unterschwellige Erinnerung an das Frageverbot.

Das Publikum im ausverkauften Haus setzte nach dem ausweglosen Schluß erst zögernd mit Applaus ein, der sich für Lohengrin, die anderen Sänger sowie Chor und Orchester zu Bravos steigerte. Erwartungsgemäß gab es für das Regieteam Buh- und Bravorufe, insgesamt war es für eine Wagner-Aufführung in Dortmund ein relativ kurzer Applaus..

 

Sigi Brockmann 2. Dezember 2019

Zwei Fotos genügen, die stammen von (c) Thomas Jauk stage picture

 

Das schreiben unsere Kollegen:

Inzestuöse Liebesbeziehung zwischen Elas und Gottfried  OMM

Danke, diese Publikumsbelehrung war wichtig  ONLINE MERKER

Ein Alptraum im Kornfeld  DORSTENER ZEITUNG

Ein verkopftes Regiekonzept versalzt den Sängern die Suppe  O-TON

 

 

 

 

 

 

(c) Peter Klier / Der Opernfreund

 

 

           MADAMA BUTTERFLY

                       Premiere am 15.9.2019

                      Spaß mit Selfies

Insgesamt betrachtet ein harmloser Saisonbeginn für das zweite Jahr Musiktheater-Intendanz von Heribert Germeshausen. Keine Experimente. Man setzt erkennbar aufs Abovolk, die Volksbühnen und Theatergemeinden. Teatro populare muß die Ränge füllen. Demnächst kommt schon wieder ein Musical (Dr. Jeckyl & Mr. Hide). 

Puccini geht immer - besonders in dieser friedfertigen Form.  Die beliebteste deutsche Taschentuch-Oper. Wir erleben eine brave werktreue Inszenierung von Tomo Sugao, die vom Eröffnungsabend-Publikum begeisternde bejubelt wird als habe man die Callas und Pavarotti zurück geklont und Meister Zefirelli habe seine Bühnenkunst noch einmal enthüllt. Leider ist dem nicht so, denn im einfallslos langweiligen Bühnenbild von Frank Philipp Schlössmann dominiert unselig bekannte Schiebetürenromantik und einfallslose Schrebergarten-Idylle. Da ändert auch die eingespiegelte Freiheitsstatue und die vielen No-Hope-Poster, die Obamas Leitspruch umfunktionieren nichts.

Die bunten Kostüme von Mechthild Seipel erinnern an japanische Touristen-Folklore oder Karneval, obwohl der Regisseur das erklärtermaßen laut Programmheft eben nicht zeigen wollte. Nun ja, es sah schon nett und putzig aus. Ein Kessel Buntes in der sonstigen Tristesse einer deprimierenden Story. Alles in allem tut so etwas keinem weh, reißt aber auch den Kritiker nicht zu Begeisterungstaumel hin. 

Meilenweit entfernt von z.B. der phänomernale Butterfly-Produktion von Tilman Knabe am Nachbarhaus in Essen oder der aktuelle Jahrhundertproduktion in Kassel von Jan-Richard Kehl, für die sich auch die weiteste Anfahrt weiterhin lohnt.

Die Abgrenzung der Bühneausschnitte im 70er Jahre Neonröhrencharme ist ziemlich daneben geraten. Entweder hat so etwas, wenn es denn schon sein muß, Showbühnen, Vorgarten oder Bordell/Bar/Stripteaseschuppen-Charakter. In einem ernsten Stoff wie Puccinis Madama Butterfly fehl am Platz. Eine Geisha ist eben keine Konkubine! Daß kolonialkritische Aspekte in der Inszenierung völlig fehlen verwundert. Die Atombombe (Stichwort Düsseldorfer Oper)) habe ich nicht vermisst.

Solide Stadttheatermit passablen Sängern in den Hauptpartien - Anna Sohn und

Hyona Kim bei der Premiere - die nicht einbrechen sowie höhensicher und laut genug ihre Partien bewältigen. Von lyrischer Emphase ist man allerdings noch weit entfernt.

Fritz Steinbacher (Bild rechts) als Goro war für mich eine Entdeckung und ist es wert, ausdrücklich noch genannt zu werden. Ich halte ihn für einen beachtlichen vielversprechender, entwicklungsfähiger Musiktheaterdarsteller mit phantastischer Präsenz. Gute Tenöre haben den Sprung von der leichten Muse (Hairspray, Rössel, Neverland u.a.) ins größere Opernfach geschafft. Man sollte ihn unbedingt im Auge behalten.

Die Dortmunder Philharmoniker unter dem sehr flotten Dirigat von Gabriel Feltz spielen relativ ordentlich und sauber, wenngleich bei diesem Tempo die schwelgerische Italianita doch ziemlich auf der Strecke bleibt. Überhaupt ist es ein kühl inszenierter Abend mit zuviel hellem Licht und zu wenig Kammerspiel - es mangelt an athmosphärischer Dichte. Tragisches Ambiente kommt auch am Schluß kaum auf. Da braucht im Finale eigentlich niemand das Taschentuch zu zücken.

Der theatralisch-kitschige sui genere Schluß bleibt uns dankenswerter Weise in realer Darstellung erspart. Schiebetür zu - Con onor muore chi non può serbar vita con onore - Schiebetür auf: tabula rasa: Schock! Alle liegend tot am Boden. Alle...?

Nein! Nur Butterfly, Suzuki und das Kind. Oh je...

Nun gut, aber bei so einem vom Original abweichenden Schluß hätte ich dann wenigstens erwartet, daß auch die Pinkertons zeitgemäß gemeuchelt werden. Man ginge fröhlicher nach Hause und die US-Armee hätte einen Kriegsstrategen weniger. So haben mal wieder zwei total Unschuldige ihr Leben unfreiwillig geopfert. Warum Kate Pinkerton schon von Anfang an durch das Bühnenbild huscht, kann uns nur der Regisseur beantworten. Aber wer will das wissen? Immerhin stört es kaum.

Das nervige Handy-Selfie-Spektakel von Pinkerton welches einem den ersten Akt verleidet, sollte man vielleicht noch einmal überarbeiten. Ein Selfie ist ja ganz schön und wir wissen, was die Regie uns da sagen will, aber gefühlte 153 davon? Soviel Aktionismus nervt und ärgert. Tempus fiugit: B.F. ist im ersten Akt noch einfacher Offizier; im dritten Akt (drei Jahre später!) ist schon zum Fregattengeneral befördert. Sowas geht wahrscheinlich nur bei Trump. Immerhin sieht er gut aus in der Parade-Operetten-Uniform ;-)

 

Peter Bilsing  17.9.2019

(c) Oper Dortmund

 

P.S.

Leider keine original Szenenbilder wie üblich, wegen rechtlicher Probleme mit den Bildern dieser Produktion. DER OPERNFREUND zahlt kein Honorar für Werbebilder.

 

Credits

 

 

 

 

Philipp Glass

Echnaton

Ergreifendes Musiktheater

Premiere 24. Mai 2019

 

Wie mit Aida zu Beginn der Spielzeit wurde diese im Opernhaus Dortmund mit einer Oper beendete die ebenfalls in Ägypten zur Zeit der Pharaonen spielt, wobei Theben als zeitweiliger Schauplatz in beiden vorkommt. Ausser machtbesessenen Priestern gibt es aber keine Gemeinsamkeiten zwischen Verdi´s weitgehend erfundener altägyptischer Welt und der der Oper Echnaton von Philipp Glass auf ein Libretto des Komponisten in Zusammenarbeit mit Shalom Goldmann, Robert Israel und Richard Riddell. Historisch überliefert wird hier dargestellt das durch eine reaktionäre Priesterschaft herbeigeführte Scheitern eines jungen Pharao mit der zu seiner Zeit noch visionären Idee von der Existenz nur eines einzigen Gottes, nämlich des Sonnengottes Aton Um den völligen Bruch mit der Vergangenheit deutlich zu machen, änderte er seinen Namen in Echnaton und liess eine neue Hauptstadt bauen. (Achet Aton)

Nur bei Darstellung des Aufbaus dieser Stadt sichtbar auf einem Video (Alessandro Grisendi) verließ man in Dortmund die sonst durchgehaltene historische Perspektive und es erschien eine moderne Großstadt, in der auch das (Westfalen-)Stadion nicht vergessen wurde – Aton läßt ja auch da hinein seine Sonne scheinen!

Ansonsten wurden altägyptische Schauplätze angedeutet - deren Wechsel geschah durch lautloses (tolle Technik!) hydraulisches Heben und Senken der Bühnenoberfläche (Bühne Tatyana von Walsum) und eindrucksvolle Lichteffekte (Bonnie Beecher/Stefan Schmidt)   Erwähnt sei etwa das Eindringen des Lichts in den bis dahin dunklen Amun-Tempel bei Absetzung von dessen Priesterschaft und das Aufgehen der Sonne als weissem Kreis. Die Kostüme (auch Tatyana von Walsum) waren ebenfalls altägyptischen Vorbildern nachempfunden – etwa die Amun-Priester in dunklem Rot, die Aton-Anhänger natürlich in weiß und ganz prächtig in einer Krönungszeremonie in goldene Gewänder gekleidet Echnaton und seine Frau Nofretete.

Die historische Perspektive war auch geboten wegen der Verwendung von originalen Texten in altägyptischer, akkadischer und aramäischer Sprache im Libretto. Neben Übertiteln erklärte ein Erzähler dem Zuschauer die jeweilige Episode. Feierlich rezitierte Claus Dieter Clausnitzer die antiken Texte und beschrieb zum Schluß etwas lockerer als Reiseführer die Ruinen der zerstörten Hauptstadt – heute Amarna.

Wie bei Glass üblich wird keine durchgehende Handlung erzählt, sondern es werden getrennte tableauartige fast statische Episoden dargestellt. Um trotzdem Bewegung auf die Bühne zu bringen, wurde unter der musikalischen Leitung von Motonori Kobayashi  die Regie dem Tänzer und Choreographen Giuseppe Spota anvertraut, dem künftigen Ballett-Direktor des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen. Dieser betraute damit die etwa zehn Tänzer des NRW Juniorballetts.

Letzteres war einer der Hauptakteure des Abends und begleitete alle Szenen mit zur häufig rhythmisch expressiven Musik passenden Körperbewegungen (Choreografie ebenfalls Giuseppe Spota).

Das zeigte gleich zu Beginn der Leichenzug des verstorbenen Pharao Amenophis. Dieser trug nicht wie vorgeschrieben seinen eigenen Kopf vor sich her, Körper und Kopf wurden vielmehr durch je einen Tänzer verdeutlicht, die dann zur gesamten Tänzergruppe jeder mit einem eigenen (Styropor.-) Kopf weiterentwickelt wurden. Später bejubelten sie etwa mit goldenen Körpern tänzerisch den Sonnengott oder spielten auch die sechs Töchter Echnatons und seiner Frau Nofretete, die dann aus dem off singen konnten – ihr Gesang war ein musikalischer Höhepunkt. Natürlich gestalteten die Tänzer maßgeblich die einzigen theatralischen Momente der Oper mit, die Absetzung der Amun Priester und die Zerstörung ihres Tempels sowie dann deren Rückkehr an die Macht und den Untergang von Echnaton und Nofretete.

Seine schwierigen und mächtigen sängerischen Auftritte in den für den Hörer nicht zu unterscheidenden verschiedenen antiken Sprachen bewältigte der Opernchor einstudiert von Fabio Mancini mit Bravour. Hervorgehoben seien etwa die Huldigung an den neuen Pharao Echnaton, die Hymnen der Anhänger Amuns oder - dynamisch zurückgenommen - aus der Ferne der Gesang der Israeliten, die den Sonnengesang Echnatons in ihre ferne Zukunft weiterführten.

Diesen Sonnengesang, der die Sonne als Schöpferin allen Lebens preist, sang Echnaton-Darsteller David DQ Lee  mit seiner vollen und runden Countertenor-Stimme ganz ausdrucksvoll und ohne falsches Vibrato. (Auch den historischen Echnaton umgab angeblich eine androgyne Aura.) Weiterer stimmlicher Höhepunkt war sein Duett zusammen mit Aytaj Shikhalizada als Nofretete auf ein in einer Mumie gefundenes Liebesgedicht, das vorher vom Sprecher auf Deutsch rezitiert wurde. Besonderen musikalischen Reiz erhielt das Duett dadurch, daß sich etwas tieferer Mezzo-Sopran und etwas höhere Countertenor-Stimme überkreuzten. Gedoubelt wurden sie wieder vom Ballett.

Fritz Steinbacher sang und spielte überzeugend den unsympathischen Hohen Priester des Amun, zuerst würdevoll im Terzett mit General und Nachfolger Echnatons Harembab (Mandla Mndebele) und Nofretetes Vater Aye (Denis Velev), dann gedemütigt durch Echnaton und wieder triumphierend nach dessen Entmachtung. Echnatons Mutter Teje (Anna Sohn) komplettierte auch stimmlich die Pharaonen-Familie.

Chor und besonders alle Gesangssolisten unterstrichen die jeweilige Handlung durch minimale Gesten, wie wir sie etwa von Robert Wilson her kennen.

Minimal wird ja auch die Musik von Philipp Glass bezeichnet wegen ihrer immer wiederholten aber leicht abgeänderten musikalischen Grundbausteine. Diese hörbar schwierige Aufgabe bewältigten die Dortmunder Philharmoniker  unter Leitung von Motonori Kobayashi so erfolgreich, daß nie die bei Glass gefürchtete musikalische Monotonie aufkam, sondern eine durchgehende meditative teils auch archaisch-anmutende Klangwelt geschaffen wurde. Da Violinen nicht vorgesehen sind, machten die wenigen Solostellen der tieferen Streicher umso mehr Eindruck. Holzbläser, Solo-Trompete und der grosse Schlagzeug-Apparat waren dann aber doch bestimmend für das Hörerlebnis.

Beim sogenannten Epilog blickten die Schatten von Echnaton, Nofretete und Mutter Teje ins Publikum durch drei Fenster, die durch Neonröhren ähnlich aber kleiner als die auf dem Theatervorplatz gebildet wurden. Zum abschliessenden Akkord in der Haupttonart a-moll verschwanden sie dann analog zur Prozession beim Beginn der Oper.

Das Publikum im zumindest im Parkett ausverkauften Opernhaus war sichtlich ergriffen und spendete Beifall und Bravorufe für alle Mitwirkenden und das Leitungsteam, zu Recht vor allem für das Ballett, den Chor und das Orchester als Dank für einen Opernabend ohne krampfhafte überflüssige Aktualisierung, wie man ihn so beeindruckend selten erlebt.

 

Sigi Brockmann 25. Mai 2019

Fotos (c) Björn Hickmann

 

 

Turandot

Premiere: 9.2.2019

Mitleid für Turandot

Nach dem Fallen des Schlußvorhangs Freudentaumel beim Publikum. Absolut nachvollziehbar. Musikalisch ist die Dortmunder „Turandot“ wirklich Spitze, und die Inszenierung vermittelt äußerst interessante Aspekte. Mit Lob muß allerdings beim Chor (Einstudierung: Fabio Mancini) begonnen werden. Was dieser an brennender Vokalkraft bietet, ist nahezu einzigartig. Es sei erwähnt, daß sich ein vergleichbarer Eindruck vor kurzem bei Poulencs „Carmélites“ in Krefeld einstellte. Dortmunds Chorsänger werden auch darstellerisch stark gefordert. Der junge japanische Regisseur Tomo Sugao zeichnet ihn wirkungsvoll als eine leicht formbare Menschenmasse, mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Altoums Regentschaft wird selbst dann noch hochgejubelt, als der greise Herrscher im Finale zwei zusammenbricht und seine Leiche im Folgeakt wegtransportiert wird. Das Kollektiv reagiert je nach Situation mit (möglicherweise seit langem eingebleuter) Euphorie, dann wieder geduckt und angstbesessen wie etwa auch Bizets Perlenfischer (in der aktuellen Gelsenkirchener Inszenierung). Während Altoum aber hingebungsvoll verehrt wird, begegnet man seiner Tochter Turandot mit eher feindseligen Gefühlen. Aber man unterwirft sich notgedrungen ihrer Macht, wenn es beispielsweise gilt, den Namen des „unbekannten Prinzen“ ausfindig zu machen. Geisterhaft schwärmen die gefügigen Menschen über die Bühne, wobei ihre Taschenlampen zu den insgesamt eher historisierenden Kostümen von Mechthild Seipel einen leichten Kontrast bilden. Auch die Bühnenausstattung (Frank Philipp Schlössmann) gibt sich mit weitgehend nüchternen Wänden stilistisch weitläufig. Nur die realistische Drachenfigur im mittleren Bild ist ein wirklich dekoratives Monument. Grundsätzlich bleibt der szenische Aufbau alle Akte hindurch gleich. Optische Veränderungen rühren nicht wenig von den wechselnden Lichteinstellungen Ralph Jürgens‘ her.

Die emotionale Eiseskälte Turandots findet in ihrer Arie „In questa reggia“ eine nachvollziehbare Begründung. Eine Ahnin wurde nämlich brutal geschändet. Fast könnte man Puccinis Oper als Themeneröffnung für die heute grassierende #MeToo-Debatte ansehen, zumal Tomo Sugao nicht ausschließt, daß die emotionale Abschottung Turandots nicht nur aus besagter Erinnerung, sondern auch von effektivem sexuellen Mißbrauch durch den Vater und (!) die Minister herrührt. Der Regisseur bebildert die Arie mit dem Auftritt eines kleinen Mädchens, was aber leicht übertrieben anmutet. Daß das Minister-Trio jenseits seines traditionell buffonesken Anstrichs latente Beischlaf-Gelüste äußert und diese andeutungsweise auch ausübt, wirkt hingegen stimmig.

Auch dem Calaf gibt Sugao negative Konturen. Er zeigt sich zwar mitleidsfähig, aber der Kuß für Liu nach langer Zeit der Trennung hat etwas durchaus Besitzergreifendes. Der für Turandot nach dem Rätselsieg signalisiert Gleiches, widerspricht freilich der Formulierung vom „ersten Kuß“ im Finalakt. Ansonsten verweigert der Regisseur Calaf die übliche erotische Zielstrebigkeit. Für Sugao sind primär Machtgelüste Motive für sein Handeln. Am Schluß reißt Calaf des Kaisers Prachtgewand triumphierend an sich und stößt dabei seinen warnenden Vater Timur aus dem Weg. Sein Ziel ist jetzt erreicht. Turandot geht nach ihrem Liebesgeständnis nahezu unbeachtet im Hintergrund ab. Ob aus den beiden wirklich ein Paar wird? Ähnliche Zweifel vermittelte übrigens auch Lydia Steier in ihrer Kölner „Turandot“-Inszenierung 2017. In Dortmund müßte Puccinis Oper im Grunde „Calaf“ heißen.

Tomo Sugao entwirft ein sinistres Schicksalsgeschehen. in welchem die einzig wirkliche Lichtfigur, Liù nämlich, freiwillig in den Tod geht. Die Hymnik des von Franco Alfano nachkomponierten Finales (bewußt hat man in Dortmund auf die Berio-Version verzichtet) wird von den Verfinsterungen der Inszenierung aufgesogen. Ein dringliches Konzept, welches man zu aktuellen weltpolitischen Vorgängen leicht in Beziehung setzen könnte.

Den Dirigenten Gabriel Feltz zu beobachten bedeutet immer wieder Ereignis und Vergnügen. Seine hochgereckten Arme, die vibrierende Fingerhaltung, die minutiös gegebenen Einsätze für Orchester und Sänger - der Mann steht einfach unter Strom. Puccinis über weite Strecken lodernde Musik liegt ihm besonders, auch Pianopassagen gestaltet er mit einer Art sublimer Energie. Die Dortmunder Orchestermusiker bestätigen ihren offiziellen Namen „Philharmoniker“ nachdrücklich.

Erstklassig die Sängerbesetzung. Daß Stéphanie Müther bis vor wenigen Jahren im Mezzofach tätig war, mag man angesichts ihrer mühelosen, gleißenden Spitzentöne kaum glauben. Ein wahrhaft vulkanischer Sopran, der neben den Brünnhilden (demnächst in Chemnitz und in Japan) auch Lehárs Hanna Glawari meistert. Entschuldigung: aber fast noch mehr beeindruckt der Koreaner Andrea Shin als Calaf. Sein makellos geführter Tenor besitzt eine nie nachlassende Power, ohne daß vokale Gewaltsamkeiten stören. Die Höhen kommen unforciert, bleiben stets klangvoll. Einfach hinreißend. Dem Timur gibt Karl-Heinz Lehner die eminente Kraft seines sonoren Basses, was der körperlichen Hinfälligkeit des alten Mannes fast ein wenig zuwider läuft. Bei den hervorragenden Ministern rangiert der Südafrikaner Sunnyboy Dladla (welch kesser Name) leicht vor Morgan Moody und Fritz Steinbacher. Den Altoum könnte man sich stimmlich vielleicht etwas hinfälliger denken, als wie vom Ensemblemitglied a.D. Hannes Brock gezeichnet. In der Darstellung gibt er der Figur jedoch treffliche Umrisse.

Was Sae-Kyung Rim, die Sängerin der Liù, betrifft, sind gravierendere Einschränkungen anzubringen. Die Stimme flutet zwar beeindruckend, aber mit stetigem, unangemessenen Turandot-Forte. Der unbedingt erforderliche vokale Kontrast zur Titelfigur wird damit nivelliert, was ihr das euphorisierte Premierenpublikum jedoch erkennbar nicht vorwarf.

 

Christoph Zimmermann (10.2.2019)

Bilder siehe unten !

 

 

Turandot

Premiere am 9.2.2019

Große Oper-große Gefühle-großer Jubel!

Calaf öffnet die Fenster des Palastes und lässt frische Luft herein. Sinnbildlich zwar, aber dennoch so nachvollziehbar, dass ein jeder am Ende der Oper Turndot versteht, welche Wandlung die einstmals gefühlserkaltete Prinzessin Turandot durchgemacht hat und wie schwer es ihr im Innern gefallen ist. Regisseur Tomo Sugao ist es gelungen, diese seelische Wandlung einer im Grunde zutiefst verletzten und verhärteten Kaisertochter in eine sich dann immer mehr öffnende, und am Ende sogar liebende und zarte Frau, für das Premierenpublikum auf beklemmend beeindruckende Weise erlebbar zu machen. Wenn verzaubernde Opernregie, wie hier, sich in kongenialer Weise mit dem Musikalischen verbindet, werden Opernträume wahr. Viel Lob in einem Satz, aber weniger geht nun mal nicht. Der Meinung war auch ganz augenscheinlich das Publikum des gestrigen Premierenabends, welches nach dem letzten kräftigen Ton der Oper, einen wahren Jubelsturm entfachte, in denen sie die Sängerinnen und Sänger, den Chor, das Orchester, den musikalischen Leiter des Abend, GMD Gabriel Feltz und das Regieteam um Tomo Sugao ausnahmslos mit einschlossen - Verdienterweise.

Giacomo Puccinis letztes Werk, die Oper Turandot, erscheint vielen, wie auch Gabriel Feltz, der dies in seinem Vorwort zur Premiere im Programmheft auch zum Ausdruck bringt, als Essenz seines lebenslangen künstlerischen Wirkens. Und in der Tat schöpft hier der Komponist, der zum Zeitpunkt der Komposition zu Turandot bereits in der Reife seines Lebens stand, aus dem Vollen und geht sogar noch weiter. Puccini, ein Meister im Zeichnen von Gefühlen mit musikalischen Stilmitteln, erhebt dies in Turandot noch einmal mehr und mit einer teilweisen Wucht, die zutiefst berührt und die oftmals auch keiner Worte benötigt, um verstanden zu werden. Voraussetzung dafür ist natürlich die künstlerische Umsetzung auf der Bühne und im Orchestergraben. Das dies in Dortmund der Fall war, darf hier bereits erwähnt werden.

Nessun dorma das musikalische Motiv dieser wohl bekanntesten aller Tenorarien erklingt auf vielfache Weise, mal bedrohlich, mal geheimnisvoll und dann auch siegesgewiss. Vincero!. Selbst die Folter der jungen Liu, einer Begleiterin von Calafs Vater, bringt nicht die erhoffte Antwort. Eher wählt Liu den Freitod, als dass sie der verhassten Kaisertochter ihren heimlich geliebten Mann ans sprichwörtliche Messer liefert. Am Ende muss Turandot eingestehen, den Namen des Mannes nicht zu wissen. Sie hat verloren. Und doch hat sie gewonnen. Denn der Kuss von Calaf bringt in ihr eine Saite zum Klingen, die sie bisher nicht kannte. Und im Finale der Oper präsentiert sie dem wartenden Volk den wahren Namen ihres künftigen Gatten: Amore. Viel mehr Opernstoff geht fast nicht mehr. Und dank Puccini wurde daraus eine der schönsten und meisterhaftesten Opern der Geschichte. Omnipräsent und nicht wegzudenken von den Spielplänen der Bühnen dieser Welt.

Turandot selbst berichtet in ihrer großen Szene im 2. Akt - In questa reggia - davon, warum sie zu dieser scheinbar eiskalten Frau geworden ist. Ihre Ahnin wurde von einem Fürsten der Tartaren entführt und vergewaltigt. Brutal entehrt. Dieses Erleben in kindlichen Tagen war das Trauma, dass sie seither quält und ihr Denken und Handeln bestimmt. Und hier setzt Regisseur Tomo Sugao auch an. Sexueller Missbrauch und brutale Unterdrückung der Frau ist immer unterschwellig ein Thema dieser Inszenierung. Niemals plakativ, fast immer eher subtil in den Mitteln seiner Wahl, bringt Sugao das Thema zur Sprache. Wenn er allerdings die drei gefälligen Helfer und Bediensteten des Kaiserhauses, Ping, Pong und Pang, dazu einsetzt, den Prinzen Calaf damit milde zu stimmen, in dem sie ihm drei minderjährige Mädchen als Ersatz für die Prinzessin Turandot anbieten, damit er das Kaiserreich verlässt, dann beschreibt dies deutlich die Verachtung vor menschlichen Rechten, wie sie damals, aber sicher nicht nur, stattfand.

Sugao zeigt im ersten Akt die Prinzessin Turandot wie eine stumme Statue, majestätisch und unnahbar kalt, stehend im Bühnenhintergrund. Ein Bild, welches in seiner Kraft und Aussage von großer Intensität ist. Das beeindruckende Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann, in der beherrschenden Farbe Rot -Mandarinrot? - vermittelt durch seinen Aufbau und seine Gestaltung auch die gedankliche Enge, die den Handelnden der Oper, insbesondere natürlich Turandot, zu eigen sind. Turandot ist von innerer Eiseskälte und so sind ihre Auftritte im ersten und zweiten Akt auch konzipiert. Streng und ohne große Regung steht sie auf der Bühne. Selbst noch bei ihrer großen Rätsel-Szene. Erst als Risse in ihren Gefühlspanzer kommen, beginnt sie menschlich zu werden, beginnt sie Bewegungen zu zeigen und zuzulassen. Das innere Eis beginnt zu schmelzen.

Zunehmend Wärme erfüllt sie. Diese fast schon als Metamorphose zu bezeichnende Wandlung der Prinzessin, – von der fast göttlichen Statue hin zur verletzlichen Frau – gelingt Regisseur Tomo Sugao äußerst glaubhaft und bedrückend. Diese Regie benötigt keine extremen Darstellungen um dennoch die Brutalität dieses Herrscherhauses zu verdeutlichen. Es sind Gesten, es sind Blicke wenn Turandot von oben herab auf die vor ihr kniende Liu blickt, voller Verachtung und fast unerschrocken, als diese sich vor ihren Augen mit einem Dolch das Leben nimmt, und es ist die gesamte Personenregie im Verlauf der Oper, die diese Inszenierung so eindrucksvoll machen. Die Kostüme von Mechthild Seipel, zeigten die gesellschaftlichen Stellungen der in der Oper handelnden Personen anschaulich. Vom großen Gewand der Turandot bis hin zu den Einheitsbekleidungen des Volkes, welches dadurch immer wie eine Masse erschien. Verdienter großer Applaus und einhellige Zustimmung des Publikums für das gesamte Regieteam.

Ping, Pong und Pang, die drei willfährigen Hofschranzen des Kaiserhauses, wurden in dieser Inszenierung mit sehr viel Profil und auch Ernsthaftigkeit von Morgan Moody, Sunnyboy Dladla und Fritz Steinbacher gesungen und gespielt. Besonders erwähnenswert sei ihre gemeinsame Szene zu Beginn des zweiten Akts, wo sie mit dem derzeitigen Leben hadern und sich nach den ruhigen und schönen, aber leider auch vergangenen, Zeiten sehnen.

Altoum, Kaiser von China, wurde souverän dargestellt von Ks. Hannes Brock, der in diese Partie viel von seinem darstellerisches Können zeigen konnte. Der Bassbariton Karl-Heinz Lehner als der Vater des Calaf, wusste wieder einmal mehr mit seiner kräftigen und eindrucksvollen Stimme auch einer eher kleinen Rolle sehr großes Profil zu geben.

Die junge Sklavin Liu wurde von Sae-Kyung Rim mit einer eindrucksvoll großen und starken Stimme gesungen. Bereits in ihrer Arie im ersten Akt - Signor, ascolta - wurde klar, dass diese Liu, zumindest gesanglich, keine kleine und ängstliche Frau ist, sondern eine, die kämpft. Und das wurde ohne Zweifel dann auch im dritten Akt deutlich, wenn sie mit großer Stimme der „von Eis umgürteten Turandot“ gesanglich ein allzu deutliches Paroli bietet. Das Publikum war von dieser gesanglichen Leistung absolut begeistert. Bravorufe und spontane Standing Ovation waren Ausdruck dafür als die junge, unter anderem in Mailand ausgebildete, Sopranistin beim Schlussapplaus die Bühne betrat.

Den Prinzen Calaf sang und spielte Andrea Shin, und auch er darf den Abend als großen persönlichen Erfolg für sich verbuchen. Natürlich waren alle gespannt darauf, wie er das populäre Nessun dorma singt. Und ja, er tat dies auf Gänsehaut erzeugende Weise. Aber die Partie des Calaf ist weit mehr als nur die eine Arie. Sie stellt große Anforderungen an den sie darstellenden Tenor. Gesanglich als auch in der Gestaltung. Andrea Shin erfüllte den Prinzen Calaf mit Leben, mit viel Gefühl, präzise gesetzten Spitzentönen und mit viel tenoralem Schmelz und verwöhnte damit das Dortmunder Publikum mit einer Darbietung von großer Klasse. Das dankte es ihm auch mit ebenfalls großem Applaus und Bravorufen.

In der Titelrolle der Turandot debütierte die gebürtige Schweizerin Stéphanie Müther an der Oper Dortmund. Und wie sie das tat! Sie sang diese Partie mit einer ungeheuren Kraft, mit betörender Intensität und war auch in der schauspielerischen Gestaltung dieser schwierigen Rolle absolut überzeugend. Wie sie das eiskalte, das unerbittliche, aber auch wiederum im Finale der Oper, das verletzliche und verzeihende Wesen dieser Prinzessin, gesanglich, aber auch darstellerisch vermittelte, war ein Ereignis. In questa reggia, diese große und höchst anspruchsvolle Szene der Turandot im 2. Akt, darf ganz sicher als einer der Höhepunkte des gesamten Abends angesehen werden. Hier, aber nicht nur, zeigte Frau Müther ihre absolute Klasse, die sie für Partien dieses Fachs nunmehr aufzuweisen hat.

Der Opernchor des Theater Dortmund, unter Leitung von Fabio Mancini, war in die Inszenierung fest eingebunden und meisterte seine Aufgabe wieder einmal hervorragend. Großer Jubel des Premierenpublikums natürlich auch für den Chor und seinen Chorchef.

Und ohne die Statisterie und Kinderstatisterie des Theater Dortmund ging auch am gestrigen Abend fast nichts. Bravo und Anerkennung für die Damen und Herren der Statisterie unter der Leitung von Marlon Otte.

Und zum Ende, aber daher auch an prominenter Stelle, seien hier die groß aufspielenden Dortmunder Philharmoniker zu nennen. Puccinis Partitur, so reich, so farbenprächtig, so gefühlvoll, wie dramatisch, wurde von ihnen wieder einmal einem begeisterten Publikum präsentiert, welches bereits in vielen Pausengesprächen auf die große Klasse der Philharmoniker hinwies. Unter der musikalischen Leitung von GMD Gabriel Feltz entfachte sich der Zauber dieser Musik auf vielfältige Art. Das er diese Puccinioper ganz besonders schätzt war gestern Abend deutlich vernehmbar. Sei es der musikalische Lokalkolorit, den er an den entsprechenden Stellen mit seinen Philharmonikern deutlich vermittelte, als auch und besonders, die großen, die musikalisch mächtigen, Momente dieser letzten Oper des italienischen Meisters. Natürlich waren Gabriel Feltz und die Dortmunder Philharmoniker ebenfalls im Mittelpunkt des großen und einhelligen Jubels der Premierenbesucher im nahezu ausverkauften Opernhaus.

 

(c) Björn Hickmann

Detlef Obens 10.2.2019

 

 

Das Land des Lächelns

publikumsfreundlich

Premiere 12. Januar 2019

 

Als romantisch wurden im 19. Jahrhundert von ihren Schöpfern, wie etwa von Schubert, Marschner, Weber und Wagner, solche Opern bezeichnet, in denen aussermenschliche, geisterhafte Personen oder Begebenheiten vorkommen. In diesen Zusammenhang paßt nicht die Bezeichnung Romantische Operette, die Franz Lehár seinem „Land des Lächelns“ auf ein Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda nach einer Vorlage von Victor Léon gegeben hat. Zeigt sie doch ganz diesseitig durch die hoffnungslose Liebe zweier Paare, daß auch im Jahre 1912 Wiener nur nach Wien und Chinesen nur nach China passten. Unter dem Titel Die gelbe Jacke (deren Verleihung war Zeichen kaiserlicher Hochachtung) war die Operette 1923 in Wien wegen der Lüge des happy ends (so Lehár) ein Mißerfolg. Um von der Operette zur Oper aufzusteigen (ebenfalls Lehár) bekam Das Land des Lächelns“ einen rührseligen Schluß   - daher auch wohl die Bezeichnung romantisch. Damit wurde sie überhaupt und jetzt auch bei der Premiere am Opernhaus Dortmund am vergangenen Samstag in opulentem Rahmen zu einem grossen Erfolg.

Dieser opulente Rahmen entsprach völlig den traditionellen Erwartungen und zeigte sich vor allem im Bühnenbild von Toto. Fast Revue-artig sah man entweder zwei nach beiden Seiten geschwungene Treppen oder eine gerade Treppe in der Mitte – dank der Drehbühne war schneller Wechsel möglich. Den Hintergrund bildeten für Wien springende Pferde, Lippizanern ähnlich – Lisa kommt ja gerade von einem Turniersieg. Für Peking sah man hinten vor Lampions einen riesigen Gong zuerst Drachen, dann chinesische Philosophen zeigend, zum Schluß vergittert als Zeichen daß Lisa und Gustl nunmehr Gefangene sind. In einer Anwandlung von Milde ähnlich Bassa Selim läßt Sou-Chong die Wiener dann ja alle ziehen..

Auch die Kostüme - ebenfalls von Toto - waren eine Freude für die Augen der Zuschauer. In Wien trug man natürlich Frack und Abendkleid, in Peking war man chinesisch gekleidet, so wie es wohl den Vorstellungen der Entstehungszeit der Operette entsprach. Extravagant und fast einziger erheiternder Teil der Aufführung waren die Kostüme der vier Frauen, die Prinz Sou-Chong auf Befehl seines Oheims (ohne grosse bedrohliche Ausstrahlung Hiroyuki Inoue) heiraten soll.

In diesem Rahmen ließ Regisseur Thomas Enzinger Liebesbeziehungen und politische Machtdemonstration ebenfalls wie gewohnt aber ohne übertriebene Gefühlsduselei sich entwickeln. Die Handlung verdoppelten von der Ouvertüre bis zum Schluß passend zur jeweiligen Musik entweder zwei Tänzer gekleidet wie Sou-Chong und Lisa oder als Gegensatz drei weitere verkleidet als Chinesen (Choreografie Evamaria Mayer)

Gegliedert war die Handlung so, daß bis zur Pause gezeigt wurden heitere Szenen wie das Duett Freunderl ,mach`Dir nichts draus,   Beginn und Bekenntnis der Liebe von Lisa und Sou-Chong etwa Bei einem Tee à deux, auch die grossen Chorszenen (Opernchor in der Einstudierung von Fabio Mancini) bis zur Verleihung der gelben Jacke in Peking. Danach folgte mehr die individuelle Darstellung der Unmöglichkeit der Liebe und des schmerzlichen Abschieds der beiden so unterschiedlichen Paare, nämlich Lisa und Sou-Chong sowie Mi und Gustl.

Sängerisch ist bekanntlich Prinz Sou-Chong die Hauptpartie. Hier gelang es Martin Piskorski durch sein etwas baritonal klingendes Tenortimbre, das für mittlere und tiefe Stimmlage sehr passend war, mit den bekannten Ohrwürmern das Publikum zu begeistern. Dies galt auch für p-Stellen, etwa wenn Lehár bei doch niemals zeigen sein wahres Gesicht vorschreibt geflüstert. Beim Super-Hit Dein ist mein ganzes Herz gefiel vor allem das da-capo nur von Streichern und Harfe begleitet, da er da bei weniger starkem Orchester besser den Spitzenton Applaus hervorrufend singen konnte.

Irina Simmes als seine geliebte Lisa verfügte uber einen hellen bestens geführten Sopran und traf exakt Spitzentöne. Sie machte sängerisch und darstellerisch den Unterschied zwischen der verwöhnten aber gelangweilten Tochter aus reichem Hause ihres Auftrittslieds Flirten ein bißchen flirten und der enttäuschten Liebenden zum Schluß alles vorbei nachvollziehbar. Da beide, sie und ihr geliebter Sou-Chong, auch die Vokalisen perfekt beherrschten und dabei noch gut aussahen waren sie für das Publikum ein ideales Operettenpaar.

Das galt auch für das zweite Paar. Anna Sohn als Sou-Chongs Schwester Mi zeigte ebenfalls die Entwicklung von der kecken Kritikerin männlich-überheblicher Ehesitten Stricken waschen kochen und dann wieder in die Wochen bis zur zur Reminiszenz Wie rasch verwelkte doch. Hier erinnert sie sich an das Liebesduett Meine Liebe Deine Liebe. Diesen Hit sangen gute Laune verbreitend sie und ihr für kurze Zeit geliebter Gustl – mit helltimbrierten Tenor Fritz Steinbacher. Der hatte ihr vorher so gefühlvoll mit Du bist so lieb Du bist so schön aber auch mit mitgebrachter Sachertorte den Kopf verdreht.

GMD Gabriel Feltz hatte selbst die musikalische Leitung der Premiere übernommen, wohl um seine Begeisterung für das Stück, insbesondere für Lehárs kunstvolle Instrumentation und Harmonik zu beweisen. Gleich in der Ouvertüre machte er mit den Dortmunder Philharmonikern  den musikalische Gegensatz zwischen langsamen und schnelleren Wiener Walzerklängen auf der einen Seite und gegensätzlich den besonders dank Pauke und Klopfen auf Holz fast immer genau rhythmisch pointierten fernöstlichen Klängen deutlich. Chinesische geheimnisvolle Stimmung dank meisterhafter Harmonik und Instrumentation wurden hörbar. Als Beispiel sei genannt das Vorspiel zum Auftritt Sou-Chongs im Peking-Akt. Die Sänger begleitete er rücksichtsvoll, auch in den von Lehár gewünschten Rubati. Das hohe Niveau des Orchesters zeigte sich wie immer in den Soli, etwa der Solo-Violine für Liebes -freud und -leid aber etwa auch beispielhaft der Flöten als Oberstimme musikalischer chinesischer Exotik.

Zum traurigen Schluß blieb wie üblich Sou-Chong allein zurück, aber nicht ganz allein, Lisa war hinten auf der Bühne noch zu sehen, obwohl sie ja ins geliebte Wien abgereist sein sollte.

Da brauchte das Publikum im ausverkauften Opernhaus einen Moment der Besinnung, bis grosser Beifall mit Bravos einsetzte, besonders für die beiden Hauptdarsteller und den Dirigenten samt Orchester, aber auch für das Leitungsteam - Applaus irgendwann dann auch im Stehen. Dankenswerter Weise konnte das Publikum die Texte der Lieder in Übertiteln verfolgen – nicht häufig bei Operetten.

 

Sigi Brockmann 15. Januar 2019

Szenenfotos Björn Hickmann

 

 

WEST SIDE STORY

Premiere 24.11.2012

Kooperation mit dem Theater Magdeburg

 

Leonard Bernsteins Musical, das die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia in die unromantische Gegend der New Yorker West Side verlegt und mit immer noch gültiger Kritik an gesellschaftlichen Missständen eine hohe Aktualität besitzt. Ein im besten Sinne zeitloses Werk, welches 1957 in New York seine Uraufführung erlebte. Die Verfilmung der WEST SIDE STORY wurde zu einem internationalen Erfolg und erhielt u.a. 10 Oscars und gilt als einer der bedeutendsten Musicalfilme aller Zeiten. Am vergangenen Samstag hatte das Musical im restlos ausverkauften Opernhaus Dortmund Premiere. Und es wurde, das darf vorweg genommen werden, ein großer Erfolg für alle

Gil Mehmert, einer der erfahrensten Musicalregisseure derzeit, hat mit der WEST SIDE STORY erneut in Dortmund einen wahren Klassiker dieser Genre auf die Bühne gezaubert. Im Bühnenbild von Jens Kilian, das einen etwas schäbigen Hinterhof in der New Yorker West Side darstellt, liess Mehmert die Geschichte um die verfeindeten Jugendgangs „Jets“ und „Sharks“ äußerst spannungsgeladen und mitreißend spielen. In aufwendigen, punktgenauen und einfallsreichen Choreografien (Jonathan Huor) begeisterte das Ensemble das Publikum. Alle Songs und Ensemblestücke wurden erfreulicherweise in der englischen Originalsprache gesungen, ansonsten wurde die Deutsche Textfassung gespielt. Für die Kostüme war Falk Bauer verantwortlich, der den lässigen und jugendhaften Stil der damaligen Zeit sehr authentisch umzusetzen wusste.

Die Bühne, einerseits ein freies Feld zwischen zwei heruntergekommenen, typischen New Yorker Mietshäusern mit den obligatorischen Feuerleitern, andererseits auch Platz für die weiteren Handlungsplätze dieses Musical. Ein drehbares Mittelstück stellte den Brautladen da, in dem Maria und Anita arbeiteten, dann aber auch die Tankstelle und den Shop von Doc.

Außerdem verfügt dieses Bühnenelement auch über ein Dach, welches als Freizeitplatz der Jugendlichen dient. Und um allem, in allem und auf allem wurde getanzt, performt und gesungen. Gil Mehmert liess nicht eine Sekunde Langeweile aufkommen, wusste immer die gesamte Bühne zu nutzen und sie an verschiedenen Bühnenstandpunkten mit Leben zu füllen. Eine insgesamt sehr schmissige, temperament-, aber auch stimmungsvolle Atmosphäre macht diese sehenswerte Dortmunder WEST SIDE STORY-Inszenierung aus. Und dabei konnte sich die Regie auf ein äußerst spielfreudiges und gesangsstarkes Ensemble stützen.

Anton Zetterholm sang und spielte den Tony. Er verlieh dieser Partie viel Gefühl und eine Menge jungenhaften Charme und konnte dadurch dem Publikum vermitteln, warum sich Marias Herz gerade für ihn entschieden hatte. Gesanglich lieferte der junge schwedische Musicalstar eine Glanzleistung ab. Sein „Maria, Maria, Maria“ sang er äußerst gefühlvoll, sehr sicher und mit einer bemerkenswerten Höhe. So hört man es live gesungen sicher nicht oft. Eine tolle Gesamtleistung, die Zetterholm an diesem Premierenabend dem Premierenpublikum bot. Keine Frage, dass er am Ende mit Ovationen überschüttet wurde.

Mit Iréna Flury stand ihm eine ebenbürtige Maria zur Seite. Auch sie wurde von Leonard Bernstein mit sehr anspruchsvollen Gesangsstücken bedacht. Die Rolle der Maria schwankt immer zwischen Naivität, Verliebtsein, Freude und Ängsten. Dieses Spannungsfeld stellte Iréna Flury gesanglich und darstellerisch auf bewundernswerte Weise dar.

Die Anita, bekannt als Figur die eines der populärsten Songs des gesamten Musicals zu singen hat – Amerika! –, sang und spielte Dorina Garuci auf absolut internationalem Top-Niveau. Hier gibt es eigentlich nur Lob für eine Interpretation die unter die Haut ging. Gesanglich und auch darstellerisch. Natürlich war Dorina Garuci absolute Klasse in der großen AMERIKA!-Szene, konnte aber auch schauspielerisch sehr überzeugen als vergewaltigte Anita, die selbst nach diesem Erleben ihren Stolz nicht verliert.

Ein großes Ensemble mit vielen wunderbaren Tänzern, Tänzerinnen und Gesangskünstlern, die eigentlich alle namentlich erwähnt gehörten. Aber das würde den Rahmen einer Rezension dann doch sprengen.

Und deswegen möchte ich an dieser Stelle stellvertretend zwei Künstler des Abends nennen, die mir ganz besonders aufgefallen waren: Zum einen Esther Conter in der Rolle der Anybody. Jenem Mädchen, welches seine wahre Identität noch sucht und zwischen dem Jungen und dem Mädchen in ihr gefühlsmäßig pendelt. Ihre gesangliche Darbietung des Songs „Somewhere-there’s a place for us“ war in jeder Hinsicht großartig. Gänsehaut pur! Bravo!

Und dann war da noch Pascal Cremer in der Rolle des Action von der Jets-Gang! Was für ein großartiger Musicalkünstler! Gesanglich top und tänzerisch von ganz besonderer Güte. Keine Frage, dass auch er eine Leistung ablieferte, die auf jeder anderen internationalen Bühne ebenfalls gefeiert würde.

Die musikalischen Fäden des Abends hielt Philipp Armbruster mal wieder gekonnt in seinen Händen. Er lies die bestens auf- und eingestellten Dortmunder Philharmoniker einen Bernstein vom Feinsten spielen und wurde völlig verdient vom Premierenpublikum dafür gefeiert.

Ein mitreißender Musicalabend! Was für ein Erfolg! Jubel und Standing Ovation für alle Beteiligten.

 

© Anke Sundermeier, Stage Picture

Detlef Obens 26.11.2018

 

 

 

Zum Zweiten

Il barbiere di Siviglia

Premiere: 7.10.2018        Besuchte Zweitvorstellung: 10.10.2018

Einfallsreich, aber auch drastisch

Die zweite Auftaktproduktion der neuen Intendanz von Heribert Germeshausen, Rossinis „Barbier“, hatte kurz nach der opulent herausgeschleuderten „Aida“ Premiere. Wegen des zeitgleichen Bonner „Xerxes“ mußte ein Besuch auf die erste Folgevorstellung verschoben werden, bei welcher das Auditorium nur mäßig gefüllt war. Die Besucherstatistik sollte auf lange Sicht ehrlich dokumentiert werden, denn die Dortmunder sind offenbar nicht ganz leicht zu haben. Auf die Amtszeit von Christine Mielitz vor etlichen Jahren hat man beispielsweise mit demonstrativem Desinteresse reagiert.

Rossinis „Barbier“ ist eine typische Opera buffa mit oft drastischen Bühneneffekten. Einen jungen Regisseur wie Martin G. Berger muß es also reizen, traditionelle Komik mal gegen den Strich zu bürsten. Die inszenatorische Absicht wird aus dem Schlußsatz des Erzählers wohl besonders deutlich. Bei seinem Abgang rät Hannes Brock (vielseitiger Tenor, jetzt a.D., aber bei Bedarf weiterhin im Einsatz) den Zuschauern nämlich, sich die Fortsetzung der Geschichte (Mozarts „Figaro“) vor Augen zu führen.

Hinter Buffa-Freundlichkeit können sich also durchaus Abgründe auftun, so empfindet es der Regisseur. Um dies zu verdeutlichen, greift er auf die Mittel des Puppenspiels zurück. Puppen sind gesichtsstarre Figuren, denen erst durch die Lenkung von realen Darstellern Leben eingehaucht wird. Wie glücklich dies gelingen kann, zeigen beim Kölner Schauspiel Arbeiten von Moritz Sostmann, zuletzt bei der Bühnenfassung von Christoph Helds „Bewohner“, einem Stück über demente alte Leute. Martin G. Bergers Inszenierung bietet nun freilich kein astreines Marionettentheater, wie es eine zu Beginn vor dem Dirigentenpult aufgebaute Minibühne suggerieren könnte. Er macht vielmehr die Darsteller selber zu Marionetten. An Strippen aufgehängt werden sie vom Schnürboden aus gelenkt.

Mit dieser Methode will der Regisseur offenkundig sagen, daß die Personen der Oper in einem stereotypen Leben gefangen sind. Aber sie wollen, bei unterschiedlichem Gelingen, aus diesem ausbrechen. Über Almaviva läßt sich der Regisseur im Programmheft wie folgt aus: „Ausgerechnet der privilegierte Graf nacht sich besonders intensiv Gedanken über die Auflösung der starren Regeln und versucht idealistisch, sie aufzubrechen. Er will in einer Welt leben, die jenseits der gesellschaftlichen Zuschreibungen funktioniert.“ Uff, ist da gar schon die Revolution ante portas? Nach einem „strippenlosen“ Intermezzo mit dem überaus chaotischen ersten Finale als Höhepunkt landen jedoch alle wieder in ihren Seilen, somit in den alten gesellschaftlichen Normen.

Diese Konzeption ist mutig erdacht, quirlig umgesetzt, überfordert die Dramaturgie von Rossinis Oper jedoch. Man erlebt reichlich Spaßmomente, welche freilich vielfach überdrastisch und auch etwas selbstverliebt daherkommen. Einigen jungen Leuten im Publikum war bei alledem Verzückung anzumerken - nun gut. Die vom Regisseur geschriebenen Erzähltexte (kein Rezitativ mehr; gestrichen ist auch die Figur des Fiorillo) besitzen indes eine luzidere Ironie, welche teilweise auch in die Surtitles einfließt. Keine Frage: Martin G. Berger besitzt Fantasie für mindestens zwei, geht mit ihr aber halt auch etwas verschwenderisch um. Die Ausstatter (Bühne: Sarah-Katharina Karl, Kostüme: Alexander Djurkov Hotter) arbeiten ihm lustvoll zu.

Daß Rossinis „Barbier“ ein kraftvoller Abend wird, läßt sich bereits an der Ouvertüre ablesen. Bei den von Motonori Kobayashi dirigierten Dortmunder Philharmonikern fehlt es da noch an Delikatesse des Klangs, an energievoller und präziser Rhythmik. Das ändert sich dann aber zum Besseren. Zu viel des Feingetönten würde sich aber wohl auch an der Inszenierung reiben.

Von den Sängern (verbliebene Ensemblemitglieder und Gäste) beeindruckt besonders Petr Sokolov in der Titelpartie. Der junge russische Bariton fiel u.a. bei „Neue Stimmen“ auf. Auf Youtube findet sich ein bemerkenswerter Mitschnitt des „Perlenfischer“-Duetts – Partner: der gleichfalls herausragende Chinese Mingjie Lei. Als Privatmensch dürfte Sokolov nicht ganz dem drahtzieherischen Figaro entsprechen, den er in Dortmund so überzeugend gibt. Umso toller, wie er sich die Rolle darstellerisch aneignet, als sei er ein geborener Komödiant. Sein viriler Bariton ist eminent höhensicher, was sich auch bei Rossini günstig auswirkt. Der südafrikanische Tenor Sunnyboy Dladla (Name stimmt so) hat den Almaviva schon relativ häufig verkörpert. Im Spiel wirkt er drahtig, im Gesang beweglich, wenn letzte Finessen auch (noch) fehlen. Etwas schwer tut man sich mit der aus Baku stammenden Mezzosopranistin Aytaj Shikhalizada. Sie verfügt sicher über das hohe C und vermag auch mit vokalem Zierrat zu brillieren, doch wirkt manches noch einigermaßen erkämpft. Die Gewitterszene „gestaltet“ sie übrigens ganz alleine, hoch in der Luft hängend und mit allen Körperteilen zuckend.

Der junge Bulgare Denis Velev (Basilio, Tage zuvor Ramfis in „Aida“) darf als besonders glücklicher Ensemblezuwachs betrachtet werden: machtvoller Baß, vitale Bühnenpräsenz. Auch Fachkollege Morgan Moody, als Bartolo mit einem massiv quellenden Bauch ausstaffiert, ist ein richtiger Bühnenkerl mit standfester Stimme. Er gehört zu den wenigen Sängern (wie auch Vera Fischer/Berta), welche vom einstigen Dortmunder Sängerstamm verblieben sind.

 

Bilder siehe weiter unten Erstbesprechung!

Christoph Zimmermann (11.10.2018)

 

 

Zum Dritten

AIDA

Premiere am 5. Oktober 2017

 

Den alten Spruch „nicht kleckern sondern klotzen“ wählte Heribert Germeshausen wohl als Motto für den Beginn seiner Intendanz am Opernhaus Dortmund. Am Freitag war im Opernhaus Premiere von Giuseppe Verdi`s „Aida“, am folgenden Samstag nachmittags in der Stadt ein „Musicircus“ nach John Cage, am Samstag abends dann im Opernhaus Konzert „Barock bis Broadway“ mit anschliessendem Feuerwerk. Terminlich nicht vereinbart aber passend zum Musik-Wochenende fand im Konzerthaus am Sonntag morgens die erste „Mozart-Matinée“ der Mozart-Gesellschaft Dortmund mit den „Heidelberger Sinfonikern“ statt. Abends beschloß dann die Premiere „Barbiere di Sivigla“ im Opernhaus den musikalischen Reigen.

Gleich bei Beginn der Aufführung von G. Verdi’s Aida auf den Text von A. Ghislanzoni erwies uns Regisseur Jacopo Spirei eine lang vermißte Wohltat, beim Vorspiel blieb der Vorhang geschlossen. So konnten die Besucher sich ungestört daran erfreuen, wie die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz vom pp quasi aus dem Nichts die geteilten und sordinierten Geigen erklingen liessen, gefolgt vom kleinen Fugato der Celli, um dann zur grossen Steigerung und zum wieder abklingen fortzufahren.

Die Handlung begann dann in einem Konferenzzimmer, (Bühne Nikolaus Webern), wechselte für den zweiten Akt für die Damen zu einer Art Cocktail-Lounge, in der sie ziemlich überflüssig mit Sklaven schon einmal ihr gesungenes „vieni, amor mio“ (komm Geliebert) ausprobierten Zum Triumph dehnte sich diese „Lounge“ zu einem grossen pyramidenähnlichen Raum aus Dieser war mit Spiegeln versehen, in der sich die dekadente Hofgesellschaft in Kostümen zwischen früher und heute, etwa Soldaten mit MG`s, aber auch Kleider des 19, Jahrhunderts, (Kostüme Sarah Rolke) selbst bewundern konnte. Passend dazu wurde der König (Il Re) übertrieben als dekadenter Dandy in goldenem Glitzeranzug dargestellt, ganz im Gegensatz zu seinem ernsten und von Denis Velev mit würdevollem Bass gesungenen Ansprachen. Äthioper waren an orangefarbenen Kostümen zu erkennen.

 

Im Nil-Akt wurden Wellenbewegungen an die Rückwand projeziert (Licht Florian Franzen), das hätte genügt. Zusätzlich floß ein „Nilchen“ über die Bühne, in dem die Darsteller planschen mußten. Dies erregte bei manchen Zuschauern Heiterkeit – ganz gegensätzlich und gefährlich für die Darstellung der grossen Dramatik der Handlung. Im „unterirdischen Gewölbe“ des vierten Aktes stand das Liebespaar auf einem durch herabgelassenen Plexiglasscheiben immer enger werdenden Viereck, in dem sie dann auf ihr Ende warteten – dies ein durchaus eindrucksvolles Bild.

 

In diesem Rahmen agierten die Sänger anscheinend weitgehend ohne Führung durch die Regie, wodurch sie sich auf den Gesang konzentrieren konnten

Von ihnen begeisterten am meisten die Darsteller der weniger sympathischen Partien. Das galt für Hyona Kim als Amneris. Trotz recht unvorteilhafter Kostümierung gestaltete sie gesanglich makellos im ersten und zweiten Akt Eifersucht und Heuchelei. Ganz eindringlich sang sie im vierten Akt kantables Legato bis hin zu perfekt getroffenen Spitzentönen über die verschmähte Liebe zu Radamès und Verzweiflung in der Gerichtsszene gegen die Priester (diese teils entfernt ägyptisch teils entfernt christlich gekleidet)

In der Rolle des    Amonasro bedrängte Mandla Mndebele nicht nur mit mächtiger Stimme seine Tochter Aida,, ihre Liebe zu Radamès politisch auszunutzen, sondern konnte ihr auch ganz zurückgenommen (cantabile dolcissimo) Liebe zu Vater und Vaterland nahebringen

Wohl für die eigentlich vorgesehene Sängerin der Titelpartie eingesprungen überzeugte Elena O’Connor als Aida. Gelungen stellte sie stimmlich den Zwiespalt zwischen Liebe zum Geliebten und zum Vaterland in der grossen A“Ritorna vincitor“dar, insbesondere in den kantablen p-Stellen Das galt auch für das „o patria mia“ über ihre Liebe zum Vaterland im Nil-Akt, allerdings ohne die Stelle mit dem hohen C. Aber auch mit den tiefen Tönen ihrer vom Tonumfang grossen Partie hatte sie Schweirigkieten. Dafür klangen ihre pp „mai piu“ (niemals) Seufzer eindringlich.

Als ihr geliebter Radamès hatte Hector Sandoval für die Rolle das passende stimmliche Format, beim „Celeste Aida“ im ersten Akt klang die Stimme bei den p – Höhen etwas kehlig und ohne passendes Timbre – er mußte sich wohl erst freisingen, wie das Duett im dritten und vor allem das eindringliche Schlußduett mit Aida im vierten Akt bis zum verklingenden pp zeigte- wohl ein Höhepunkt des Abends.

Shavleg Armasi sang wie ein katholischer Geistlicher gekleidet mit mächtiger Stimme den Oberpriester Ramfis, bei den ganz tiefen Tönen der tiefen Partie schien er sich etwas schwer zu tun. Fritz Steinbacher als Bote und die koloraturensichere Natasche Valentin als Oberpriesterin ergänzten passend das Ensemble.

In der Triumphszene glänzte der Opernchor, teils auch tanzend, rhythmisch prägnant, als Priester im ersten Akt sang er exakt auch ohne Orchesterbegleitung (Einstudierung Fabio Mancini)

Nach dem gelungenen Vorspiel ließ Gabriel Feltz auch weiterhin Raum für musikalische Ruhepunkte, Bei den Massenszenen ließ er es dann richtig krachen, auch sonst klang das Orchester manchmal etwas laut für die Sänger. Beim Triumphmarsch steigerte er zum Ende das Tempo derart, daß daraus fast ein Geschwindmarsch wurde. Allerdings kam es wohl auch dadurch zu Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Orchester, für jedermann am meisten hörbar beim Einsatz der „Aida-Trompeten“ aus dem Foyer.

Wie immer zeigte sich die Qualität des Orchesters bei Soli einzelner Instrumente, als Beispiele seien etwa genannt die stimmungsvollen Flöten Oboen und Klarinetten im dritten Akt.

Das Publikum im ausverkauften Haus applaudierte herzlich, langanhaltend mit Bravos, auch ,wie , inzwischen wohl üblich, stehend Natürlich galt dies vor allem den Hauptpersonen. Beifall gab es vielleicht auch auch aus Freude darüber, daß nicht wie früher am Ende blutige Köpfe den Beifall entgegennahmen. . Die nicht sehr starken Buhrufe beim Auftritt des Leitungsteams kamen vielleicht von Besuchern, die diese blutigen Köpfe vermißten.

 

Sigi Brockmann 8. Oktober 2018

Copyright: Björn Hickmann/ Theater Dortmund

 

 

 

DER BARBIER VON SEVILLA

Premiere am 7.10.2018

Frohsinn mit Marionetten und Sängern

Sicher waren auch bei mir, wie bei vielen anderen Opernfreunden, im Vorfeld die kritischen Fragen aufgekommen, wie man zum einen auf die Idee kommen kann Rossinis „Barbier“ als eine Art von Augsburger Puppenkiste aufzuführen, Sänger und Sängerinnen Marionetten gleich an Strippen über die Bühne zu führen und auch dann noch eine gewisse Form der erklärenden Moderation durch einen Erzähler einzubauen. Aber schon nach den ersten Minuten waren alle diese Fragen vergessen und das Staunen, die Freude und der Spaß waren sodann die Begleiter durch den ganzen Abend. Und am Ende dann das traurig-schöne Gefühl, mal wieder absolut großartig unterhalten worden zu sein und das Bedauern, dass die Oper schon vorbei ist. Und mal ganz ehrlich: wie schön ist es doch, so viel Lob verteilen zu dürfen!

Wenn alles so leicht, so spielerisch rüber kommt, ist dies auch immer verbunden mit viel Vorarbeit, vielen Proben und dem Überwinden von Schwierigkeiten, die gerade dann vermehrt auftreten, wenn den Sängern neben dem Gesang auch körperlich einiges abverlangt wird. Dem Dortmunder Barbiere-Ensemble gelang dies auf ganzer Linie. Mit absoluter Spielfreude, großem körperlichen Einsatz, viel Action und Tempo – und dabei niemals überzogen – lieferten sie ihre Lesart von Rossinis viel gespieltem Opernklassiker ab und die war einfach großartig!

Martin G. Berger hatte bereits vor einigen Jahren unter der Intendanz von Christine Mielitz am Opernhaus Dortmund als Regieassistent Erfahrungen machen können. Haus und Bühne, und auch sicher Teile der Technik, waren dem jetzigen Regisseur Berger somit noch bekannt. Die Idee den Barbier von Sevilla als Marionettentheater aufzuführen ist natürlich auch nur dann realisierbar, wenn ein Theater über die notwendigen Einrichtungen und auch über eine in alle Richtungen große Bühne verfügt. Das Dortmunder Opernhaus bietet dies alles und so konnte Martin G. Berger sein Regiekonzept auch technisch umsetzen. Für Berger sind Komödien erst dann gut, wenn sie wie geölte Maschinen laufen, wie er im Programmheft erklärt. Und zudem sei die Handlung dieser Oper bestes Commedia dell’Arte und somit geradezu prädestiniert für eine Umsetzung als Puppentheater. Berger lässt alle Protagonisten an sie fest haltende Fäden auftreten, wodurch sie nahezu schwerelos auf der Bühne hin und her schwingen und agieren können. Wenn sie laufen, dann erinnern sie an wirklich gutes Augsburger Puppentheater, eben an diese Art von stelzigem Gang, die uns allen sofort vor Augen ist. Ein wenig wie die berühmte Blechbüchsenarmee. Durch diese Form der Umsetzung wird der Blick auf die handelnden Personen eine völlig andere. Wo sie in herkömmlichen Inszenierungen selbstbestimmt und autonom in ihren Handlungen erscheinen, werden sie bei Berger zu Puppen eines Spiels, das nach guten alten Regeln gespielt wird, bis am Ende die Prinzessin ihren Prinz ergattert. Oder wie in diesem Fall das (gar nicht so arme) Mündel Rosina ihren Grafen Almaviva.

Die Vielzahl der Gags, der überraschenden Bewegungen und Situationen von Bergers Regie würden zu viel Platz einnehmen um sie alle hier zu erwähnen. Zu Beginn sieht der Zuschauer auf ein überdimensionales Puppentheater mit diesen bekannt roten Vorhängen, die nach beiden Seiten geöffnet werden können. Die deutschen Untertitel sind daher diesmal auf den Seitenwänden des Opernhauses eingeblendet und spielen sogar am Ende ein wenig im Takt der Musik mit. Mit dem Ende der bekannten Ouvertüre öffnen sich die Vorhänge des Puppentheaters und das Spiel kann beginnen. Doch nicht ganz: denn vor jedem wichtigen und entscheidenden Handlungsverlauf, sofern man der Handlung Wichtigkeit unterstellen mag, tritt der Erzähler auf und erklärt dem staunenden Publikum, was es sogleich erleben wird. Glänzend gespielt von Dortmunds Kammersänger Hannes Brock, der mit äußerst angenehmer Sprechstimme und sehr humorig diese speziell für diese Inszenierung neu erschaffene Rolle kreiert.

Und so leben und lieben sie nun alle an Strippen und am Ende des ersten Teils werden sie mit einer übergroßen Schere von ihnen befreit und das Spiel geht danach in die zweite Runde. Ohne Strippen, aber weiterhin temporeich und witzig dann der weitere Verlauf der Oper. Die Ränke, das Spinnen von Intrigen und Verleumdungen, die Trickserei des Grafen um endlich seiner Rosina näherzukommen und am Ende dann das ersehnte Happy-End und die langen Gesichter von Dr. Bartolo und Don Basilio. Aber so ganz fadenlos geht es dann doch nicht. Einer behält die Strippen bis zum Ende in der Hand. Figaro, der Barbier von Sevilla. Seine Finger hat er überall drin und die Fäden hält er sowieso in seinen Händen. Aber nicht so ganz…..aber schauen Sie einfach selbst!

Für das Bühnenbild hat sich Sarah-Katharina Karl an die bunte und facettenreiche Welt des Puppentheaters orientiert. Sie spielte mit der Größe der Dortmunder Bühne und auch mit deren technischen Möglichkeiten. Sie liess das Bühnenbild mal verkleinern, dann wieder vergrößern und öffnete den Blick auf die Bühne auch mal ganz, je nach Spielfluss und Gegebenheit, aber immer auch auf eine überraschende Weise. Viele kleinere und auch größere Einfälle, wie die erstaunlich gut funktionierende Kettenreaktion im „Verleumdungs-Labor“ des Don Basilio, gestaltete sie zu echten Hinguckern. Die phantasievolle Kostümierung von Alexander Djurkov Hotter rundete den Gesamteindruck hervorragend ab und liess Puppenträume wahr werden. Hier muss auch unbedingt noch Rachel Pattison erwähnt werden, die für den anspruchsvollen Puppenbau verantwortlich zeichnete. Und ebenso die beiden auf der Bühne stumm agierenden Puppenspielerinnen Julia Giesbert und Veronika Thieme und der entzückende Schoßhund von Don Basilio. Teamarbeit vom feinsten! Kompliment an alle!

Zum Musikalischen:

Die Dortmunder Philharmoniker hatten ihn, diesen Champagner-Klang, dieses typisch „Rossinische“, was den Opernfreund erfreut. Auch bei ihnen wurde die Spielfreude und der eigene Spaß an der Aufführung geradezu hörbar und selbstverständlich erhielten sie den höchst verdienten Applaus vom Publikum für diese musikalische Leistung. Montonori Kobayashi, Dortmunds stellvertretender Generalmuskdirektor, leitete den Abend auf seine eigene, sehr besondere, sehr feine und höchst musikalische Weise. Kobayashi, seit Jahren einer der größten und bekanntesten Sympathieträger der Oper Dortmund, war an diesem Abend einmal mehr der Garant für bestes Opernvergnügen und erhielt zu recht Ovationen vom Premierenpublikum.

Die Sängerinnen und Sänger, an Strippen hängend, teils frei schwebend und stets auf stimmliche und körperliche Balance gleichzeitig bedacht, leisteten ganz Besonderes. Für sie alle hier noch einmal ein kollektives BRAVO! Aber im einzelnen:

Berta, die Gouvernante der Rosina, wurde vom Dortmunder Opernchormitglied Vera Fischer als Hausschnecke mit Hang zu Schnupftabak vorzüglich gespielt und gesungen.

Der Bass Denis Velev, der bereits am vergangenen Freitag schon sehr mit seiner Leistung als König in AIDA aufhorchen liess, setzte als Don Basilio noch einen drauf! Ein wahrhaft komödiantisches Talent mit einer großen Stimme und somit ein ganz besonderer Sängerdarsteller, den Intendant Germeshausen für Dortmund verpflichten konnte. Die Verleumdungsarie („La calunnia è un venticello“) machte er zu einem echten Ohrwurm.

Dr. Bartolo, der Vormund seines Mündels Rosina, jenes ebenso schönen wie reichen Mädchens, dass er doch so gern selbst geehelicht hätte, ist stets eine Paraderolle für einen spielfreudigen Bass-Bariton. Und den hat die Oper Dortmund seit Jahren mit Morgan Moody. Es machte einfach Spaß ihm bei seinen vielen komischen Situationen und Aktionen zuzusehen und zuzuhören. Eine Partie, die scheinbar maßgeschneidert ist für den sympathischen Sänger aus Santa Monica.

Dem intriganten, aber doch immer dabei liebenswerten, Figaro gab Petr Sokolov großes Profil. Dies dürfte seine derzeitige Paraderolle sein, mit der er nicht nur in Dortmund die Zuschauer begeistern würde. Kraftvoll, nahezu mühelos wirkend, ist er der Mittelpunkt dieser Oper und stimmlich von erster Güte. Seine Auftrittsarie, das berühmte „Figaro…Figaro…Figaro!“ („Largo al factotum„) war seine höchst gelungene Ouvertüre in die dann folgende Partie, die er glänzend gestaltete. Das Publikum bejubelte die Leistung des russischen Baritons einhellig.

Aytaj Shikhalizada (Rosina), Sunnyboy Dladla (Graf Almaviva) / Foto © Anke Sundermeier, Stage Picture

Rosina, das reiche Mündel, wird in der Dortmunder Inszenierung von einer Mezzosopranistin, wie es auch üblich ist, gesungen. Mit Aytaj Shikhalizada hat Dortmund einen Glücksgriff getan. Scheinbar leicht und ohne besondere Anstrengung sang sie ihre Partie, glänzte in der bekannten Bravourarie „Una voce poco fa„, und dies auch unter erschwerten körperlichen Bedingungen als ansteigende Schlange, und setzte vokale Glanzpunkte in den temporeichen und mitreißenden Ensembles der Oper. Frau Shikhalizada verfügt über eine warme und auch in tiefen Lagen kräftige und äußerst angenehme Stimme, die speziell bei Rossini zur besonderen Entfaltung kommt. Ein toller Einstieg der jungen Mezzosopranistin aus Baku. Bravorufe und Ovationen auch für sie!

Sunnyboy Dladla, der Tenor aus Südafrika und auch einer der Neuzugänge der Dortmunder Oper, sang und spielte den verwöhnten und (selbst-)verliebten Grafen Almaviva. Schon mit dem ersten Gesangston seiner Auftrittscavatine „Ecco ridente in cielo“ wurde klar, dass dort auf der Bühne ein ganz besonderes Talent steht. Seine Stimme scheint fast wie gemacht für diese Rossini-Partie und noch mehr: diese Stimme geht durchs Ohr direkt ins Herz. Er singt den Almaviva mit müheloser und klarer Höhe, gibt ihm sehr viel sängerisches, aber auch schauspielerisches Profil und machte seinen Auftritt zu einem Ereignis. Bravo Sunnyboy Dladla!

Last but not least waren die Herren des Dortmunder Opernchores (Einstudierung Fabio Mancini) ein fest integrierter und agierender Teil dieses Opernvergnügens!

Am Ende war der Jubel im gut besuchten Opernhaus groß. Alle an der Produktion beteiligten Künstler waren in die Ovationen eingeschlossen. Das ein Regieteam fast den größten Applaus nach einer Opernpremiere erhält, erlebt man auch nicht alle Tage. Aber hier und jetzt war es absolut berechtigt. Gratulation an die Oper Dortmund für einen BARBIERE von so hohem Unterhaltungswert!

Foto © Anke Sundermeier, Stage Picture

Detlef Obens 11.10.2018

 

 

 

Zweiter Premierenbericht

AIDA

5. Oktober 2018

Vom Premierenpublikum euphorisch gefeiert

AIDA, ein Auftragswerk anlässlich der Eröffnung des Suez-Kanals im Jahre 1869 hatte seine Uraufführung am Heilig Abend des Jahres 1871 in Kairo. Giuseppe Verdi vertonte darin die Geschichte um die äthiopische Königstochter Aida, die in ägyptische Kriegsgefangenschaft gerät und sich dort in einen der Krieger des Heeres verliebt. Radames, so sein Name, ist nahezu unerreichbar für die Sklavin Aida, denn Amneris, die Tochter des ägyptischen Königs hat ebenfalls mehr als ein Auge auf ihn geworfen. Hier setzen nun die Macht- und Intrigenspiele ein, die immer dann beginnen, wenn Liebe, Eifersucht und Verlustängste das Denken von Menschen zunehmend beherrschen. Und die sich dann verschlimmern, wenn scheinbare Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, wie es im Falle von Aida und Amneris – dort die Pharaonentochter, da die Sklavin aus Äthiopien – der Fall ist.

Gleichzeitig ist Verdis wohl populärstes Werk ein psychologisches, ja geradezu intimes, Kammerspiel, gespickt mit einigen Massenszenen, die dem damaligen Zeitgeist der Entstehung der Oper entsprachen und es ist ein Werk, dass auch die ganz große Bühne füllen kann. Verdi verlangt schon fast einen gedanklichen Spagat um diese Liebesgeschichte, die sie im besten Sinne ist, überzeugend auf die Bühne zu stellen. Also zum einen die Erwartungen des Publikums an die großen und bekannten Szenen der Oper zu befriedigen und zum anderen auch die innigen, die höchst emotionalen Momente, die wahren Seelenspiegel dieses Werkes, überzeugend darzustellen.

Der italienische Regisseur Jacopo Spirei entschied sich dafür „seiner“ Aida auch einen Bezug in die reale, heutige, Welt und Zeit zu geben und ihr aber gleichzeitig auch einen ägyptischen Erwartungsanstrich zu verpassen. Besonders im so bekannten „Triumphmarsch“ lässt Spirei alle möglichen Bezüge, um die es ihm bei seiner Arbeit geht, auf der Bühne umsetzen. Erinnerungen an Fantasyfilme kommen in den Sinn des Betrachters, ein Radames der auch StarWars entsprungen sein könnte, Elbenhaft-anmutende Priester laufen auf und ein Popstar ähnlicher König, der wie seine Tochter Amneris, irgendwie völlig aus der Zeit der Pharaonen herausgefallen zu sein scheint.

Und in allem dann eine Aida, in orangefarbenen und schlichten Gewand, die doch allen noch so bunten Bühnenvögeln immer dann, wenn sie auftritt, jede Farbe, jede Action nimmt und die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht.

Im ersten Teil der Inszenierung spielt Spirei mit all diesen Figuren, Zeitsprüngen und Bezügen um dann nach der Pause in wesentlich ruhigeres Fahrwasser zu geraten. Und das im wahrsten Sinne. Die großartige „Nilszene“ lässt er größtenteils im Wasser spielen. Mit 1600 Liter lässt Spirei die Bühne der Oper Dortmund zu einer Nachbildung des Nils werden und nutzt dieses Element dann im weiteren Verlauf der Handlung zunehmend. Die Spannung, die beim Aufeinandertreffen von Aida und ihrem Vater Amonasro, der mittlerweile auch Gefangener der Ägypter wurde, entsteht, ist mit Händen zu greifen. Hier gelingt Jacopo Spirei das, was ich als „Große Opernmomente“ bezeichnen möchte. Zu diesen zählen dann auch noch der gefühlsmäßige Ausbruch von Amneris bei der Verurteilung ihres geliebten Radames und das Finale der Oper mit seiner fast schon überirdisch schön zu nennenden Musik.

Hierzu lässt die Regie beeindruckende Bilder erschaffen. Die geradlinigen Bühnenbilder und Aufbauten von Nikolaus Webern ergänzen und unterstreichen die Intentionen der Inszenierung und nutzen dabei die Größe der Dortmunder Bühne optimal. Insbesondere im Finale der Oper ist das geschaffene Bühnenbild von größter Eindringlichkeit und damit ein besonderer Einfall zur Lösung der Darstellung der Grabesszene. Sarah Rolke kann als Kostümbildnerin förmlich aus dem Vollen schöpfen; bietet ihr doch diese Regie geradezu ein Füllhorn an Möglichkeiten ihrer künstlerischen Arbeit nachzukommen.

Musikalisch ist AIDA immer eine Herausforderung für ein Opernhaus. Höchst anspruchsvolle Partien hat Verdi erschaffen und auch das Orchester reich bedacht, welches lokalen Kolorit, Gefühle und Dramatik dieser Partitur so reich widerspiegeln soll. Das die Dortmunder Philharmoniker diesem Anspruch wieder einmal voll gerecht wurden, mag hier als erstes erwähnt werden. Zusammen mit dem glänzend einstudierten Chor der Oper Dortmund (Leitung Fabio Mancini) bildeten sie einmal mehr zwei sehr tragende Säulen einer Operninszenierung. Dortmunds GMD Gabriel Feltz leitete höchst souverän, und hier besonders auf die dramatischen Höhepunkte der Oper eingehend, die Philharmoniker und das gesamte sängerische Ensemble auf der Bühne. Er dirigierte im wahrsten Sinne italienische Oper!

Sängerisch wurden die Premierenbesucher ebenfalls verwöhnt!

Fritz Steinbacher, auch noch aus dem bisherigen Ensemble dem Dortmunder Opernfreunden bekannt, sang den Boten. Die Oberpriesterin sang und spielte Natascha Valentin. Beide gewohnt überzeugend.

Dem König von Ägypten, jenem ausgeflippten Typen vom Nil, gab der Dortmunder Neuzugang Denis Velev starkes persönliches und gesangliches Profil. Dies gilt ebenso auch für Shavleg Armasi, der einen kraftvollen und raumfüllenden Ramfis sang und ebenfalls großen Applaus erhielt.

Der Partie des Radames verlieh der mexikanische Tenor Hector Sandoval viel Gefühl und Ausdruck, wirkte aber stimmlich an diesem Abend nicht ganz so kraftvoll wie seine gesanglichen Mitstreiter auf der Bühne. Nichtsdestotrotz gelangen ihm schön und zart gesungene Passagen, insbesondere in der schwierigen Eingangsarie „Celeste Aida„.

Besonderer Jubel und Bravochöre für die folgenden Sängerinnen und Sänger: Ich beginne mit Amonasro, gesungen von Mandla Mndebele . Er war ab dem ersten Moment an überzeugend. Er verlieh dieser Partie eine enorme körperliche Ausstrahlung und sang diese anspruchsvolle Baritonpartie auf höchstem Niveau. Das Duett im Nil mit Aida ist einer der Höhepunkte dieser Dortmunder Inszenierung. Bravo Mandla Mndebele für diesen Einstand in Dortmund und für einen der besten Amonasro, den ich in den letzten Jahren erleben durfte!

Und ähnliches gilt auch für die Sängerin der Amneris, die südkoreanische Mezzosopranistin Hyona Kim. Sie war mir schon bei ihrem ersten Dortmunder Auftritt im Rahmen der Dortmunder Sommerkonzerte 2018 sehr positiv aufgefallen und meine Erwartung an sie war dementsprechend. Und sie enttäuschte nicht. Ganz im Gegenteil: sie sang eine Amneris die das Publikum begeisterte. Allein ihr phantastisch emotional herausgeschleudertes „Empia Razza! Anatema su voi!“ im vorletzten Bild war schon die Anreise nach Dortmund wert und riss mich förmlich vom Stuhl.

Tja, und dann war da noch die Aida von Elena O’Connor eine Sopranistin von Anmut und stimmlicher Schönheit. Ein ganz besonderes Timbre in der Stimme, welches für die Gestaltung einer solchen Partie von so großer Bedeutung ist. Ein Glücksfall für jedes Opernhaus welches diese Oper auf dem Spielplan hat. Sie, die fast immer auf der Bühne zu sehen ist, die schwierigste Arien und Duette zu singen hat, die Gefühle und inneren Zwiespalt wie keine andere Handlungsperson darstellen muss – mit Elena O’Connor hat die Oper Dortmund eine großartige Besetzung für diese überaus anspruchsvolle Opernpartie gefunden. Bereits nach ihrer ersten großen Szene „Ritorna vincitor“ war der Eindruck überwältigend. Und das steigerte sich im Verlauf der Oper minütlich. Verdienter Jubel für die amerikanische Sopranistin, an der auch sicher Verdi selbst seine Freude gehabt hätte.

Heribert Germeshausen ist seit diesem Wochenende nun offiziell neuer Chef der Oper Dortmund. Wo andere ihren beruflichen Einstand mit Canapés und Sekt geben, tat er es mit Stimmen. Und seine Auswahl war exzellent. Da will man mehr, da geht man wieder hin. Die Oper Dortmund ist eben die Oper Dortmund! Und Verdi geht sowieso immer!

Detlef Obens 7.10.2018

 

AIDA

Premiere: 5.10.2018

In einem Bächlein helle …

Das Intendantenkarussel drehte sich wieder einmal. Peter Theiler hat Nürnberg in Richtung Dresden verlassen, sein Nachfolger ist Jens Daniel Herzog, an seinem bisherigen Haus, der Oper Dortmund, wurde damit der Platz frei für Heribert Germeshausen, bislang in Heidelberg tätig. Man kennt seinen liebenswürdigen Ehrgeiz, mit welchem er nun auch das Dortmunder Publikum zu gewinnen trachtet. Eine geballte Ladung von Veranstaltungen kennzeichnet seinen Start, wovon an dieser Stelle natürlich nur die Opernproduktionen berücksichtigt werden können. „Aida“ machte den Anfang, der Rossini-„Barbier“ wird folgen.

Freude zunächst darüber, daß Dirigent Gabriel Feltz dem Hause erhalten bleibt (sein Vertrag läuft bis 2023). Wenn man ihn am Pult der Dortmunder Philharmoniker erlebt, kann man kaum ruhig sitzen bleiben. Mit hochgereckten Händen, gerne alle Finger gespreizt, macht er seine dramatischen Intentionen deutlich. Bei „Aida“ mag Einiges zu forsch, zu tempokrass erscheinen, aber die Musik lodert hinreißend. Feine Ausdrucksvaleurs kommen deswegen nicht zu kurz. So ist das Vorspiel ein Chiffontuch in Tönen, und das Finale verebbt nahezu in Jenseitigkeit. Wermutstropfen in der Premiere: die rhythmische Übereinstimmung mit den lontano-Trompeten beim Triumphmarsch war desolat.

Zur Inszenierung, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen will. Das verantwortliche Team lehrt mit seiner Unbedarftheit nachgerade das Fürchten. Die Kostüme greifen den Ausstattungsetat heftig an (primär beim Chor - nota bene hervorragend dank Fabio Mancini). Aber wie Sarah Rolke die figürlich nicht ganz unproblematische Sängerin der Amneris in kurze Cocktailkleider steckt, ist schon ein Affront. Bühnenbildner Nikolaus Webern bietet coole Räume ohne jedwedes Flair. Die nach vorne schräg zulaufenden Wände (ab Nil-Akt) sind an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten. Daß er das Liebespaar am Ende mit etlichen herabfahrenden Quadratwänden immer mehr „begräbt“, ist zwar erklärte Idee, aber visueller Mummenschanz.

Viele Weisungen dürften freilich von Regisseur Jacopo Spirei stammen. Sein Credo: „Aida“ ist „eine Oper, die viele Geheimnisse in sich birgt. Mit unserer Inszenierung wollen wir ein paar dieser Geheimnisse aufdecken und das Wesen des Werkes offenlegen.“ Aber das Geheimnis dieser Inszenierung ist größer als das Geheimnis des Todes.

Auch sonst plaudert Spirei Absichten aus, die nett gemeint sind. Auf der Bühne sieht man jedoch weitgehend Biederes wie das „Grab“, eine lediglich etwa fünf Quadratmeter große Fläche, auf welcher sich Aida kaum verstecken kann. Sie liegt unter einem schwarzen Tuch also gleich da, was Radames allerdings erst bemerkt, als sich seine Geliebte aus dem Stoffballen herauswindet. Und dann tritt Amneris für ihren Schlußgesang ganz simpel und frontal aus der Seitenbühne heraus. Man traut seinen Augen nicht.

Eine besonders hübsche Idee. Nach der Pause gibt es Wasser auf der Vorderbühne, „um den Nil und seine Herausforderungen für die dort lebenden Menschen darzustellen“. Magie eines großen Stromes? In diesem kleinen Bächlein helle mag Schuberts Forelle Platz finden, aber für Spireis verwegene Regieidee reicht es nicht. Doch müssen sämtliche Akteure wenigstens einmal in dem Rinnsal herumplantschen, ob es Sinn macht oder nicht.

Auch sonst erweist sich die Inszenierung als komplett defizitär. Auf der übervollen Bühne bei der Triumph-Szene bewegt sich fast nichts. Außer dem auf jung getrimmten König (stimmlich gut: Denis Velev), der wie ein tumber Entertainer tänzelnd mit seinem Volk schäkert. Daß bei seinem kaum als sinnstiftend zu denkenden Regierungsstil die Priester unter Ramfis (durchaus hoheitsvoll: Shavleg Armasi) das Sagen haben, kann nicht verwundern.

Im Ensemble (durchsetzt mit Gästen) etliche neue Namen. Vorrangig ist die Südkoreanerin Hyona Kim als Amneris zu nennen. Ihr erotisch getönter Mezzo gleicht einem Vesuv, jeder Ton ist perfekt zentriert. Durch ihren Gesang wird die ägyptische Königstochter auch ohne Regie zu einer überzeugenden Gestalt. Elena O’connor gibt eine nicht ganz ebenmäßig vokalisierende Aida, vermittelt aber das Leidenspotential der gedemütigten Sklavin beeindruckend. In der Premiere ließ sie in der Nil-Arie den Aufstieg zum hohen „C“ weg, beschränkte sich auf die beiden Spitzentöne. Vermutlich Nervosität. Als Radames bietet Hector Sandoval etliches heldisches Potential und überzeugt auch als Darsteller. Daß er ständig an seinen Gefängnisketten rüttelt, wurde ihm wohl aufoktroyiert. Den Schluß von „Celeste Aida“ gestaltet er im Piano, doch wirkt der Ton nicht genügend gestützt (man höre Jonas Kaufmann in der Gesamtaufnahme unter Antonio Pappano). Der erst 28 Jahre alte Südafrikaner Mandla Mndebele ist als Amonasro ein richtiges Mannsbild, kraftvoll in Statur und Stimme; vom Dortmunder Publikum wird er sogleich ins Herz geschlossen. Den Botenbericht gibt Fritz Steinbacher schönstimmig, bei leichten Schwierigkeiten in der Höhe.

Ausgiebiger Beifall der Zuschauer, besonders für Feltz, Hyona Kim und wie eben erwähnt Mndebele. Für die Inszenatoren meldeten sich auch einige Proteststimmen, die durchaus vehementer hätten ausfallen dürfen.

Das einzige HONORARFREI Foto (!) ist von Björn Zickmann / Stage Pictures

Christoph Zimmermann (6.10.2018)

 

 

 

Abschiedsgala Jens-Daniel Herzog

15.Juni 2018

Addio Dortmund

Seit Eröffnung des jetzigen Opernhauses im Jahre 1966 blieben die drei letzten Intendanten nicht sehr lange in Dortmund, vergleicht man ihre Zeit z. B. mit dem benachbarten Essen, wo Stefan Soltesz fünfzehn Jahre lang GMD und Intendant war oder mit dem Staatstheater Kassel, wo Thomas Bockelmann seit vierzehn Jahren Intendant ist. Dafür wurden die Abschiede immer aufwendiger begangen. Nach sechs Jahren Intendanz von John Dew gab es eine kurze Zeremonie nach der letzten Vorstellung des von ihm inszenierten „Tristan“. Christine Mielitz lud zum Ende ihrer „Ära“ von acht Jahren alle Besucher der letzten von ihr inszenierten Premiere - „Trittico“ von Puccini - zum Imbiß ein und gab gleichzeitig eine Dokumentation bestehend aus zwei CD und einem Begleitheft heraus.

Jetzt verläßt Jens-Daniel Herzog nach sieben Jahren Dortmund in Richtung Staatstheater Nürnberg, wo er Intendant für alle Sparten und Operndirektor wird. Zum Abschied legte er unter dem Titel „Addio Dortmund“ mit dem Motto „Kein Opernscheiss“ ein umfangreiches Buch über seine Intendanz mit Interviews und vielen großformatigen Fotos vor. Erstaunlicherweise fehlt darin ein Hinweis auf eine der eindringlichsten Aufführungen seiner Intendanz, nämlich „Beatrice Cenci“ von Berthold Goldschmidt – Premiere am 26, Mai 2012. Zusätzlich veranstaltete die Oper am vergangenen Freitag, ebenfalls unter dem Motto „Addio Dortmund“, eine Abschiedsgala zusammen mit den Sängerinnen und Sängern, die unter Herzogs Intendanz in Dortmund engagiert sind oder es zeitweise waren, den Dortmunder Phiharmonikern unter der Leitung von Motonori Kobayashi und dem Opernchor  noch einstudiert von Manuel Pujol, der ebenfalls die Oper Dortmund verläßt, um Chordirektor an der Oper Stuttgart zu werden.

Gezeigt wurde, wie Moderator Holger Noltze es nannte, insofern ein „musikalisches Bilderbuch“, als zu den Musiknummern an der Bühnenrückwand jeweils Produktionsfotos der entsprechenden Aufführung gezeigt wurden. So begann die Abschiedsgala zu den Klängen der „Nabucco“- Ouvertüre mit Filmausschnitten aus Inszenierungen des scheidenden Intendanten. Dabei waren zu sehen Ausschnitte aus den sehr gelungenen Aufführungen von Mozarts „Cosi fan tutte“ und „Anna Nicole“ von Turnage, die nach Nürnberg übernommen werden. Aber auch an die blutigen Verdi-Inszenierungen von „Don Carlo“ „Otello“ und „Nabucco“ wurde erinnert, wohl auch an den noch blutigeren „Tristan“ Dabei verstand es Herzog immer, mit den szenisch einsatzfreudigen Sängern seine Absichten konsequent dem Publikum zu vermitteln. Wie leider heute üblich wurden auch von ihm Ouvertüren und Vorspiele bereits mit Handlung auf der Bühne bebildert, ganz unpassend bei so bedeutenden Musikstücken wie der Ouvertüre zu „Don Giovanni“ oder dem Vorspiel zu „Tristan und Isolde“

Dies mag dem einen mehr dem anderen weniger gefallen haben, über eins sind sich alle einig, Jens-Daniel Herzog verstand es, stimmlich hervorragende Sängerinnen und Sänger zu entdecken und für die Oper Dortmund zu gewinnen. Von den am Abend nicht Anwesenden seinen genannt die Sopranistin Christiane Kohl, die Mezzo-Sopranistin Katharina Peetz, der Tenor Lucian Krasznec oder der Baß Christian Sist.

Letzterer war für die Abschiedsgala angekündigt, trat aber nicht auf. Es trat zuerst auf   Kontinuität vermittelnd, weil noch zu Zeiten von Christine Mielitz engagiert, Julia Amos und sang aus Donizetti's „Liebestrank“ mit perlenden Koloraturen und strahlenden Spitzentönen die Erfolgsarie „Prendi per me“ Die vor einigen Jahren in letzter Minute als Carmen eingesprungene Ileana Mateescu sang zusammen mit Christoph Strehl aus dieser Oper, wobei man letzteren viel mehr bewundert hatte, als er früher Nerone in Monteverdis „Krönung der Poppea“ sang, letztere aufgeführt im kleineren Raum „backstage“ mitten zwischen dem Publikum und mit sichtbarem Orchester – eine der Regie-Großtaten von Herzog. Ansonsten war Ileana Mateescu auf Hosenrollen spezialisiert, woran hier mit einem Ausschnitt aus dem „Rosenkavalier“ erinnert wurde, zusammen mit Anke Briegel als Sophie und Emily Newton als Marschallin. Aus dieser „Komödie für Musik“ zeigte Karl-Heinz Lehner als Baron Ochs im Finale des zweiten Aktes, daß er den ganz tiefen langen Schlußton treffen und gleichzeitig das Publikum durch gekonntes Spiel erheitern konnte. Das gelang auch Morgan Moody, als zur „Registerarie“ aus „Don Giovanni“ von dessen über 1.500 eroberten Damen einige auf die Bühne kamen.

Unter den vielen anderen Auftritten, die an grossen Verdi - Operngesang in Dortmund erinnerten, seien vor allem noch Bassist Wen Wei Zhang mit der grossen Arie König Philipps aus „Don Carlo“ und Sangmin Lee als Nabucco mit einer Szene aus der letzten Inszenierung Herzogs genannt

Mit einem Chor aus Mendelssohn-Bartholdy's „Elias“ erinnerte der Opernchor an seine besonders schwierigen Auftritte bei der szenischen Aufführung von Oratorien, wo die Sänger zu den anspruchsvollen mehrstimmigen Chorpartien noch hin- und herlaufen mußten.

Heiterer wurde es zum Schluß, als zunächst der Sänger mit der wohl mit der kürzesten Zeit im Dortmunder Ensemble, Fritz Steinbacher, mit unangestrengten Spitzentönen und sehr textverständlich „Komm Zigan“ aus „Gräfin Mariza“ sang. Es folgten die beiden Dortmunder Lieblingssänger Eleonore Marguerre  (vorher schon mit der „JuwelenarieGounod's „Faust“ brilliert) und Kammersänger Hannes Brock mit „Lippen schweigen“ aus der „Lustigen Witwe“ bevor das gesamte Ensemble sich zum „Brüderlein Schwesterlein“ aus der“Fledermaus“ auf der Bühne traf. Da der Sekt gut schmeckte, folgte als Zugabe noch das „Trinklied“ aus „La Traviata“

Natürlich gab es die üblichen Dankesreden, vorher von Oberbürgermeister Sierau, nachher von anderen Rednern. Gelungen war zum endgültigen Schluß der Gag, daß in einem dreirädrigen alten Kastenwagen der Marke „Ape“ des italienischen Autobauers Piaggio der neue Intendant Heribert Germeshausen auf die Bühne fuhr und Jens-Daniel Herzog in demselben Wagen von der Bühne weg in Richtung Nürnberg fuhr.

Das Publikum im ausverkauften Opernhaus applaudierte nach jedem Auftritt und besonders zum Schluß mit dankbarem Abschiedsapplaus für Jens-Daniel Herzog.

Sigi Brockmann 16. Juni

 

 

 

DIE SCHNEEKÖNIGIN

Premiere 8. April 2018

Familienoper von Marius Felix Lange

Die Oper Dortmund und ihre Familienopern. Stets eine besonders feine Verbindung von ansprechender und anspruchsvoller Musik, bester Unterhaltung, hinreißenden Bühnenbildern- und Kostümen und so überzeugender Regie, wie man sie sich eigentlich immer wünschen würde. So auch am gestrigen Premierenabend wieder. Marius Felix Langes „DIE SCHNEEKÖNIGIN“ zog das Publikum im gut besuchten Opernhaus 80 Minuten lang in seinen Bann, ohne Längen, ohne Langeweile. Denn die wäre bei dem hohen Anteil von sehr jungen Opernbesucher (manche hatten sicher das Grundschulalter noch nicht erreicht) ganz sicher sonst schnell hörbar geworden. Aber das Gegenteil war der Fall: Kinder und Erwachsene folgten der Geschichte von Gerda und Kay und spendeten am Ende der Oper begeisterten Applaus für alle Beteiligten. Ein großer Erfolg für die Solisten, den Chor und das Orchester der Oper Dortmund, dem musikalischen Leiter Ingo Martin Stadtmüller und ganz besonders für den Komponisten Lange, der den Beifall für sich und sein Werk selbst entgegen nahm.

Marius Felix Langes im April 2016 am Theater Duisburg uraufgeführtes Auftragswerk für junges Publikum (im Rahmen der Jungen Opern Rhein-Ruhr) hat Hans Christian Andersens Märchen „Die Schneekönigin“ als Handlung zugrunde liegen. Ein Märchen, welches dem Komponisten (Jahrgang 1968) als Kind selbst sehr am Herzen lag. In träumerischen Passagen erzählt der dänische Dichter darin die Geschichte um Gerda und ihren Kay, die sich auf abenteuerliche Weise verlieren und wiederfinden. Trolle kommen vor. Ein Deubeltroll mit einem großen allsehenden Spiegel, welcher zerbricht und von dem ein winzig kleines Stück den lieben Kay trifft und ihn zu einem nicht mehr so lieben und egoistischen Zeitgenossen verwandelt. Ein sprechendes Rentier spielt ebenso wie eine muntere Krähe mit, Blumenfrauen und ein Räubermädchen, ein lustiges Prinzenliebespaar und eine kalte und böse Schneekönigin machen alles zu einem bezaubernden Märchen. Und wie so oft in solchen Geschichten geht es am Ende darum, dass doch immer das Gute siegt, weil das Böse eben keine Zukunft hat. Einfach und doch immer wieder wahr.

Musikalisch ist diese „SCHNEEKÖNIGIN“ ein ausdrucksstarkes Wechselbad von Gefühlen, Überschwang und zarten melodienseligen Momenten. Viele unter die Haut gehende orchestrale Höhepunkte, aber auch die ruhigen, die zurückgenommen Momente, waren es, die diese Oper so einmalig machen. Das wirklich – im wahrsten Sinne des Wortes – schöne Finale der Oper bleibt noch lange im Gedächtnis.

Johannes Schmid hatte die Regie für diese Inszenierung inne. Was soll ich viel schreiben? Kann man es besser machen? Kann Oper noch packender, spannender und unterhaltsamer inszeniert werden, als wie Schmid es tat? Wohl kaum. Es hat einfach Spaß gemacht zuzusehen. Großes Kino eben!

Bühnenbild- und Kostüme sind ein nicht zu unterschätzender Aspekt einer jeden Inszenierung. Und wenn ein Opernhaus das Privileg hat mit Tatjana Ivschina eine der deutschlandweit besten Bühnen-und Kostümbildkünstlerinnen verpflichten zu können, ist das in jeder Hinsicht für alle ein Glücksfall. So auch für diese SCHNEEKÖNIGIN. Wieder einmal hat sie begeisternde Bilder erschaffen, die lange im Gedächtnis haften bleiben und die in ihrer Einfachheit und Klarheit doch so großartig und überzeugend sind. Ivschinas Spiel mit Farben (Grün und Aquamarin fallen mir immer wieder ungemein auf) und ausgefallene Kostümaccessoires sind immer aufs Neue ein visuelles Erlebnis und machen den Theaterbesuch zu einem Erlebnis ganz besonderer Güte.

In allem dürfen sich die Gesangsolisten und der Chor sichtlich wohlfühlen. Der Dortmunder Opernchor hatte wieder einmal viel zu tun und wurde seiner tragenden Rolle -wie stets- mehr als gerecht. Manuel Pujol hatte die Damen und Herren seines Chores bestens auf den Abend eingestimmt.

Den Prinz und die Prinzessin spielten und sangen herrlich exaltiert Emily Newton und Thomas Paul. Die Krähe von Fritz Steinbacher war optisch ein Hingucker und dazu beeindruckend gesungen. Dem Deubeltroll und dem Rentier verlieh Dong-Won Seo mit kräftiger und ausdrucksstarker Stimme besonderes Profil (die melodiösen Klagen des Rentiers waren wirklich beeindruckend gesungen). Julia Amos als Tölpeltroll und Blazej Grek als Trotteltroll kamen zu Beginn aus dem Orchestergraben geklettert und waren die ganze Oper über immer sehr präsent und voller Spielfreude.

Die Blumenfrau und das verschlagene Räubermädchen waren mit Almerija Delic natürlich bestens besetzt! Stimmlich wie auch darstellerisch ist die Dortmunder Mezzosopranistin mittlerweile eine Bank.

Seit Jahren erlebe ich sie in den verschiedensten Rollen. Zumeist in Hosenrollen. Aber als Großmutter und sehr beleibte Sauna-Finnin noch nicht. Und sie war einfach klasse in ihrer Doppelrolle am gestrigen Abend: Ileana Mateescu.

Marie-Pierre Roy ist eine kalte Schneekönigin mit großartigen Koloraturen und prächtig gesetzten Spitzentönen. In ihrem Kostüm und ihrer sparsamen Gestik erinnerte sie ein wenig an Frankensteins Braut aus dem legendären US-Horror-Film aus dem Jahre 1935. 

Marvin Zobel sang und spielte ungemein überzeugend und textverständlich den Jungen Kay, der von der Schneekönigin gefangen genommen und von seiner Freundin Gerda wieder befreit wurde. Ein persönlicher Erfolg für den jungen Künstler, der an der Essener Folkwangschule studiert hat.

Die Gerda, und die eigentliche Hauptrolle des Abends, sang und spielte die Sopranistin Marie Smolka. Auch sie mit viel Spielfreude und sichtlich Spaß an ihrer Rolle. Gesanglich machte sie die nicht zu unterschätzende Partie zu einer Glanzleistung. Für mich die herausragendste Leistung des Abends. Bravo!

Die Dortmunder Philharmoniker unter der musikalischen Abendgesamtleitung von Ingo Martin Stadtmüller packend, gefühlvoll, – ja, fast Kinomusikalisch aufspielend – gleichrangig am „ganz großen Kino“-Opernabend teilhabend.

Und nun sei die Dortmunder SCHNEEKÖNIGIN allen ans Herz gelegt, die schöne Musik lieben, guten Operngesang schätzen und in herrlichen Bildern schwelgen wollen. Und damit meine ich alle – jeden Alters.

Dank für die schönen Bilder an (c) Bjoern Hickmann

Detlef Obens 10.4.2018

 

 

Nabucco

Premiere: 10.3.2018

Mustergültige Aufführung

„Nabucco“ in Dortmund ist ein Ereignis, musikalisch wie szenisch, auch wenn die Bühnenfassung des Intendanten Jens-Daniel Herzog auf ziemlich massive Publikumsablehnung stieß. Verdis dritte Oper ließ den Komponisten nach dem Misserfolg des „Un giorno di regno“ von seiner Erklärung, nie mehr für die Bühne schreiben zu wollen, wieder abrücken. Mit dem Gefangenenchor „Va pensiero“ schenkte er der Welt dann sogar ein Stück Musik, welches mit seiner eindringlichen, emotional in die Tiefe des Herzens dringenden Melodik zu einer heimlichen Nationalhymne Italiens wurde. Der verstärkte Dortmunder Opernchor (Einstudierung: Manuel Pujol) singt ihn in höchstem Maße eindringlich und herzbetörend.

Motonori Kobayashi seinerseits setzt im Orchestergraben Verdis Oper gewissermaßen unter Strom, scheut sich nicht vor „Knalleffekten“, welche der noch nicht in jeder Hinsicht ausgereiften Partitur aber nun einmal innewohnen. Unter seiner anfeuernden Hand scheint das „Risorgimento“ aufs Neue Klanggestalt zu gewinnen. Großartig die Dortmunder Philharmoniker.

Verdis Musik würde ihren Weg jederzeit natürlich auch ohne solche Unterstützung machen. Szenisch will „Nabucco“ allerdings für das Heute erobert sein. Was an Orten wie der Arena von Verona häufig an inszenatorischer Äußerlichkeit stattfindet (gilt auch für „Aida“) kann für eine von Regieambitionen geprägte, teilweise sicher auch übergeprägte Theaterlandschaft wie Deutschland kaum Vorbild sein. Ein kluger Kopf hat in Bezug auf „Nabucco“ von „biblischem Boulevardtheater“ gesprochen. Solch abschätziger Bemerkung begegnet Jens-Daniel Herzog, diesen Trend erkennend, mit einer höchst ambitionierten Interpretation. Doch nirgends setzt sich der Regisseur selbstgefällig in Szene.

Dass zur Ouvertüre sogleich der Vorhang aufgeht und die Musik bebildert wird, mag erst einmal zu rezeptionellem Widerstand führen. Aber auf Mathis Neidhardts raumgegliederter Drehbühne wird sinnfällig gezeigt, was sich hinter den Kulissen der Politik so alles abspielt. Zunächst sieht man Abigaille rauchend und sinnierend, dann Nabuccos Arbeitszimmer (Kommandozentrale), weiter eine Fülle von Soldateska sowie das sich einstweilen noch bei einer Tanzfeier vergnügende israelische Volk (hier machen die Kostüme von Sibylle Gädeke besonderen Eindruck). Eine eingefrorene Begrüßungszeremonie zwischen ihrer Führungsspitze und den Repräsentanten der feindlichen Babylonier könnte an die aktuellen Vorgänge in Korea erinnern.

Prinzipiell versucht die Regie aber nicht, auf reale Vorgänge anzuspielen, selbst wenn Herzog mit dem Gefangenenchor an die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran (1979 bis 1981) erinnert. Das vordergründige Liebeskarussell bei Abigaille, Fenena und Ismaele lässt ohnehin an erotische Episoden so mancher internationaler Politiker denken. Aber sehr viel mehr würde die ziemlich plakative Dramaturgie der Oper nicht aushalten. Bodenständig ist freilich die Schilderung von Machtkämpfen und Intrigen, wie sie sich bei Abigaille und Nabucco abspielen. Und wenn die Israeliten, unter ihnen die für ihren Glaubensübertritt mit Blendung bestrafte Fenena, von Gewehrsalven niedergemäht werden und der Oberpriester des Baal (kleine, aber wichtige Intrigantenrolle, gut ausgefüllt von Morgan Moody) über die Leichen stapft und einen noch Lebenden eigenhändig erschießt, weiß man kaum noch wohin mit seinen Gedanken.

Für das Heute nicht mehr gangbare „lieto fine“ der Oper hat Regisseur Herzog eine überzeugende, regelrecht beklemmende Lösung gefunden. Der wie Shakespeares Lear wahnsinnig gewordene Nabucco, welcher von seinen einstigen Untergebenen mit frivolem Übermut in einem Rollstuhl (als Thronersatz) über die Bühne geschaukelt wird, erlebt eine Vision: die Toten erheben sich, das Fest des Beginns hebt neu an. Abigaille schmiegt sich in den Schoß Nabuccos, seine Tochter wie einst, bevor sie von ihrer niederen Herkunft erfuhr. Der stiere Blick von Sangmin Lee ins Auditorium ist nachhaltig verstörend.

Der koreanische Bariton, vor Ort u.a. als Germont und Mandryka ereignishaft erlebt, ist nicht nur ein superber, belcantoversierter Sänger, sondern auch ein szenebeherrschender Darsteller, als Nabucco changierend zwischen Überheblichkeit und Zusammenbruch. Ihm ebenbürtig die Niederländerin Gabrielle Mouhlen als Abigaille. Sie bewältigt die fast unsingbare Partie mit bestechender Sicherheit, auch wenn die Power von Vokal“furien“ wie Maria Callas, Elena Suliotis, Maria Guleghina oder Ghena Dimitrova nicht ganz erreicht wird. Dennoch beeindruckt ihre vokale Attacke, die zarten Phrasen in heikler Höhe wiederum imaginieren ihre Traviata-Vergangenheit. Als ehrgeizige Karrieristin ist sie äußerst bühnenpräsent.

Stimmlich verwöhnt wird man von Almerija Delic (Fenena) und Thomas Paul (Ismaele); beide auch als Darsteller überaus glaubhaft. Bei Karl-Heinz Lehner (Zaccaria) imponiert nicht zuletzt, wie er die Äußerungen eines entflammten Fundamentalisten und eines religiösen Trostspenders zu einer Figurenganzheit formt. Sein machtvoller Bass deckt das Aufrührerische wie auch das sakral Getönte der Partie gleichermaßen überzeugend ab. Die Qualität des Ensembles erweist sich auch bei kleinen Partien wie Abdallo (Fritz Steinbacher) und Anna (Enny Kim).

Dass das musikalische Niveau des Premierenabends stark akklamiert wurde, ist absolut rechtens, die starke Verweigerung des Publikums gegenüber der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog bleibt freilich bedauerlich und befremdlich. Dies gilt auch – vielleicht eine persönliche Empfindlichkeit – für den ständigen Zwischenbeifall.

Verdis Musik provoziert ihn, natürlich, und die Sänger genießen ihn wohl auch ein wenig. Indem er von der Musik dann aber meist wieder rasch überdeckt wird, darf man auch von Indigniertheit ausgehen. Immerhin: bei der Erschießungsszene wurde nicht applaudiert.

Christoph Zimmermann 11.3.2018

Dank für die aussagekräftigen Bilder an (c) Thomas Jauk / Stage Pictures

 

 

 

 

 

 

 

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